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Für immer zusammen
Seine Geschichte:
Die Sonne ist schon lange hinter den vielen kleinen Häusern untergegangen. Wie lange ist es wohl schon her, dass ich das letzte Mal so gerannt bin? Ohne Aussicht auf mein Ziel, oder generell auf Erfolg. Keuchend komme ich an einer breiten Straße zum stehen. Einen kurzen Moment kann ich noch stehen und mir einen Überblick über meinen Standort verschaffen, bevor ich mich auf meine Knie stütze. Ich ringe tief um Luft, während mir die schweren Regentropfen auf den Rücken fallen. Mir ist eiskalt. Ich kann weder meine Hände, noch meine Füße oder irgendetwas in meinem Gesicht spüren. In meinen Ohren höre ich nur noch meinen Herzschlag.
Nachdem ich wieder normal atmen kann, schaue ich mich genauer um.
Ich stehe an der breiten Kreuzung vor dem großen Einkaufszentrum. Die Straßen, auf denen sonst so viele Autos fahren, liegen in der Dunkelheit verlassen vor mir. Dass ich überhaupt etwas erkennen kann, liegt an den vielen Laternen, die tapfer im schweren Regen ihr Licht ausstrahlen. Ich versuche mich zu erinnern. Wohin ist sie früher immer gegangen? Wo könnte sie in diesem schweren Sturm nur sein?
Ich gehe erst einmal den Weg, der vor mir liegt. Ich hoffe ich kann sie bald finden. Ansonsten könnte ich mir nie vergeben, dass ich sie allein gelassen habe. Gerade jetzt, in dieser schwierigen Zeit. Langsam setze ich einen Fuß vor den anderen. Meine Schuhe und meine Jacke halten schon seit längerem den Regen nicht mehr ab. Mit jedem Schritt, den ich gehe, fühlt es sich so an, als würde ich auf Schwämmen laufen. Das Wasser läuft überall an meinem Körper hinunter, aber ich darf nicht aufgeben! Sie ist irgendwo dort draußen und ich werde sie finden.
Der Weg führt entlang der Längsseite des Einkaufszentrums in Richtung Westen. Die vielen, kleinen Pflastersteine lassen mich kurz straucheln, bevor ich kurz die Kontrolle über meine Füße verliere und unsanft auf eben diese Steine falle. Schmerz zuckt durch meinen ganzen Körper und ich spüre seit langem wieder etwas Warmes in meinem Gesicht. Vorsichtig richte ich mich auf, bevor meine Hand seelenlos mein Gesicht entlangfährt. Zuerst realisiere ich es nicht wirklich, aber auf meinen eiskalten Fingerspitzen ist Blut. Ohne groß einen Gedanken daran zu verschwenden, stoße ich ein kurzes „Verdammt…“ aus, als ich mich wieder auf meine Füße stelle und wieder anfange loszulaufen.
Meine Schritte sind schwer und ich spüre, wie mich meine Kraft verlässt. Ich muss sie schnell finden, bevor ich keinen einzigen Meter mehr gehen kann. Stumm laufe ich wie hypnotisiert weiter, während der Regen immer stärker wird. Es fühlt sich an, als würden mich feine, eiskalte Nadeln ins Gesicht stechen. Aber ich hoffe es, nein ich weiß es, dass mich jeder Schritt näher zu ihr bringt. Bei dem Gedanken, dass sie irgendwo bei diesem Wetter allein ist, schnürt sich mir die Kehle zu. Ich werde sie finden!
Erneut versuche ich durch die Dunkelheit zu sehen, als ich das Schild des alten Parks erkenne, in dem ich als Kind so oft war. Zögerlich setze ich einen Fuß vor den Anderen, bevor ich meine Kraft wiedergefunden habe und ich durch großen Eingang laufe.
Doch als ich die großen Hecken hinter mir gelassen habe, halte ich inne. Dort, unter der großen Laterne, sitzt ein kleiner, zierlicher Schatten. Sein Kopf ist tief in seinen Knien vergraben und seine Arme halten die Beine fest umschlossen. Vorsichtig nähere ich mich, als mir etwas auffällt.
