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Fahrt ins Ungewisse (Kurzversion)

Seniors
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25.01.2002
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Fahrt ins Ungewisse (Kurzversion)

Fahrt ins Ungewisse (Kurzversion)


ERSTER TEIL: FAHRT

Die beiden Türhälften glitten gemächlich zur Mitte zurück und der enge, verchromte Fahrstuhl des Kaufhauses begann, die fünf Passagiere augenblicklich in Richtung Erdgeschoss zu befördern.
Ebenso wie die anderen Fahrgäste hatte Hans, ein 52-jähriger Immobilienmakler, seine heutigen Einkäufe endlich beendet und wollte nach Hause gehen. Gelangweilt wartete er und beobachtete seine Mitfahrer.
Zu seiner rechten Seite stand eine junge Mutter mit ihrer Tochter, die sich im Grundschulalter befinden musste. Links von ihm warteten zwei Männer. Ihr Alter schätzte Hans auf zwanzig und dreißig Jahre.
"Du Mami, flickst du heute noch Lucys Kleidchen?", wollte das kleine Mädchen wissen und Maggie runzelte skeptisch die Stirn. Sie hatte heute wahrlich besseres zu tun als sich um Nancys Puppenkleider zu kümmern.
"Mal sehen", entgegnete sie dann.
Der Fahrstuhl beschleunigte ein wenig, doch Hans registrierte die Veränderung kaum. Seine Gedanken gehörten nach wie vor den anderen Passagieren.
Sie hatten bereits die erste Etage hinter sich gelassen, doch der Fahrstuhl beschleunigte weiterhin und würde wohl bald anstatt des Erdgeschosses den Keller erreicht haben.
Thomas, 19-jähriger Student an der hiesigen Universität, näherte sich verwirrt der Tastentafel und drückte erneut die bereits aufleuchtende Taste für das Erdgeschoss; eine Aktion, die sich als sinnlos erwies. Stattdessen schien der Fahrstuhl das Tempo drastisch zu erhöhen. Mittlerweile hatten alle Passagiere das merkwürdige Verhalten der Beförderungsmaschine bemerkt. In ihren Gesichtern standen Überraschung und leichte Besorgnis geschrieben.
Die Kabine hätte den Boden des Aufzugschachts bereits erreichen müssen, überlegte Lars, der hier im Kaufhaus als Bürokaufmann tätig war.
Schließlich sprach Hans eine dementsprechende Bemerkung aus und die anderen Fahrgäste gaben ihm Recht. Doch bis jetzt blieb ihnen nicht viel anderes übrig als zu warten.
"Ich werde den Notruf verständigen", sagte Lars und aktivierte den an der rechten Kabinenwand angebrachten Notfallknopf. Alle warteten gespannt, doch nichts geschah.
"Ich möchte nur wissen, wozu es diese verfluchte Taste gibt, wenn sie im Ernstfall sowieso nicht funktioniert", schimpfte er.
Hans erinnerte sich, irgendwo gelesen zu haben, dass einer Studie zufolge etwa zwei Drittel aller Sprechnotrufe nicht funktionierten, doch er hütete sich davor, die anderen Fahrgäste nur noch mehr zu beunruhigen.
Eine blaue, stoppschildförmige Prüfplakette deutete darauf hin, dass der nächste TÜV letzten Monat fällig gewesen wäre, doch Hans ignorierte sie.
Thomas holte sein Handy hervor und starrte überrascht auf das leere Display. Neugierig drückte er einige Knöpfe, doch das Mobiltelefon reagierte nicht.
Völlig machtlos und abgeschnitten von der Außenwelt warteten sie, bis die Kabine zum Stillstand kam.
"Wir werden doch nicht verletzt, oder?" Nancys Gesicht spiegelte Verängstigung wider und ihre Mutter beruhigte sie eilig. Doch sie klang nicht halb so überzeugt, wie sie es gerne gehabt hätte.


