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Fasching

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10.02.2018
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Fasching

Ein abgemagerter Mann in einem viel zu großen Anzug. Hut auf dem Kopf. Die Faschingswagen ziehen vorbei. Hallau. Zicke Zacke zicke zacke hoi hoi hoi. Jubel und Gelächter überall. Manch einer hält die Tasche auf in der Hoffnung, Süßigkeiten abzustauben.. Fasching, Karneval, Zeit der Fröhlichkeit, Zeit der Hemmungslosigkeit. Zeit ohne Sorgen. Der Mann mit Hut schaut dem Treiben zu. Er ist nicht verkleidet. Er trägt den einzigen Anzug, den er besitzt. Den einzigen Anzug, den er retten konnte auf der Flucht. Er schaut dem Treiben zu. Verfolgt Wagen um Wagen mit seinen müden Augen. Sein Gesicht ist von Falten gezeichnet. Bonbons fliegen. Hellau! Popcorn landet auf dem Boden. Gierig schaut er dem Beutelchen nach. Zu spät, ein Kind kommt ihm zuvor und packt es ein. Ein weiterer Wagen zieht vorbei. Hellau! Er schaut dem Treiben zu. Eine fremde Welt. Einsam steht er da. Neben ihm eine Gruppe junger Menschen, Bier in der Hand, ausgelassen, wild. Hellau! Sie grölen unverständliches. Der Mann blickt umher. Er sieht den nächsten Wagen. Es werden Berliner geworfen. Berliner. Süßes, das er zuvor nicht kannte. Teig, Marmelade, ein Genuss wie eine Wolke, in die man beißt. Ein Mann schreit: „Hellau!“ und wirft den Berliner. Keiner fängt ihn, auch die Jungen nebenan nicht. Der Mann schaut zu Boden, auf den Berliner, hungrig. Da blickt ihn einer der Jungen an. Herausfordernd. Bier in der Hand. Blicke treffen sich. Der Mann blickt zu Boden, hungrig. Der Junge hebt das Bein. Langsam zertritt er den Berliner, hämisch. Der alte Mann sieht hungrig zu. Da kommt der junge Mann grinsend auf ihn zu, hebt die Hand zum „High Five“. Der Alte schlägt ein. Kurz danach ist er verschwunden. Nicht aus meinen Gedanken.

 

Hallo amarillavanplantjes, das ist nicht gut. Ich verstehe die Intention, Überfluss und Mangel kontrastierend gegeneinander zu stellen, aber so leicht kann das nicht funktionieren. Der hungernde Mann wird mit wenigen, unpräzisen Strichen gezeichnet. Das Karnevalstreiben bleibt ebenfalls nur angedeutete Kulisse. Und der hämische Junge agiert ohne erkennbare Motivation einfach so drauflos.

Natürlich hast Du recht, wenn Du sagen willst, dass Menschen scheinbar grundlos gemein zueinander sein können, dass einige wegwerfen und andere zu wenig haben. Stimmt alles. Aber um das in eine literarische Form zu gießen, musst Du mehr leisten, als ein paar Sätze aneinander zu klatschen.

Gruß Achillus

 

Hallo, amarillavanplantjes

Puh, seit Tagen will ich was zu Deiner Geschichte schreiben. Inzwischen habe ich sie einige Male gelesen. Ich habe auf eine Vorlage von anderen Kommentatoren gewartet, aber ich glaube, da kommt nichts mehr. Mein Problem ist: Mir fällt überhaupt nichts dazu ein. Also wirklich nichts. Wenn ich sie lese, bleibt mein Kopf einfach leer.

Als Norddeutsche kann ich mit dem ganzen Karnevalsgedöns nicht viel anfangen, und beim Anblick von Wortreihen wie ...

Hallau. Zicke Zacke zicke zacke hoi hoi hoi.

... kriege ich eine Gänsehaut und schäme mich für all jene, die solche Laute von sich geben - oder niederschreiben. Das mag anderen Leuten anders gehen. Wie auch immer, ich fühle mich nicht dazu qualifiziert, Kommentare über Karneval abzugeben.

Was mir an Deiner Geschichte auffällt, ist, dass ich keine Ahnung habe, wo und vor allem wann sie spielt. Die Kulisse und die Personen bleiben mir fremd.

Den einzigen Anzug, den er retten konnte auf der Flucht.

Vor was ist der Mensch denn auf der Flucht? Ist es kurz nach dem Zweiten Weltkrieg? Das würde sich ja auch aufs Setting gravierend auswirken. Oder ist er Araber? Auch das wäre gut zu wissen, weil es sich wahrscheinlich auf den Umgang seiner Mitmenschen mit ihm auswirkt. Oder ist er ein flüchtiger Verbrecher? Auch wichtig zu wissen. Ich weiß es nicht. Da ich es nicht weiß, habe ich keine Möglichkeit, mir Deinen Prot - sofern es überhaupt der Prot ist - vorzustellen. Ich weiß weder, wie er aussieht, noch weiß ich, in welcher Zeit er sich befindet.

