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Familienfeier

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23.01.2012
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Familienfeier

J.M.

FAMILIENFEIER
Weil einer 70 Jahre alt geworden war versammelte sich die Familie zum Feiern. Das große Haus mit parkähnlichem Garten war für diesen Anlass geschmackvoll dekoriert worden und zahlreiche dienstbare Geister standen bereit, die Gäste zu verwöhnen.
Bei der Begrüßung ging es hoch her und viele äußerten ihre außerordentliche Freude darüber, einige nahe Verwandte und entfernte Angehörige, die man schon fast vergessen hatte, nach mehreren Jahren endlich einmal wieder zu sehen. Sie waren eine ziemlich große Sippe und lebten über die ganze Welt verstreut. Von der erfolgreichen, global denkenden und handelnden Unternehmerin bis zum alkoholabhängigen Empfänger staatlicher Transferleistungen verkörperten die Anwesenden einen repräsentativen Querschnitt menschlicher Existenzmöglichkeiten in hochentwickelten Industriegesellschaften. Ein richtiges internationales Treffen hatte sich also wegen des runden Geburtstages ergeben.
Lange wurde gelacht, gescherzt, Interesse gezeigt und freundlich miteinander umgegangen, doch später am Abend bröckelte die oberflächliche Harmonie. Es begann nach dem Dessert. Das Geburtstagskind fing mit der neuen Freundin seines ältesten Sohnes Krach an. Warum, wusste keiner so richtig, irgendwie ging es um Politische Parteien, den Islam oder Gewerkschaften. Der Jubilar hatte möglicherweise zu viel getrunken. Aber das kannte man von ihm.
Früher wurde Edmund von Traisen auch immer aggressiv, wenn er getrunken hatte und suchte Streit mit jemandem, der genau so aggressiv war. Meistens fand sich einer. Hin und wieder kam es sogar zu Handgreiflichkeiten. Seine Frau brach deswegen immer in Tränen aus und rannte manchmal weg. Andere Frauen taten das auch. Dieses Mal kam hinzu, dass er ab morgen endgültig mit dem Rauchen aufhören wollte. Irgendwie schaffte er es aber, seine Streitsucht nicht ganz so exzessiv auszuleben, wie man das von ihm gewohnt war. Und seine Frau brach nicht in Tränen aus. Sie rannte auch nicht weg. Sie schimpfte jedoch ausdauernd mit ihm. Ihre Stimme war hart, durchdringend und nervig wie sonst auch, wenn sie engagiert diskutierte oder sich aufregte. Die Stimme wurde von Jahr zu Jahr schrecklicher, dachte ihr Gatte und versuchte, auf Durchzug zu schalten.
Der uralte Opa, Otto von Traisen, Bahndirektor im Ruhestand, 95 Jahre alt und ein zäher Knochen, Vater des Geburtstagskindes, der zeitweise dement war, oder manchmal auch nur so tat wenn er wollte und der schon immer ein Despot gewesen war, erstaunlicherweise bisher alle Operationen an diversen Stellen des Körpers überlebt hatte und mit einem Viertel Lunge zwar mühsam, aber noch ausreichend Luft bekam, pinkelte sich in die Hosen, weil er sich darüber aufregte, dass zwei Schwule im Raume waren.
Der Ehemann einer Enkelin hatte sich nämlich vor einem Jahr geoutet, dass er schon länger schwul wäre und mit dem Doppelleben endlich Schluss machen wollte. Er war mit seinem natürlich gleichfalls schwulen Freund zur Feier erschienen, und die Enkelin brachte ihren neuen Liebhaber mit. Scheiden lassen würde sie sich nicht. Sie liebte ihren schwulen Mann und hatte zwei nette Kinder mit ihm. Das alles war für den Opa zu viel. Früher mochte er den Mann seiner Enkelin sogar sehr gerne. Aber da war dieser auch noch normal gewesen.