ZWEITER TEIL: ANKOMMEN

Unbestimmte Zeit später gelang es der Hoffnung, der Besorgnis das Fürchten zu lehren, denn die Maschine drosselte die Geschwindigkeit. Nach einem kurzen, durch das Bremsen ausgelösten Quietschen erfolgte ein dumpfer und unsanfter, dafür jedoch gedämpfter Aufprall am Boden des Schachts, der keine Zweifel daran offen ließ, dass die Beförderungsmaschine ausgedient hatte. Die Fahrstuhltür spaltete sich ineinander und verschwand gemächlich in der Wand.
Die Passagiere blickten gespannt nach draußen. Undurchdringliche Finsternis belagerte den Fahrstuhl. Ein Gefühl der Beklemmung breitete sich in ihnen aus. Vergeblich bemühten sie sich, Schemen von dem zu erfassen, was vor ihnen lag, doch die Adaptionszeit der Augen schien sich ins Unendliche zu erstrecken. Die Deckenleuchten beschränkten ihre Strahlen lediglich auf die Kabine. Fast war es, als ob draußen eine Gegend jenseits ihres Zuständigkeitsbereiches lag.
"Ich habe vorhin Kerzen gekauft", meldete sich Maggie zu Wort und kramte in ihrer Tasche. "Ich nehme an, niemand von Ihnen möchte gerne blind in die Dunkelheit hinaustreten."
Auch Tom reagierte prompt, holte sein Feuerzeug hervor und zündete die Dochte an. An der eigenartigen Lichtschranke vorbei begaben sie sich nach draußen.
Die Kerzen verfügten über kaum eine Wirkung. Hans sprach den Gedanken laut aus und seine Stimme hallte unzählige Male wider. Er hatte das Gefühl, sich in einer Art Höhle zu befinden.
"Wo um alles in der Welt sind wir hingeraten?", fragte Thomas.
"Ich habe keinen blassen Schimmer", antwortete Hans. "Irgendetwas geht nicht mit rechten Dingen zu."
"Jedenfalls befinden wir uns nicht mehr im Kaufhaus", meldete sich Lars zu Wort. Ein derartiger Raum war ihm in seiner Arbeitsstätte nicht bekannt.
"Das gefällt mir nicht", räumte Hans ein. "Wir sollten schleunigst sehen, wie wir von hier weg kommen."
Die Gruppe folgte der Mauer und fand so einen Gang, der aus der großen Räumlichkeit hinausführte. Mit klopfenden Herzen folgten sie dem Stollen.


DRITTER TEIL: STURZ

Was war geschehen? Worin bestand der Sinn ihres Erlebnisses?
Die befriedigenden Antworten auf ihre Fragen blieben ihnen verwehrt.
Ihre Fußreise nahm kein Ende. Hohe Wände umdrängten die fünf und bildeten ausgedehnte, nie enden wollende Gänge; ein einziges unterirdisches Labyrinth. Die Stollen mussten sich auf etliche Kilometer erstrecken. Wenn Hans, Maggie und die anderen auf Abzweigungen trafen, wählten sie immer abwechselnd einmal den rechten und einmal den linken Weg. So wollten sie vermeiden, im Kreis zu laufen. Allerdings verliefen die wenigsten Gänge geradeaus und so konnten sie diese Möglichkeit natürlich nicht mit hundertprozentiger Gewissheit ausschließen.
Der Weg führte die fünf in einen Raum, deren volle Größe im spärlichen Schein der Kerzen nicht auszumachen war.
"Mami, ich habe Durst", sagte Nancy in matten und ausgelaugten Tonfall und Maggie kramte eine Coladose aus ihrer Tasche. Nancy näherte sich der Richtung, in der sie glaubte, im Kerzenlicht die Schemen ihrer Mutter ausmachen zu können.
"Aaaah!" Ein dumpfes Geräusch erklang und das Mädchen schrie gellend auf.
"Nancy!?" Maggies Stimme überschlug sich. "Ist alles in Ordnung, mein Kleines? Wo bist du?"
"Ich bin hier unten", ertönte die weinerliche Antwort. "In der Grube!"
Hans sank in die Knie, führte seine dicke Kerze in die Richtung, aus der Nancys Stimme ertönte und die vagen Umrisse des tückischen Bodenloches wurden erkennbar.
"Es ist nicht sehr tief", stellte er fest und setzte die Kerze so neben dem Abgrund ab, dass sie ein bestmögliches Sichtfeld ermöglichte. Dann bat er Nancy, sich aufzustellen und zu versuchen, ihm die Hände zu reichen.
"Mein Bein", antwortete diese jammernd. "Es hört einfach nicht auf, weh zu tun."
Hans' Miene verfinsterte sich. "Du musst dagegen ankämpfen, hörst du?", versuchte er ihr eindringlich klarzumachen.
"Ja", antwortete Nancy, während sie versuchte, sich langsam aufzurichten. Schließlich gelang es ihr, einigermaßen das Gleichgewicht zu halten.
Hans bemühte sich, Nancys Hände zu ergreifen. Als er sie nach einiger Zeit zu fassen bekam, zog er sie mühsam nach oben. Lars und Thomas unterstützten ihn nach Möglichkeit dabei.
"Geschafft", ächzte er schließlich hörbar erleichtert und Maggie stürmte sofort auf ihre Tochter zu und stützte sie hastig, da sie im selben Moment umzuknicken drohte. Liebevoll nahm sie sie auf die Arme und trug sie von der heimtückischen Falle fort.
Das rechte Bein, mit dem sie unglimpflich am Boden aufgekommen war, bereitete ihre Tochter größerer Schmerzen und die Möglichkeit eines Knochenbruchs war nicht auszuschließen. Sie würde einen Arzt benötigen.
Beim Weitergehen nahm Lars sich Nancys Rucksack an und das Mädchen selbst wurde abwechselnd von anderen getragen, da ihr Bein jegliches Vorankommen blockierte. Besonders Hans erbot sich dieser Aufgabe.
Diesmal waren sie mit einem blauen Auge davon gekommen, doch schon bald würden weitere Hindernisse folgen.


