Mitglied
- Beitritt
- 08.04.2021
- Beiträge
- 65
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 9
Familienangelegenheiten
„Ich muss jetzt los“, sagte Oliver zu Ella. „Mein Vater könnte sonst wieder durchdrehen.“
„Ich denke, unsere beiden Väter müssten sich nur mal aussprechen. Das würde einiges leichter machen.“
„Mein Vater ist ein Sturkopf, das weißt du.“
Ella ließ den Kopf hängen. „Manchmal denke ich, wir haben denselben Vater.“
Oliver machte ein angewidertes Gesicht. „Bäh, das wäre ja ein Albtraum.“ Anschließend fasste er Ella unter den Rock und wisperte in ihr Ohr: „Niemals.“
Oliver kam nach Hause. Lauter rote und blaue Flecken zierten seinen Hals.
„Na“, sagte Roy. „Hat sie dich von der Leine gelassen? Sind die Flecken von deinem Halsband?“
„Wir nutzen eher Handschellen statt Halsbänder. Aber keine schlechte Idee, Dad.“
Roy spuckte einen Flatschen Kautabak zu Boden. „Was war heute mit dem Zaun, Junge?“
„Was soll damit gewesen sein?“, entgegnete Oliver, streichelte die Liebeshämatome an seinem Hals und befüllte ein Glas mit Wasser. „Das Teil steht doch.“
„Du solltest mir zur Hand gehen.“
Oliver prustete das Wasser aus seinem Mund und lachte.
Sein Vater ging mit erhobener Hand und finsterer Miene auf ihn zu. Dem fast Volljährigen verging das Lachen. Die Schläge seines Vaters taten immer höllisch weh. Er ging hinter dem massiven Holztisch der Küche in Deckung.
Wieder rotzte Roy einen Klecks Kautabak aus. Stemmte die Hände in die Hüften. „Zügel deinen Ton, Junge.“
„Bald bin ich hier weg und du wirst nichts dagegen tun können.“
„Mir war schon klar, dass du das Versprechen gegenüber deiner toten Mutter nicht halten wirst.“
Das halb geleerte Glas wackelte in Olivers zittrigen Händen. Er setzte sich langsam in Bewegung, da sein Vater ebenfalls begann, um den Tisch herumzuschleichen. „Wenn Mom wüsste, was hier los ist, wäre das Versprechen nebensächlich.“
„Ich kannte sie besser als jeder andere“, meinte Roy, fixierte seinen Sohn mit einem strengen Blick. „Sie war immer eine Befürworterin meiner Erziehung.“
„Zuletzt nicht mehr und das weißt du. Die Krankheit hatte sie verändert.“
Der wütende Vater presste die geballte Faust auf seine Brust. „Auf den Kern kommt es an, Junge.“
Oliver hatte die Tischkante erreicht. Von hier aus war es gar nicht mehr so weit bis zur Hintertür des alten Bauernhauses.
Zuerst spielte er mit dem Gedanken, sich auf eine handfeste Auseinandersetzung mit seinem Vater einzulassen. Zwei Tage zuvor hatte er sich im Spiegel von Ellas Zimmer begutachtet und festgestellt, dass er der stämmigen Figur seines Vaters immer näher kam. Selbst Ella hatte seine breiten Schultern gestreichelt und kundgetan, was für einen kräftigen Mann sie an ihrer Seite hätte. Aber er beschloss, das Ganze auf ein anderes Mal zu verschieben und warf das Glas nach seinem Vater, ausschließlich um ihn abzulenken und dann schnurstracks durch die Hintertür zu verschwinden. Klirr.
Er lief den gesamten Weg zu Ella. Erzählte ihr von den Ereignissen und sie fragte, welches Versprechen er denn am Sterbebett seiner Mutter gegeben hatte.
„Dass ich auf ewig bei meinem Vater bleibe und ihm helfe.“
„Dann musst du das auch tun. Ein Versprechen ist nun mal ein Versprechen.“
„Ich bleibe nicht bei dem Irren“, sagte Oliver. „Wir werden uns gegenseitig umbringen.“
„Dann lass mich dir einen anderen Vorschlag machen.“ Ella klimperte mit ihren grünen Augen.
„Du weißt, dass ich da nicht widerstehen kann. Damit könntest du mir ein Maultier als Rennpferd verkaufen“, sagte er bereits resignierend, obwohl er nicht mal wusste, was sie in Petto hatte.
„Das weiß ich doch“, lachte Ella und rückte im Schneidersitz auf ihrem Bett an ihren Geliebten heran. Sie streichelte Olivers Wange und dieser wurde ganz rot. Das passierte jedes Mal. Ihre Hände waren so weich. Er bekam den Anflug einer muskulären Stimulation.
