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22.02.2002
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Die Familie

Im Wartezimmer leuchtete der Christbaum, auf einem Teller lagen Kekse und die Hefte des Lesezirkels hatten das Thema des Monats. Die zwei türkischen Kinder blickten blöde die Sprechstundenhilfe an. "Wollen Sie nicht im Wartezimmer Platz nehmen?" Keiner bewegte sich vom Tresen zu dem Wartezimmer, in dem freundliche Original - Hundertwasser-Grafiken an den Wänden hingen.

Die Alte richtete an die junge Schwangere eine Frage, anscheinend musste die Frau der Alten die Worte der Sprechstundenhilfe übersetzen. Die Alte schüttelte den Kopf, der Mann schwieg wie immer und die Kinder glotzten blöde.

"Ich hatte Sie doch gebeten, zu einem Gynäkologen zu gehen."
Der Arzt schaute zu den zwei geistig behinderten Kindern mit den verkrüppelten Ohren. Er hatte ein ungutes Gefühl. Die Praxis war seit einer halben Stunde geschlossen, nun wäre für alle Weihnachten. Dann sah er in den Unterlagen, dass die junge Frau seit seiner Untersuchung im zweiten Schwangerschaftsmontat nicht mehr bei einem Arzt gewesen war. Entgegen seiner dringenden Empfehlung, seines Drängen, war die junge Frau in ihrer dritten Schwangerschaft nicht zu einem Facharzt gegangen. Hatte er es ihr nicht deutlich genug gesagt? Wussten sie alle, die junge Frau, ihr Mann, seine Mutter, die Kinder, sie, die immer zusammen kamen, wenn er die junge Frau untersuchen sollte, dass er "nur" Allgemeinmediziner war?
Sie hatten mehrmals ihm Süssspeisen mitgebracht und auf Wunder gewartet. Er hatte ihnen geholfen, als die Kinder fiebrig, schwitzend in dicke Stricksachen eingepackt, mit glänzenden Augen sich kaum noch bewegen wollten. Die Alte hatte damals viele gute fremdländische Worte zu ihm gesagt und seine Hände genommen. Heute sollte Weihnachten beginnen, die Praxis sollte für zwei Wochen schliessen und sie kamen alle, die Familie mit der schwangeren Frau, die kurz vor der Niederkunft stand. Er wollte die Augen schliessen, er hatte kein gutes Gefühl. Die Alte redete mit ihrem Sohn, der schwieg. Die junge Frau sah zu ihm, ob er aus den Unterlagen eine frohe Botschaft für sie deuten könne. Er hatte sie bei der letzten Untersuchung gewarnt, dass das wachsende Kind vielleicht nicht gesund sein könne. Ohne es ihr zu sagen, kam er zu dieser Meinung, weil die beiden Geschwister, deren Schwangerschaft er nicht mit erlebt hatte, offensichtlich Störungen hatten. Es war schwierig mit der jungen Frau zu reden, weil ihr Mann sie nie allein liess. Meisst sass er schweigend neben ihr und gab nur knappe Kommentare in seiner Muttersprache an seine Frau, die ihm dann längere Antworten gab. Aber ihr Mann mischte sich nie direkt in die Gespräche ein und der Arzt war sich unsicher, wie gut ihn der Ehemann verstehen könne. Offensichtlich konnte er fast alles begreifen, aber er wollte kein Deutsch reden, ausser wenn er den Arzt in einem warmen Ton der Anrede und ihn mit Respekt auf den Titel begrüsste. Der Mann hatte eine herzliche Art gegen den Arzt und seine Helferin zu schweigen, um die Augen zeichneten sich kleine Falten, wenn er sie anlächelte.

"Ich möchte gern ein Ultra-Schall machen. Bitte kommen Sie mit." Die Sprechstundenhilfe war ungeduldig, sie wollte nach Hause. Mit einem deutlichen Seufzer der Missbilligung bat sie die Familie abermals, im Wartezimmer Platz zu nehmen. Niemand reagierte. Die junge Frau übersetzte seine Worte dem Ehemann, der aber anscheinend schon verstanden hatte, was er vorhatte. Als die Frau dem Arzt in das Untersuchungszimmer folgte, kam ihr Mann nach. Die Familie wartete an der Tür zu dem Ultraschallraum.

