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Für meinen großen Bruder

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09.10.2016
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Für meinen großen Bruder

In den 60er Jahren konnten mein Bruder Wolfgang und ich uns nicht besonders leiden und wir waren selten einer Meinung.
Uns trennte halt der Altersunterschied von 4 Jahren.
Während ich zum Beispiel aus unserem Neckermann-Musikschrank noch die altmodischen Schlager von
Mama und Papa dudeln ließ, liebte er schon Rock und Popp.
Unsere Eltern schimpften ihn: "Dieses laute Geschrei von den Langhaarigen, das ist doch furchtbar. Nimm Dir ein Beispiel
an der Kleinen. Die wirft auch ihre 2 DM Taschengeld nicht raus für Kaugummis und MickyMaushefte, sondern sie steckt
alles brav in die Sparbüchse.

Ich hab mich oft gezankt mit meinem Bruder, aber daß ich ihm so als Vorbild vor die Nase gesetzt wurde,
gefiel mir garnicht und das wollt ich ihm auch zeigen.
Eines Tages als er wiedermal die Bravo las, ging ich rüber zu ihm, linste über seine Schulter und
betrachtete die bunten Fotos der Stars. Er blätterte langsam und blätterte -
Da schnellte meine Hand nach vorn und ich deutete auf einen blonden Langhaarigen.
"Den find ich klasse!", polterte ich heraus, "Und zu Weihnachten wünsch ich mir die Schallplatte "Dear Mrs. Applebee".
Wolfgang hob kaum merklich den Kopf, sagte kein Wort, schnalzte nur leis mit seinem Kaugummi.

Am nächsten Morgen erwachte ich mit Uhu-Geruch in meiner Nase. An meiner Nachttischlampe lehnte ein Pappdeckel.
Darauf hatte er fein säuberlich das Poster von David Garrick geklebt. Noch nie zuvor hatte mein Bruder sich für mich
so angestrengt. Ich war mächtig beeindruckt und mehr noch -
Zu Weihnachten bekam ich von ihm meine Schallplatte und er von mir zwei Fix und Foxi-Hefte.
Denn ich, seine kleine Schwester hatte bemerkt, daß er diese Comics viel lustiger fand, als die doofe MickyMaus.
Und darüber waren wir Zwei endlich mal 100% einer Meinung.

 

Hallo Claudia,

und ein herzliches Willkommen bei den Wortkriegern!

Ich bin quasi nur auf der Durchreise (leider in letzter Zeit viel zu oft) und da kam mir die Länge deiner Geschichte sehr entgegen. Das was du in deinem Profil schreibst, ähnelt ja beinahe schon einer Art Teufelskreis - okay, in die Richtung eben ;)

Ein paar Textstellen:

Der Einstieg gefällt mir sehr gut, du packst alle Fakten in einen Satz. Der darauffolgende Satz allerdings ist durch das "halt" ein wenig umgangssprachlich, finde ich:

Uns trennte halt der Altersunterschied von 4 Jahren.
Worte wie "schließlich", "halt" oder "ja" setzten immer eine gewisse Selbstverständlichkeit voraus. Beispiel (ich zitiere mich mal kurz selber :D): ein Kommentator sagt: "er spielt ja jetzt bei Eintracht Pfützenstett"... In diesem Falle wird dem Zuhörer eine Information gegeben, die durch dieses "ja" zu einer Selbstverständlicheit wird. Wenn der Zuhörer aber nichts von dieser Information wusste, weiß er es in diesem Moment dennoch, da er darauf hingewiesen wurde. Ist also eine Angelegenheit, in der dem Zuhörer Unwissen vorenthalten wird. Das nur kurz als Input.

Die wirft auch ihre 2 DM Taschengeld nicht raus für Kaugummis und MickyMaushefte, sondern sie steckt alles brav in die Sparbüchse.
"Die..." klingt ein wenig abwertend. Da habe ich nicht das Gefühl, dass von den Eltern zu ihrer Tochter ein sehr freundliches Verhältnis herrscht (und: Du beginnst den Abschnitt mit Anführungszeichen, die sich dann zum Satzende verlieren. Ist das gewollt?)

Und darüber waren wir Zwei endlich mal 100% einer Meinung.
Wir zwei.
....

