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Serie Experiment - der erste Schwung

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22.06.2014
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Experiment - der erste Schwung

1. Ein Prolog?

Ein Kriktophilocranos (im Folgenden Krikto genannt) ist ein seltsames, blaugeschupptes Wesen der südlichen Hemisphäre. Es fühlt sich zu schönen Jungs hingezogen (vorzugsweise zu denen, die 2009 15-19 Jahre alt waren) und liest gerne astropsychologische Fachliteratur. Wie ich ist auch der Kriktophilocranos ein ausgesprochener Liz-Greene-Fan. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ein Krikto sich immer in der Zeit aufhält, in der er sein möchte. Der Krikto, um den es hier geht, war 2009 10.040 Jahre alt, für Krikto-Begriffe war also gerade in der Pubertät. Alle diejenigen unter euch, die Coming-of-Age-Stories nicht mögen, sollten jetzt wegklicken. Unser Krikto heisst übrigens Ludwig Reiners (er hat sich selbst so getauft, nach dem inzwischen in Vergessenheit geratenen Stilkunde-Apostel, und ich belasse ihn bei diesem Namen, weil ich vorhabe, in diesem Text keiner einzigen Empfehlung aus Ludwig Reiners' Stilkunst zu folgen. Für die Begriffe Ludwig Reiners' werde ich ein schludriges, unmögliches Deutsch schreiben. Und - die Todsünde! - ich werde nichts Korrektur lesen von mir, selbst Tipp- und Rechtschreibfehler fallen bei mir unter die künstliche Freiheit.) Ludwig also, ist nun schon einige tausend Jahre älter, als er es im Jahr 2009 war, da er aber durch die Zeit reisen kann, hält er sich fast ausschließlich im Jahre 2009 auf, weil Kriktos in der Pubertät ein so schön blauschimmerndes Gefieder haben. Ludwig ist eitel genug, nur in der Zeitspanne sein zu wollen, wo sein Gefieder blau schimmert. Die Pubertätstypischen Stimmungsschwankungen nimmt er dafür in Kauf.
An Walpurgisnacht, als unsere Geschichte beginnt, saß der Krikto am Hafen einer ihm unbekannten Stadt, in einem unbekannten Land. (Für gewöhnlich bereiste er immer die Scheibenwelt, aber diesmal hatte er sich für ein anderes, fremdes Universum entschieden.) Er also war gelandet auf hölzernen Planken vor einer Menge Schiffen, inmitten vieler Möwen und unter grauem Himmel. Da es Mitte August war und die Temperatur geschätzte Minus 20°C betrug, wusste Krikto Ludwig sofort, dass er in Flensburg gelandet war. Das Jahr - 2009 - war ja klar, er reiste wie gesagt immer nur im Jahr 2009 umher. Krikto tat, was er immer tat, wenn er an einem fremden Ort war - er nahm das Liz-Greene-Buch, das er momentan am Lesen war, hervor und vertiefte sich in die Lektüre. (Liz Greene hat sicherlich inzwischen über 20 hoch geschätzte Werke veröffentlicht. Krikto hatte bis jetzt gelesen: Astrology for Lovers und Kosmos und Seele. Das Werk, was er gerade hervorholt, ist "Uranus im Horoskop". Er befindet sich auf Seite 187, die Kapitelüberschrift heisst "Saturn als 'Herr der Karmas'".)
Für diejenigen von euch, die Flensburg kennen, wird es keine Überraschung sein, dass der Hafen voll mit weißblau gewandeten Matrosen und weißbärtigen, Pfeife rauchenden Kapitänen war. Allen anderen sei gesagt: In Flensburg leben nur Matrosen und Kapitäne. Zumindest war das 2009 der Fall, inzwischen sind es die Fische müde, gefangen zu werden, und bewegen sich ebenfalls mehr und mehr mit eigentümlicher Grandezza auf der Großen Straße und dem Holm, der Fußgänger(schwimmer)zone.) Nun könnte man denken, das der Kritko mit seiner Präferenz für schöne Jungen von den vielen Matrosen abgelenkt war, dem war aber nicht so. Die Matrosen waren im Schnitt 23 und trugen den unvermeidlichen Fusselbart, den Männer mit 23 Jahren eben tragen - zum Teil, weil ihre geschmacklosen Freundinnen darauf bestehen, zum Teil, weil sie sich selbst beweisen müssen, dass sie Männer sind. Außerdem ist man mit 23 Jahren nun wirklich nicht mehr jung. Der Kritko, der dies wusste, widmete sich gelangweilt weiter seiner Lektüre. So konnte er freilich nicht bemerken, dass die Blicke der Kapitäne durchaus wehmütig an einigen Matrosen hängen blieben. Hätte er dies bemerkt, hätte ihn das zu einigen bitteren Gedanken über das Älterwerden veranlasst, die bei einem, welcher die Gabe hat, durch die Zeit zu reisen, ganz und gar obsolet gewesen wären.
