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Farbenspiel
Freitag. Ich schaue auf die Uhr. 18.00 Uhr. Noch 15 Minuten. Was tun. Was tun? Nichts. Denk nach. Fernseher an. Nachrichten. Totes Mädchen. Toter Junge. Tote Familie. Anschlag. Flugzeug Absturz. 200 Tote heute. Fernseher aus. Noch 10 Minuten. Treppe hoch. Kleiderschrank auf. Kleid raus. Kleid rein. Welches nehmen. Welches nehmen? Keins. Hose. T-shirt. Socken. Socken? Nein. Treppe runter. Noch 5 Minuten. Warum bin ich so Schnell. Schnell? Langsam. Noch 4 Minuten. Schuhe nehmen. Schuhe zurück stellen. Schuhe. Schuhe? Warum sind Schuhe für Frauen wichtiger als für Männer? Das stimmt. Stimmt das? Nein. Fußball ist auch nicht wichtiger für Männer als für Frauen. Stimmt das? Das stimmt. Noch 2 Minuten. Die Zeit geht langsamer. Sie schleicht. Wie Nebel. Nebel? Oder eine Schlange. Eine Schlange versteckt im Nebel. Schwachsinn. Schlüssel. Schlüssel? Wo bist du? Im Schlüsselkasten. Natürlich. Natürlich? Tür auf. Tür zu. Abschließen. Zwei mal. Auffahrt runter. Auto aufschließen. Einsteigen. Es ist Kalt. Kalt? Nein. Faszinierend. Diese Farben. Wie ein Ölgemälde. Saftiges Grün. Kaltes Himmelblau. Weiße Schäfchenwolken. Die Sonne geht unter. An der Horizontlinie ist diese Farbe. Unbeschreiblich. Unbeschreiblich? Nein. Dieser Touch von Orange und Pink, die ineinander laufen, als würde sie sich einander Hingeben wie frisch verliebte es tun sollen. Hab ich gehört. Gehört? Dann das warme dunkle Blau des Abends, welches im klaren Kontrast zu dem kaltem hellem Blau des Tages steht und in der Mitte ein großer, gelber Ball, der, je weiter außen, immer Oranger wird. Orange. Nicht orange wir Orangen. Eher ein weiches Orange. Wenn man Farben ertasten könnte, wäre dieses Orange flauschig. Weich. Wie ein Kissen. Oder ein besonders schöner Pulli in den man sich ein kuschelt und ihn nie mehr ausziehen will. Schlüssel umdrehen. Losfahren. Anschnallen nicht vergesse. Vergessen? Nein. Absicht. Schneller. Langsamer. Bremsen. Ampel. Rot. Rot wie die Liebe. Liebe? Nein. Eher wie die Wut. Orange. Orange wir Orangen. Grün. Grün wie Erbsen. Fahren. Schneller. Langsamer. Bremsen. Halten. Ankommen. Pünktlich. Pünktlich? Nein. Ich stehe vor dem Tor. Ich muss weiter gehen. Ich komme an. Ich war lange nicht hier. Es ist alles verwildert. Dreckig. Ja das ist es wohl. Ich war ja auch lange nicht hier. Ich hab ja auch getan was er sagte. Ich hab versucht weiter zu machen. Weiter zu leben. Ohne ihn. Ohne sie. Das Grab,nein, ihre Gräber sind verwildert. Ich kann nicht ohne sie leben. Es ist meine Schuld. Die Gräber, die einst weiß und rein waren wie Marmor sind jetzt Grau wie Asphalt. Nein. Grau wie der Tod. Farblos.Träne. Mehr. Ich weine. Endlich. 5 Jahre ist es her. Vor 5 Jahren starben sie. Mein Mann. Mein Sohn. Meine Tochter. Wir stritten uns. Ich fuhr weg. Wie immer. Ich floh vor ihm. Ließ meine Kinder zurück. Alles brannte nieder. In einem so herrlichem Rot. Rot wie Wut. Rot wie Liebe. In einem herrlichem Orange. Orange wie Leidenschaft. Orange so weich wie mein Lieblingspulli. Und ich einem kaltem Gelb. Gelb, welches mir bewusst machte, dass es meine Schuld war. So viele Farben. Ich erinnere mich an jede. Und dann. Als es vorbei war. Alles war Grau. Grau wie der Tod. Alles war Tod. Alle waren Tod. Nur ich nicht. Weil ich geflohen war und alles was ich liebte zurück ließ. Meine Hand zittert. Ich lege mich auf die Gräber. Ich habe alles genau ausgerechnet. Ich nahm die Tabletten. In 5 Minuten werde ich sterben. Bei ihnen. Aufsetzten. Noch einmal die Farben betrachten. Was siehst du? Was sehe ich? Sehen wir dasselbe? Oder nicht? Rot. Grün. Orange. Gelb. Violett. Pink. Sandfarben. Grau. Und dann. Mein letzter Gedanke. 201 Tote heute. Schwarz.