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Faschingssonntag oder "Ich, Caesar"
Faschingssonntag oder „Ich, Caesar
Dritte Fassung
O Wallenstein, du eigner Held,
Bewundert viel, begeifert von der Welt,
Im Tode doch blüht dir ein Glück:
Von Schillers Hand das hübsche Stück!
Friederike Kempner
Tiefste Nacht ist und die Egerländer Musikanten blasen Sturm. Die Narren haben Freigang und nicht allein der Wind gibt rote Nasen. Kalt ist und wir begeben uns ins Schloss.
Wir blicken durch den großen Schlafraum des mächtigsten Mannes im Reiche nebst dem Kaiser. Durchs Dämmerlicht erkennen wir, wie ein gedrungener Mensch im Nachthemd sich zum Fenster schleppt, es öffnet. Der Herzog von Friedland und Mecklenburg, Fürst zu Sagan und Boss des größten Kriegsunternehmens aller Zeiten und bis vor einem Monat gewesener Generalissimus des Hauses Österreich spricht mit zittriger Stimme in die Nacht hinein zu jemand, den wir nicht erkennen:
»Düster ist unser Leben geworden und Ares regiert die Welt. Wenn jetzt nicht Eirenen gelingt zu obsiegen, wird die ganze Welt weiter im Finsteren verharren; auf eben die gleich’ elend lange Zeit als die Herrschaft des Ares schon auf allem lastet! Ist aber das geschichtlich’ Erdreich erst einmal aufgewühlt, muss mit erstaunlichen Gewächsen gerechnet werden: mit kolossalen Helden und eben solchen Zwergen, die feig’ ihr Gift verspritzen.«
Bitter lacht der Mensch auf und fährt fort: »Erinnere mich des Spiels unter Kindern: so wird gesagt, ich hätte nur Kriegsspiel geduldet. – Welch ein Scherz!«
Den wir nicht erkennen, lacht.
Oder kommt das Lachen von den Narren da draußen?
Irgendwo herrscht Tumult unter den Jecken. Andere Jecken lenken die Stadtwache ab.
Aber die ist schon kräftig angetrunken.
»Als ich später den Mitschülern erzählte, dass sich die Weiden vor mir verneigt hätten, glaubten sie’s. ’s waren wohl Trauerweiden und Trauerklöße zugleich. –
Heut’ kehrt es als Gerücht zurück zu mir! –
Erinnere mich dessen, was der Astrolog' aus den Sternen erkannte: hätt’ ein wachendes, aufgemuntert, emsig und unruhig Gemüt, sei begierig auf Neuerung. Wie nebenbei lasse sich erkennen ein großer Durst nach Ehren und Streben nach Dignität und Macht. – «
Und kichert kurz: »Nun ja, mein’ Durst löscht ein Pils’ner nicht allein. –
Hierdurch entstünden mir viel’ öffentliche und geheime Feinde, die mir großen Schaden zufügen könnten. Obsiegte zweifellos meistenteils über sie, sofern ich nur den Lauf der Welt beachtete. So gelangt’ ich zu hohen Dignitäten, Reichtum und, - nachdem ich mich endlich in Höflichkeit schicken tät’, - zu einer stattlichen Heirat.
Und der Astrolog’ hat recht, recht hat der Sterngucker: Die Sterne logen nicht! –
Was weiter erzählt’ der Astrologe?
Mir gefiele nicht das gemeine menschliche Wesen und Händel, sondern ich trachtete nach neuen, bisher unversuchten Mitteln. Doch hätt’ ich viel mehr in Gedanken, als ich äußerlich spüren und sehen ließ’.
Was mir nicht gefällt am Horoskop, dass ich unbarmherzig wär', ohn’ brüderlich’ und eheliche Liebe, niemand achtend, denn nur mich und der Wollust ergeben. Wär' hart zu den Untertanen und zöge sie an mich. Wäre geizig, betrüglich und behandelte sie alle ungleich.
Sicherlich bin ich meist stillschweigend, doch dann wieder ungestüm und streitbar. Doch ähnelt’ ich also der englischen Elisabeth und dem gewesenen Kanzler der Polen.
Alles wahr und eingetreten, was der Astrologe vorausgesehen. Doch fürcht ich allein die Rede, dass ich nicht allen Feinden überlegen sein werde. – Das ängstigt mich!«
Vorm Schloss taucht ein Trupp riesiger Kerle auf. Dragoner. Die haben Mut sich angetrunken in den Karnevalswirren.
»Fürchte nicht den offenen Kampf der Kolosse. Ich fürcht den Zwerg und unsichtbaren Feind, der Gift verspritzt. Allein durch feige Furcht ist er fürchterlich. Das ganz Gemeine, ewig Gestrige. –
Das ganz Gemeine ist’s, was immer war und immer wiederkehrt und morgen noch gilt, weil’s heut schon gegolten. Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht, Gewohnheit nennt er seine Amme. Weh dem, der würd’gen alten Hausrat zerdeppert!
Diesem Feind muss zuvor ich kommen. Dess’ Kriechen, dess’ knechtischen Verbeugens könnts Blut gemeiner Menschen in Wallung versetzen und vorbestimmte Wahl, gefassten Beschluss zu Kinderwillen machen. Süße Worte, gekrümmter Rücken, gebeugtes Knie, hündische Schmeichelei suchen den Entschluss zu ändern.«
Und der Mensch schreit hinaus in die Nacht so laut er kann: »Euer Kaiserlicher Majestät untertänigst gehorsamster Fürst und Diener! Dem ich nicht lach!«
Die Dragoner vorm Schloss hören jemand schrei’n: »Euer Kaiserlicher Majestät untertänigst gehorsamster Fürst und Diener! Dem ich nicht lach!«
Einer nickt: »C’est l’homme Val’stejn!«, und die Männer dringen ins Schloss ein.
