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24.02.2005
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Sie baten mich in einen Hundezwinger, in den sich gerade einmal drei Personen hineinkauern konnten. Es roch schlimm nach zweckentfremdeten Papier. Zuerst schwiegen sie - ein Spielchen, um mich nervös zu machen. Dann sagte der Typ mit der Kapuze:
„Was glaubst Du, wie viele Schriftsteller in Deutschland von ihrer Kunst leben können?“
„200“, schätzte ich.
„Das wäre bei einer Bevölkerung von 82 Millionen und 238 Tausend grob geschätzt jeder Vierhunderttausendste“, sagte der mit der Basecap wie aus dem Taschenrechner geschossen.
Die Zahl überraschte mich.
„Glauben Sie im Ernst, dass Sie gut genug schreiben können, um 400.000 Andere mit ihrem Talent zu übertreffen?“, fragte der mit der Kapuze und zog danach an einem Seil. Eine Glocke ertönte in zweisekündigen Abständen.
„Glauben Sie im Ernst, dass mich diese Zahlenspiele beeindrucken? Ich war eine totale Null in Mathematik“, antwortete ich schließlich, total cool.
„Realitätsverlust“, flüsterte der mit der Kapuze dem mit dem Basecap zu, aber so laut, dass ich es hören sollte. Dann wurde ich von Händen aus dem Zwinger gezerrt, die so kräftig waren, dass sie mir eine Rippe brachen. Realitätsverlust, dachte ich schmerzverzerrt, lächerlich.

 

Den Traum, von seiner Schreibe leben zu können, hat m. E. hier vor Ort jeder und mancher säh's als Reich der Freiheit (im Sinne Marx' etwa) an und landet doch bestenfalls bei Selbstausbeutung (wie ja auch tausende von Minijobbern und Unterbezahlten hierzulande). Das ist nicht das erste Mal, dass Du die Schriftstellerei thematisierst,

lieber Nicolaijewitsch,

aber Deine Geschichte ist beklemmend wie der Hundezwinger. Der ist freilich keineswegs überdimensioniert, nicht einmal für einen Pinscher - für deren größte Erscheinung, dem Dobermann, schon gar nicht. Wenn sich darinnen

gerade einmal drei Personen hineinkauern konnten
grenzt es an Käfighaltung. Der Zwinger ist offensichtlich allzu gering bemessen.

Ob es nun 200 (freischaffende) Schreiberlinge geschafft haben, weiß ich nicht, und zahlenmäßig passt es ja auch, wenn wir Minijobber etc., s. o., einbeziehen, tatsächlich wollen keine 400.000 überhaupt schreiben oder, wenn doch, so werden sie niemals über den häuslichen Bereich hinauskommen.

„Glauben Sie im Ernst, dass Sie gut genug schreiben können, um 400.000 Andere mit ihrem Talent zu übertreffen?“
wäre somit eine äußerst hypothetische Frage.

Damit zeigt fürs Erste die kleine Geschichte: wir Leben unter Zwängen (weil wir im Käfig / Zwinger hocken) und die Chance, selbständig & frei leben zu können hat eine nicht benennbaren Bruchteil von unter einem Promille, exakt 0,0025 Promille. Da wissen wir, wann wir den glücklichen Punkt erreichen - aber auch die anderen genannten und unbenannten Bevölkerungsschichte ...

Gruß

Friedel

 

Moin Nicolaijewitsch,

leider kann ich mit Deiner Geschichte nichts anfangen. Ich kann mir zwar vorstellen, was da passiert. Aber sie ist zu Ende, bevor ich begriffen habe, was da passiert. Vielleicht verstehe ich auch nicht, warum die Angabe von 200 auf die Gesamtbevölkerung bezogen wird und nicht auf die Anzahl der Schriftsteller.

Gruß,
Peter

 

Das wär halt clever gewesen, es mal auf ironische Weise zu hinterfragen. Der andere hätte sagen können: Ich schreib besser als die 400.000 1jährigen, besser als die 400.000 2jährigen und besser als die 400.000 3jährigen werde ich auch noch grad so schreiben. Die 400.000 Analphabeten schaff ich noch und die 400.000 Emigranten, die unserer Sprache nicht mächtig sind, usw.
Also wie diese Statistik-Witzchen, dass in Deutschland keiner arbeitet.

Diese Zahlen sind auch völlig aus der Luft gegriffen. 200 Leute ... das ist einfach Quatsch. Dann kann man halt mal 5 Sekunden recherchieren, was die Gewerkschaft so sagt usw. Über den Daumen gepeilt scheint mir die Zahl viel zu niedrig zu sein. Wobei es eben auch Leute gibt, die vom schreiben leben könnten (auf so bisschen über Bettelstudenten-Niveau), es aber als Zubrot zu einem Brotjob machen.

Die Geschichte jetzt hat was von so einem - für mich albernen - Autoren-Gestus, dass man es trotz aller Unbillen doch schaffen wird - irgendwann, wenn man es mal richtig versucht ... morgen! Da schwingt für mich immer mit, dass man gerne Autor wäre, ohne zu schreiben. So wie kein Kellner oder Taxifahrer in Los Angeles wirklich Kellner oder Taxifahrer ist, sondern alle Schauspieler, Sänger und Drehbuchautoren, nur dass sie halt weder schauspielern, singen noch schreiben.

Eine Kurzgeschichte in irgendeiner Form sehe ich hier nicht.

 
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Hallo liebe Kritiker,

danke für Eure Mühe. Das Wörtchen "überdimensioniert" war wirklich fehl am Platz. Ist mir fast wahnsinnig peinlich.

Die genauen Zahlen sind gar nicht so wichtig - es geht mehr um die Intention dahinter. Nicht umsonst sagt der "Held" meiner Kürzestgeschichte, das ihn "diese Zahlenspiele" nicht beeindrucken."

Sorry, aber vielleicht noch mal mit Humor lesen.

Schöne Zeit noch,

Nico

 

Hallo Nicolaijewitsch!

Für mich hakt die Story an dieser Frage:
„Glauben Sie im Ernst, dass Sie gut genug schreiben können, …“

Gut schreiben können ist nur die halbe Miete und nutzt dem Autor nix, wenn er kein marktgerechtes Thema verfasst. Da kann ein Lektor jubeln wie irre, wenn der Marktstratege sein Veto einlegt, wars das.

Das könntest du noch in die Geschichte einbauen.

Gruß

Asterix

 

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