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Fantastisch

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21.03.2003
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Fantastisch

Der Mensch ist schwach und klein, nun sieh das doch ein. Allein die Empfindung macht alles groß.

Ich weiß, Menschenkinder, ich weiß, der erste Satz muss ein langer sein, und sprachlich am besten wie aus einem Sachbuch genommen. Will man an die Gefühle des Lesers, so muss man sachlich schreiben, rein und klar. Ganz ohne eigene Empfindug. Bei diesem Papierchen verhält es sich anders: hier empfindet der Schreiber und dem Leser bleibt die sachliche Betrachtung.

Wenn ich leben könnt, Leute, ich tät´s. Ich würd euch nicht unterhalten mit Berichten über bereits Erlebtes. Nein, ich schriebe nicht, ich lebte weiter.

Aber meine Erinnerung lässt mich wissen, dass ich niemals erlebte, alles immer nur erträumte oder wenn nicht im Halbschlaf erträumte, so doch nur erahnte. Ich spürte nie Begierde, erahnte nur, was es wohl sei. Wäre ich ein Mann geworden, wäre das wohl anders. Männer müssen leben und erahnen es nicht, sie erahnen ihre Erregung nicht, sie wird handfest. Anders funktioniert es bei ihnen nicht.

In meinem Leben war nie etwas handfest. Und ich rede nicht von Erotik. Ich rede vom Ganzen und von jeder Kleinigkeit, ich rede von allem. Keine Situation, die ich erinnere, in der ich nicht zu mir selbst hätte sagen können, warum siehst du das alles jetzt so und so, du könntest es doch auch ganz anders sehen. Und zu oft machte ich Gebrauch davon. So log ich als Kind schon bei jeder Kleinigkeit ohne rot zu werden, fühlte mich dabei vielmehr wie ein artiges Mädchen, wenn ich das so wollte. Ich dachte damals, wenn das geht, wenn das funktioniert, dass ich mich bei eigentlich schlimmen Dingen wie ein braves Kind fühle, dann bin ich es auch, dann werde nicht ich als Mensch schlecht, sondern das Vergehen wird dadurch gut, sozusagen gereinigt und ist kein Vergehen mehr. Ich begann zu stehlen überall, das heißt überall dort, wo eine Vielzahl an Tätern in Frage kam - und ich stahl mit dem lieblichsten Lächeln um den Mund. Bis heute kam man nie auf mich.

Hatte ich in der Schule keine Hausaufgaben, so hatte ich kein schlechtes Gewissen, sondern fühlte mich wie ein Star. Freute mich schon vorher auf den Moment, an dem der Lehrer die Aufgaben überprüfen und bei mir auf ein leeres Blatt stoßen würde. Ich entschuldige mich dann nie oder rechtfertigte mich etwa, ich sagte im schönsten Gefühl des Star-Seins irgendeinen Nonsense wie, "Sie verstehen" oder etwa "Herr Paluscke hat Ihnen sicher Bescheid gesagt". Und immer, wirklich immer kam man mit so etwas durch. Bedauerlicherweise. Hätte gern eine Rückmeldung gehabt, um weiter an mir zu proben, wie weit man seine Empfindungen in Situationen verdrehen kann. Aber es kam nichts. Als ich eines Tages mir im Deutschunterricht eine Zigarette ansteckte und genüßlich quatzte und in dem Moment als es dem Lehrer auffiel, mich meldete, um ein Statement zum Unterricht abzugeben, tat er aus irgendeinem Grunde so als ob nichts sei, führte seinen Unterricht weiter und ließ mich zu Ende qualmen.

