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Fehlende Inspiration
Verdammt!
Seit sieben Monaten sitze ich vor meinem Laptop und tippe belanglose Wörter sinnlos aneinander, nur um sie gleich darauf wieder löschen.
Die Tür öffnet sich.
„Hi Schatz!“ begrüße ich meine Frau.
„Hi, ich habe dich vermisst!“
„Wie kommt's dazu? War ich denn lange fort?“
„Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor. Setz dich, ich mach' dir einen Tee.“
„Gern.“
Ich gehe in die Küche und brühe einen Tee auf. Jegliche Form von Ablenkung ist mir gerade lieb.
„Wie war die Arbeit, Schatz?“ Die erste Frage, die ich meiner Frau immer stelle.
„Schrecklich! Kommst du und massierst mir die Füße? Dann erzähl' ich dir wie mein Tag war.“
Nennt mich altmodisch, aber ich verbrachte auch nach 20 Jahren noch gerne Zeit mit meiner Frau.
Während ich ihre Füße massiere, erzählt sie mir von ihrem Tag. Nachdem sie 45 Minuten Verspätung hatte, weil ihr Zug typischerweise eine Panne hatte, sprang sie im prassendeln Regen über Pfützen zu ihrem Büro. Durchnässt blieb sie im Aufzug stecken. So ging das den ganzen Tag weiter.
Ich sage immer, manchmal hat man Glück, manchmal hat man Pech.
„Hast du etwas zu Essen gekocht? Ich sterbe vor Hunger.“
Ich hatte ihr Lieblingsessen zubereitet. Spaghetti Bolognese.
Wir sitzen am Küchentisch bei Kerzenlicht. Im Hintergrund spielt ein melancholisches Saxophon. Das Licht der Kerze hüllt das Esszimmer in eine romantische Atmosphäre.
„Und wie läuft es bei dir? Hast du etwas geschrieben, oder irgendeine Idee.“
„Fehlanzeige. Ich hatte vor einer Stunde den 37. ersten Satz verfasst und verworfen. Irgendetwas fehlt.“
„Du wirst es schaffen. Wie du es immer getan hast. Erinnere dich an '97. Du hast 8 Monate vor leeren Seiten gesessen und dann plötzlich geschrieben, bis dir die Finger wund wurden.“
„Ich danke dir.“
„Wofür?“
„Für alles. Du holst immer das Beste aus mir raus. Du glaubst immer an mich, weichst mir nie von der Seite.“
„Bis dass der Tod uns scheidet.“
„Amen.“
Wir sind nicht religiös, aber einige der vermittelten Werte wussten wir schon zu schätzen.
Nach dem Abendessen gehen wir zu Bett. Ich krame aus der Kommode einen alten King Roman hervor. „Das geheime Fenster“. Ich lese und schlafe dann irgendwann ein.
Ich träume von einem Unfall. Einem Autounfall. Ein Mann rast mit erhöhter Geschwindigkeit über die Hauptstraße. Obwohl taghell, ist kaum Verkehr. Plötzlich bremst der Fahrer scharf. Ein Schreien und das dumpfe Geräusch eines Aufpralls. Ich schwebe über der Szenerie, wie ein Adler über seiner Beute kreist. Bevor ich die Gesichter der Beteiligten sehen kann, wache ich schweißgebadet auf.
Die andere Hälfte des Bettes ist leer. Ich blicke auf die Uhr. 11 Uhr, sie war schon fort. Ich gehe in die Küche und mache mir einen Kaffee mit einem Schuss Whiskey. Alkohol am Morgen ist eine Sache, bei der ich mir nie erträumt hatte, dass sie Wirklichkeit annimmt. Doch Whiskey löst nicht nur die Zunge, sondern auch die Finger. Und ich tippe mir die Finger wund. Wie sie es gesagt hatte.
Als ich fertig bin, bestaune ich mein Werk. Mit einer Zigarette im Mundwinkel lese ich das Geschriebene immer und immer wieder durch.
Ich klappe den Laptop zu und blicke zur Tür. Doch sie bleibt verschlossen. Jessica war vor 7 Monaten gestorben. Sie hatte mich ein letztes Mal inspiriert. Meine Muse ist nun fort, von nun an muss ich ohne sie leben.