Nun war der Kritko mit nur einem bestimmten Ziel auf die Erde gekommen. Die Erde ist der einzige Planet dieses Universums - und dieses Universum ist das Einzige Universum aus allen Universen - auf/in welchem es Waldorfschulden gibt. Und seit der Prinz aller Kriktophilocranosse (Benshciel I.) auf Erden in einer Waldorfschule die praktische Fertigkeit gelernt hatte, seinen Namen zu tanzen, sind Waldorfschulen in der Welt der Kritkos ungefähr so beliebt wie die Universität Clausthal bei den Chinesen (weil irgendein chinesischer Minister dort seinen Doktor gemacht hat). Kritko Ludwig wusste, dass er in Deutschland war (die Leute lasen allenthalben DIE ZEIT), er wusste auch, dass man nirgendwo, buchstäblich, nirgendwo in Deutschland sein konnte, ohne dass eine Waldorfschule zumindest so weit in der Nähe war, dass man seine Kinder um 4 Uhr morgens aufstehen lassen konnte, damit sie (nachdem sie mehrere Stunden mit dem Helikopter über - beispielsweise die mecklenburgische Seenplatte - geflogen sind) um 8 Uhr pünktlich den Morgenspruch aufsagen können. Übrigens ist es für Kritkos von besonders vitalem Interesse, ihre Namen tanzen zu können - sie können nämlich nicht reden und es ist gut, wenn man sich wenigstens auf irgendeine Art und Weise verständlich machen kann. Da es 6 Uhr morgens war (in Flensburg geht die Sonne im Sommer nicht unter, es liegt soweit nördlich) und der Kritko sich fit fühlte, beschloss er, schnurstraks nach der Waldorfschule zu suchen.
Flensburg müsst ihr euch so vorstellen: Ein Hafen mit ein paar Fregatten, ein immer eisiger Wind, ein Haufen Fischerhütten umgeben von Sand und Strand und Meer. Die Leute sprechen keineswegs Deutsch (obwohl sie es, zumeist jedenfalls, leidlich beherrschen) sondern kommunizieren über kehlige Laute (dänisch). Die prachtvollste Fischerhütte ist deshalb auch die Dänische Bibliothek (diese Fischerhütte hat zwar auch nur ein Stockwerk, aber sie besitzt sanitäre Anlagen!!!) Um zur Waldorfschule zu gelangen, müsst ihr euch über endlose Sandpisten quälen, durch dickichte Kiefernwäldchen, zur Valentiner Allee (heisst Allee, in Wirklichkeit ein kleiner Pfad über eine Heidelandschaft - und auf diesen Weg begab sich Kritko Ludwig. Ein Glück das er fliegen konnte (auch ein Pech, wie sich später herausstellen sollte - denn, wenn man Flügel statt Arme hat, kann man zwar wohl noch Bücher halten - aber Namen tanzen ist durch diesen Umstand doch erheblich erschwert, wenn nicht unmöglich.
Die Waldorfschule ist keine Fischerhütte - beileibe nein. (Schaut sie euch unbedingt an, solltet ihr mal in Flensburg vorbeikommen, sie ist das einzig Sehenswerte in dieser von der Geschichte im Stich gelassenen Stadt!). Sie ist - wie jede Waldorfschule (jetzt mal abgesehen von der Potsdamer Plattenbaute): ein architektonisches Kunstwerk. Das Hauptgebäude ist ein pompöser, kugeliger Bau, der 2009 noch puristisch sandsteinfarben war. (Hätte Kritko Ludwig gewusst, dass dieses Gebäude nur wenige Jahre später bunt bepinselt werden würde, hätte er sich geschüttelt und sich einmal mehr dafür beglückwünscht, ins Jahr 2009 gereist zu sein). Da er weiss wie man sich einer Waldorfschule nähert, ging er zuerst auf den rechten Notausgang zu (von dem er wusste, dass er dort nicht reinkommen würde) und sang lauthals:

"Die Weisheitslehre dieser Knaben

Sey ewig mir ins Herz gegraben.