Gut, es ging mir nie um die Provokation an sich, nie um die äußere Situation, sondern darum, was ich dachte, was mich normalerweise an Gefühlen erwarten würde und wie ich das am besten in der Empfindung umkehren könnte. Rückblickend frage ich mich, warum ich nie was Großes tat, was Politisches, etwas Bleibendes, etwas, was der Welt oder meinem eigenen Leben nützte. Der Grund dafür ist ganz einfach: Ich kam nicht drauf. Ich kam ganz einfach nicht drauf. Und ich kam nicht drauf, weil mich die äußeren Dinge nie interessierten, sie interessierten mich immer nur für meine Empfindung und da ausschließlich unter besonderer Berücksichtigung einer Verdrehung. So hatte ich bis heute keinen Orgasmus oder ein erotisches Gefühl beim Sex mit einem Manne. Ich werde nicht mal feucht. Lasse mich mit Gewalt nehmen und mein Genuss daran ist, dass in einer Situation, wo man Leid und Angst und Schmerz empfinden müsste, ich nur Langeweile fühle und zur Verwunderung der Männer auch einen ebensolchen Gesichtsausdruck habe. Sicher könnte ich auch Lust dabei empfinden, wenn ich wollte, doch pervers wollte ich nie gelten. Außerdem könnte ich mich dann auch an normalem Sex erfreuen, ginge es mir darum. Aber wie gesagt, darum geht es mir ja gerade nicht.

Ich erwarte nicht, dass ihr mich verstehen werdet. Wie auch. Es ist das erste Mal, dass ich mich offen darüber äußere. Ich habe es verlernt, etwas so zu sagen, wie man es meint, weil es einem ein bestimmtes Bedürfnis ist. Ich habe ja immer alles verdreht. Und nun, wo ich eigentlich zum Schluss kommen wollte, weiß ich schon nicht mehr, welche Empfindung mich am Anfang dazu trieb, dies zu schreiben. Ich spüre nur, welche Freude es mir bereitet, zum ersten Mal davon zu erzählen. Und schon zwinge ich mich wieder zu einem Dreher, zwinge mich zur Freude darüber, abzubrechen, was ich doch eigentlich fortsetzen möchte. Vielleicht ist es auch nur der unbedingte Wille unabhängig von allem zu sein. Was soll´s: Es funktioniert. Empfindung gut, alles gut.

 
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Hallo Schriftbild!

"Ich erwarte nicht, dass ihr mich verstehen werdet." gut. :shy:

Ich verstehe die Geschichte nämlich offenbar wirklich nicht. Für mich ist es eine holprig wirkende Sprache, stilistisch nicht zeitgemäß, der Inhalt Gedanken über Empfindungen bei Relgelverstößen, bei Lebenssituationen, die nicht alltäglich sind. Alles, was bei diesem Text ankommt bei mir, ist leise Melancholie, etwas Langeweile vielleicht sogar. Tut mir leid, Deine Geschichte hat mir nicht so gefallen...

schöne Grüße
Anne

 

Danke Maus,


für deine Meinung und den Mut, sie offen zu schreiben. Es ist ein großes Geschenk, wenigstens einmal gelesen worden zu sein. Du konntest an der Geschichte leider gar nichts Gutes finden und begründest es verständlich. Konkrete Mängelrüge lohnte sich nicht. Das allerdings hat zur Folge, dass ich sie unverändert stehen lassen muss/darf .. fg*


Ganz rausnehmen möchte ich sie nicht, solange man mich nicht zwingt. :-)

In Dankbarkeit für die geschenkte Zeit

- S -

 

Hallo Schriftbild,

wie leben in einer Gesellschaft der Manipulationen, man weiß nie, ob man gerade möchte was man braucht, oder was einem die Werbung vorschreibt. Uns wird vorgekaut, vorgefühlt, vorgeschrieben.
Das Individium wird seiner Gefühle entfremdet, je mehr es auf der Suche ist.
In einer gefühlskalten Welt bedarf es vielleicht der Umkehrung der "erwarteten" Gefühle, um überhaupt etwas zu fühlen, der Pervertierung, um sich authentisch zu empfinden.
In einer Welt der Beziehungsängste, der (unfreiwilligen) Singlegesellschaft und der Coolness, in der Gefühle argwöhnisch als Pathos betrachet werden, bedarf es vielleicht des Gegensatzes, des "Aus der Reihe tanzens", um sich eine Identität zu geben.