Wer hatte die Homoschweine überhaupt eingeladen? Keiner wollte es gewesen sein. Der wütende Opa hielt sich die Hände vor den Latz, aber man sah trotzdem die Pisse in der Hose herunterlaufen, dunkle Stellen von oben nach unten, es war alles klatschnass. Und der Teppichboden unter ihm hatte auch seinen Teil abbekommen.
Man musste sich nicht wundern, denn der Opa hatte schon mehrere Flaschen Bier mit geringem Alkoholgehalt getrunken. Er schimpfte auf die »Warmen Brüder« und prahlte damit, wie er in seiner Jugend mit solchen »Hinterladern« umgegangen wäre.
Auch sein Enkel Paul, dem in der Familie schon immer eine hohe Intelligenz unterstellt wurde und der kürzlich die Priesterweihe empfangen hatte, konnte den räsonierenden Alten nicht zum Schweigen bringen und musste sich anhören, »Ihr katholischen Dummschwätzer seid doch auch nicht ganz sauber!« Paul stellte am Ende seine Befriedungsversuche empört und beleidigt ein und schwor mit hochrotem Kopf bei allem was ihm heilig sei, dass er von den jüngsten skandalösen Enthüllungen in der Römisch-Katholischen Kirche nicht betroffen wäre.
Die Oma, 89 Jahre alt und Mutter des Geburtstagskindes, machte »Oh Gott, oh Gott, Kinder, was ist das alles schrecklich!«, weil sie das immer machte, wenn sich die Familie traf und eben Dinge wie diese passierten. Die andere Oma, Schwiegermutter des Geburtstagskindes und Witwe, schlug die Hände vors Gesicht, weinte nicht allzu laut und sagte ständig, wie froh sie sei, dass ihr Adam das nicht mehr erleben müsste. Dann hob ihr Dackel das Bein und pisste ergiebig an die gleiche Stelle wie der Opa.
Einem Neffen, von Beruf Krankenpfleger, der an erhöhtem Blutdruck litt, verweigerte der Opa jeden Gehorsam, als der ihn aufforderte unauffällig mitzukommen, um in der Wohnung der alten Leute im Haus gegenüber die Hose zu wechseln. Der Neffe mit dem Bluthochdruck war von der Familie in einer Blitzabstimmung mit den Augen, durch Kopfnicken und per Fingerzeig ausgewählt worden, die Peinlichkeit zu regeln, weil er zum Einen die richtige Profession besaß und zum Anderen ein gutes Verhältnis zu dem alten Mann hatte und man einige Hoffnung in diese Tatsachen setzte.
Es war jedoch zwecklos und der Neffe regte sich zusehends auf und atmete heftig. Seine Frau, die angeheiratete Lieblingsnichte des bepissten Opas, ängstigte sich sehr um ihn und hielt ihn vehement davon ab, sich weiter um die Lösung des Problems zu kümmern. Auch seine Mutter beschwor ihn, wegen des alten Ekels nicht länger seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Sie zischte ihren Bruder an, er solle endlich sein zahnloses Maul halten.

Der Freund der jüngsten Enkelin, der weder mit der Kirche noch einer ungewöhnlichen sexuellen Orientierung in Verbindung gebracht werden konnte, sorgte dann für Ordnung. Er war groß, muskulös und sportlich und verfügte über eine laute Stimme. Der junge Mann arbeitete für Lufthansa auf dem Londoner Flughafen Heathrow, wo man mit Flüstern nicht weit kam. Seinem Befehl widersetzte sich der Opa nicht und trottete folgsam hinter ihm her Richtung Ausgang. Es kam zum reibungslosen Hosenwechsel. Die jüngste Enkelin reckte stolz das blondbehaarte Haupt und nahm huldvoll lächelnd die Komplimente der Verwandtschaft wegen ihres souverän agierenden Lebensgefährten entgegen. Der Opa in der frischen Hose und sein Helfer wurden mit Applaus begrüßt, als sie nach einer halben Stunde wieder die Szene betraten.
Die blonde Enkelin war ins Haus gegangen und schaute aus einem Fenster im Treppenhaus in den belebten Garten hinunter. Die sind hier alle verrückt, dachte sie nur.