VIERTER TEIL: SCHLAF

Gelegentlich kreuzten weitere kleine Räume ihren Weg und riefen die unerfreulichen Erinnerungen an den ersten, auf den sie gestoßen waren, herauf. Dann waren sie beim Durchqueren immer besonders achtsam.
Müdigkeit und Niedergeschlagenheit veranlasste die fünf schließlich dazu, in einen mittelgroßen Raum, den sie nach möglichen Gefahren abtasteten, eine Pause einzulegen. Erschöpft lehnten sie sich an den kalten Wänden an. Hans bot den anderen von seinen Lebensmitteln, die er eingekauft hatte, an, was von allen dankend angenommen wurde, da sie eine Stärkung gut vertragen konnten
Die Gruppe versuchte zu schlafen. Nancy war zuerst eingenickt und Maggie war, angesichts der Schmerzen ihrer Tochter, froh darüber.
Auch die anderen wollten Schlaf finden, damit sich ihr Körper regenerieren konnte, doch es gelang nicht allen von ihnen, sich von den bisherigen Strapazen des Tages ausreichend zu erholen. Thomas, Maggie und Lars nickten immer nur für kurze Zeit ein, Hans gelang nicht einmal dies. Trotz der kräftezehrenden letzten Stunden befand er sich in einem hellwachen Zustand, der jegliches Eindösen unmöglich machte. Nach einer Weile gab er schließlich auf und dachte über ihr bizarres Erlebnis nach. Stunden später schlief er dann doch ein.
Niedergeschlagen setzten sie am nächsten Morgen ihren Fußmarsch durch den Untergrund fort. Die Stollen unterschieden sich wesentlich von denen des Vortages und auch diesmal nahmen sie bei Abzweigungen einmal den linken und einmal den rechten Weg.
Als sie von eisiger Kühle umgeben wieder einmal bei einer Abbiegung ankamen, bogen sie nach rechts ab und gelangten dadurch in einen Stollen, der wesentlich breiter war als die übrigen, die sie passiert hatten. Dort nahmen sie eine weitere Veränderung wahr.
Verwundert starrte die Gruppe dem Ende des Gangs entgegen. Hoffnung breitete sich in ihnen aus. Es fiel ihnen schwer, ihren Augen zu trauen und einen Sinn in dem zu erkennen, was vor ihnen lag.
Am Ende des Stollens erstrahlte ein gleißendes, grünliches Licht von unvorstellbarer und blendender Intensität.