Der Arzt schmierte den Bauch mit Gel ein und führte die Sonde über den Unterleib, der nur knapp von dem Pullover entblösst worden war. Ihr Mann stand mit grimmigen Gesicht dabei, ohne es an Höflichkeit dem Arzt gegenüber fehlen zu lassen. Es war nicht statthaft, den Bauch der Frau eines anderen zu betasten, aber für einen Arzt war notwendig und geachtet. Auf dem Bildschirm waren keine Beine zu erkennen. Immer wieder fuhr der Arzt mit der Sonde über den Nabel. Die Grösse des Kopfes stand im Missverhältnis zum Rumpf, aber er konnte vor allem keine Beine erkennen. Die junge Frau verzog wegen eines plötzlichen Schmerz das Gesicht.

Er müsse die Frauen-Klinik benachrichtigen, sagte der Arzt der jungen Frau, es scheine, als stimme mit dem Kind etwas nicht. Während er hinausgeht, um zu telefonieren, bemerkt er den bösen Blick des Ehemannes zu seiner Frau. Der Notarztwagen kam sehr schnell.

Er hatte am Telefon der diensthabenden Kollegin in knappen Worten seinen Befund geschildert: Das Kind scheine keine unteren Extremitäten zu haben, dem Augenschein nach seien schwere Komplikationen zu erwarten. Die Wehen hatten eingesetzt. Obwohl dem Vater bedeutet wurde, dass sein Kind möglicher Weise nicht gesund sei, dass es besser sein könne, wenn er nicht mit käme, dass das Kind die Geburt vielleicht nicht überlebe, dass es besser wäre, wenn er abwarte, begleitete er seine junge Frau im Notarztwagen. Noch auf der Fahrt platzte die Fruchwasserblase und Blut und Schleim bedeckte die Laken. Auf dem Weg zum Krankenhaus kam ein Kind zur Welt, dessen Beine am Rücken angewachsen waren, der Kopf war deformiert und die Haut spannte über den rissigen Schädelknochen. Das Kind hatte keinen Unterkierfer und sein Vater schwieg. Das Kind war so hässlich, dass sich die Ärztin ekelte, als sie es anfassen musste. Am Weihnachtsabend kamen sie drei, die junge Frau, der schweigende Mann und die Ärztin mit dem Kind in der Notaufnahme an.

Der Mann wartete und übernachtet im Flur, die Lampen in dem Warteraum stammten aus aus den 70iger Jahren, sie strahlten leise. Als das Kind nach 6 Stunden starb, war die Ärztin erleichtert, aber sie schämte sich, dies den Eltern zu zeigen. Am Morgen war die Alte mit den Kindern gekommen und sie war sehr freundlich zu der Ärztin. Zu der jungen Frau sagte sie nichts. Die Familie erhob keine Klage, ob dem verlorenen Kind.

Bald, als alle gegangen waren, und niemand mehr bei ihr blieb, fragte die junge Frau, "Sind Sie heute abend da?" "Ja, ich habe Notdienst, ich bin für die Stationen verantwortlich."

Den Tag kam niemand die junge Frau besuchen, auch sie beweinte ihr Kind nicht, dem sie keinen Namen gegeben hatte. Als es Nacht auf der Station geworden war und nur schwaches Licht auf den Fluren schien, begann die Frau zu schreien. Ihr Körper tobte, sie schrei, sie bäumte sich, sie weinte, sie klagte in ihrer Sprache, die niemand verstand und die Schwestern konnten sie nicht bändigen. Die anderen Patientinnen standen in ihren Nachthemden verängstigt an der geweissten Wand, obwohl sie nicht aufstehen sollten. Die Frau lag am Boden, sie schlug um sich, kreischte und schliesslich verhärteten sich ihre Gliedmassen, spannten sich und ihr Körper wuchs in einen arc de circle, nur ihre Fersen und ihr Hinterkopf berührten noch den Boden. Die Ärztin spritzte ihr Valium. Sie schlief den kommenden Tag durch, und konnte am kommenden Abend aufstehen und war freundlich und zugewandt. Ihre Familie kam nach ein paar Tagen, sie nach Hause zu holen.

 

Interessante Geschichte. Mal abgesehen von ein paar Rechtschreibfehlern.

Sie hatten mehrmals ihm Süssspeisen mitgebracht

Wenn du "ihm" hinter "hatten" setzt, dann hört sich der Satz besser an. ;)


die Fruchwasserblase

Abgesehen davon, daß ein t fehlt, würde ich einfach nur Fruchtblase schreiben. Jedenfalls kenne ich das Umgangssprachlich so.

Der Schreibstil gefällt mir nicht so besonders. Die Sätze sind teilweise zu umständlich.
Aber Meinungen über den Schreibstil sind ja bekanntlich immer Ansichtssache.

denn mal

L.o.C.

 

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