„Lass uns eine Pause einlegen“, sagte sie mit der weichsten Stimme, die ihr gegeben war.
„Was?“, entgegnete Oliver mit tellergroßen Augen. „Das ist …“
Ella legte einen Finger auf seine Lippen. „Nur solange, bis sich dein Vater beruhigt hat. In der Zwischenzeit versuche ich, meinen von unserer gemeinsamen Zukunft zu überzeugen.“
„Mein Vater wird sich nicht beruhigen.“
„So wie du mich zur Ruhe bringst, kannst du das auch bei deinem Vater erreichen.“
„Ella, dich fick ich ja auch.“
Sie boxte seine Schulter. „Sag das nicht immer so.“
„Aber es ist doch so.“
„Das kann man auch höflicher ausdrücken. Kein Wunder, dass dein Vater an die Decke geht, wenn du ihm das so vor den Latz knallst.“
„Mein Vater ist einfach nur einsam. Das ist alles.“
„Versuche dich mal in seine Lage hineinzuversetzen“, meinte Ella und wischte sich eine braune Strähne aus dem Gesicht. „Er hat seine Frau verloren.“
„Das hab ich schon lange aufgegeben. Er ist und bleibt ein Arsch“, seufzte Oliver.
„Lass es uns wenigstens versuchen“, insistierte Ella.
„Na gut“, stimmte Oliver niedergerungen zu. „Für wie lange?“
Ella streckte vier ihrer fünf schlanken Finger.
„Vier Tage?“, fragte Oliver.
„Nein. Vier Wochen.“
„Das kann unmöglich dein Ernst sein.“
„Ist es aber. Montag in vier Wochen. Wir treffen uns hinter der Scheune.“
„Das wären dann aber vier Wochen und ein Tag, Ella.“
„Der heutige Tag ist so gut wie rum.“
„Du nimmst es aber genau.“
An einem brütend heißen Nachmittag, Oliver hatte Ella zwei Tage lang nicht gesehen, gab er seinem Vater ein paar Holzdielen an, mit denen dieser das Dach an einigen Stellen neu decken wollte. Angeblich war ein barbarischer Sturm auf dem Weg nach Red York. Solche Warnungen gab es jedes Jahr um diese Zeit, und meistens war es eher ein reißerisches Lüftchen, doch man wusste ja nie. Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.
Oben auf dem Dach schlug sich Roy mit der flachen Hand in den Nacken. „Mistvieh“, plärrte er.
„Das blutet, Dad“, merkte Oliver an, als Roy wieder unten war.
„Hol uns zwei Bier“, sagte der Hausherr mit blassem Gesicht.
Als Roy sein Bier ausgetrunken hatte, wischte er sich den Schweiß von der Stirn und meinte, dass er sich für ein, zwei Stunden aufs Ohr hauen würde.
„Mach das, Dad. Mach das“, sagte Oliver verständnisvoll und warf sein angebrochenes Bier weg. Er mochte das Zeug noch nie.
Dann tippelte er ins Haus, um sich zu vergewissern, dass sein Vater wirklich schlief. Die Luft war rein. Ab zu Ella.
„Was machst du denn hier?“, flüsterte Ella laut, während sie ein paar Heuballen in die Scheune brachte.
„Der Alte pennt. Da dachte ich …“
„Da dachtest du, brichst du unsere Vereinbarung.“
„Sie war ja nicht schriftlich.“
„Aber mündlich.“
Oliver hielt die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzulachen und empfing von seiner Angebeteten einen Faustschlag auf die Schulter.
Als sie erneut ausholte (zwei Schläge wären ein neuer Tagesrekord gewesen), fing er ihre Hand auf und zog sie hinter die Scheune.
Zwischen den wilden Küssen griff er ihr unter den Rock, presste sie gegen die Wand, schob das Höschen beiseite und drang in sie ein.
Sie biss sich in seiner Schulter fest, um das Stöhnen zu unterdrücken.
Olivers Bewegungen wurden immer kräftiger. Seine Handflächen vergruben sich in ihren straffen Pobacken. Zwei Stöße später kam er zum Höhepunkt. Er fauchte und sabberte in ihren Nacken. Sie krallte seine Schulterblätter.
Er hatte nicht mal seine Hose richtig hochgezogen, da rief Ellas Vater nach ihr. Hektisch drückte sie Oliver weg und sagte: „Verzieh dich, schnell.“
Zwar wich er kurz zurück, presste ihr aber noch einen Kuss auf den Mund, dessen Erwiderung sie sich kaum entziehen konnte. Am Ende war es aber nur ein unkoordinierter Schmatzer, der sie am Mundwinkel traf. Oliver nahm die Beine in die Hand, hechtete durch ein Gebüsch und folgte dem östlichen Pfad nach Hause.
