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Fünf Männer quatschen
Fünf Menschen saßen in einem Raum. Sie saßen auf dem Boden, im Schneidersitz, wie Cowboys um ein Lagerfeuer, und beäugten sich gelangweilt.
„Also, wer war das?“ fragte Peter und deutete mit dem Finger auf seine am Boden liegende Frau.
Die Antworten ertönten im Uhrzeigersinn.
„Ich nicht.“
„Ich auch nicht.“
„Nö.“
„Ich war's.“ sagte der Letzte. Es war Bernhard. Peter sah ihn ungläubig an, die Stirn in Falten gelegt.
„Du warst das?“ fragte Peter. „Ausgerechnet du, Bernhard? Du Witzbold hast meine Frau nicht getötet.“
Bernhard konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. Peters Mundwinkel fingen ebenfalls an zu zucken. Bei Bernhard knickte er stets ein.
„Als ob du das drauf gehabt hättest.“ sagte Peter schließlich.
„Spaß.“ anwortete Bernhard und stand auf, um sich in der Küche ein Butterbrot zu schmieren.
Peter schüttelte den Kopf. Er sah entnervt aus, Augenränder bis zum Kinn, aber er wollte auch gleichzeitig Haltung bewahren und sich seine Müdigkeit nicht anmerken lassen.
„Och Leute, musste das sein? Ich mochte Sabrina.“
Links neben ihm meldete sich Frank zu Wort. „Ich mochte sie auch. Aber sie konnte nicht kochen.“
Ein zustimmendes Gemurmel im Sitzkreis.
„Hast ja Recht.“, sagte Peter und blickte zu Boden.
„Ja, sie konnte nicht kochen.“
„Ja, sie konnte wirklich nicht kochen.“
Bernhard lachte in der Küche und stimmte auch zu. „Will noch wer 'n Brot?“ fragte er,
„Nein. Mir ist der Appetit vergangen.“ sagte Peter. „Also warst du es, Frank?“
Frank schüttelte den Kopf. „Das hab ich damit doch gar nicht gemeint. Ich meinte nur, dass sie nicht kochen kann. Kochen konnte. Kein Grund, sie gleich umzulegen.“ Frank stand auf, verließ die Wohnung durch die Verandatür, um draußen eine zu rauchen. Dann beugte sich Herbert über die Leiche der Frau und inspizierte sie.
„So, Hektor und Herbert. Einer von euch war es. Oder jemand hat hier nicht die Eier in der Hose, die Wahrheit zu sagen.“
Peter sah, wie Hektor kleine Schweißperlen über die Stirn liefen.
„Hektor, wie war das damals mit Sandra?“ fragte Peter. Stählerne, eisenharte Knochenknackermiene. „Na?“
„Du weißt genau, warum ich das getan habe, Peter. Sie hatte dich betrogen verdammt. Aber das hier ...“, Hektor deutete mit dem Finger auf die Leiche der Frau, die wie eine mit den Gliedersehnen verhedderte Marionette am Boden lag, ein Arm über dem Kopf, als würde sie winken. „... Das hier habe ich nicht zu verantworten. Ich kill niemand, der es nicht verdient hat. Du weißt das, Peter. Und Sabrina war ein wahres Goldglöckchen, verdammt.“
Hektor fuhr sich mit der Hand durch nicht vorhandenes Haar.
„Wie war denn das mit Bernhards sogenannten Unfällen damals? Waren es nicht zwei, Berni? Die Treppe, die Ma hinuntergestürzt ist? Oder diese Linda, die du aus Versehen mit deinem Van überrollt hast? Wie alt war diese Linda, vierzehn?“
„Halt die Klappe!“ rief Bernhard zornig. Er war durch die Küchentür gestürmt und stand jetzt mitten im Raum. Er versuchte, mit seinem Butterbrot Hektors Nase zu treffen, warf aber daneben. Er weinte. Ging dann wieder in die Küche. Leises Schluchzen hinter der offenen Kühlschranktür.
„Ich wollte das nicht. Es war ein Unfall. Das waren Unfälle!“
„Er war es nicht.“ sagte Peter. „Ich weiß, dass Bernhard kein Mörder ist.“
Hektor blickte zu Boden. „Also ich war es auch nicht.“ murmelte er.
„Gut. Herbert? Wie hört sich deine Ausrede an?“
Herbert zitterte. Er vermied den Augenkontakt zu Peter.
