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Fabelhafte Nächte

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04.05.2003
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Fabelhafte Nächte

Am Ende eines jeden Tages, wenn die Nacht hereinbricht und es draußen dunkel wird, dann steigt in mir leicht die Angst hoch. Kann mensch sagen, die Angst steigt hoch? Mal sehen. Ja doch. Es beginnt im Bauch, es drückt und pumpt. Ab und zu ein kleiner Stich. Abwechselnd einmal links dann kurz rechts, ansteigend bis zu einem Sekundentakt. Je finsterer es wird, desto mehr schleicht sich der Druck nach oben bis er im Hals stecken bleibt. Um später, so kurz gegen drei Uhr morgens zuzudrücken. Fest, ganz fest, bis ich beinahe keine Luft mehr zum atmen bekomme. Nur ein kleiner Spalt bleibt in der Luftröhre, gerade genug um langsam Sauerstoff zu hecheln. Ich führe einen Todeskampf. Nacht für Nacht, der Stunden andauert. Ich sterbe. Ich werde sterben jeden Moment. Sobald der letzte Millimeter meines Halses zugedrückt wird ist es vorbei mit mir. Ich muss schon ganz blau sein, denke ich mir. Die Lippen pulsieren. Meine Hände sind kalt und bleich. Doch dann kommt das Licht. Ich kann das Licht der Sonne spüren, sehen noch nicht. Ich spüre es, das Licht, durchhalten, noch ein kleines Stück, noch ein bisschen weniger atmen, Kräfte sparen. Kurz ausharren. Nicht sterben. Und plötzlich sind sie da, die ersten Lichtstrahlen. Manchmal sind es Sonnenstrahlen. Ein helles aber gedämpftes gelb vermischt sich mit dem Blau des Himmels. Das Schwarz stirbt. Meine weißen Hände bewegen sich noch. Das dunkle Blau meiner Lippen wird so hell wie das Blau des Himmels. Kurz davor sich wieder in ein leichtes Rosa zu verwandeln. Wie ein Chamäleon. Nicht tot, nicht erstickt, nicht erdrückt, die Angst besiegt. Wobei besiegt stimmt wohl kaum. Vertrieben ist besser. Aber auch nicht von mir, sondern vom Licht. Das Licht, mein Licht, mein Lebensretter. Nacht für Nacht bringen mir die Lichtstrahlen den Tag zurück und schenkt mir Leben. Ich denke, ich bin kein Mensch. Ich kann keiner sein. Menschen rauben mir Kraft, sie bringen mich zum verzweifeln, genauso wie die Nacht. Die Mehrheit von Ihnen. Je mehr ich ihnen zusehe desto mehr werden sie mir fremd. Es wird schwieriger, immer mehr, es mit Ihnen auszuhalten oder sogar mich mit Ihnen zu identifizieren. Ich kann sie kaum mehr verstehen, ihre Wörter wollen kaum mehr in mein Ohr. Ich sehe mit an, wie sie handeln und ich kann auch analysieren, warum sie es tun. Auch was sie dazu treibt bin ich in der Lage zu beschreiben. Jedoch, warum sie nicht aufhören sich gegenseitig zu verletzen auf tausend verschiedene Varianten, das kann ich nicht ertragen. Ich schaffe es nicht das tragen. Ich weiß, ich muss das nicht aber von mir wegschieben, gelingt mir noch weniger. Genauso wenig, wie ich die Nacht nicht auslöschen kann, das Schwarz gehört dazu. Ohne Schwarz kein Weiß und umgekehrt. Ich kann aber nicht nicht sehen, was ich nicht will. Kann ich Mensch sein, wenn ich meine Lichtsucht nicht heilen kann. Ohne Licht kann ich nicht leben. Braucht jeder Mensch, weiss ich. Dass meine Extremniederbrüche der Nacht psychologische Probleme sein können oder sein müssen, dachte ich mir auch. Rein aus menschlicher Sichtweise, ich bin ja nicht dumm. Mit den Sprechstundenhilfen telefonieren, PsychologInnen aufsuchen, Erfahrungen besprechen, von Kindheit an alles durchgehen, Symptome analysieren, Medikamente verschreiben. Hart am Problem arbeiten, ja, und das alles habe ich versucht und gemacht. Ich kämpfe mit dem Tod, Nacht für Nacht und nach wie vor. Vielleicht war ich bereits tot, aber ich wurde wiedergeboren jeden Morgen oder aus der Ohnmacht geweckt. Ich hoffe, ich war noch nicht tot und weitaus mehr will ich nicht an die Vorstellung denken, dass ich schon wiedergeboren wurde. Denn ein zweites Mal auf diesen Planten Erde geschickt zu werden verkrafte