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Fast wie Spiderman
Martin hoffte, dass Nadine noch kommen würde. An der Haltestelle schlossen sich die Türen des Busses, ohne dass sie ausgestiegen war. Er wartete nun schon eine Weile gemeinsam mit Chris und dessen Freundin Nicole vor dem Schwimmbad und seine Enttäuschung wuchs mit jeder Minute, denn alleine mit den beiden würde es langweilig werden. Martin mochte Chris nicht besonders. Er war hochnäsig, weil er ein Jahr älter war und alle Mädchen auf ihn standen. Außerdem war er gut in Sport - ganz anders als Martin, der sich gerne davor drückte. Dafür war er super in Mathe, und das konnte Chris einfach überhaupt nicht. Meistens schrieb er deshalb im Schwimmbad von ihm ab – was auch ganz in Ordnung war, denn das bedeutete, Chris würde ihn zumindest in seiner Nähe dulden und ihn auch nicht allzu grob behandeln. Und außerdem sah es dann vielleicht so aus, als wären sie befreundet. Und Nadine mochte sicher keinen Außenseiter, der keine Freunde hatte.
»Hey, da ist sie ja endlich!« Nicole deutete zur Bushaltestelle, an der Nadine gerade ausstieg. Martin freute sich, dass sie doch noch gekommen war.
»Puh, ist das heiß. Danke, dass ihr gewartet habt - ich hab meinen Bus verpasst und musste den nächsten nehmen.«
Nicole begrüßte die Freundin mit einer Umarmung und sagte: »So lang warten wir auch noch nicht. Die Jungs haben wieder mal getrödelt«
»Die Jungs?«, entgegnete Chris. »Stimmt doch überhaupt nicht. Ich war fertig, nur Martin musste ja unbedingt noch in diesen neuen Bücherladen.« Daraufhin wurde Martin rot. Aber Nadine schien das nicht zu bemerken. »Bei euch gibts nen Bücherladen?«, fragte sie.
»Ja, aber der ist nur klein«, antwortete Martin und freute sich insgeheim, dass sich Nadine für den Laden interessierte.
»Macht doch nichts, dass er klein ist«, sagte sie. »Ich mag Bücher.«
»Typisch Mädchen«, scherzte Chris und fing sich dafür einen Klapps von seiner Freundin Nicole ein.
»Blödsinn, ich find Bücher auch langweilig und – bin ich etwa kein Mädchen?«
»Du bist ne Zicke, kein Mädchen.«
Nicole drohte ihm grinsend mit dem Zeigefinger. »Wart nur, bis wir alleine sind, mein Süßer!«
Nadine verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf, machte dann einen Schritt auf Martin zu, der bisher schweigend daneben gestanden hatte.
»Kannst du mal schnell halten? Ich muss an meinen Geldbeutel.« Daraufhin streckte sie ihm ihr Handtuch entgegen. Martin stammelte: »Ich ...«
Stattdessen war Chris sofort zur Stelle und griff wie selbstverständlich danach. »Martin ist halt nicht der Schnellste, weißt du ja.«
Nadine warf ihm einen missbilligenden Blick zu. »Sag nicht so was über ihn, du bist gemein!«
»War ja nicht so gemeint«, antwortete Chris und legte seinen Arm um Nicole, die aufhörte, auf ihrem Kaugummi herumzukauen und Chris einen Kuss auf die Wange drückte.
Martin zuckte mit den Schultern. Viel lieber wäre er natürlich alleine mit Nadine im Schwimmbad, aber die würde ohne ihre Freundin Nicole sicher nicht kommen.
»Übrigens, Martin, ich schreib nachher Mathe von dir ab«, sagte Chris.
»Ich habs leider noch nicht ganz fertig.«
»Macht nichts, wir gehen eh erst einmal ins Wasser, da hast du ja dann Zeit.«
Martin seufzte. »Na gut.«
Nadine war in diesem Frühjahr neu in die Klasse gekommen und Martin fand sie von Anfang an süß. Sie war sanft, zart und in ihrer Nähe hatte er das starke Gefühl, sie beschützen zu müssen, wie Spiderman das immer machte - sein großes Vorbild. Nicole dagegen wurde öfter mal laut und eigentlich passte sie damit ganz gut zu Chris. Jeder Junge in der Klasse stand auf sie. Und hätte jemand Martin gefragt, ob er auch auf sie stand, hätte er ganz sicher ja gesagt. Niemand traute sich öffentlich, Nicole nicht zu mögen. Genau wie sich niemand traute, Chris erst als zweiten in die eigene Manschaft zu wählen.