„Ich weiß nicht recht.“
„Was soll das heißen, Herb? Ich bin nicht sauer, aber raus damit.“
„Ich weiß es nicht mehr.“ stotterte er. „Möglich.“
„Hast du wieder getrunken, Herbert?“
Herbert knallte beide Fäuste auf den Dielenboden. Hektor zuckte zusammen. Peter blieb ruhig, wie ein Kätzchen, schnurrte fast.
„Ich habe ein Alibi! Ich habe den Rasen gemäht, die Küche geputzt, den Boden gewischt, die Fenster geputzt und die Steuererklärung, verdammt ...“
„Ob du wieder getrunken hast, will ich wissen!“ bohrte Peter nach.
„Ja.“, raunte Herbert. „Ich weiß nicht, ob ich sie getötet habe. Du weißt, dass ich schnell wütend werde. Vielleicht hat sie irgendwas gesagt. Ich weiß es wirklich nicht mehr. Ich habe Probleme, Peter.“
Peter schloss die Augen und stöhnte. Aber es war ein mitfühlendes Stöhnen, in den Ohren aller Anwesenden.
„Ich weiß.“ sagte Peter. „Ich weiß.“
Er stand auf und verschränkte die Arme. „Dann müssen wir jetzt erst einmal wieder die Leiche loswerden, Freunde. Kleines Brainstorming. Ideen?“
Keiner sagte etwas. Hektor zuckte mit den Schultern.
„Wieder in den Fluss?“ fragte Peter.
„In den Fluss.“ sagte Herbert.
„In den Fluss.“ sagte Hektor.
„Ich hol schon mal einen Plastiksack.“ sagte Frank, der gerade durch die Terrassentür spazierte.
Ein Husten. Von dem reglosen Körper der Frau auf dem Boden.
Alle Männer schwiegen, mit weit aufgerissenen, völlig überraschten Kulleraugen.
Die Frau hustete ein weiteres Mal und drehte sich auf die Seite.
„Sie lebt!“ rief Peter.
„Sie lebt.“
„Um Gottes Willen, sie lebt, Halleluja.“
„Alarmstufe Rot!“
„Alle wieder rein! Alle wieder rein!“
Hektor und Herbert sprangen, wild mit den Armen fuchtelnd, auf Peter zu. Frank stolperte fast auf seinem Weg und sprang über das Couchsofa. In der Küche wurde der Kühlschrank zugeschlagen und Bernhard rannte auf Peter zu.
„Alle wieder rein, verdammt! Schneller!“
Hektor und Herbert kletterten nacheinander in Peters rechtes Ohr hinein, mit den Füßen voran, quetschten ihre Köpfe durch den viel zu engen Gehörgang. Frank und Bernhard zwängten sich ins linke Ohr und schlugen sich gegenseitig die Köpfe an, als sie sich dabei unglücklich in die Quere kamen.
Ein letztes Ploppen, wie von einem Pfropfen, der sich durch den Hals einer Flasche drückte, und der letzte Fuß verschwand zappelnd in Peters Ohr.
Sabrina richtete sich stöhnend auf.
„Schatz, du lebst. Wie schön. Ich dachte schon, dir wäre etwas ... Schlimmes zugestoßen.“
Sabrina kniff die Augen zusammen, als ob das Tageslicht im Raum ihr zu hell wäre.
„Was. Was ist passiert? Hast du mit wem geredet? Warum liege ich auf dem Boden?“
Peter setzte ein Lächeln auf. Es war nicht leicht, aber es sah dennoch gut aus. Er war gut im Lächeln.
„Das frage ich dich, Schatz. Warum liegst du denn auf dem Boden?“
Sabrina sah hin und her, wie ein dämlicher Wackeldackel, auf der Hutablage eines PKW's.
„Ich glaube, ich bin hingefallen. Der Boden war nass. Verdammt, mein Kopf. Hattest du durchgewischt?“
Peter nickte. „Gewischt, den Rasen gemäht, die Steuererklärung gemacht. Das Übliche.“
„Hast du getrunken? Du stinkst.“
Peter nickte.
„Und du stinkst nach Rauch.“
Peter nickte wieder.
„Und warum liegt da ein Butterbrot?“
„War hungrig.“
Sabrina starrte Peter immer noch mit einem konfusen Blick an, der durch ihn hindurchzusehen schien und stand auf.
„Soll ich dir etwas zu essen machen?“
Peter überlegte eine Sekunde zu lang, nickte dann aber ausdruckslos.