Früher hatten die anderen immer behauptet, sie und ihr Bruder seien so gut wie drogenabhängig und es nähme ein schlimmes Ende. Jetzt schienen die meisten anderen der Mischpoke aus der Spur gelaufen zu sein und sie und ihr Bruder hatten sich zu recht normalen Menschen gewandelt, hatten Berufe erlernt, gar erfolgreich studiert, und arbeiteten gegen Geld.
Warum um alles in der Welt traf man sich zu solchen Anlässen?
Am Rande sitzend sah sie ihren schwergewichtigen Cousin Rudolf, der sich gern als »freien Schriftsteller« bezeichnete, wie er unentwegt in ein kleines Notizbuch kritzelte. Ab und zu warf er einen nachdenklichen Blick auf die Gesellschaft, fuhr sich mit der Hand kreuz und quer durch seine wilde Mähne und begann erneut zu schreiben. Wahrscheinlich würde er in etwa einer Stunde eine Ansprache halten, in der er seinen in Kürze erscheinenden Familienroman ankündigte, vergleichbar mit den Buddenbrooks, aber voraussichtlich noch erfolgreicher.
Rudolf redete schon seit mindestens zwanzig Jahren von seinem unmittelbar bevorstehenden Durchbruch als Autor und mittelfristiger Kandidat für den Literatur-Nobelpreis oder eine knapp darunter anzusiedelnde Auszeichnung. Seinen schmalen Lebensunterhalt verdiente der schreibende Verwandte beim Feuilleton einer regionalen Zeitung. Er lebte in einem kleinen Appartement mit einem Wellensittich zusammen und hatte nur wenige Freunde. Sie vermutete, dass dies an seiner zwanghaften Sucht zum endlosen Monologisieren lag. Rudolf redete immerzu nur von sich und seinen geplanten bahnbrechenden literarischen Projekten.
Ähnlich sinnlos und nervend war es für sie gewesen, als sie sich vor drei Tagen am Nachmittag mit ihrer Patentante traf. Die ältere Schwester ihrer Mutter holte sie im Hotel ab. Sie wollten zusammen in die Stadt, ein bisschen Shopping machen und im WeJot einen guten Café trinken, teuer, aber gut. Wie in alten Zeiten. Laura hatte Tante Inge erzählt, wie es ihr ergangen war, seit sie zu ihrem Freund nach London gezogen war. Wie lange sie suchen musste, bis sie endlich einen recht gut bezahlten Job in einem Musikverlag fand, wo sie jetzt seit ein paar Monaten arbeitete und sehr zufrieden war. Sie hatte sich gerade ein neues Bett und eine neue Matratze gekauft und dafür gutes Geld ausgegeben. Ihrer ersten gemeinsamen Wohnung verpassten Laura und der sportliche Freund einen neuen Anstrich und die beiden fühlten sich momentan zusammen richtig wohl. Stolz zeigte sie der Tante Fotos von ihrem Zuhause, ihrem Freund und von London. Tante Inge würdigte das alles mit kaum einem Wort, zwei Sätze genügten, dann zählte sie auf, was ihr Patenkind nun noch alles für die Wohnung bräuchte. Das passte gar nicht gut, wo Laura doch gerade sehr glücklich war, was sie alles verändert hatten, und dass es jetzt so schön aussah, ein richtiges Nest zum Wohlfühlen. Sie ärgerte sich über die Tante und meinte nur, dass sie ihr sechstausend Euro geben sollte, dann würde sie schon all das kaufen, was Inge forderte. Danach war erst einmal Sendepause. Das Shopping war durchwachsen und wortkarg. Im WeJot setzte Tante Inge den Glanzpunkt des Nachmittags. Sie hätte vor ein paar Wochen wunderbare weiße Spitzenunterwäsche gekauft, die zudem sehr preiswert gewesen sei, ein echtes Schnäppchen. Es sei nur noch eine Größe da gewesen, leider nicht ihre und außerdem gäbe es niemanden, dem sie sich in erotischer Unterwäsche präsentieren wollte. Aber sie hatte das Arrangement dennoch gekauft, das wäre doch was für Lauras hoffentlich bald stattfindende Hochzeit und überhaupt müsste ihre Nichte langsam an Kinder denken.
Es war ähnlich schrecklich wie vor einem Jahr, als sie sich mit ihrer Patentante getroffen hatte, um ein paar nette Stunden zu haben. Immer schon versuchte Tante Inge auf eine Weise in ihr sehr persönliches Leben einzugreifen, die Laura aufdringlich und übergriffig vorkam. Ihre vorsichtigen Hinweise, so höflich und freundlich vorgetragen, wie sie glaubte dass es zwischen Patenkind und Patentante angemessen wäre, verpufften stets an Tante Inges unverrückbarer Selbstherrlichkeit, was die Bedürfnisse und Ansichten anderer Menschen anging. Der denkwürdige Nachmittag vor drei Tagen war gelaufen, vollkommen gelaufen, gelaufener hätte er nicht sein können.
Es war eine grauenvolle Familie, ihr Urteil stand fest. Was dieser irre Haufen von zufällig oder schicksalhaft verwandtschaftlich verbundenen Kreaturen immer wieder an menschlichen Abgründen offenbarte, wie sich bei ihren Angehörigen pathologisches Verhalten in mannigfacher Ausformung zu konzentrieren schien, das ließe sich nach ihrer Überzeugung problemlos als eigenständiger Forschungsbereich innerhalb der Psychologie installieren. Wenn man es nur so betrachtete, bot diese Familie ein Füllhorn an Erkenntnismöglichkeiten für angehende Therapeuten und solche, die sich privat gerne mit den Irrungen und Wirrungen der menschlichen Seele beschäftigten. Wer die nötige Distanz herstellen und gelassen mitspielen konnte, dem war zumindest gute Unterhaltung garantiert, besser als durch jede Reality-Show oder Soap im Fernsehprogramm. Vielleicht war dies ein guter Weg, mit der Familie umzugehen. Es machte anscheinend den Blick klarer, sich gelegentlich alleine in ein Treppenhaus zu begeben und in aller Ruhe aus einem Fenster nach unten zu schauen.