Das traurige Fazit deiner Geschichte könnte sein, dass es in diesér Welt des pathologischen Zustands bedarf, um mormal überleben zu können, denn deine Prot ist nach psychologischen Gesichtspunkten zweifelsohne krank. Sie entfremdet sich ihrer Gefühle und sucht sie gleichzeitig in ihrer Umkehrung. Das alles findet nur im Kopf statt, Gefühle werden künstlich erzeugt, sie dürfen alles sein, nur nicht konform erwartet.
Die Regelvertöße finden zwar in Taten statt, der eigentliche Regelverstoß liegt aber in der Verweigerung einer Gesellschaft, die über die Gefühle ihrer Menschen ohnehin nur hinwegtrampelt, eine in aller Patholgie fast gesunde Haltung.

Soweit meine Gedanken zu deinem Text.
Natürlich könnte ich jetzt darüber sinnieren, ob es denn eine Geschichte ist. Für mich ist das müßig, denn ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob man es so als Geschichte mit dramatischem Handlungsablauf und Spannungsbogen hätte schreiben können. Du setzt einen Anfang, eine Haltung, die sich in Handlungen ausdrückt und einen Schluss. Insofern ist es für mich Geschichte genug, selbst wenn ich dich gründlich missverstanden haben sollte. ;)

Aber dann bleibt dir ja immer noch die Floskel, es sei interessant, was man aus dem Text alles lesen könne, oder der Leser erzählt sich mit jedem Text seine eigene Geschichte.

Mich hat die Geschihte nciht berührt, dazu ist sie zu sehr eine Kopfgeurt und auch zu sehr eine Kopfgeschichte. Sie geht nicht ins Herz, du bleibst also auch stilistisch deiner Protagonistin treu, verweigerst dich der Erwartung, sich einfühlen zu können, mit zu leiden oder mitzufiebern. Das wäre bei diesem Text auch unpassend gewesen.

Lieben Gruß, sim

 

Sim,

du bist eine Bank. Ja, eine echte Säule, ein Träger. Natürlich hast du es anders interpretiert als ich es meinte, denn du hast es ganzheitlich erfasst, hast alles rausgeholt, was man darin sehen kann. Und es auch richtig beurteilt. Missverstanden wird man immer, nur schreit man nur dann auf, wenn die Kritik, einem offen sagt, wie schlecht der eigene Text ist. Simsalabim, bist ne Bank. Ich hingegen nur ein Spinner. Ja, ich spinne rum, grabe im Materielosen. Dennoch steckt in meinen Spinnereien Arbeit und Herz. Vom Ergebnis bin ich am Ende selbst am meisten enttäuscht. Drum kann ich nur sagen, was ich Maus schon sagte, Danke für die Zeit und danke für deine Kritiken, sie sind gut, sie sind richtig, soweit sie eben richtig sein können, wenn man den Autor nicht kennt, du siehst den Text und erfasst ihn ganz. Ich las meinen Text und deine Kritik dazu und gab dir Recht, Punkt für Punkt. Kopfgeburt.

In Verehrung

- S -


An alle: Eine harte Kritik ist mir lieber als keine, ich schätze auch Zweizeiler. Kann nicht jeden den Verstand eines sims sein Eigen nennen.

 

Gedanken - Gewohnheit - Charakter

Ein Tag wie Sie ihn drei vier Mal im Monat haben. Mehrere Termine, unterschiedliche Situationen und mit ihnen wechselnde Perspektiven, Gedanken, Empfindungen.

Warum haben Sie derartiges noch nicht früher gedacht?

Weil Sie noch jung sind und demzufolge vieles noch nicht gedacht haben? Oder ist alles schon im Alter von vierzehn gedacht und empfunden und wieder vergessen. Vergessen, da Sie sich nie Zeit und Muße nahmen, in Ihre innere Windungen hinabzusteigen und ihnen nachzugehen, ihnen bis in die hintersten Areale zu folgen und sie am Platze ihrer physischen Wirkung zu stellen.

