Was ist neu

"Fünf Zeilen"

Mitglied
Beitritt
13.02.2002
Beiträge
10

"Fünf Zeilen"

„Fünf Zeilen“

Ich lernte meinen Mann damals über eine Kontaktanzeige in der Tageszeitung kennen. Obwohl ich diese Anzeigen immer belächelte und mich über sie teilweise köstlich amüsierte, las ich sie trotzdem immer wieder. Ich fragte mich was für Leute wohl hinter diesen Anzeigen stecken würden. Wie groß müsste meine Verzweifelung sein, damit ich bereit währe eine solche Anzeige aufzugeben?.
Doch eines Tages dann, las ich eine Anzeige die mich vom ersten Augenblick an fesselte. Doch ich hätte im Traum nicht daran gedacht auf eins dieser Inserate zu antworten.
Auch nicht auf dieses. Also brachte ich die Zeitung runter in den Keller und legte sie zu den anderen, zum Altpapier. Doch was ich die Tage darauf auch machte, ich musste immer an dieses eine Inserat denken. Und eines abends ,nach unzähligen schlaflosen Nächten, machte ich mich dann doch auf den Weg runter in den Keller. Doch zu meinem Entsätzen stellte ich fest, das der Hausmeister, der ja bekanntlich bei uns im Haus immer Dienstags das Altpapier entsorgt, das wohl schon am Montag erledigt hatte. Tage lang hatte ich gegen mich und meinen angeblichen Ehrenkodex gerungen. Und dann als ich mich entschieden hatte, es in betracht zu ziehen darauf vielleicht doch zu antworten, kam mir der Hausmeister zu vor und durchkreuzte mein Vorhaben. Es explodierte eine geballte Ladung entsetzen in mir. Es war wie die Detonation eine Bombe, gefüllt mit der Hoffnung, den Mann des Lebens gefunden zu haben und ihn zugleich wieder verloren zu haben. Ich war völlig fassungslos als ich bemerkte wie stark ich mich doch in diese fünf Zeilen verliebt hatte. Ich beschloss meine Mutter anzurufen. Denn die Tageszeitung lag bei ihr, vor ihrer Entsorgung ,immer noch einige Wochen im Keller herum. Das war für mich die Gelegenheit. Als ich bei meiner Mutter eintraf und ihr erzählte, warum ich so dringend diese Zeitung bräuchte, schüttelte sie nur den Kopf und gab mir den Kellerschlüssel. Es war für sie unbegreiflich. Zu ihrer Zeit hätte es so etwas nicht gegeben, hörte ich sie vor sich hin murmeln als ich mich auf dem Weg runter in den Keller befand.
Unten angekommen, kämpfte ich mich durch die Berge von Altpapier die sich über Wochen oder eher schon Monate angesammelt hatten . Doch die, die ich suchte war unauffindbar . Aus meiner Verzweifelung heraus ,überwand ich meine Peinlichkeit und beschloss den Verlag anzurufen. In kurzen und knappen Worten schilderte ich ihnen den Inhalt des Inserats. Auf Grund meiner sehr präzisen Angabe, fand man sehr schnell heraus um welche Anzeige es sich handelte. Am gleichen Tag noch schickte ich einen Brief ab. Ich wartete jeden Tag, voller Hoffnung auf eine Antwort. Es war fast unerträglich. Ich fing schon jeden Tag den Briefträger an unserer Haustür ab, mit der Erwartung endlich einen Brief von ihm zu bekommen. Eine Zeitlang dachte ich schon, ich würde keine Antwort mehr bekommen. Vielleicht hatte ihm mein Brief nicht gefallen und er hat ihn einfach gedankenlos in den Müll geschmissen. Oder er hatte eine andere Frau kennen gelernt und von nun an kein Interesse mehr an zu Schriften.
Nach zwei Wochen hielt ich dann die, mit Sehnsucht erwartete, Antwort in meinen Händen. Und so schrieben wir uns dann eine Weile, bis zu unserem ersten treffen, das ich mit großer Angst aber auch zugleich mit größter Freude erwartete.
Angst, nicht seinen Vorstellungen gerecht werden zu können und Freude denn Mann endlich kennen zulernen. Ich hatte aber auch Angst von ihm enttäuscht zu sein, weil bis dahin in meinem Kopf ein ungefähres Bild von ihm entstanden war und er diesem Bild vielleicht nicht entsprechen könnte.
Wir schrieben uns fast täglich und wussten schon recht viel von einander. Doch dann, am Abend des 15. Oktobers trafen wir uns zum ersten mal. Die Tage davor waren für mich die reinste Folter. Ich war so nervös, das ich sogar schon begann mir die Nägel abzukauen, vor lauter Aufregung. Ich versuchte meine Nervosität im Zaum zu halten, damit mich die anschließende Enttäuschung nicht mehr so hart treffen würde. Ich war fest davon überzeugt das der Traum des Perfekten Mannes, den ich glaubte gefunden zu haben, wie eine Seifenblase zerplatzen würde. Es war einfach zu schön um Wahr zu sein. Aus unseren unzähligen Briefen, glaubte ich erkennen zu können, das wir wie für einander geschaffen währen. Es kam mir vor wie in einem Traum.