Deine Kurzgeschichte gefällt mir, weil sie ganz stur ihren Weg geht und ich beim Lesen fast schon ein bisschen geahnt habe, in welche Richtung sie sich entwickeln wird. Gelungen finde ich vor allem den Anfang und das Ende, weil sich beide Teile durch die Meinungsunterschiede miteinander verbinden.

liebe Grüße,
SCFuchs

 

Hallo!
Vielen Dank für Deine Anregungen. Ich bin ganz stolz, daß jemand jede meiner Zeilen
so genau durchdenkt.
Liebe Grüße
Claudia

 

Hallo @Claudia

du schreibst von Fix und Foxi, Micky Maus und Bravo. Auch wenn ich erst zehn Jahre später dran war, sind das drei gute Argumente, die mich begeistern können. Doch leider geschieht das hier nicht.

Du schreibst von einem Mädchen, das im Clinch mit dem großen Bruder lebt. Argumentierst mit dem Altersunterschied und der Tatsache, dass sie dem Bruder als gutes Beispiel vorgehalten wird. Hier liegt der Grund, weshalb der Text nicht bei mir ankommt. Ich lese das, erlebe es aber nicht. Das ist doch dein Konflikt im Text, den du anhand von einer Szene/ von Szenen darstellen kannst. Lass mich dabei zuhören, wie die Geschwister sich zanken, wie die Eltern die laute Musik störend empfinden. Lass sie agieren. Lass mich das sehen. Im Abschnitt danach machst du das sehr schön. Wie sie ihm beim Bravolesen über die Schulter spitzelt und in Entzückung gerät beim Anblick von David Garrick. Das ist klasse. Da lese ich nicht, da sehe ich. Da passiert etwas zwischen den Geschwistern. Et voilà – was findet sie am nächsten Morgen auf ihrem Nachttisch?

Liebe Claudia, ich hätte mir mehr von diesen Szenen gewünscht, damit ich ein rundum stimmiges Leseerlebnis habe. So finde ich, hast du Potential verschenkt. Wenn du da noch etwas nachlegst, kann das eine richtig schöne Bruder-und Schwester-Geschichte werden.

Was mich beim Lesen immer wieder störte, waren die Zeilenumbrüche. Die solltest du dir nochmal ansehen. Auch die Zahlen sind so nicht korrekt geschrieben. Im allgemeinen Schriftverkehr ist es üblich, Zahlen bis zwölf auszuschreiben. In der Literatur geht man noch weiter, da schreibt man aus, solange es verständlich zu lesen ist.

Die wirft auch ihre 2 DM Taschengeld nicht raus für Kaugummis …

ihre zwei Mark oder zwei D-Mark. Abkürzungen ausschreiben (cirka, okay, zum Beispiel …)

… sie steckt alles brav in die Sparbüchse.

Wörtliche Rede - das Schlusszeichen fehlt.

Er blätterte langsam und blätterte -

hier fehlt etwas. Du kannst den Satz nicht mit einem Gedankenstrich enden lassen. Vielleicht: Er blätterte langsam. Blätterte und blätterte. Alternativ gingen auch Auslasspunkte: Er blätterte langsam und blätterte ... Wichtig bei denen: davor und danach ein Leerzeichen setzen.

"Den find ich klasse!", polterte ich heraus, "Und zu Weihnachten wünsch ich mir die Schallplatte "Dear Mrs. Applebee".

Nach heraus gehört ein Punkt und Dear Mrs. Applebee würde ich kursiv schreiben, damit hebt es sich besser ab. Der abschließende Punkt gehört vor die Schlusszeichen.

Wolfgang hob kaum merklich den Kopf, sagte kein Wort, schnalzte nur leis mit seinem Kaugummi.

Das ist eine Szene, die lebt. Ich kann seinen Kaugummi schnalzen hören.


hundertprozentig

Wie gesagt, ich finde du kannst da was draus machen.

Ein herzliches Willkommen auch von mir und liebe Grüße

Tintenfass

P.S. den Song habe ich schon ewig nicht mehr gehört und ihn nebenher laufen lassen. Es hat sich also gelohnt deine Geschichte zu lesen ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Find ich super, Vielen Dank!
Ja, ja die Satzzeichen. Ich will immer schnell, schnell schreiben, eh ich den Gedanken vergesse und
da sind mir die kleinen Biester oft lästig.
In einer Deutschstunde (vor vielen, vielen Jahren), gab uns die Lehrerin einen Tipp als es um die
Kommas ging. Sie meinte. " Immer wenn Ihr einen Satz lest und habt Zeit tief Luft zu holen,
da muß das Komma hin". Später hatte ich dann mal in einem Aufsatz viele rote Kringel und
darunter stand: Claudia, Du holst viel zu oft Luft!
Daran mußte ich gerade denken.

Lieben Gruß
Claudia

 

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