Und im Alter, so mit 20, wenn Gedanken nicht mehr klar und verfolgbar sind, dann sind sie es deshalb nicht, da alles schon mal gedacht und gemacht, getan und gelebt war.

Sie spüren es noch, an manchen Tagen, da grade, da war wieder was; was wenn Sie sich drauf einließen? Eine Auswirkung aufs eigene Leben? Doch Sie jagen ihnen nicht nach, Sie lassen sie ziehen, haben keine andere Wahl mehr. Und selbst wenn, es würde Sie nicht mehr erreichen, warum nicht Leben wie bisher sagen Sie sich, das ging doch auch, vielleicht würde es besser, doch die Gemütlichkeit der Gewohnheit - Sie sagen sich, was soll schon Großes dabei herauskommen und so lassen Sie die Möglichkeit auf Veränderung an sich vorbeiziehen, da für Nichtdenker - und das ist die ganze Wahrheit – das Jetzt wichtiger ist als alle Zukunft.
Und warum? Das Leben ist klein, die Wirkung nach außen, ja sie ist nur klein, doch die Empfindung – und hier machten Sie Ihren Fehler - die Empfindung ist groß!

Wer eine Sache dreimal aufschiebt, hat sie verloren.

 

Hallo schriftbild,

Deine Protagonistin fürchtet sich wohl davor, sich auf etwas einzulassen, ein Schutzmechanismus.
Der Text wirkt inhaltlich und sprachlich unvollendet, vielleicht hätte man ihn in eine Rahmenhandlung einbauen sollen. (S. sim: "Spannungsbogen", halt eine neue Erzählebene eröffnen).

Tschüß... Woltochinon

 

hi schriftbild!

natürlich ist deine geschichte keine im klassischen sinne - formal und inhaltlich. ich kann jeder rückmeldung auf deine geschichte etwas abgewinnen, die psychologie, die dahinter steckt, gesellschaftskritik, schutzmechanismus... für mich ist das alles nachvollziehbar. wenn mir auch der sprachstil/schreibstil nicht so wirklich zusagt, lässt mich diese sprache eine gleichgültigkeit spüren, die mich fasziniert.
was ich auch noch unbedingt loswerden möchte ist, dass ich deine geschichte als geschichte anerkenne, da sie sehr viel erzählt: das innenleben einer person, deren geschichte.

das ist mehr als man von der meisten Art von literatur erwarten kann.

lg, kardia

 

ach ja, noch eine bitte:

könntest du den fehler beim wort "erregung" ("erregNung") ausbessern? er hat mir zwar ein kleines lächeln beschert, aber es liest sich doch besser ohne ihn.

 

Hallo Kardia,

habe es korrigiert. Wie sehr ich deine Art liebe, Sprachstilen, die du schwach findest, doch noch was Kreatives abzugewinnen: "Gleichgültigkeit, die fasziniert". Kuss dafür.

@ Woltochinon

danke für deine Stellungnahme. Die Idee, den Text in einen anderen einzubinden, finde ich gar nicht schlecht.


Liebe Grüße an euch beide

- S -

 

hi schriftbild!

durch worte gleichgültigkeit (die nebenbei noch fasziniert) darzustellen, ist eine kunst. zumindest hatte ich bei deinem protagonisten das gefühl, dass er gleichgültig ist. ich kenne texte, die es versuchen, aber nicht schaffen, meine auch. dabei ist es eigentlich zweit- oder letztrangig, ob der schreibstil gut oder schlecht ist, was auch immer das sein soll.

ich habe noch nie einen text gesehen, der durch und durch schlecht war. es reicht oft schon ein schöner satz, ein wort an der richtigen stelle, die beschreibung von etwas, das gefühle, erinnerungen hervorruft, - und wenn es noch so schlecht geschrieben ist (was dein text ja nicht ist - bitte nicht missverstehen!!!).

baba, kardia

 

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