Wir hatten dann beschlossen uns in einem Italienischen Restaurant zu treffen. Er wollte mich erst zu sich nach Hause einladen und für uns Kochen. Aber ich empfand es für besser bei unserer ersten Begegnung uns an einem neutralen Ort zu treffen. Man kann ja nie wissen. Ein bisschen misstrauisch war ich schon, trotz der Rosaroten Brille die ich trug.
Wir waren gegen acht Uhr verabredet und pünktlich auf die Minute, trat er durch die Tür des Restaurants. Seine äußere Erscheinung entsprach exakt seiner Beschreibung.
Er kam zu mir an den Tisch. Wir hatten verabredet, das ich einen weißen Briefumschlag auf den Tisch legte, um uns so leichter erkennen zu können..
Und da stand er nun vor meinem Tisch. Er trug eine dunkle Jeans dazu ein weißes Hemd und eine hell blaue Krawatte, die sich mit dem Rest der Kleidung nicht gerade hervorragend ergänzte. Er hatte mittel braunes kurzes Haar und einen Oberlippenbart. Seine Figur würde ich eher als gemütlich beschreiben, aber im großen und ganzen machte er einen sympathischen Eindruck auf mich. In seiner Hand hielt er einen Blumenstrauß. Es was das erste mal das mir ein Mann Blumen schenkte. Das hatte zuvor noch niemand für mich gemacht. Ich hatte mich wohl geirrt als ich annahm das bei unserem ersten treffen die Blase der Illusion platzen würde. Im Gegenteil aus ihr würde ein großer Ballon mit dem ich fort flog in Richtung Himmel.
Ich würde wohl nicht lügen wenn ich sage das es der schönste Abend war ,den ich bis dahin je erlebt hatte. Ich fühlte mich zum ersten mal verstanden, in einer Unterhaltung wie ich sie bis dahin von Männern nicht kannte. Alle sonstigen Unterhaltungen die ich immer mit Männern führte, bekamen wohl eher das Privileg „Partygespräch“ von mir verliehen. Aber das mit ihm war etwas völlig anderes. Er war nicht der typische Proletaria, sondern eher einfühlsam und sensibel. Und das war genau das was ich bis jetzt bei noch keinem Mann erlebt hatte. Es war so völlig fremd für mich. Man könnte sagen das ich auf der langen Reise des Lebens, durch die Stürmischen Meere auf eine Insel gestoßen bin wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte.
Es schien eine Insel voller Leben zu sein, aus deren Früchte ich neue Kraft schöpfte für die weitere Reise. Oder hatte ich jetzt eine Heimat gefunden ?
Ein halbes Jahr und unzählige treffen später, haben wir dann schließlich geheiratet. Obwohl wir dann noch einige Zeit getrennt lebten. Trotz unsere nicht geführten Bilderbuch Ehe, mangelte es anfangs nie an unserer Liebe. Im Gegenteil, sie wurde durch unsere Schwierigkeiten nur noch stärker und vermittelte uns das Gefühl der Zusammengehhörigkeit um so mehr. Mein Mann litt an starken Schweißausbrüchen, die Anfallsartig über in kamen. Er konnte nichts dagegen machen, so sehr er sich auch bemühte. Wir haben unzählige Arzte aufgesucht, die uns mit Rat und Tat zur Seite standen, aber keiner konnte eine wirkliche Verbesserung erzielen. Die Ursachen waren meines Erachtens nicht Körperlicher Herkunft. Und so erschienen mir all unsere Bemühungen in die falsche Richtung zu verlaufen. Es erfolgte eine kurzfristige Besserung während meiner Schwangerschaft, worauf ich mich in meinen Vermutungen nur bestätigt fühlte. Wir bekamen dann am 16.02.1984 unsere Tochter Anna. Sie war ein Geschenk des Himmels. Mit dem Tag ihrer Geburt schien es als währe ein Wunder in Erfüllung gegangen. Denn sie war nicht unser erster Versuch ein Kind zu bekommen. Und laut einer Ärztlichen Diagnose, waren die Chancen für mich ein Kind zu gebären nicht gerade sehr hoch. Man könnte sagen unter 50%. Und so versuchten wir es schon eine ganze Weile, doch all unsere Bemühungen waren nicht gerade vom Erfolg gekrönt. Jeder negative Schwangerschaftstest war wie ein Messer das sich langsam durch eins unserer Körperteile bohrte und dabei Wunden hinterließ die scheinbar nie verheilen würden. Diese Misserfolge wirkten sich dann auch auf unseren Alltag aus und hinterließen dort ihre Spuren.