FÜNFTER TEIL: ERKENNEN

Ihre Gedanken überschlugen sich regelrecht ohne auch nur den leisesten Hauch einer vernünftigen Erklärung zu finden. Zu bizarr stellte sich der Anblick ihrer Umwelt dar, der sich durch vernunftmäßiges Denken nicht erklären ließ, sondern vielmehr über ihre Vorstellungskraft hinausreichte und jeglicher Möglichkeit und Logik widersprach. Die Veränderung lenkte die Gedankengänge der fünf in eine neue Richtung jenseits der bisher eingeschlagenen, doch sie machte noch immer nicht den geringsten Sinn.
Von grellgrünen Strahlen einer umfassenden Lichtquelle umgeben, die sich gleichmäßig im gesamten Umfeld der Gruppe ausbreitete, fanden sich die fünf in einer riesigen Halle, gefüllt mit unzähligen Regalen und Kleidungsständern wieder, die keinerlei Zweifel offen ließen, dass es sich bei dem Bauwerk um die erste Etage des Einkaufszentrums handelte, das verlassen vor ihnen lag. Es herrschte jedoch eine unheimliche, beinahe majestätische Stille und keiner der fünf wagte, sie im ersten Moment zu brechen. Wie in Trance durchschritten sie den Gebäudeteil, begutachteten ihn ausgiebig und bemühten sich vergeblich, eine plausible Erklärung zu finden, die das unterirdische Vorhandensein des Kaufhauses rechtfertigte.
"Das ist... unfassbar", stieß Thomas schließlich hervor. "Wie... ist so etwas nur möglich?" Besonders Lars, der seit mehreren Jahren für das Kaufhaus arbeitete, kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. "Die Umgebung existiert doch wirklich, oder? Ich meine, ich bilde mir das nicht nur alles ein..."
"Wir können nicht alle die gleiche Vision haben", stimmte ihm Hans zu. Seine Stirn hatte sich in zahlreichen Falten gelegt. "Trotzdem dürfte es diesen raumversetzten Ort nicht geben."
Maggie blickte in Richtung der Fahrstühle. "Was meinen Sie? Könnte der Aufzug uns zurück ans Tageslicht bringen?"
Sie näherten sich der Kabine. Nancys Mutter betätigte mit klopfendem Herzen den an der Wand angebrachten Metallknopf.