Wo bin ich nun? -- Was wird mit mir?

Ist dies der Sitz der Götter hier?

Es zeigen die Pforten, es zeigen die Säulen,

Daß Klugheit und Arbeit und Künste hier weilen;

Wo Thätigkeit thronet und Müßiggang weicht,

Erhält seine Herrschaft das Laster nicht leicht.

Ich mache mich muthig zur Pforte hinein,

Die Absicht ist edel und lauter und rein.

Erzittre, feiger Bösewicht!

Paminen retten ist mir Pflicht."

Dann stellte er sich vor die Notausgangstür (rot bemalt, Waldorfschulden sind bunt), schlug seinen Echsenartigen Kopf dagegen und tatsächlich: aus einem der nebenliegenden Klassenzimmer tönte laut und deutlich das rituelle "ZURÜCK!!!". Kritko Ludwigs Herz machte einen Sprung und er lief stracks zum anderen Notausgang und sang stolzgeschwellt:

"Zurück? so wag ich hier mein Glück!"

Da war der Chemieraum und so musste Kritko etwas auf die verabredete, gebräuchliche Antwort warten (Chemielehrer sind bisweilen zerstreut und an Waldorfschulen haben sie als Naturwissenschaftler keinen leichten Stand). Aber dann tönte aus dem Chemieraum ebenfalls: "ZURÜCK!!" Sehr wohlgemut singend schritt Kritko nun frontal auf das Haupttor zu:

"Auch hier ruft man zurück?

Da sehe ich noch eine Thür!

Vieleicht find ich den Eingang hier."

Daraufhin trat (die Beschwörung war also gelungen!) Rudolf Steiner höchstpersönlich aus der Tür, drückte dem Kritko liebevoll die Hand und sang ernsthaft :

"Wo willst du kühner Fremdling, hin?
Was suchst du hier im Heiligthum?"