Mein Mann arbeitete bis zu seiner Frühzeitigen Pension als Beamter bei der Post, wovon es sich sehr gut leben lies. Wir konnten uns zwar nicht sämtliche Schikanen leisten, aber den
Hungertod hatten wir auch nicht zu befürchten.
Es war ein Geschenk Gottes ,wenn ich Anna und ihren Vater zusammen auf dem Boden liegend spielen sah. Holger liebte unsere Tochter über alles. Wenn er mit ihr spielte glänzten seine Augen wie ich es nie zuvor woanders gesehen habe. Selbst bei mir glänzten seine Augen nicht annähernd so wie sie es bei Anna taten. Es schien als ob sie beim spielen zu einer unzertrennlichen Einheit würden, die nichts und niemand stören konnte, nicht einmal ich. Ich wünschte mir manchmal das mein Vater mich genau so geliebt hätte. Mein Vater und ich waren auf eine andere Art und Weise unzertrennlich. Und zwar nur wenn er Abends zu mir in mein Kinderzimmer kam. Diese Besuche fanden dann regelmäßig bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr statt, bis er eines Abends nicht mehr aus der Kneipe nach hause kam. Am nächsten Tag erfuhren wir aus der Zeitung, das man am Abend einen betrunkenen Mann überfahren hatte dessen Identität noch ungeklärt sei. Meine Mutter verließ darauf das Haus und kehrte einige Stunden Später weinend zurück.
Ich glaube manchmal sogar das wir Testpersonen sind, an denen das Leben harte Schicksalsschläge und ihre Auswirkungen erforscht. Was hatten wir bloß verbrochen damit uns so eine Ehre zu teil wurde.
Ich träumte oft davon wegzulaufen. Einfach alles stehen und liegen zu lassen und zu verschwinden. Alle Sorgen und Probleme hinter sich zu lassen. Aber ich hätte meinen Mann und meine Tochter nicht einfach im Stich lassen können. Außerdem hatte ich die Befürchtung das meine Probleme schneller laufen könnten als ich. Und egal wo ich hingehen würde, sie mich einholen würden. Und das wäre ein Leben auf der Flucht, das ich mir keineswegs wünschte. Denn eine große Verbesserung hätte ich damit auch nicht erreicht. Ich redete mir dann immer ein, ich sollte doch lieber in Lösungen denken und nicht in Problemen.
Am Tag von Annas Einschulung kam mein Mann dann ins Krankenhaus. Er hatte schon seit mehreren Wochen eigenartige schmerzen im Unterleib. Die Diagnose war Hodenkrebs. Was dadurch zwangsläufig zur Amputation führte. Nach einigen Wochen wurde er dann wieder aus dem Krankenhaus entlassen.
Ich hatte Angst ihn anzufassen. Und jeglicher Anflug von Zärtlichkeit wurde dadurch schon in seinem Keim erstickt. Ich versuchte ihm überall auszuweichen. Ich hatte Angst ihn anfassen zu müssen. Der Gedanken daran verursachte grenzenlosen Ekel bei mir, obwohl er immer noch mein Mann war und ich ihn über alles Liebte. In meiner Fantasie entwickelte sich ein Horrorfilm, der sich auf unseren Geschlechtsverkehr bezog. Das schlimme daran war das mein Mann durch den Verlust seiner Hoden, Hormone einnehmen musste die den Männlichen Körper verweiblichten. Die Konsequenz daraus war das ihm Brüste wuchsen .Kurze Zeit später wurde er erwischt wie er versucht hatte in einem Kaufhaus einen Büstenhalter zu klauen.
Nach der Operation hatte sich unser Leben verändert. Ich erkannte meinen Mann kaum wieder. Er war nicht mehr der Mann den ich damals in dem Restaurant kennen gelernt hatte.
Die Psychische Belastung wurde so groß das ich es nicht mehr aushalten konnte. Selbst Anna hatte gar keinen Richtigen Bezug mehr zu ihrem Vater. Er beachtete sie gar nicht mehr. Ich war mit einem Mann verheiratet der mir plötzlich völlig Fremd wahr. Unsere anfängliche Traum Ehe wurde zu einem Alptraum, aus dem ich keine Ausweg mehr wusste.
Eines Nachts entschloss ich mich dann mit meiner Tochter zu verschwinden. Ich packte die nötigsten Sachen ein, lud alles in unser Auto und fuhr einfach los. Nicht einmal einen Abschiedsbrief habe ich ihm hinterlassen.
Aber was sollte ich auch einem Mann schreiben der unmöglich noch meine eigener sein konnte.
Ich wollte mit all dieser Pein einfach nicht mehr Leben und ich dachte es währe das beste für Anna und mich woanders ein neues Leben zu anzufangen.
Anna und ich leben jetzt weit weg in einer anderen Stadt.