Auf dem Heimweg waren Oliver kurzzeitig Bedenken gekommen, dass er nicht pünktlich zurück sein könnte, denn der Umweg über den östlichen Pfad war ein weitaus längerer als der über den Westen. Vor dem Betreten des Hauses tupfte er sich mit seinem weißen Shirt die schweißnasse Stirn ab. Richtete sich die Haare, schaute an sich hinab. Kontrollierte seine Klamotten auf Spuren eines Geschlechtsaktes, ohne eine Ahnung davon zu haben, woran man so etwas festmachen konnte. So erfahren wie er sich vor Ella immer gab, war er nämlich gar nicht. Sie war seine erste Freundin. Nicht die dritte.
Jedenfalls war sein Timing nahezu perfekt. Sein Vater kehrte gerade verschlafen vom Klo zurück und reagierte kaum auf die Ankunft seines Sohnes. „Gib mir zwei Minuten“, nuschelte er.
Am nächsten Tag kam sein Vater nicht mehr aus dem Bett. Roy klagte über Fieber und Kopfschmerzen. Er hielt mit zitternder Hand die seines Jungen und bat ihn darum, die Kühe, die Schweine und die Gänse zu füttern. Anschließend sollte Oliver schon mal damit beginnen, die Treppen der Veranda zu streichen. Oliver nickte und brachte seinem Vater einen kühlen Lappen sowie Wasser ans Bett.
Zu guter Letzt kontrollierte er noch den Kuhstall, der seiner Meinung nach heißer Kandidat für eine Revision wäre. Nachdem das erledigt war, rauschte er erneut zu Ella ab. Wieder zog er sie hinter die Scheune, und wieder kam er in ihr. Dieses Mal blieb den beiden etwas mehr Zeit, da Ellas Vater gerade in der Stadt zugegen war, um ein paar Besorgungen zu machen.
„Kann ich mit dir über etwas reden?“, fragte sie auf einem Strohballen sitzend.
„Klar“, sagte Oliver, ließ sich neben ihr nieder und streichelte ihr nacktes Knie.
„Wir reden zu wenig“, sagte sie.
„Aber das tun wir doch gerade.“
„Nein, allgemein. Du kommst hierher, trotz deines kranken Vaters, nur um deinen Druck abzulassen.“
„Ist es etwa falsch, meine Freundin zu begehren?“
„Natürlich nicht. Aber eine Beziehung ist noch viel mehr als das.“
„Glaubst du, das weiß ich nicht?“, sagte Oliver pikiert und steckte sich einen Weizenhalm in den Mund.
Ella streichelte ihm die stoppelige Wange. „Wenn du nächstes Mal kommst, dann hab mir was zu erzählen. Ich muss jetzt weiter machen.“
Oliver hatte knurrig die ersten beiden der vier Verandastufen gestrichen. Immer wieder gingen ihm Ellas Worte durch den Kopf. Sie machten ihn sauer. Er kam sich wie ein Vollidiot vor. Zudem machte ihn sein Vater beinahe fuchsteufelswild, als er andauernd nach neuem Wasser fragte. Schließlich musste er ihm sogar aufs Klo helfen. „Sollen wir nicht lieber einen Arzt rufen, Dad?“
„Mein Junge“, grummelte Roy und zog sich an einem Regal neben der Kloschüssel hoch. „Die Ärzte konnten deiner Mutter auch nicht helfen.“
„Das war ja auch was anderes.“
„Eben. Und ich habe nur irgendeine kleine Pest von dem Vieh. Keine beschissene Tuberkulose.“
„Na schön. Was meinst du, wie lange soll das dann noch so weitergehen mit dir?“
„Schauen wir, wie es morgen aussieht.“
Roy war am nächsten Tag genau so schlecht aus dem Bett gekommen wie zuvor, was Oliver dazu veranlasste, Ellas Nähe zu suchen.
Er hatte zwar in dem Gebüsch warten müssen, durch das er Tage zuvor geflüchtet war, da Ellas Vater über das Grundstück streifte. Doch dann war die Luft rein und er begrüßte seine Freundin mit einem fetten Schmatzer auf die Stirn.
„Wie gehts deinem Vater?“, fragte sie.
„Er kann noch fluchen, also ist er noch nicht ganz tot.“
„Oliver“, zischelte Ella mit einem gebieterischen Unterton und rollte mit den Augen.
Sich seinen Gelüsten hingebend, versuchte Oliver, ihr wieder unter den Rock zu greifen, was sie jedoch ablehnte. Sie schlug ihm auf den Handrücken, als wollte er sich an einem warmen Kuchenteig bedienen.