2. 21.6.2014

Nun habe ich das erste Kapitel fertig und es bereits auf myfanfiction.de gepostet. Ich hoffe, ich halte mich dort an alle Regeln, es wäre zu blöd, wenn ich rausgeschmissen würde. Aber will ich die Geschichte von Krikto wirklich weiterschreiben? HALT denkst du jetzt, der oder die du diese Zeilen liest. So darf man auf myfanfiction.de nicht schreiben. Das ist doch ein Sachtext, dieses Mensch postet einen Tagebucheintrag. Regelverstoß, rauswerfen. Aber bist du dir sicher? Woher weisst du, ob das, was du gerade liest, Teil der Geschichte des Kriktos ist oder ein Sachtext? Und: woher weisst du, ob ich der Autor bin oder nur eine Erfindung des Autors? Denn ich bin, wie du unschwer in meinem Profil erkennen kannst, ein recht alter Mann, 44 Jahre, geboren am 18.1.1970. Aber glaubst du das? Ich könnte auch eine Frau sein, die auf dieser schönen Website sich für einen Mann ausgibt. Ich könnte noch viel älter (86 vielleicht) oder auch so jung wie du, der du gerade 14 bist. Vielleicht ist der 44jährige Autor, der sich Sagitario nennt, ja nur eine Erfindung von mir? Vielleicht bin ich die nächste Figur in meiner eigenen Geschichte? Denn Sagitario heisst ja keiner im wirklichen Leben, oder?
OK, ich bin also Sagitario, 44 Jahre alt, Lehrer an einer Schule für Zauberer. Jetzt bist du dir sicher, dass ich eine fiktive Figur bin, nämlich Zauberer gibt es nicht in Wirklichkeit. (Aber insgeheim wünschst du dir doch, dass es Zauberer wirklich gibt. Insgeheim fändest du es total cool, wenn ich in einer - natürlich streng geheim gehaltenen - Zaubererschule unterrichten würde. Und dir im Internet Einblick in mein Leben gäbe. Ich wäre sozusagen eine Art Whistleblower der Zauberei für dich. Träumen darfst du, erlaub dir also ruhig, mir zu glauben.)
Nun, also, ich bin Lehrer an einer Schule für Zauberei und in meiner Freizeit schreibe ich dann und wann merkwürdige Geschichten wie die vom Kriktophilocranos. Und meistens bleiben sie in den Anfängen stecken. Vermutlich habe ich deshalb nie etwas veröffentlicht.
Ansonsten: ich kann nicht zaubern. Ja, ich lehre an einer Schule für Zauberer, aber das heisst ja nicht zwangsläufig, dass ich zaubern kann. Ich unterrichte lediglich junge Zauberer und Zaubererinnen im Alter von 14-21 Jahren, in deinem Alter vermutlich. Ich bin Lehrer für Handlesekunst, Deutsche Literatur und Astrologie. Deutsche Literatur? Natürlich deutsche Literatur. Nur weil man ein junger Zauberer ist, sollte man doch genauso wie jeder andere junge Mensch in Deutschland die schönen Werke unserer Dichtkunst nahegebracht bekommen. Was dachtest du denn? Auch junge Zauberer müssen neben ungewöhnlicheren Fächern wie Verwandlungskunst, Körper- und Außerkörpermagie und Elfenkommunikation ganz gewöhnliche Fächer belegen, wie beispielsweise Eurythmie, Mathematik, Homöopathie oder eben Deutsche Literatur. Die angesehenen Zaubererfamilien Deutschlands möchten nicht, dass ihre Sprösslinge ignorante Nulpen sind, die nichts können, als Katzen in Sneakers zu verwandeln.
Natürlich denkt ihr jetzt alle an Harry Potter. Und fragt euch, warum ich euch nicht gleich gesagt habe, dass das eine Harry-Potter-Fanfiction ist. Nun, weil es keine Fanfiction ist. Als die Harry-Potter-Bücher rauskamen (das erste wurde 1997 auf deutsch veröffentlicht) war ich schon 15 Jahre lang in meinem Job als Lehrer für Zauberer. Ich habe die Bücher sehr gerne gelesen, aber sie haben wenig mit meiner Wirklichkeit zu tun. Es ist eben Fantasy. Ich muss euch etwas sagen, was für viele von euch schwer zu akzeptieren sein wird: Das Leben an einer Waldorfschule ist zehnmal spannender als das Leben an einer Schule für Zauberei - und das will etwas heißen! Es gibt keinen Lord Voldemort, keine Kämpfe, keine fiesen Malfoys. Ich unterrichte nun schon weit über 30 Jahre und in dieser ganzen langen Zeit ist keinem einzigen Schüler oder Lehrer etwas zugestoßen, was auch nur im Entferntesten an ein Abenteuer erinnert.
Die Wahrheit ist: Bei dem Stand der modernen Technik ist Zauberei schlicht überholt. Ihr müsst wissen, die Möglichkeiten der wirklichen Zauberei sind sehr begrenzt. Ihr denkt wahrscheinlich: Oh yeah, wenn ich Zauberer wäre, dann kann ich alles, was ich will! Fehlanzeige. Ihr würdet 13 Jahre lang Zaubersprüche und komplizierte Rituale pauken, in einem Deutsch, was zur Zeiten Luthers gesprochen wurde und was ihr kaum versteht. Zudem lebtet ihr in einem Internat in der Lüneburger Heide unweit eines Ortes namens Lüsche. Muss ich wirklich mehr sagen? Guckt mal bei Wikipedia nach, wo das ist. Dort wäret ihr völlig isoliert, es ist das platteste Land. Die Schule - sie nennt sich großspurig Collegium Magicum - wurde extra dort erbaut, damit die Teenager nicht auf dumme Gedanken kommen. Stellt euch mal vor in Berlin Mitte würde Zauberei gelehrt. Und fragt euch dann, wie viele junge Zauberer wohl ihre Reifegrade machen würden, wenn sie jeden Abend in Kreuzberg feiern gehen dürfen. Wie gesagt, die Schule befindet sich außerhalb des winzigen Dorfes Lüsche, auf zwei ländlichen Anwesen. Die Schüler werden nämlich nach Geschlechtern getrennt unterrichtet. Noch so eine antiquierte Tradition.
Aber die ganze Zauberei ist eine antiquierte Tradition. Ein Beispiel: Wenn ihr Mittelalter in Marburg leben würdet und ihr müsstet ganz dringend einem Freund in München eine Nachricht zu kommen lassen, dann war das fast unmöglich. Es sei denn, ihr wart ein sehr reicher Teenager, ein Prinz oder ein Edelfräulein. Dann konntet ihr Kuriere auf dem Pferd schicken. Oder aber ihr wart Zauberer. Dann konntet den schwierigen Nachrichtenübermittlungs-Zauber lernen und jeden Monat bei Vollmond (aber leider nur dann!) die Nachricht magisch übermitteln. Vorausgesetzt, euer Münchner Freund hätte genügend magische Kenntnisse gehabt, diese Nachricht entsprechend zu empfangen. Und heute? Heute schreibt ihr eurem Münchner Freund eine Nachricht bei Facebook. Was würde euch bringen, zaubern zu können? Gar nichts. Und glaubt mir: So verhält es sich mit aller Magie. Wir leben in einer Zeit der Technik, die die Magie überflüssig gemacht hat.
Warum, fragt ihr, gibt es dann das Collegium Magicum in der Nähe von Lüsche? Gute Frage. Ich würde sagen: Weil es im deutschsprachigen Raum einige sehr alte, sehr reiche, sehr verbohrte Zaubererfamilien gibt, die lächerlich stolz darauf sind, Zaubererfamilien zu sein und es für existenziell wichtig erachten, dass ihre Kinder zaubern lernen. Diese haben das Collegium und zahlen für den Mumpitz horrende Summen. Und die Kinder lassen es mit sich machen. Zauberei lernen ist ein bisschen wie Latein pauken: Die Sprache ist tot, niemand redet sie (außer der Papst), niemand braucht sie wirklich - aber die bildungsbürgerlichen Familien wollen, dass ihre Kinder Latein als erste Fremdsprache lernen. Und übrigens sind die Zaubererkinder genau wie ihr: Mehr oder weniger nett, mehr oder weniger verzogen (sie kommen alle aus Oberklasse-Haushalten) ziemlich klug, ziemlich gebildet, stinknormal.