SECHSTER TEIL: ZERSTÖRUNG

Ihr Vorhaben scheiterte. Die Taste des Fahrstuhls leuchtete weder auf noch vernahm die kleine Gruppe die typischen Geräusche eines sich nähernden Aufzugs. Thomas blickte in die Richtung, aus der sie gekommen waren, zurück und stieß einen überraschten Aufschrei aus. Hans, Maggie und Lars drehten sich um. Der unterirdische Gang, der sie ins Einkaufszentrum geführt hatte, war verschwunden. Seine Position hatte eine schlichte Steinmauer eingenommen, die das gesamte Gebäude umschloss und ein Umkehren als völlig unmöglich gestaltete. Der Boden unter seinen Füßen zitterte kaum merklich.
"Alles begann im Kaufhaus. Und jetzt sind wir wieder dort", fasste Lars ihr Erlebnis kurz zusammen. "Etwas Wichtiges muss es mit dem Gebäude auf sich haben."
Die anderen schwiegen gedankenversunken.
"Etwas ist faul an der Sache", sprach Hans vorahnend aus. "Und zwar ganz gewaltig. Das spüre ich." Innerlich brodelte eine beunruhigende Anspannung in ihm. Der Erdboden zitterte für den Bruchteil einer Sekunde von Neuem.
"Kommen wir jetzt nach Hause, Mami?", mischte sich auf einmal Nancy ins Gespräch ein. Ihre Stimme klang matt und ausdruckslos.
"Vielleicht, Liebling", antwortete ihre Mutter. "Ich weiß es nicht."
Die Gruppe trat an einen der leerstehenden Kassenschalter heran, als völlig unerwartet ein erneutes Beben von solcher Heftigkeit ausbricht, dass die fünf Mühe haben, ihr Gleichgewicht zu halten und nicht hilflos die Balance zu verlieren. Immer stärker vibriert der Erdboden unter ihren Füßen und Risse zeichnen sich in dem spröden Beton ab.
"Was geht hier vor?" Thomas' Gedanken überschlagen sich regelrecht und maßloser Schrecken entfaltet sich in ihm. Regale stürzen scheppernd zu Boden und von der Decke lösen sich unerwartet Betonstücke, deren Anzahl und Größe sich beständig vergrößern.
"Wir müssen hier raus", schreit Lars voller Entsetzen in das lautstarke Getöse hinein. Hans versteht ihn dennoch. "Nach unten!", brüllt er und verstärkt seine Worte mit einer entsprechenden Handbewegung. Nancy kreischt entsetzt, als bröckeliges Gestein auf sie herabregnet. Das Beben ist an Lautstärke kaum noch zu überbieten. Schon bald wird der gesamte Gebäudekomplex wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen und alles, was sich in ihm befindet, begraben. Lange wird die schwere Betondecke nicht mehr halten. Einige Kaufhauslampen stürzen klirrend zu Boden und verfehlen die fünf nur knapp. Ständig lösen sich größer werdende Deckenbrocken und prasseln wie gefährliche Hagelkörner hinab. In Windeseile stürmen die fünf Personen zur stillstehenden Rolltreppe und somit dem Ausgang des Gebäudes entgegen. Als wäre der Steinhagel noch nicht genug, spaltet sich der Boden unter ihren Füßen in zwei unterschiedlich flächige Hälften und Maggie stürzt um ein Haar durch den breiten Ritz eine Etage tiefer. In allerletzter Sekunde springt sie aufschreiend zurück und hält sich an einer runden Säule fest. Hals über Kopf hetzt sie zu den anderen, die bereits vorausgeeilt sind. Noch etliche Meter trennt die Gruppe von der Rolltreppe, die sie ins Erdgeschoss bringen kann. Das Mauerwerk muss jetzt jeden Moment durchbrechen und die gesamte Decke zusammen mit dem Stahlbeton nach unten stürzen lassen, was ihren sicheren Tod bedeuten würde. Unglaublich große Brocken Stahlbeton schlagen beträchtliche Löcher in die Bodenfläche. In großen Schritten sprinten sie die Treppe nach unten. Sie erreichen das Erdgeschoss im allerletzten Moment, als hinter ihnen die gesamte Kaufhausdecke des ersten Obergeschosses in sich zusammenstürzt und alles unter sich begräbt. Bis jetzt sind die fünf mit einem blauen Auge davongekommen, doch vor ihnen sieht es keinen Deut besser aus. Hinzu kommt der aufgewirbelte Staub, der für einige Hustenanfälle sowie ein erschwertes Sichtfeld sorgt. Übergangslos stürzt hinter ihnen die Rolltreppe mit einem dumpfen Knall ins Untergeschoss und reißt dabei Teile des umliegenden Bodenfeldes mit sich. Große Teile der Betondecke haben keinen Halt mehr und knallen den Gebäudeeingang versperrend lautstark zu Boden. Hans bleibt abrupt stehen und deutet nach rechts. Die anderen erahnen, was er ihnen mitteilen will und rennen wagemutig in die entsprechende Richtung. Andauernd werden die fünf von irgendetwas getroffen und es grenzt an ein Wunder, dass sie bereits so weit gekommen sind. Zielstrebig eilen sie dem vorderen Teil des Zentrums entgegen, da der eigentliche Ausgang bereits verschüttet ist. Es handelt sich um einen riskanten Wettlauf gegen die Zeit. Hans, Nancy noch immer in seinen Armen tragend, verlassen die Kräfte und er fällt immer weiter hinter den Rest der Gruppe zurück. Noch immer beschränkt sich ihre Flucht auf den hinteren Gebäudekomplex, von dem eine enge Passage in den vorderen Teil des Kaufhauses führt. Doch die ist wegen des aufgewirbelten Staubes, der in dem grünen, gleißenden Licht erstrahlt, kaum noch zu erkennen. Intuitiv jagen sie der Enge entgegen.
"Aaah!" Was unausweichlich schien, ist eingetreten und Thomas liegt unter einem mittelgroßen Stück Stahlbeton begraben. Wimmernd und mit schmerzverzerrtem Gesicht versucht er sich zu befreien. Lars eilt ihm zu Hilfe und macht sich vergeblich die Mühe, die Last beiseite zu schieben, doch der gewichtige Beton macht sein ehrenwertes Vorhaben beinahe unmöglich. Stattdessen trifft ihn Metall an der Schläfe und der junge Angestellte kämpft einen Moment gegen die verführerische Schwärze vor seinen Augen an. Mehrere kostbare Sekunden lang, müht er sich vergeblich ab, doch mit eisernen, wenn auch beinahe letzten Kräften gelingt es ihm schließlich, Thomas unter den Trümmern zu bergen. Das Weiterlaufen bereitet Thomas nun sichtlich mehr Anstrengung und gestaltet die Flucht aus dem Gebäude gefährlicher denn je. Als erste erreicht Maggie die Passage und entzieht sich durch den aufgewirbelten Staub aus den Augen der anderen. Diese bemühen sich mit Leibeskräften, ihr zu folgen. Hans verfängt sich mit seinem linken Fuß in einem Durcheinander aus Kleidungsbügeln und Kabeln, stolpert, schafft es aber, einen verhängnisvollen Sturz zu verhindern. In Nancys Augen steht blankes Entsetzen geschrieben. Dann durchschreiten Thomas und Lars die Passage.
Etwas Hartes trifft Hans am Kopf, der tapfer versucht, weiterzutorkeln. Dann verliert er endgültig das Bewusstsein.