Gestern habe ich in der Tageszeitung wieder eine Anzeige von meinem Mann gelesen. Es war aber diesmal keine Kontaktanzeige.

 

Hallo Jonas,

alles in allem eine ganz gute Geschichte. Nur der Schluß hat mir nicht gefallen; warum verläßt sie ihn?
Du schreibst:

Aber was sollte ich auch einem Mann schreiben der unmöglich noch meine eigener sein konnte.
Nur, weil er durch die Operation keine Hoden mehr hat, weil er weiblicher geworden ist, ist das ein Grund für Deine Protagonistin, ihn zu verlassen? Es ist klar, daß sich Holger in Depressionen stürzt; hat er ja niemanden mehr, der zu ihm hält. Also ich finde, das ist ein bißchen oberflächlich; wenn ich jemanden liebe, dann liebe ich jemanden nicht wegen seines Geschlechtsteiles (obwohl; manche tun das ja :rolleyes: ), sondern wegen seines Inneren. Na ja, vielleicht bin ich auch einfach nur altmodisch... :D

Wie gesagt; alles in allem eine schöne Lebensgeschichte, die zum Nachdenken anregt. Nur der Schluß gefällt mir nicht (und macht die Protagonistin unsympathisch).

Griasle
stephy

 

@stephy:

Du glaubst hoffnungslos an das Gute im Menschen, ja?

Sorry, aber ich habe das selbst erlebt: Dass PatientInnen von ihren Lebensgefährten/Ehemännern nach einer Brustamputation oder einer Hysterektomie verlassen wurden mit der Begründung: "Sei mir nicht böse, aber ich schaffe das einfach nicht. Ich brauche eine gesunde Partnerin". Oder auch: "Du wusstest ja, dass ich mindestens drei Kinder haben möchte. Und das geht ja jetzt wohl nicht mehr..."

Frauen sind auch nicht viel besser. Der Verlust der "Männlichkeit" oder aber auch ein künstlicher Darmausgang haben auch schon zum Bruch der Beziehung geführt.

Was mich wieder einmal in meiner Meinung bestätigt, dass wir nur so lange "gelitten" sind, als wir einwandfrei funktionieren und einer ästhetischen Norm entsprechen. Ansonsten ist es mit der Liebe schnell dahin.

Ich halte die Geschichte für ausgesprochen realistisch, wenn sie auch einen gallebitteren Geschmack im Mund hinterläßt.

Dem armen Holger nur ein Trost: Er hat im Grunde genommen gar nichts verloren, weil er auf etwas vertraute, was gar nicht da war. Wäre er nicht zwangsläufig "verweibicht", wäre es ihm wohl auch nie vor Augen geführt worden.

 

was mir an der geschichte aufgefallen ist, sind die doch recht häufigen grammatischen fehler (und das schreib ich ausgerechnet in kleinbuchstaben... *g*) und auch ein oder zwei unschöne widerholungen. außerdem bin ich beim schwenk von "endlich ein mann der mich versteht" zu "ein monster" nicht ganz mitgekommen. das fängt mit dem bericht über den vater der protagonistin an und die träume vom weglaufen. diese träume stehen in der geschichte vor der op des mannes, gehören aber logisch dahinter, oder? oder gab es vorher schon einen grund mann und tochter zu verlassen, den ich nicht verstanden habe?
ansonsten find ich die geschichte gut, weil man am ende plötzlich merkt, dass man da über ein halbes leben gelesen hat und wie wenig doch von so einem halben leben übrig bleiben kann...

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom