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Fahrraddiebstahl im Keller
Ich hatte mich gerade bettfertig gemacht, als es an der Tür klingelte. „Wer stand da wohl jetzt, am Sonntagabend um 23 Uhr?“, dachte ich. Ich lief die Treppe meiner kleinen Maisonettewohnung hinunter und warf einen Blick durch den Türspion. Direkt vor meiner Wohnung stand niemand, aber ich erkannte 2 Personen vor der gläsernen Haustür und drückte auf. Ins Haus kamen 2 Polizisten, ich schloss meine Wohnungstür auf. „Guten Abend, sind Sie Frau Wilhelm?“ Ich nickte nur und mir schossen sofort 1000 Gedanken durch den Kopf. Ist meiner Tochter, die noch unterwegs war, etwas passiert oder meiner Mutter , oder…„Können wir mal reinkommen?“, fragte der eine Polizist, der andere schaute in seine Unterlagen. „Um was geht es denn?“, fragte ich zurück. „Naja, das möchten wir ungern vor Ihrer Wohnungstür besprechen.“ Ich überlegte kurz, sagte dann aber “ Das macht mir nichts aus, um was geht es?“ Mein Ton war eine Mischung aus Bestimmtheit und Unsicherheit; ich hoffte, sie würden Letzteres nicht bemerken. „Frau Wilhelm, wir würden gerne wissen, ob außer Ihnen noch jemand in der Wohnung ist“. „Wie bitte?“ „Wir haben einen Anruf erhalten, dass im Keller vor etwa 20 Minuten ein Fahrrad gestohlen wurde und angeblich soll der Täter damit in Ihre Wohnung gegangen sein“. „Nein, meine Tochter ist nicht da und sonst wohnt hier, beziehungsweise ist hier auch niemand“, antwortete ich wahrheitsgemäß.“ „Dann entschuldigen Sie bitte die späte Störung. Sie werden in den nächsten Tagen Post für eine Zeugenbefragung erhalten, vielleicht fällt Ihnen bis dahin ja noch etwas ein, auf Wiedersehen“. Ich schloss die Tür. Etwas aufgewühlt ging ich ins Bett, schlief dann aber noch recht schnell ein. Am nächsten Morgen erzählte ich am Frühstückstisch meiner Tochter davon. „Warum werden nur so viele Fahrräder geklaut?“, mehr hatte sie dazu nicht zu sagen. Ein paar Tage später lag dann tatsächlich ein Brief im Briefkasten, aber kein offizielles Schreiben, wie sich schon am Kuvert erkennen ließ. Ich öffnete ihn und sah etwas Handgeschriebenes. „Wie schön“, dachte ich, „dass es so etwas auch noch gibt“. „Liebe Frau Wilhelm“, war dort zu lesen,“ ich bin einer der Polizisten, die am Sonntag abend bei Ihnen waren. Ich hoffe, Sie finden es nicht zu aufdringlich, dass ich mich jetzt privat bei Ihnen melde, aber ich würde Sie unheimlich gerne näher kennenlernen. Hätten Sie Lust, mit mir unverbindlich einen Kaffee zu trinken, vielleicht im Lanterneau?“ Dies war ein französisches Bistro, welches erst vor kurzem in unserer Stadt eröffnet hatte und ich wollte dort unbedingt mal hin. „Warum also nicht auch in Gesellschaft?“, dachte ich vergnügt. Ich war sowieso viel zu viel alleine seit meiner Scheidung vor 5 Jahren. So genau wusste ich gar nicht, mit wem ich mich jetzt verabreden würde, aber was sollte Schlimmes passieren? Ich würde mich zumindest wieder mal sicher fühlen, in Gegenwart eines Polizisten. Ich rief die Telefonnummer an, die im Brief stand. Nach der ersten Verabredung folgte eine zweite, eine dritte, dann gab es den ersten Kuss. Inzwischen sind eineinhalb Jahre vergangen und im nächsten Monat heiraten wir. Mein zukünftiger Mann kam gestern zu mir und sagte, dass er mir vor der Hochzeit noch etwas zu beichten hätte. „Dann mal raus mit der Sprache“, sagte ich lächelnd. „Also Schatz“, fing er an, weißt Du noch, als ich das erste Mal mit meinem Kollegen vor Deiner Tür stand?“ Er machte eine kleine Pause. „Vorher hatte ich Dich schon mehrmals im Supermarkt gesehen, aber ich wusste nicht, ob Du schon vergeben warst. Es gab damals gar keinen Fahrraddiebstahl.“