ich nicht. Ich gehöre nicht hierher, ich spüre es. Wo? Das ist mir egal, nur Licht und weit weg von hier. Aber wer kann mir die Frage beantworten, wie viele Existenzen ich schon hinter mir habe und noch vor mir liegen. Wer weiß das schon. Es gibt vielleicht noch einen Grund, warum ich nicht Mensch bin. Menschen schlafen, ich nicht. Ehrlich, ich sehe aber wie ein Mensch aus. Habe einen Körper mit all den dazugehörigen Symptomen, Ausformungen und Prägungen. Aber ich denke nicht wie sie, ich spreche nicht auf ihre Art und Weise. Lediglich die Töne sind die selben. Ich verstehe zwar die Menschen, sehe wie sie leben. Ich aber handle anders. Was ist mit mir? Ich besitze eine Geburtsurkunde. Ich bin ein Mensch. Warum bin ich keiner? Diese Frage an den letzten Psychologen war für ihn reine Provokation. Gut dachte ich, ohne Beweise läuft nichts. Skeptik unter den Menschen ist mir bekannt und Videokamera sei Dank. Klar ließ ich mich filmen in den Nächten, mich verkabeln, checken und analysieren. So ... großartige Neuigkeiten erfuhr ich, nichts nämlich! Nichts, was mir nicht schon bekannt war. Mit Ausnahme der Bemerkung einer Schwester, dass ich in dem Nachthemd wie eine kleine Elfe aussehe. Im ersten Moment fiel mir dazu nur ein, das Hemd kratzt mich verdammt noch mal. Aber das wesentliche, muss ich ständig wiederholen, ich bin doch nicht blöd. Körperlich ja, alles normal, habe alles was mensch braucht und tagsüber funktioniert die Maschine auch. Was nachts abläuft 100%ig das Gegenteil. Mit Menschenverstand nicht zu beschreiben und auch medizinisch nicht zu heilen. Ich war schon ein aufregendes Versuchskaninchen und ein faszinierendes Beobachtungssubjekt. Behandelt jedoch wie ein Objekt. Und wenn ich schon auf Erden lebe, als Mensch, hielt ich es nach einer Zeit auch nicht mehr für nötig Objekt zu sein. Warum auch, erfuhr ich doch nichts neues. Heilung gegen das Dunkel wurde mir auch nie versprochen. Nicht einmal die Hoffnung darauf wurde mir gemacht. Lampe einschalten nachts. Was für ein billiger Fake. Dennoch versucht natürlich, aber nichts gebracht. Der Druck, die Stiche von unten nach oben, sie kamen. Immer, wie bestellt. Mir war selbst völlig bewusst, wenn ich weiß, es wird passieren, dann geschieht es auch, dann muss es so sein. Fehlanzeige. Wie wäre es mit Schlaftabletten? Toll fiel mir dazu nur ein. War es auch irgendwie. Doch das zu beurteilen ist etwas schwierig, weil ich nicht mitbekam, was rund um mich und mit mir geschah. Schlief ich doch irgendwie. Aber mein Körper kämpfte, rang nach Luft, wartete auf den Tag und das Licht. Ich bin ein hoffnungsloser Fall und auch der einzige in der Akte im Spital. Abgeheftet unter dem Buchstaben meines Familiennamens. Einen Namen für diese Krankheit gibt es nicht. Nun dachte ich mir, dann wird es wohl auch keine Krankheit sein. Deshalb sieht mich in dieser Causa auch kein Arzt mehr und ich kein Krankenhaus von innen. Jetzt zum Wesentlichen. Wurde es nicht schon lange Zeit? Wie geht es mir? Es geht mir fabelhaft. Passender wohl kaum auszudrücken. Ein Wort, vielleicht eines der wenigen, das mich zu beschreiben vermag. Ich bin nicht krank und ich lebe. Ich werde auch nicht sterben, das wird mir immer klarer. Nicht früher und nicht später als irgend ein Mensch auf diesem Planeten. Denn der Tag kommt, nach jeder Nacht. Es ist wundervoll und ich bin fabelhaft. Real und doch nicht. Nicht erklärbar nur beschreibbar. Ein Bild kann ich von mir malen andere auch, weitererzählen kann ich meine Geschichte ebenfalls. Mensch kann glauben oder nicht. Ich bin jedoch hier, immer noch!

 

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bye

barde

Am Ende eines jeden Tages, wenn die Nacht hereinbricht und es draußen dunkel wird dann steigt in mir leicht die Angst hoch.

vor "dann" ein komma

sie bringen mich zum verzweifeln,

"verzweifeln" hier gross

 

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