Und deshalb bleibt das alles so komplett nichtssagend. Also, aus meinem Kopf ist der Mann sofort wieder verschwunden. Du musst mir mehr über ihn erzählen. Da geht noch was.

Ich hoffe, ich habe Dich nicht zu sehr verschreckt, und Du kannst mit meinem Feedback etwas anfangen, um Deine Geschichte zu einer solchen zu machen. ;)

Viele Grüße,
Maria

 

Hi amarillavanplantjes

Mir hat dein Text gut gefallen. Ich muss den anderen Kommentare widersprechen: Es ist eine superkurze Geschichte, da bleiben nun mal manche Fragen offen, das macht sie zum Teil ja auch aus. Es ist mehr ein Denkanstoß, keine ganze Geschichte. Es ist mehr ein Foto, das im Kopf hängen bleibt, als eine ganze Handlung. Ich finde das spannend.


Über drei Dinge bin ich allerdings doch gestolpert:

1. Zu Beginn schreibst du "Hallau", später "Hellau". Kann man das beides schreiben, hat das unterschiedliche Bedeutungen? In Sachen Karneval hab ich weniger Ahnung als ein Berliner (Nicht das Gebäck ;) ) vom Oktoberfest. Klär mich auf!

2. Du sprichst an, dass der Mann auf der Flucht ist, das allerdings erklärst du nicht. Obwohl ich oben die ungeklärten Andeutungen gutheiße, finde ich, dass du hier einen Schritt zu weit gehst. Flucht kann etwas Aufregenedes, Herzzereißendes, Prägendes sein, deshalb hätte ich entweder gerne ausführlich erfahren, was passiert ist, oder aber - wozu ich dir raten würde - den Satz zu streichen. Die Flucht ist nicht nötig, um die flache Figur zu verstehen.

3. Im Text sprichst du von jungen Menschen, danach von Jungen, und meinst offenbar die selbe Gruppe damit. Ich weiß nicht - Ich denke bei "Junge" eher an einen zwölfjährigen oder so. Ich war überrascht und verwirrt, dass der (in meinem Kopf kleine) Junge dann plötzlich eine Bierflasche in der Hand hält. Wie fändest du es, bei "junge Menschen" oder "junge Männer" zu bleiben?


Das wäre es soweit von mir. Denk angesichts der widersprüchlichen Kritik daran, dass es alles eine Frage des Geschmacks ist.

Viele Grüße und bis bald,
Salomon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo amarillavanplantjes

Willkommen bei den Wortkriegern!

Dein Text hat eine klare Aussage. Grundsätzlich gut ist der Versuch, den Kern einer solchen Aussage in Bilder zu überführen, in Handlungen. In diesem Fall ist dies a) das Zerdrücken des Berliners vor den Augen des Mannes und b) das anschliessende High-five. (b finde ich übrigens deutlich interessanter). Damit kann man arbeiten, auch wenn Bild a doch sehr offensichtlich und nicht gerade neu ist. Aber okay.

Schauen wir uns an, wie du diese Szene vorbereitest. Mir fallen vor allem Schlagworte auf: Zeit ohne Sorgen / Flucht / müde Augen / von Falten gezeichnet / fremde Welt / Einsam. Dadurch wird die Szene vorbereitet. Das ist viel zu plakativ und, wie ich finde, auch viel zu oberflächlich.

Ich denke, es wäre ein Versuch wert, den Text neu aufzusetzen. Nimm die Szene am Schluss als Kern. Aber bereite das subtiler vor, erzähle neutraler, lasse den Leser die sozialen Verhältnisse entdecken. Verstecke die zentrale Szene ein wenig. Und kommentiere sie am Ende nicht («Nicht aus meinen Gedanken»). Jeder Versuch eines Autors/Erzählers, die Bedeutsamkeit dessen zu betonen, was er erzählt, scheitert m.E. beinahe notwendig.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo amarillavanplantjes,
ich habe auch Zeit gebraucht, um auf deine Geschichte zu reagieren. Ich finde sie gut und dann auch wieder nicht. Ich habe mich gefragt, was mich an dieser kurzen Geschichte so stört. Vielleicht sind es die vielen Stereotypen. Der Mann, arm okay aber auch noch Flucht, Ausländer, vielleicht Flüchtling. Er hat Hunger und versucht von den in Hülle und Fülle geworfenen Lebensmitteln was ab zubekommen. Gutes Bild. Die Jungs okay, aber dann noch hämisch, vielleicht Rechtsradikale. Viel zu viele Klischees. Wäre es nicht ausreichend, wenn die Jungs den Berliner im Überschwang der leicht angetrunkenen Faschingsstimmung als Ball benutzen und den Alten nicht bemerken. Das gäbe meines Erachtens nach genug Spannung, auch ohne die Stereotypen bemühen zu müssen.
Liebe Grüße
Heike

 

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