Fallende Blätter
Fallende Blätter
Die Wälder verfärbten sich. Das Ende des Jahres rückte wieder näher und jeder suchte sich ein warmes Zuhause. Der laue Sommerwind, der in letzter Zeit nicht mehr so häufig geweht hatte, verschwand ganz und machte einer kühlen Brise Platz. Das Grün wich einer Vielzahl von Farben. Die Blätter fielen nach und nach von den Ästen, trieben minutenlang in der Luft, landeten dann ganz sachte auf dem Boden, wo schon unzählige andere Blätter lagen, und schliesslich gingen sie verloren in diesem Meer aus tausenden von Farben. Und so ging auch ich verloren.
Ich war ein grünes Blatt, das ganz zart im Frühling aus einer Knospe entsprungen war. Sanft bog ich mich in den Winden, die mal stärker und mal schwächer wehten. Doch ich widerstand allen. Die Winde konnten mir nichts anhaben, so auch nicht der Regen oder die sengende Sonne. Ich lebte unter meinesgleichen, und doch unverwechselbar. Vögel lebten in nächster Nähe, Bienen umschwärmten mich. Der Sommer wärmte mich und gab mir neue Kraft. Die Luft duftete ebenfalls süsslich, wies auf die kommende Ernte hin. Die Früchte wurden schwerer und reifer, ich spürte, wie ihre letzte Zeit gekommen war. Doch bald schon verschwand auch die schwere Süsse, die Erntezeit war gekommen. Da spürte ich, dass auch meine Zeit bald kommen würde. Meine Kraft schwand, eine letzte Euphorie packte mich. Und ich fühlte die letzten wärmenden Sonnenstrahlen.
Dann, eines Tages, war es soweit. Mein Ast gab mich frei und dann fiel ich hinunter. Der Wind trug mich. Sonnenstrahlen wärmten meinen Weg. Irgendwie bedauerte ich es, dass nun mein schönes Leben schon zu Ende sein sollte. Doch ich konnte auch nichts ändern. So ergab ich mich schliesslich in mein Schicksal.
Der Wind spielte sein Spiel mit mir, trieb mich wieder in die Höhe, drückte mich hinunter. Auf einmal realisierte ich neben mir ein anderes Blatt, das mit mir im Wind trieb. Es näherte sich mir und ging wieder fort. Ich folgte ihm. Gemeinsam flogen wir und spielten miteinander. Vollkommene Glücklichkeit. Doch dann trennte der Wind uns und ehe ich mich versah landete ich sanft auf dem Boden. Das andre Blatt aber war weit von mir entfernt, ich konnte es noch lange sehen, im Wind treibend und sich nach mir umsehend. Aber auch es verschwand inmitten des Farbenteppichs. Wir starben, Herbstblätter im Wind. Und doch hinterliessen wir die Hoffnung auf den kommenden Frühling, alles würde noch einmal von vorne beginnen. Bis wieder die Herbstblätter ihren Tod finden würden. So wie wir.