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Feines Gehör

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17.10.2001
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674

Feines Gehör

„Hörst du das?“
„Was denn?“
„Hör doch mal...“
„Ich höre gar nichts.“
Warte, hier...hör einfach.“
„Okay, ich höre immer noch nichts.“
Mach die Augen zu...los, zumachen.“
„Oh, jetzt höre ich es.“
„Was ist es?“
„Es sind deine Haare..“
„Meine Haare?“
„...wie sie auf deine Schultern fallen.“
„Ja. Was noch?“
„Deine Lippen...ich höre deine Lippen.“
„Wobei?“
„Wie sie sich öffnen.“
„...“
„Und ich höre deine Hände...“
„Meine Hände?“
„...wie sie sich strecken, um zu...“
„Um was zu tun?“
Um mein Gesicht zu berühren. Aber jetzt halten sie still.“
„Wie nah sind sie?“
„Nah.“
„Noch näher.“
„...“
„Warum kann ich dein Gesicht nicht berühren?“

       „Wenn ich Dich
    berühren     würde,
    wärst                 du
        dann      noch
                hier
                 ?“

              „Ja.“

„Warum kann ich dann dein Gesicht nicht berühren?“
„Weil du Angst hast:“
„Angst? Wovor?“
„Du hast Angst, dass ich meine Augen öffne.
Und wenn ich meine Augen öffne,
werde ich dich nicht mehr hören können.“
„Würdest du deine Augen öffnen, wenn ich dich berühre?“
„Nö.“

 

Kreative Annäherungsversuche, würde ich das nennen...
Witzig

 

Wirklich schön, nur das "Nö" am Schluß hat mich irritiert. Du hast Dir sicher was dabei gedacht, nicht einfach "Nein" zu schreiben, aber der Text ist so romantisch, daß ich mich daran gestört hab, das nimmt irgendwie die Stimmung.

„Wenn ich Dich
berühren würde,
wärst du
dann noch
hier
?“
Keine Ahnung, ob das kopiert dieselbe Form haben wird, wie im Text, aber das hat mir wirklich gefallen.

Schöne Idee, sehr ungewöhnlich.

Lob von Mad-Sav

 

Danke für's Lesen und Kommentieren.

@Gérard,

war mir ziemlich sicher, dass wenn überhaupt jemand mit dem Lyrik-Argument um die Ecke kommen würde, Du das sein würdest ;) Bin mir durchaus bewusst, hier keine klassische KG vorgelegt zu haben. Halte aber nicht immer allzu viel von klassischer Gattungstrennung und bin, wie viele andere, weitaus bekanntere Autoren, der Meinung, dass Lyrik und Prosa durchaus ineinander verfließen dürfen. Für konkrete Lyrik halte ich den Text nicht, zum größten Teil enthält er weder Metrum noch lyrik-charakteristische rhetorische Figuren. Sehe trotzdem Deine Argumentation, aber bin der Meinung, der Text kann als experimentelle Prosa durchgehen.

San

 

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