Ein paar Minuten später waren Chris und Nicole im Wasser. Nadine sonnte sich auf der Wiese und las in einem Fantasybuch. Martin kannte die Geschichte und mochte sie sehr. Darin ging es um einen Jungen, der während einer Zugfahrt im Tunnel steckenblieb und durch ein Tor in eine Fantasywelt gelangte, in der er zunächst ein Mädchen retten und gemeinsam mit ihr einen alten Zauberer befreien musste.
Gerne hätte er gewusst, auf welcher Seite sie gerade war, aber auch wenn er blinzelte, konnte er es nicht erkennen – dafür war er zu weit weg. Er hatte sich nämlich nicht getraut, sein Handtuch neben ihres zu legen.
Nadines feine Härchen an den Unterarmen leuchteten in der Sonne und Martin erinnerte sich an den Moment, als er sie das erste Mal berührt hatte. Er war nach Unterrichtsende neben ihr aus dem Klassenzimmer gegangen und hatte für einen Augenblick seinen Arm gegen ihren gedrückt. Es wirkte wie ein Zufall, denn alle wollten gleichzeitig durch die schmale Tür auf den Gang und da kam es vor, dass man ein wenig rempelte. Was jedoch niemand wusste: Das alles war genau vorausberechnet. Er hatte viele Tag geübt, bis er es raus hatte, wann er nach dem Unterricht aufstehen musste, damit sie sich begegneten.
Nadine räkelte sich und legte ihr Buch zur Seite. Dann sah sie zu Martin, und der blickte schnell weg. Sie jedoch lächelte und stand auf. »Ich geh zu den anderen ins Wasser - sonst penn' ich noch ein. Kommst du mit?«
»Naja, ich muss noch Mathe machen«, antwortete Martin und räusperte sich.
»Mach doch später.«
»Aber Chris will doch ...«
»Ach, lass doch Chris Chris sein.«
»Ich komm nach.«
Nadine zuckte mit den Schultern und ging in Richtung Wasser. Martin biss sich auf die Unterlippe. Warum war er nicht mitgegangen? Im Wasser wäre er bei Nadine gewesen. Aber dann fiel ihm ein, dass dort auch Chris war und vermutlich würde der ihn untertauchen und auslachen. Und außerdem wollte er noch Mathe von ihm abschreiben. Nein, besser zuerst die Hausaufgaben machen. Das würde ohnehin besser gehen, wenn Nadine nicht in der Nähe war.
Er schlug sein Heft auf und suchte die Aufgaben, aber dann wanderte sein Blick zu Nadines Platz. Aus dem rotem Rucksack hing ein Ärmel. Die zwei weißen Converse lagen daneben. Er seufzte.
Nachdem er ein paar Lösungen hingekritzelt hatte, klemmte er den Kugelschreiber ans Heft und sah rüber zum Wasser, konnte die anderen aber nicht sehen.
Vielleicht könne er ja herausfinden, wie sich Nadines Handtuch anfühlte. Es berühren, nur ganz kurz. Dann würde er Mathe fertig machen und zu Nadine gehen - und Chris Chris sein lassen.
Aber andererseits wäre es furchtbar peinlich, wenn das jemand sehen würde. Er seufzte. Sicher würde das Handtuch gut riechen. Und wenn er sich beeilte, würde es auch niemand bemerken. Er könnte ja so tun, als würde er auf dem Boden etwas suchen. Oder, noch besser: Sein Handtuch vom Schatten, in dem er normalerweise lag, in die Sonne ziehen. Also in die Nähe von Nadines Platz. Jetzt, da sie nicht da war, wäre das ja gefahrlos möglich. Und wenn die anderen zurückkommen sollten, könnte er flink wieder an seinen Platz zurück und keiner würde etwas bemerken.