 

Hallo Jakob und herzlich willkommen auf kg.de

Ich will mal ans Ende der Geschichte springen und einen Abschnitt von dir herausgreifen

Wenn man es nur so betrachtete, bot diese Familie ein Füllhorn an Erkenntnismöglichkeiten für angehende Therapeuten und solche, die sich privat gerne mit den Irrungen und Wirrungen der menschlichen Seele beschäftigten. Wer die nötige Distanz herstellen und gelassen mitspielen konnte, dem war zumindest gute Unterhaltung garantiert, besser als durch jede Reality-Show oder Soap im Fernsehprogramm

der eigentlich ausdrückt, was aus der Geschichte hätte werden können, wenn … ja wenn, darauf komme ich gleich.

Du schreibst:

… bot diese Familie ein Füllhorn an Erkenntnismöglichkeiten ...

und

... dem war zumindest gute Unterhaltung garantiert, besser als durch jede Reality-Show …

und ich bin, nachdem ich zugegebenermaßen den Mittelteil übersprungen hatte, doch wieder an den Anfang der Geschichte und habe sie nochmal gelesen, in der Hoffnung dieses Füllhorn an Erkenntnissen zu finden und gute Unterhaltung präsentiert zu bekommen. Hhmm, leider habe ich sie auch beim zweiten Durchlesen nicht gefunden.

In deiner Geschichte kommen sehr viele Personen vor, ich habe Schwierigkeiten alle Verwandtschaftsbeziehungen und die Fülle der Personen auseinanderhalten und zuzuordnen. Für eine Kurzgeschichte eine zu große Besetzung. Besser weniger Personen und die wirklich gut ausarbeiten und vorstellen.

Ein paar Beispiele, was mir besonders aufgefallen ist:

Lange wurde gelacht, gescherzt, Interesse gezeigt und freundlich miteinander umgegangen, doch später am Abend bröckelte die oberflächliche Harmonie. Es begann nach dem Dessert

Hier hatte ich noch gehofft, jetzt beginnt eine spannende, humorvolle, vielleicht dramatische Geschichte. Das hattest du vermutlich auch vor, aber Spannung und Dramatik kann man nicht einfach erzählen, sondern muss sie anhand von Situationen, Handlungen und Dialogen zeigen.