3. Entdecket die Verse!

Kritko vor der Waldorfschulen schaute Rudi nicht lang an, sondern fragte, wo den coolen Namenstanz er lernen kann. Rudi lässt sich nicht lang bitten: "Hier und jetzt", sagt er sogleich. Und er geht mit leisen Schritten in Frau Meusers stilles Reich. Meuser heisst die gute weise Lehrerín in diesem Fach, die in Flensburgs stillem Kreise hält die reine Lehre wach.

"Autsch." Der erste Versuch war gescheitert. Frau Meuser hatte keine Ahnung von Kritkos und Kritko Ludwig konnte sein Schlüsselbein einfach nicht ertasten. (Er hatte keins, aber woher sollte er das wissen.) Alle Oberstufenschüler einer Waldorfschule wissen, dass es im Eurythmieunterricht von immanenter Wichtigkeit ist, das eigene Schlüsselbein zu ertasten. Kritko Ludwig war ratlos und den Tränen nahe. Da er aber ein so schön blauschimmerndes Gefieder hatte, hatte Frau Meuser Erbarmen mit ihm und stellte ihm weitere Nachhilfestunden in Aussicht. "Zunächst aber muss ich das reformpädagogische Konzept reformieren", erklärte sie entschieden, "Waldorfschulen sind nicht auf Kritkos ausgerichtet. Das muss sich ändern! Inklusion und so." Damit verschwand sie. Kritko sah sich noch ein wenig im Eurythmieraum um betrachtete überrascht das schlichte Klavier und die bronzenen Stäbe. Es juckte ihn fürchterlich in seinem Kreosotom. (Kritkos haben kein After. Auch keine Geschlechtsteile. Aber ein Kreosotom.) Und er hätte nur zu gerne einen dieser milde glänzenden, bronzenen Stäbe dort eingeführt, aber er fürchtete, dabei von Frau Meuser oder evtl. hereinplatzenden Schülern überrascht zu werden.