Ihre Geschichte:
Wie lange ist es wohl schon her, dass ich hier sitze? Mitten im Park, im strömenden Regen, ohne einen Schirm oder eine Jacke. Nicht, dass sie mich vor diesem heftigen Regen schützen würden, aber es wäre trotzdem ein schönes Gefühl, der Kälte nicht so ausgeliefert zu sein. Mein Blick wandert langsam zum Himmel, bis mich das Licht der Laterne blendet, unter der ich Schutz gesucht habe.
Ich spüre wie der Regen auf mein Gesicht niederprasselt und über meine Wange und den Hals hinunterläuft. Vorsichtig strecke ich meinen Arm aus und versuche das Licht zu greifen. Das Licht, dass so warm aussieht, aber für mich doch unerreichbar ist. Als sich meine Augen auf meine Hand konzentriert, merke ich, dass meine Hand schon blau angelaufen ist. Wann war es wohl, dass ich sie das letzte Mal gespürt habe? Ich kann mich nicht daran erinnern, aber langsam wird es mir klar. Die Luft und der Regen, alles um mich herum ist eiskalt. Und trotzdem, habe ich wunderschöne Erinnerungen an dieses Wetter. Denn damals hat es auch geregnet. Damals, als ich ihn zum ersten Mal traf.
Ich hatte mich damals in diesem Park verlaufen und ging weinend durch die Gegend, ohne zu wissen, wohin mich dieser Weg führt. Aber genau dieser Weg sollte mich zum wichtigsten Ort in meinem Leben führen. Denn er führte mich zu ihm. Zu ihm, der mich durch sein sanftes Lächeln all meine Sorgen vergessen ließ.
Aber heute wird er nicht kommen, denn er weiß nicht, dass ich fort bin. Das Einzige, was ich wirklich bedauere, ist, dass ich nie wieder sein Lächeln sehen werde. Dieses sanfte Lächeln, was mich immer am Leben gehalten hat. Wo ich vergaß, dass mein kleines Krankenzimmer alles war, was ich je von dieser Welt sehen werde. Wo ich einfach ich selbst sein konnte, lachen konnte, Spaß hatte. Ich versuche meine Arme zu heben, um mir meine Tränen aus dem Gesicht zu wischen, aber sie gehorchen mir schon nicht mehr. Sie bleiben einfach fest um meine Knie geschlungen und zeigen auch nicht, dass sie je wieder loslassen werden. Ich lasse meinen Kopf auf meine Beine fallen und mein Blick folgt dem Weg zum Eingang, als ich plötzlich jemanden dort stehen sehe.
Die Geschichte von beiden:
„Hey! Geht es dir gut?!“, ruft er durch die Dunkelheit, als er mit großen Schritten auf sie zu kommt. Er kniet sich neben sie und umarmt sie fest. „Was machst du hier draußen? Es ist eisig kalt und es regnet aus Strömen.“
Als er sie mit seinem besorgten Gesicht ansieht, lächelt sie ihn einfach an. „Es tut mir Leid…“, flüstert sie mit zittriger Stimme. „Aber ich wollte unbedingt noch ein Mal hierher kommen. Hier, wo wir uns das erste Mal getroffen haben.“ Tränen fließen ihr Gesicht entlang, als sein Griff um sie immer fester wird. „Du Dummkopf!“, erwidert er. „Warum wolltest du unbedingt heute hierher kommen? Du hättest bald das Krankenhaus verlassen können und dann wären wir gemeinsam hierhin gegangen!“
„Es tut mir Leid…“, sagt sie, als sie ihre Augen schließt und seine Umarmung genießt. „Wie lange ist es wohl her, dass du mich so umarmt hast?“, flüstert sie in sein Ohr. „Du bist so schön warm. Es ist genau wie damals.“ Ihre Augen fallen langsam zu, als er ihr wieder ins Gesicht sieht. „Hey! Du darfst hier nicht einschlafen! Bitte! Bleib wach!“, ruft er ihr in der Hoffnung zu, dass sie seinen Wunsch noch erhört. Doch sie antwortet nicht.
„Bitte! Bitte… bleib wach…“
Seine eben noch so starke Stimme wird immer leiser, bis außer einem Schluchzen nichts mehr zu hören ist. Er wird noch die ganze Nacht neben ihr sitzen bleiben und um sie trauern, bevor auch er seine Augen nicht mehr offen halten kann und an ihrer Seite friedlich, mit einem sanften Lächeln einschläft.
Ende