Das Ganze wird aus der auktorialen Sicht des Erzählers in episodenhafter Weise – ein Anekdötchen nach dem anderen – erzählt, ja fast berichtet. Aber irgendwann habe ich den Faden verloren, vielleicht auch wegen der häufigen Belanglosigkeiten der Anekdoten und bin dann ans Ende gesprungen, um zu sehen ob die Geschichte wenigsten ein interessantes Ende hat.

Vielleicht war dies ein guter Weg, mit der Familie umzugehen. Es machte anscheinend den Blick klarer, sich gelegentlich alleine in ein Treppenhaus zu begeben und in aller Ruhe aus einem Fenster nach unten zu schauen.

Aber die Schlusssätze verstehe ich nun überhaupt nicht. Was willst du damit sagen?

Bevor du nun selbst empört aufhörst, meine Kritik weiter zu lesen, hier ein paar positive Aspekte:

Ich habe keine groben grammatikalischen und Rechtschreibfehler entdeckt. Das ist schon mal gut und positiv, weil das von den meisten neuen Autoren als nicht so wichtig erachtet wird. Was es aber unbedingt ist, weil ja die Sprache das Werkzeug des Autors ist und sein Werkzeug pflegt man!

Die Geschichte hat einen guten Plot, daraus könnte man was machen. Dein Erzählstil ist manchmal etwas gekünstelt und verkrampft, trifft die Pointe oft nicht so ganz, aber ich halte ihn für durchaus ausbaufähig.

Weitere Beispiele mit Verbesserungspotential:

Das Geburtstagskind fing mit der neuen Freundin seines ältesten Sohnes Krach an. Warum, wusste keiner so richtig, irgendwie ging es um Politische Parteien, den Islam oder Gewerkschaften. Der Jubilar hatte möglicherweise zu viel getrunken. Aber das kannte man von ihm.

Hier erzählst du dem Leser etwas, was sich in einer Handlung oder einem Dialog viel besser darstellen ließe. Es gibt also Krach, aber keiner weiß warum, auch der Erzähler nicht, obwohl der eigentlich alles wissen sollte. Die üblichen Themen – Politik, Religion, Gewerkschaften – eigentlich langweilig und belanglos, weil es meistens um diese Themen geht – aber um einen Streit darüber zu zeigen, würde ich die Kontrahenten wirklich miteinander streiten lassen – d.h. Dialoge. Hier ganz, ganz wichtig!

Der Jubilar hatte möglicherweise zu viel getrunken. Aber das kannte man von ihm.

Auch so ein Satz der so dahinplätschert. Er hatte also möglicherweise … das kannte man .. - ja und, weiter? Das ist nicht spannend und zieht mich nicht in die Geschichte rein, macht mir den Protagonisten weder unsympathisch, noch bringt es ihn mir näher. Zeige doch seine Betrunkenheit, indem du ihn herum torkeln, Leute dumm anquatschen, vielleicht weibliche Gäste begrapschen lässt. Dann kann man sich viel besser vorstellen, wie besoffen und was für ein Ekel er ist.

Von der erfolgreichen, global denkenden und handelnden Unternehmerin bis zum alkoholabhängigen Empfänger staatlicher Transferleistungen verkörperten die Anwesenden einen repräsentativen Querschnitt menschlicher Existenzmöglichkeiten in hochentwickelten Industriegesellschaften

Sorry – ein furchtbarer Satz. Das liest sich, als möchtest du beweisen, wie gewählt du dich ausdrücken kannst und wie gut du dich im internäschonäl bisiness auskennst. Aber das interessierst den Leser nicht, ich setze voraus dass sich der Autor in dem Thema, über das er schreibt, gut auskennt. Mich interessieren die Menschen in der Geschichte mit all ihren Abgründen, Macken, Charakterschwächen, aber auch ihren lieben und netten Seiten (Es gibt ja nicht nur Unsympathen).

Zeige die Typen doch wirklich. Erzähle von der globalen Unternehmerin, indem du sie irgendwas Kluges sagen lässt, irgendeine kurze Episode über sie erzählst, aus der man sie erkennt. Ist sie eine hässliche, hochnäsige Neureiche oder eine intelligente, engagierte Unternehmerin, eine, die was unternimmt, wenn ja, was? Siehst du, was ich meine?