SIEBTER TEIL: QUINTESSENZ

Paul wischte sich mit grimmiger Miene den Schweiß von der Stirn. Fünf Stunden härtester Einsatz schlugen auf sein Gemüt und machten diesen Tag zum schwersten seines bisherigen Lebens. Was heute geschehen war, hatte die ganze Stadt erschüttert und die Katastrophe verlangte Paul psychische Höchstleistungen ab. Knapp einhundert Rettungskräfte waren im Einsatz und arbeiteten sich mit Trennscheiben und in mühevoller Kleinarbeit vorsichtig ins Innere des Gebäudes vor. Oder vielmehr dem, was davon noch übrig war. Die Gasexplosion hatte den gewaltigen hinteren Gebäudekomplex binnen weniger Sekunden fast vollständig in einen Ort der Verwüstung verwandelt. Die Hoffnung, jetzt noch Überlebende zu finden, stand gleich null.
Umständlich kramte er seine Trinkflasche hervor, als er hinter einem umgestürzten Stahlregal eine Bewegung wahrnahm. Verwirrt blinzelte Paul mehrere Male, weil er der Meinung war, sich versehen zu haben, doch sie wiederholte sich daraufhin und er widmete ihr größere Aufmerksamkeit.
"Eddie!", schrie Paul sichtlich erregt, "Großer Gott, wir brauchen eine Liege. Schnell!" Das letzte Wort hatte er geschrieen und sein Kollege reagierte unverzüglich, indem er die Nachricht an die Rettungsmannschaft weitergab, die sofort näher kam. Was Paul angesichts der heftigen Explosion und der mittlerweile verstrichenen Zeit nicht mehr für möglich gehalten hatte, war eingetreten und es schien wahrhaftig noch jemand überlebt zu haben. Die Sanitäter handelten auf der Stelle und bargen die verletzte Person, ein kleines Mädchen im Alter von etwa sieben Jahren. Ein junger Arzt kroch hastig auf sie zu, nahm sie behutsam auf die Arme und fühlte ihren Puls.
"Ist sie am Leben?", fragte Paul unbehaglich und erhielt ein beglücktes "Ja!" als Antwort. "Aber ihr Puls ist schwach."
Unterdessen näherten sich vier weitere Personen dem Schauplatz.
"NANCY!!" Außer sich vor Freunde stürzte Maggie, eine der vier, auf ihre Tochter zu und wollte sie umarmen, doch ein junger Arzt schob sie mit sanfter Gewalt beiseite.
"Bitte, bleiben Sie ein wenig zurück. Ihre Tochter benötigt dringend ärztliche Hilfe. Sie können später mit ihr zusammen sein."
Maggie fiel es schwer, die Vertröstung hinzunehmen, doch sie beherrschte sich und hatte sich soweit in der Gewalt, den Sanitätern zu folgen und nicht mehr zu versuchen, einzugreifen. Thomas und Lars wandten sich unterdessen in Richtung Paul, der die beiden misstrauisch begutachtete. Der vierte im Bunde, ein Polizeibeamter namens Berger, folgte den beiden in einigem Abstand.
"Es muss sich noch eine weitere Person unter den Trümmern befinden!", sprudelte Lars hastig hervor und erntete einen zweifelnden Blick des Mannes.
"Wer sind Sie überhaupt?" Paul wirkte jetzt eindeutig irritiert.
"Die beiden haben mir eine ziemlich haarsträubende Geschichte erzählt", mischte sich Herr Berger zum ersten Mal im Gespräch ein. "Aber dafür ist später noch genügend Zeit. Bitte tun Sie, was er gesagt hat."
Paul verschwendete keine weiteren Worte, sondern spaltete mit Hilfe einer Schleifscheibe ein großes Stück Stahlbeton. Zwei seiner Kollegen eilten ihm zu Hilfe und schafften die umliegenden Bruchstücke beiseite. Nachdem eine gewisse Menge des Bauschutts aus dem Weg geräumt wurde, erkannten Paul und die anderen in naher Entfernung eine weitere Person.
"Hans!", brüllte Lars, doch der Immobilienmakler rührte sich nicht, sondern blieb regungslos und mit dem Gesicht nach unten in dem Trümmerhaufen liegen. Hans' Haut und die Kleidung, die er trug, hatten eine aschgraue Verfärbung angenommen und an zahlreichen Wunden klebte vertrocknetes, dunkelrotes Blut. Seine Beine lagen verdreht in einem großen Haufen von wirrem Kabelsalat. Hastig räumten die Einsatzkräfte die restlichen, sperrigen Hindernisse fort. Die Wartezeit dehnte sich dabei ins Unerträgliche.
Eddie trennte mit einer Spezialzange die Stromkabel durch und zwei engagierte Sanitäter schoben Hans zur Bahre vor, auf die sie ihn legten. Einer der Ärzte begann zusammen mit seinen Kollegen sofort mit der Wiederbelebung. Die anderen beteten, dass die Zusendung der elektrotechnischen Impulse Hans Körper wiederbelebte und die Atmungs- und Herzfunktion wieder in Gang brachte.
Sie tat es.