„Es ist immer noch dasselbe mit dir“, sagte sie. „Hast du mir denn gar nichts zu erzählen?“
„Bei mir dreht sich alles darum, von meinem Vater geknechtet zu werden. Was soll ich denn da erzählen?“
Ella stand auf, richtete sich den Rock und sagte: „Oliver, ich möchte dich als Mensch, nicht nur als Mann.“
Oliver stand ebenfalls auf und tippte sich mit dem Finger auf die Brust. „Was bin ich sonst, wenn kein Mensch? Steigt dir die Landluft zu Kopf? Dann kehr lieber wieder in die Stadt zurück.“
„Da reden die Leute mehr als hier draußen.“
„Scheiße, genau deswegen sind wir doch hier draußen. Um unsere Ruhe zu haben.“
„Geh jetzt“, sagte Ella.
Oliver regte sich nicht.
„Geh jetzt!“
Als Oliver nach Hause kam, steckte er seinen Kopf in die randvolle Regentonne hinter dem Haus. Da drin war es still und kühl. Für einen Moment war dort drin alles weit weg von ihm. Kein nerviger Vater oder eine gefrustete Freundin. Nirgendwo ein grelles Geschnatter von Gänsen. Keine scheißenden Kühe. Hier drin war er … ein Mensch. Aber warum nur hier? Was hatte das zu bedeuten? Wie dem auch sei, er war Oliver Clarke und würde jetzt reingehen und seinem Vater die Leviten lesen.
Der kranke Mann war aber gar nicht da. Das Bett war leer. Die Bettdecke beiseite geschlagen, das Kopfkissen auf dem Boden. Zu allem Übel standen keine Schuhe vor seinem Bett und der braune Karabiner fehlte an der Wand.
Oliver suchte die gesamte Ranch ab. Selbst die Umgebung. Solange bis die Dämmerung eintrat. Dann kehrte sein Vater mit dem Karabiner im Anschlag und einem blutverschmiertem Oberkörper zurück. Er hatte einen Träger seiner Latzhose gelöst. Ein Ärmel seines langarmigen Shirts war zur Hälfte abgerissen. Er sah wie nach einem wüsten Kampf aus. Matsch klebte an seiner Stirn.
„Dad, was ist passiert?“ Oliver staunte, wie aufrecht sein Vater mit einem Mal stehen konnte. Er wirkte frischer, als man es nach einem Gefecht vermutet hätte. Und nach Fieber sah er erst recht nicht mehr aus. „Geht‘s dir wieder besser?“, hakte er nach.
„Oh, mir gehts blendend“, sagte Roy und bleckte die Zähne.
„Das ist ja … fabelhaft“, sagte Oliver ungläubig.
„Und da es mir so gut geht, kannst du heute ruhig zu Ella. Ich komm hier alleine klar.“
„Wirklich?“
„Ja, klar“, sagte Roy und machte eine ausladende Geste. „Mach nur.“
„Na gut“, entgegnete Oliver. „Ich habe sowieso noch was gerade zu biegen, glaub ich.“
Der Junge fand ein Schlachtfeld vor. Zuerst stachen ihm die zerpflückten Hühner ins Auge, die quer über den Hof verteilt waren. Dann entdeckte er Ellas Vater tot hinter einer Mähmaschine liegen. Beim Anblick des zersprengten Kiefers übergab er sich. Und ahnte Böses.
Hinter der Scheune, dort wo er sich immer mit ihr traf. An dem Fleck, an dem er ihr das erste Mal seine Gefühle gestanden hatte. Einem Ort, an dem er sie geliebt hatte. Dort lag sie, Ella. Mit zwei Einschusslöchern im Brustkorb. Die Augen leer zum Himmel starrend, der Mund voller Blut.
Oliver sackte auf die Knie zusammen. Seine Schultern, seine Lippen, die Augenlider, alles bebte. Er verschluckte sich an dem Rotz in seiner Kehle. Ließ das Gesicht hoffnungslos im Matsch versinken.
Als er zuhause wieder vor seinem Vater stand, hatte dieser gerade an einem Kaffee genippt. „Du mieses …“
„Psst“, machte Roy und holte den Karabiner hinter seinem Stuhl hervor. Er richtete den Lauf auf Olivers Gesicht. „Ich hoffe, du hast deinen letzten Fick mit der Kleinen genossen. Schöne Schenkel hatte sie.“
„Du warst gar nicht krank?“
„Mich haut nichts so schnell aus den Socken, Junge. Du hast dein Versprechen gebrochen. Deine Mutter würde sich schämen für dich.“
„Ich glaube, sie würde sich für uns beide schämen. Keiner von uns ist besser als der andere.“
„Von mir hast du diese Geilheit jedenfalls nicht. Die ist dir nämlich zum Verhängnis geworden. Und jetzt ab an die Arbeit.“
„Das wirst du bereuen“, sagte Oliver und dachte an den Revolver seiner Mutter, den er hinter dem Kuhstall vergraben hatte.