Schließlich räumte er das Heft beiseite und atmete einmal tief durch. Dann stand auf und zog sein Handtuch neben das von Nadine. Aufmerksam blickte er sich um, aber niemand sah her. Also legte er sich hin und hatte augenblicklich Nadines Parfum in der Nase und es roch so süß wie jedes Mal, wenn er in ihrer Nähe war.
Jetzt musste er nur noch die Hand ausstrecken. Er fühlte den schmalen Grasstreifen, der seinen Platz von Nadines trennte, und - ihr Handtuch war weich. Und feucht an der Stelle, an der sie vorher gelegen hatte. Dann drückte er seine Nase in den feuchtwarmen Stoff und sog die Luft tief ein. Süß, nach Weichspüler, Sonnencreme und ein wenig herb nach Schweiß.
Alles fühlte sich aufregend an! Über ihm tanzten Blätter an den Ästen und er lag neben Nadines Platz. Wie schön es jetzt wäre, unsichtbar sein zu können – dann würde Nadine kommen und er könnte sie aus der Nähe betrachten. Vielleicht die Hand ausstrecken und ihre zarte Haut berühren und an ihren Haaren riechen.
Für einen Moment wurde ihm schwindlig und er bemerkte, dass er lächelte. Als er wieder klar sehen konnte, wanderte sein Blick zu Nadines Schuhen aus weißem Leinen, das an manchen Stellen schon schmutzig war. Sie waren so nah, dass er die Stiche der Naht zählen konnte. Langsam fasste er hinein, erforschte die Vertiefungen, die Ferse und Zehen hinterlassen hatten.
Dann öffnete er den Rucksack. Er fand die Jeans und tastete tiefer, spürte schließlich weichen Stoff und zog ihn heraus. Nadines Höschen! Das sie den ganzen Tag getragen hatte! Mit geschlossenen Augen drückte er sich den warmen Baumwollstoff ins Gesicht und sog die Luft tief durch die Nase ein.
Plötzlich hörte er Stimmen. Vor Schreck stopfte er das Höschen unter sein Handtuch, legte sich hin und schloss die Augen. Aber sein Herz klopfte wild. Die drei kamen vom Wasser zurück, alberten jedoch herum und Chris stolzierte hinter den Mädchen her. Alles in Ordnung, sie hatten nichts bemerkt.
Nadine blickte zu ihm runter und grinste.
»Willst doch noch ein bisschen Sonne abbekommen, ja?« Martin blinzelte und hoffte, dass sie die Röte in seinem Gesicht nicht bemerken würde.
»Warum?« Seine Stimme zitterte.
»Na, weil du jetzt in der Sonne liegst. Vorhin warst du doch dort drüben.« Sie deutete zu seinem Rucksack, der noch am alten Platz lag und Martin wünschte sich, er wäre da nie weggegangen.
»Vielleicht ein bisschen, ja.«
»Schadet dir sicher nicht.« Sie lächelte und legte sich neben ihn.
Ein paar Meter weiter lagen sich Chris und Nicole lachend in den Armen. Chris versuchte gerade, Nicole zu küssen, während sie sich mit Fäusten dagegen wehrte.
Martin seufzte. Er hatte einen Fehler gemacht. Das mit dem Höschen war eindeutig zu viel gewesen. Hoffentlich gingen alle bald ins Wasser, damit er es zurück in den Rucksack stecken konnte.
Eine Weile tat er, als würde er dösen. Chris hatte Mathe entweder vergessen oder ihm war Nicole gerade wichtiger. Sehr gut. Natürlich konnte Martin nicht schlafen, denn Nadine lag neben ihm und alleine schon der Geruch ihrer Sonnencreme verursachte ein Kribbeln in seinem Bauch. Immer wieder blinzelte er und betrachtete sie. Er bräuchte nur die Hand auszustrecken und er könnte ihren Schenkel berühren. Natürlich traute er sich nicht. Dabei wollte er das so gerne, wollte ihren weichen, warmen Mädchenkörper spüren, gemeinsam mit ihr lachen und spielen, wie Chris das mit Nicole tat. Er beneidete die zwei. Und plötzlich wurde ihm klar, dass er Nadine niemals würde haben können. Und er fühlte sich unendlich einsam. Und das, obwohl er ihr noch nie so nahe war wie in diesem Augenblick.