Die neumalklugen Leser_innen, die haben nun mit wachen Sinnen schon längst bemerkt, das was nicht stimmt: Ein Kritko, nicht des Redens mächtig - ja der Autor ist niederträchtig! - steht vor der Waldorfschul und singt! Auch sagt er "Autsch", das ist undenkbar - ach, Leser, ihr seid schwer nur lenkbar! - das Ganze war erschwindelt nur! Ein Kritko kann kommunizieren, braucht Eurythmie nicht aufzuführen - das will der Ludwig trotzdem stur.

Der Kritko spazierte über den Schulhof, es war inzwischen zehn Uhr Pause. Auf einmal fühlte er sich doch müde. Im Gebäude, in dem die Mensa untergebracht war, fand er einen kleinen Raum, der voll von ausgesprochen hübschen Teenager-Jungen war. Kritko ging wie in Trance hinein und nur allmählich verstand er den Grund dieser Versammlung juveniler Prachtexemplare: in der Mitte des Raums stand ein Kicker. Wie benebelt von der schieren Schönheit ihrer Gesichter (sie waren um die 16 Jahre alt und waren deshalb dankenswerter Weise noch in dem Alter, wo Jungs sich ihre Bartstoppeln abrasieren und hatten deshalb reine, leicht aufgeraute Wangen) sang Kritko auf das einzige Sofa in dem kleinen Kabuff und schlief ein.

Er träumte...

4. TRAUMSEQUENZ

(Zwei Mülltonnen lagen am äußersten Rand. Zwei Mülltonnen sagen nicht viel s'ist bekannt! Die beiden sie schwätzten jedoch ganz famos. Die beiden vergrätzten die Ameisen bloß. Sie sprachen gar weise, sie sprachen so viel - sie waren nicht leise, das war nicht ihr Ziel.)

MÜLLTONNE I (genervt): Ich hab keine Ahnung, warum wir in dem Text von diesem komischen Hobbyautor Sagitario auftreten sollen. Wir sind schließlich Mülltonnen. Wer hat je von diskutierenden Mülltonnen gehört? Der Typ weiß selbst nicht, wie er uns in seine Geschichte einbinden soll, deshalb lässt er Kritko uns träumen. Ja wohl wir sind in einem Traum von Kritko. Kritko Ludwig träumt von parlierenden Mülltonnen. Und weisst du was? Dieser Sagitario schreibt diese Traumsequenz zu allem Überfluss auch noch als Theaterstück. Ja ja, mit Regieanweisungen in Klammern und wenn jemand spricht - wie ich jetzt gerade - dann kommt erst der Name, dann Doppelpunkt und dann der Text. Dieser Schreiberling hat wohl zuviele Klassenspiele gesehen! Meine Güte, das liest doch keiner! Der veröffentlicht das auf myfanfiction.de! Da hängen melancholische Girlies rum, die was von der ersten Liebe lesen wollen. Diese armen Girlies sind doch von dem Text völlig überfordert! Und manche Regieanweisungen reimen sich auch noch...

MÜLLTONNE II (spricht hastig wie unter Zwang): Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt. Der weite Weg, Graf Isolan, entschuldigt Euer Säumen. Ich arme kleine volle Tonne hier muss nun in Jamben immer weiter sprechen. Das nennt sich Blankvers, wenn es sich nicht reimt. Im Unterricht die Schüler lernen diese verquere Sprache zu analysiern. Oh nein, dabei bin ich ja doch nicht Schiller.