EPILOG

Aus Maggies Tagebuch (Eintrag vom vierzehnten Juni):

Liebes Tagebuch,

drei Wochen sind seit dem Ereignis verstrichen.
Eine Mischung aus Sauerstoff und Methangas, entstanden durch ein Leck in der Erdgasleitung, führte zu der Detonation im hinteren Gebäudekomplex. Wie es zu dem Leck kam, ist aber nach wie vor unklar. Fakt ist, dass zahlreiche Menschen ihr Leben verloren haben; darunter auch einige Arbeitskollegen von Lars.
Und unter ihnen hätten auch wir sein müssen.
Auch wenn die Flucht aus dem einstürzenden Gebäude nicht gerade einfach war, so hatten wir im Vergleich mit der Explosion, die nur Sekunden dauerte, eine Chance gehabt, die wir genutzt und somit unser Leben gerettet haben.
Trotz des Desasters sollten wir Dankbarkeit und Ehrfurcht für die Rettung empfinden.
Hans liegt noch immer im Krankenhaus, darf aber bald wieder nach Hause. Trotz seines kritischen Zustands hat er das Schlimmste überstanden.
Ich denke, dass auch er noch immer fieberhaft nach einer Erklärung für unser mysteriöses Erlebnis sucht. Dieser Tag hat sein Denken völlig auf dem Kopf gestellt.
Auch Nancy geht es mittlerweile wieder gut.
Wir alle sind noch zutiefst verstört und möchten wissen, welche Macht (Ich bin mir nicht sicher, ob diese Bezeichnung wirklich zutrifft. War es vielleicht sogar Gott?) uns die Flucht ermöglicht hat. Erfahren werden wir es nie.
Und so möchte ich zitierend mit den Worte enden, wie sie auch Hans verwendete, als er zu mir meinte: "Vielleicht war es einfach ein 'bemühter Eingriff des Guten in das üble Handwerk des Bösen'.

Maggie


© by Michael 2002

 

Hey.

Will wenigstens 'ne kurze Kritik posten, nachdem ich das ganze Teil gelesen habe.

Nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Die Gliederung scheint mir unnötig, einfache Absätze hätten es auch getan. Driftet oft ins Kitschige ab (vor allem zum Schluss), Spannung wird kaum aufgebaut, dementsprechend reisst der Höhepunkt der Geschichte den Leser meiner Meinung nach nicht gerade vom Hocker.

Idee beibehalten, die Geschichte aber vielleicht doch ein bisschen anders aufziehen?

San

 

Hallo!

Auf die Gliederung hätte ich vielleicht wirklich verzichten können.

Aber hast du (oder ein anderer Leser) eine Idee, wie ich die Spannung steigern könnte?

 

Hey, ganz schön lang und ein bisschen langatmig, bis es endlich spannend wird. der schreibstil is aber net schlecht und die Geschichte is auch was Neues. Du hättest eben einfach eher Spannung aufbauen müssen.
Viele Grüße - Elfie

 

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