Fernes Donnergrollen riss ihn aus seinen Gedanken und Martin bemerkte, wie sich dicke Wolken vor die Sonne schoben.
»So ein Mist, gibts heute doch noch ein Gewitter«, sagte Nicole. Chris jedoch zuckte mit den Schultern. »Ist doch egal. Gehen wir halt ins Kino.«
»Ja, aber das ist doch erst am Abend.«
»Dann schauen wir eben vorher bei dir vorbei und – naja. Vertreiben uns die Zeit.« Er grinste und Nicole grinste zurück.
Martin war überhaupt nicht nach Lachen zumute. Wenn jetzt alle ihre Sachen packten, wie sollte er dann das Höschen aufräumen? Reglos lag er da. Sein Herz pochte. Nadine stand auf und nahm den Rucksack auf die Schulter. »Ich geh mich mal umziehen!«
Nicole löste sich aus Chris' Umarmung und ging hinterher. »Warte, ich komme mit!«
Martin wurde kalkweiß und blickte den Freundinnen nach, wie sie lachend in Richtung Umkleide verschwanden.
»Mädchen«, murmelte Chris. »Dass die immer gemeinsam überall hin müssen.«
Da er fürchtete, sein Stimme würde zu sehr zittern, deutete Martin nur ein Schulterzucken an und hoffte, dass das als Antwort reichte.
»Komm, schieb schnell Mathe rüber, dann schreib ich das ab, bis die zwei wieder da sind. Hast es fertig?«
»Nur die erste Aufgabe ...«, stammelte er.
»Nur die erste? Willst du mich verarschen?«
»Tut mir leid ...«
»Na egal. Komm schon, gib mir das Heft.«
Martin zögerte und ging zu seinem Rucksack, holte das Heft raus, gab es ihm und sah zu, wie er schnell und unsauber abschrieb. Immer wieder schielte er zu den Damenumkleiden, aber die Mädchen kamen nicht. Was sollte er nur machen? Wenn das mit dem Höschen rauskäme, würde Nadine kein Wort mehr mit ihm sprechen. Aber ihm fiel nichts ein, was er tun konnte, solange Chris in der Nähe war und zusah.
Schließlich kehrte Nadine alleine zurück, ging zu ihrem Platz und suchte den Boden ab. Nach einer Weile kam auch Nicole. »Und, hast es gefunden?«, fragte sie.
»Nee, keine Ahnung. Kann doch nicht einfach weg sein.«
Martin blieb nichts übrig, als zuzusehen. Und natürlich schob Nicole sein Handtuch zur Seite und er wäre bei dem Anblick des zerknautschten Höschens am liebsten unsichtbar geworden.
»Hey, schau mal. Hier ist es!«
Nadine murmelte leise und bückte sich schnell danach. Sie versuchte, es unauffällig zu machen, aber Chris hatte es natürlich bemerkt.
»Oho!«, höhnte er. »Sexy, sexy. Der Martin traut sich was!«
»Aber ich hab nicht ...«, krächzte Martin.
Nadines Wangen glühten und er wusste nicht, ob sie ihn nun ohrfeigen würde, oder weglaufen. Sie entschied sich fürs Ignorieren und verschwand zur Umkleide. Nicole rollte mit den Augen und folgte ihr.
»Schaut lieber nach, obs feucht ist!«, rief ihnen Chris hinterher und brach in schallendes Gelächter aus.
Martin wurde übel. Chris stand auf und ging mit ernster Miene auf ihn zu.
»Lass Nadine in Ruhe, klar? Die ist nichts für dich.«
Er sagte das ganz ruhig. Als würde man erzählen, was gestern Abend im Fernsehen kam.
»Aber ich hab doch nicht ...«
»Erklär das nicht mir, Alter.«
Nach einer Weile kamen die Mädchen aus der Umkleide, Nadine sagte kein Wort. Und Martin stand da und rührte sich nicht. Schließlich ging sie zum Ausgang und Chris folgte ihr, Nicole wartete noch, schwieg aber.