MÜLLTONNE I (noch genervter): Das hat noch gefehlt. Regieanweisungen, die sich reimen und meine beste Freundin, die Mülltonne Friederike, spricht in fünffüßígen Jamben. Wenn ich dieses Autoren doch nur habhaft werden könnte! Ich würd ihn ohrfeigen, links und rechts. Der kommt sich wohl besonders geistreich vor, weil er Verse schreibt, ohne am Ende des Verses einen Zeilenumbruch zu machen. So dass jeder vernünftige Mensch denkt: Aha, normaler Fließtext und einfach weiterliest und eh er sich versieht, steckt er in einem Gedicht! Wie soll man da noch zwischen Prosa und Lyrik unterscheiden?! Außerdem habe ich einen Verdacht: Dieser Sagitario ist nur ein Strohmann. Jawohl, dieser Sagitario, der den träumenden Kritko erfindet, ist selbst nur eine Erfindung von jemand ganz anderem. Und dieser andere, der hinter allem steckt, der Erfinder des Erfinders Sagitario sozusagen, der hat einfach zuviel "Sofies Welt" gelesen und vermutlich auch "Ruhm" von Daniel Kehlmann. Und jetzt versucht er sich im postmodernen Spiel mit verschiedenen Realitätsebenen! Wie mich das alles aufregt!!

(Die arme kleine Tonne empört sich so sehr. Es ist ihr keine Wonne dies Spiel mit null Gewähr. Sie spuckt ein bisschen Plastik, vier Schachteln und vier Flaschen. Sie kann ja nicht Stochastik, möge sie nun etwas Frieden haschen.)

MÜLLTONNE I: Und jetzt auch noch eine versteckte Nibelungenstrophe. Das weiss doch keiner zu würdigen. Vor allem leidet der Inhalt doch sehr unter diesen dilettantischen Reimversuchen.

MÜLLTONNE II (wie aus einer Trance erwacht): Ich kann wieder normal reden! Voll normaaaal ey Alter! Fack ju Göte! Nix mehr mit Blankvers. Is das porno! Krasse Sache ich schwör!

MÜLLTONNE I: So sollte eine Mülltonne klingen. Wie du und ich, wie eine Mülltonne von der Straße eben! - Wieso bin ich nur dazu verurteilt, mich immer grammatikalisch korrekt und gespickt mit ausgewählten Fremdwörtern zu artikulieren?

MÜLLTONNE II: Hörma, wir sind doch keine Asis ey. Wir sind doch voll normaaaal echt Alter. Krasse Sache!

MÜLLTONNE I (zum Publikum): Du, der du das gerade liest, du lebst gerade. Wie alt du immer bist, du bist jetzt gerade am Leben, ein kurzes Leben, du weisst nicht was morgen ist, du weisst nicht 100%ig, ob du morgen überhaupt noch lebst - und trotzdem nimmst du dir die Zeit und liest diese verrrückten Zeilen?! Dankeschön!

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Verstört fuhr der Kritko Ludwig aus seinem Schlaf...

5. 22.6.2014

Hey, ich bins wieder. Ich müsste eigentlich schlafen. Morgen gebe ich um Acht eine Doppelstunde Astrologie im Collegium der Mädchen. Ich bin immer heilfroh, wenn ich die Mädchen unterrichte, sie sind intelligent, für gewöhnlich freundlich und bringen mich im Gegensatz zu den Jungen nicht durcheinander. Die junger Zauberertöchter sind sehr stille, sehr zivilisierte Damen.

Ich muss diese Mädchen im Reifegrad I für Astrologie vorbereiten und mache das natürlich auf Grundlage des famosen Buches „Astrology for Lovers“ von Liz Greene. Das ist nicht nur das beste Astrologiebuch, was je geschrieben wurde. Es ist meiner Ansicht nach überhaupt das beste Buch, was je geschrieben wurde. Leider wurde es nur gekürzt unter dem unsäglichen Titel „Sag mir dein Sternzeichen und ich sage dir wie du liebst“ ins Deutsche übersetzt, deshalb müssen meine Schülerinnen das Buch im englischen Original lesen. Das Lustige ist, das ich als Nicht-Zauberer einer der beliebtesten Lehrer der Schule bin, im Gegensatz zu meinen Zauberer-Lehrerkollegen. Das liegt daran, das ich mit Astrologie und Deutscher Literatur einfach die spannendsten Fächer unterrichte. Wer von den Pubertisten will heute noch beigebracht bekommen, wie man Quellwasser mit Wünschelruten und Perlmuttsalz zum Sieden bringt? Es gibt schließlich Wasserkocher! Aber die alte Weisheitslehre der Astrologie verrät uns, warum wir so ticken wie wir ticken. Und das ist für jeden Menschen – egal ob magisch oder nicht – interessant. Und Deutsche Literatur macht einfach Spaß, wenn man ein fähiger Lehrer ist und mit seinen Schülern Christa Wolf liest.