Noch ein (letztes) Beispiel:

Früher wurde Edmund von Traisen auch immer aggressiv, wenn er getrunken hatte und suchte Streit mit jemandem, der genau so aggressiv war. Meistens fand sich einer. Hin und wieder kam es sogar zu Handgreiflichkeiten. Seine Frau brach deswegen immer in Tränen aus und rannte manchmal weg. Andere Frauen taten das auch. Dieses Mal kam hinzu, dass er ab morgen endgültig mit dem Rauchen aufhören wollte. Irgendwie schaffte er es aber, seine Streitsucht nicht ganz so exzessiv auszuleben, wie man das von ihm gewohnt war. Und seine Frau brach nicht in Tränen aus. Sie rannte auch nicht weg. Sie schimpfte jedoch ausdauernd mit ihm. Ihre Stimme war hart, durchdringend und nervig wie sonst auch, wenn sie engagiert diskutierte oder sich aufregte.

Da steckt soviel drin, und du machst so wenig draus. Schade, schade, schade.

Wie wurde Edmund von Traisen aggressiv, wie wurde er handgreiflich? Lass ihn doch jetzt, in dieser Szene, handgreiflich werden und zeige was er mit wem wie macht.

Lass seine Frau wirklich in Tränen ausbrechen, erzähl nicht dass sie es täte, beschreibe wie sie es tut, wie sie hysterisch herum schreit, wie die anderen Gäste irritiert auseinander laufen, einige die Party verlassen, andere sich einmischen, sich auf die eine oder andere Seite schlagen. So würde es wirklich auf einer Party ablaufen. In dieser Szene lebt er seine Streitsucht also nicht so exzessiv aus wie sonst. Ich fasse es nicht – das was mich am meisten interessiert – seine exzessive Streitlust, unterschlägst du einfach. Seine Frau bricht NICHT in Tränen aus, rennt NICHT weg, schimpft aber ausdauernd mit ihm. Welche Worte benutzt sie denn? Wie ist ihre Gestik, Mimik, wie reagiert der Alte darauf? Beschreib nicht ihre Stimme als hart, durchdringend und nervig, sondern lass sie Sätze sprechen, aus denen der Leser selbst ihre Gemütsverfassung erkennt.

Phuu – das steckt soviel drin – allein in diesem Absatz. Lass deiner Phantasie mal freien Lauf und lass es richtig krachen. Sorry, aber stell dir mal die obige Geschichte als Szene in einem Theaterstück vor.

Du siehst Leute rumstehen und im Off erzählt der Allwissende (der Autor) wie sie gestikulieren, ihre Gesichter verziehen, sich anschreien, streiten, sich vielleicht prügeln – kurz - was die Leute machen und sagen, aber leider sieht und hört man es nicht, weil der Erzähler andauernd quatscht, was die Schauspieler genauso gut zeigen könnten, ja müssten. Abgesehen davon, dass kein normaler Regisseur so ein Stück auf die Bühne bringen würde, die Zuschauer würden vermutlich pfeifend und buhend das Theater verlassen. Lass die Leute handeln und reden!

Den letzte Abschnitt, mit der Nichte und ihrer Tante, den würde ich ganz raus nehmen. Das zieht sich ohne Ende, ist nicht wirklich lustig und passt irgendwie nicht zum Anfang der Geschichte, ist eigentlich eine eigene Geschichte oder Episode. Ich würde die Geschichte da aufhören lassen, wo der Opa mit frischen Hosen zurückkommt und mir dazu einen guten Schlussgag einfallen lassen.


So das wars für jetzt – nimm das alles bitte positiv und konstruktiv, so ist es gemeint und mich würde wirklich interessieren, ob du es schaffst, da Spannung und guten Humor reinzubringen. Versuch mal einige der Erzähltechniken, die ich versucht habe, dir näher zu bringen.

Machs gut, viel Erfolg, viel Spaß , mach weiter bitte.

Grüße

Resi26

 

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