Martin blickte zu Boden, dann zu Nicole, und dann wieder nach unten. Nicole schüttelte den Kopf.
»Das ist echt mies. Das war ihr echt peinlich.«
»Aber ich wollte doch nicht ...«
»Und weißt du was? Sie fand dich sogar nett. Gestern hat sie mir gesagt, der ist nicht wie alle anderen. Aber ich glaub, die kannst du jetzt vergessen.«
Martins ganzer Körper fühlte sich taub an. Sie fand ihn nett! Nadine, das Mädchen mit dem süßen Lächeln fand ihn nett! Jetzt hatte er alles kaputt gemacht. Alles war verloren. Nicole ging, ohne noch etwas zu sagen. In der Ferne donnerte es. Was würde nur Spiderman jetzt tun? Ganz sicher würde er alles in Ordnung bringen. Sich einfach sein Kostüm überziehen und aus Peter Parker würde ein Held werden. Aber leider hatte Martin nichts dabei, um sich zu verwandeln. Und so, wie er dastand, bekleidet nur mit einer Badehose, fühlte er sich schutzlos.
Trotzdem: Spiderman würde nicht aufgeben. Und es wäre ihm egal, ob er sein Kostüm trug oder Jeans - Peter Parker wäre auch im richtigen Leben ein Held. Und plötzlich wusste Martin, was er zu tun hatte.
Er musste laufen, um die anderen noch zu erreichen.
»Nadine, bitte, ich muss dir etwas sagen!« Die drei drehten sich um. Nicole zuckte mit den Schultern und blickte zu Nadine. »Chris und ich warten an der Bushaltestelle.«
Damit gingen beide und Nadine stand alleine da. Martin kam langsam näher, es war, als würde er durch Honig gehen. Ein paar Schritte vor ihr blieb er stehen. »Ich wollte ... es tut mir leid. Es war nur ...«
»Also warst dus doch! Sag mal, weißt du eigentlich, wie peinlich das ist? Was würdest du sagen, wenn dir jemand deine ... du weißt schon, was klaut?«
»Tut mir leid«, sagte er kleinlaut.
Sie seufzte und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Das kannst du doch nicht einfach so machen.«
»Ich weiß. Tut mir leid. Ich machs auch nie wieder.«
»Das will ich auch hoffen!« Sie streifte sich eine Strähne hinters Ohr und verschränkte die Arme vor der Brust. »Warum hast du das eigentlich gemacht?«
Jetzt könnte er es ihr sagen. Es war ja eh alles verloren. Und wenn es nichts mehr zu verlieren gab, konnte man auch ehrlich sein. Aber die Worte wollten nicht raus.
»Ich weiß auch nicht«, stammelte er stattdessen.
»Nun sag schon.«
Er holte tief Luft. »Ich mag dich.« Da war es raus. Nadine schaute ihn entgeistert an.
»Du magst mich? Und darum klaust du meine ... darum tust du das? Das ist mal 'ne schöne Art, 'nem Mädchen zu zeigen, dass man sie mag!«
Martin fühlte einen Stich in seiner Brust. Aber zumindest hatte er ihr alles gesagt. Ihr endlich die Wahrheit gesagt. »Bist du sehr sauer?«
Sie zuckte mit den Schultern.
Martin sagte: »Das ist blöd, wie jetzt alles ist. Ich will das nicht.«
»Was willst du denn dann? Wie soll es denn sonst sein?«
Er blickte ratlos auf seine Füße und eine Weile sagte keiner was. Als Nadine weitersprach, klang ihre Stimme sanfter.
»Du ... ich muss jetzt weg. Der Bus ist gleich da.«
»Ja gut.«
»Weißt du ... du musst schon wissen, was du willst.« Damit drehte sie sich um und rannte davon.
»Nadine«, rief er ihr nach. Aber sie hörte ihn nicht oder wollte ihn nicht hören und Martin war alleine. In diesem Augenblick spürte er den ersten Tropfen auf der Stirn und in der Ferne grollte der Donner.