»Ferdinand, Zwerg nach Giganten wie Rudolf, Max und Karl, mit dem sich schon mein Großvater gestritten. Ich pfeif auf die Anred' „Euer Liebden“ oder „Euer fürstlich’ Gnaden“ und erst recht „Von Gottes Gnaden“! Ha! Ausgekotzt aus irgendei’m göttlich sich wähnenden Verdauungstrakt: Gnade kann nur der Himmel gewähren. Und da werden des Kaisers Händ' tausendmal sich falten, um Vergebung zu erfleh'n. Tausendmal wird er sterben, bevor einmal er stirbt.
Was planlos gescheh'n, soll in einen Plan nun gegossen werden: ein neues Reich mit modern’rer Verwaltung, der Frondienst gehört abgeschafft. Und ohn’ dies abergläubische und totalitäre Gehabe und Getue der Inquisition, mit stehendem Heer und nicht marodierenden Banden, dass der Krieg sich selbst ernähre. Holzeinschlag in den Wäldern werde erlaubt, Fischereiverbote zählen nicht mehr.
Denn werden die Lebensbedingungen der Untertanen verbessert, werden sich auch meine Einnahmen steigern.
Manufakturen sind zu errichten, Kollegs und Universitäten sind zu gründen, das Recht ist zu vereinheitlichen.
Und schafft das nicht die Liga, so schaff’ es die Union!«
Vom nahen Kirchturm schlägt’s Mitternacht.
»Die Uhr schlägt keinem Glücklichen!«
Vom Treppenhaus her kommt viel Lärm.
»Ich spüre, des Märzen Idus ist mir nah!«
Die Tür wird aufgestoßen.
Der Mensch im Nachthemd wendet sich in den Raum und wir erkennen Eva Mattes als einen vor der Zeit gealterten 50-jährigen Kerl mit gezwirbeltem Schnauzbart, Kinnbärtchen und streng zurückgekämmtem Haar. Der Schatten des Todes steht stumm dabei.
Sie spricht ruhig zu den Eindringlingen: »Spät kommt Ihr, - doch Ihr kommt! Sucht Ihr Vojtěch Václav Eusebius z Valdštejna, so habt Ihr ihn gefunden.
Bin müd’ und krank, kann kaum den Schoppen Bieres selbst mehr führen, geschweige denn den Degen oder gar das Schwert.
Ich denk, einen langen Schlaf zu tun«, und breitet die Arme aus und der von den Leuten sich bisher zurückgehalten, der nimmt nun Schwung und stößt wie nach dem Lehrbuch zu, wie’s die objektive Berichterstattung später beschreiben wird: Man müsse auf die Mitte zielen, wenig unterhalb des Brustbeins, den Stoß aufwärts führen, einen Fuß nach vorne gestemmt –
Zwerchfell und Magen durchstoßen, die Hauptschlagader treffen, die Lunge zerfetzen, mit des Todes riesigem Zackenmesser vier, fünf Organe durchwühlen, da eines bereits genügt hätte.
Feuer, stickender Schmerz, kreisender Weltuntergang. Fragment einer Sekunde: Ein Licht und der Körper sinkt in die ewige Nacht als die Partisane herausgezogen wird aus dem Leib.
Was wird uns gezeigt und hernach berichtet?
Ein langer, hagerer Mann nimmt den kleinen Körper zunächst auf die Arme und will ihn zum Fenster hinaus werfen, -
da, so meint der geneigte Leser, hätten Böhmen und Mähren Erfahrung. Aber unter den Mördern ist gar kein Böhme, kein Mähre und Tscheche, nicht einmal ein Deutscher. –
Aber die anderen wollen anderes: wickeln den Körper in einen roten Teppich und schleifen ihn die Treppe hinab und an jeder Stufe schlägt der Schädel auf. Dann auf einen Wagen geladen, auf dem später weitere gebliebene Anhänger des gewesenen mächtigsten Mannes im Reiche - nebst dem Kaiser, so müssen wir einschränkend sagen - an diesem Faschingssonntag auf lange Zeit zu liegen kommen.
Und keine Kapelle spielt dazu, denn wer hätt’ den Anstiftern das hohe Lied des Mord und Totschlags singen und spielen sollen, gilt es doch immer wieder durch höheren Willen, eine Mörderbande aus dem Vermögen Ermordeter zu entlohnen und somit still zu stellen und die Tat zu legalisieren und zu legitimieren -
da niemand im nahen Alsheim Mnemosyne vermisst. Derweil rechtfertigt vor seinem Ordensgeneral ein Beichtvater: „Solang Friedland dem Reiche und uns glücklich war, freuten wir uns mit ihm. Da er tapfer war, ehren wir ihn. So wir ihn liebten, weinen wir um ihn. Als er aber uns verderben unds Haus Österreich ausrotten wollte, gaben wir am 24. Jänner Befehl, die Herrschsucht zu zügeln und der Göttlichen Majestät gefiel es, den Plan des Erwählten Kaisers gedeihen zu lassen.“