- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 8
Faschingsdekoration
Was war nur heute in der Spielzeugabteilung los? Das Schaufenster war mit dickem Packpapier verklebt und ließ keine neugierigen Blicke hinein.
Der junge Dekorateur lief geschäftig hin und her.
„Kann mir mal einer sagen, was das alles zu bedeuten hat?“, fragte Rosi, die gerade in eine Ecke zu den beiden anderen Schaufensterpuppen gestellt wurde.
„Hier wird wieder mal umdekoriert“, brummte der Teddybär, der unbeachtet auf dem Fußboden lag. Er war schon immer ein sehr schweigsamer Kerl. Aber wenn er sich unwohl fühlte, wie gerade jetzt, sagte er noch weniger.
„Du musst wissen, Rosi, dass von Zeit zu Zeit eine neue Dekoration ins Schaufenster kommt“, erklärte ihr Kati, die mit einem blau-weißen Dirndl bekleidet war. „Da bekommen wir neue Kleider und auch andere Spielsachen.“
„Und morgen beginnt die Faschingszeit“, krächzte ein Plüschpapagei, der auf einer Papppalme hockte. „Da wird es besonders bunt.“
„Habt ihr schon die vielen Faschingskostüme gesehen?“, fragte das rosa Schweinchen Piggy, das neben einem Bauernhof aus Plastik saß.
„Und solche Kleider werden uns heute noch angezogen?“ Rosi sah etwas skeptisch von einem zum anderen.
„Ja, was denkst du denn“, antwortete Max, ein schmucker Knabe in Lederhosen. „Ich freue mich schon darauf, endlich einmal ein Indianerkostüm anziehen zu können.“
Plötzlich riss ein lauter Schrei die Schaufensterpuppen und Plüschtiere aus ihrer Unterhaltung.
„Was war das?“, rief der Plüschpapagei.
Alle sahen sich um und entdeckten schließlich den Dekorateur, der auf dem Boden lag und alle Viere von sich streckte.
„Autsch“, krächzte der bunte Vogel, „den hat es hingehauen!“
Im nächsten Moment rannte die Verkäuferin hinzu und befühlte das Bein des Gestürzten. Erneut schrie dieser auf.
„Das ist gebrochen. Sie müssen ins Krankenhaus. Ich rufe den Notarzt.“
„Aber … aber wer räumt das Schaufenster um? Das muss bis morgen früh geschehen“, presste der Dekorateur zwischen den Zähnen hervor, die er vor Schmerzen zusammengebissen hatte.
„Tut mir leid, Kollege, aber daraus wird nichts. Sie müssen sofort in die Klinik. Da hilft alles Jammern nichts. Das andere hat Zeit. Ihre Gesundheit geht vor.“
Es dauerte eine Weile, bis Männer in rot-weißen Uniformen hereinkamen, den Verletzten auf eine Trage hoben und aus dem Kaufhaus trugen. Etwas später wurden sämtliche Lichter im Laden gelöscht und die Nachtbeleuchtung ging an.
Die Schaufensterpuppen sahen sehr betroffen aus. Sie hatten wirklich Mitleid mit dem armen Mann.
Eine Weile herrschte Stille. Plötzlich rief Rosi: „Ich habe eine Idee! Was haltet ihr davon, wenn wir uns alleine verkleiden? Seht, dort hinten hängen eine Menge Kostüme und auch Schminksachen liegen in den Regalen.“
Teddy kratzte sich am Bauch und brummte: „Keine schlechte Idee.“ Das war sein ganzer Kommentar.
Auch Piggy war Feuer und Flamme. „Lasst uns doch mal schauen, was es alles für Faschingskleider gibt.“ Und schon verließ das Schweinchen seinen Platz und watschelte hinüber zu den Kostümen. „Los, kommt her! Das müsst ihr unbedingt sehen!“
Nach und nach gingen die drei Schaufensterpuppen zu den Regalen.
„Wow, ein Seeräuberkostüm.“
„Hier ist Federschmuck für Indianer.“
„Ist das süß. Das will ich haben“, rief Rosi und hielt ein rosafarbenes Tüllkleidchen in die Höhe. Gleich begann sie, ihr eigenes Röckchen und die Bluse auszuziehen.
Doch sie hatte die Rechnung ohne Kati gemacht. „Das ist meins!“, rief diese und zerrte an dem dünnen Stoff des Prinzessinenkleides.
„Nein! Ich habe es zuerst gesehen!“, schrie Rosi. Und schon zog auch sie kräftig an dem Stoff.
Im nächsten Moment hörte man ein – Ratsch – und das Kostüm war in zwei Teile zerrissen.
„Das habt ihr jetzt davon“, brummte Teddy. „Könnt ihr euch nicht anständig benehmen, wie Braunbären und nicht wie eifersüchtige Mädchen?“
Das war der längste Satz, den Teddy je zustande gebracht hatte.
Entsetzt sahen die beiden Mädchen die Bescherung an. Beide bekamen einen roten Kopf, weil sie sich nun doch schämten. Schnell stopfte Rosi das zerrissene Kleid unter eines der Regale.
Dann übernahm Max die Verteilung der Faschingskostüme.
Der Teddy erhielt ein Baströckchen, das ihn Balu ähnlich sehen ließ. Rosi bekam ein Schmetterlingskleid mit großen Flügeln und auf den Kopf setzte sie sich lange schwarze Fühler. Auch Katis Dirndl wurde durch ein Hexenkostüm ersetzt. Max selbst verwandelte sich im Nu in Robinson Crusoe und setzte sich den Papagei auf die Schultern.
Nur das Schweinchen Piggy fand kein geeignetes Kostüm für sich. Traurig setzte es sich in eine Ecke und dicke Tränen liefen über seine Wagen.
Da kam Rosi eine rettende Idee. Flugs rannte sie in die Tierabteilung. Sie hatte schon öfters Hunde gesehen, die Kleidungsstücke trugen. So etwas musste Piggy doch eigentlich passen. Rosi lief durch die Regale mit Hundeartikeln und fand tatsächlich ein passendes Kleid. Eilig rannte sie zu den anderen zurück und hielt stolz ein winziges Schottenröckchen in der Hand, das sie sogleich um den runden Körper des Schweinchens legte.
„Jetzt brauchen wir nur noch Luftschlagen und Konfetti“, rief Robinson Crusoe, griff ins Regal und holte ein paar Stangen Luftschlangen heraus.
Alle bliesen kräftig und im Nu waren die Narren von buntem Papier umgeben.
Als die Verkäuferin am nächsten Morgen die Spielzeugabteilung betrat, staunte sie nicht schlecht, als das Fenster fix und fertig dekoriert war.
„Wie konnte das geschehen? Unser Dekorateur hatte doch gestern Abend einen Unfall. Ist er denn schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden?“, rief sie.
„Nein, soviel ich weiß nicht“, antwortete einer ihrer Kollegen.
„Da waren wohl die Heinzelmännchen am Werk.“
Schnell nahm sie das dicke Packpapier von den Fenstern und die Auslagen erstrahlten im Morgenlicht.
„Schöner hätte es unser Dekorateur auch nicht gekonnt. Wenn ich nur wüsste, wer das gemacht hat?“ Dann entdeckte sie etwas unter dem Regal. „Aber ganz ohne Schaden ging das ganze wohl nicht ab“, schmunzelte sie und zog das zerrissene Prinzesinnenkleid hervor.
Kati und Rosi bekamen rote Gesichter. Doch das konnten die Menschen Gott sei Dank nicht sehen.