Zwei Vorteile hat es dann doch, am Collegium Magicum zu unterrichten: 1. In Zaubererkreisen hat die Wissenschaft der Astrologie nie ihr hohes Ansehen eingebüßt. Zauberer haben aufgrund ihrer gesellschaftlichen Sonderstellung einfach nie vergessen können, dass es einen Zusammenhang im Universum gibt, das alles mit allem zusammenhängt. Traurigerweise hat die übrige Welt das sehr wohl vergessen. Stellt euch vor, ihr fragt das nächste mal in der Schule euren Banknachbarn nach seinem Sternzeichen. Der wird euch angucken, als ob ihr noch an den Weihnachtsmann glaubt. Wer heute zugibt, dass er sich mit Astrologie beschäftigt, gilt im besten Fall als abergläubisch. Das hängt damit zusammen, dass alle blind und sklavisch den Ton angebenden Wissenschaftlern vertrauen, was diese für Unsinn halten, halten alle für Unsinn. Und das ist in der Zaubererwelt ganz anders. Zauberer haben für nichtmagische Wissenschaftler nur ein müdes Lächeln übrig. Schließlich wissen Zauberer, dass sie mit einem entsprechenden Ritual ihre Arme zu Flügeln verwandeln und wie die Adler fliegen können. Und das würden Wissenschaftler ja auch für unmöglich erklären. Allerdings benutzen auch die Zauberer im Jahre 2014 lieber Flugzeuge, einfach, weil es komfortabler ist.

Der zweite Vorteil besteht darin, dass es am Collegium Magicum kein G8 und kein Zentralabi gibt. Es gibt überhaupt kein Abitur. Zauberer machen in den 12 Goldenen Disziplinen jeweils zwei Reifegrade und damit hat es sich. Da die Zauberer, die heutzutage in Deutschland leben, sehr reich sind, müssen sie sich auch nicht auf dem hiesigen Arbeitsmarkt bewähren. Das heisst, dass die Schüler wie in jeder vernünftigen Waldorfschule erst mit sieben Jahren eingeschult werden, mit ungefähr 14 Jahren in die Oberstufe kommen und spätestens mit 20, 21 fertig sind. Ich habe gehört, dass nächstes Jahr am Gymnasium die ersten 13-jährigen ihr Abitur ablegen, um dann mit 17 ihren Bachelor an der Uni zu machen, mit 19 zu promovieren und mit 22 Jahren einen Burn-out zu haben. Vielleicht wollen Muggle (diesen Harry-Potter-Begriff für Nicht-Magier muss ich einfach verwenden, ich finde ihn so schön), die ihre Kinder aufs Gymnasium schicken, ihre Kinder einfach langfristiger an sich binden, weil sie sie so gern um sich haben: Sie sagen sich: „Wenn mein Kind mit 22 einen Burn-out hat, kann ich es wieder zu uns nach Hause holen und es noch zehn Jahre lang gesund pflegen!“ So elterlicher Instinkt ist ja auch verständlich, aber ob der Zweck in diesem Fall die Mittel heiligt? Und was das Zentralabi angeht: Ich kann euch nicht sagen, wie froh ich bin, dass mir nicht das Kultusministerium Niedersachsens vorschreibt, welche Bücher ich mit meinen Schülern zu lesen habe. Eure Deutschlehrer sind echt arme Schweine, wenn die mit euch Kafka lesen, dann nicht unbedingt, weil sie Kafka so sehr mögen, sondern weil der Themenkorridor fürs Zentralabi nunmal Kafka ist, das ist vorgeschrieben. Das würde mir ja stinken. Nein, ich lese mit meinen Schülern die Bücher die ich mag: Den ersten Teil des Faust, Gedichte von Peter Rühmkorf, „Medea“ und anderes von Christa Wolf, den „Fliegenpalast“ von Walter Kappacher, „Ruhm“ von Daniel Kehlmann, „Es geht uns gut“ von Arno Geiger. Wenn du, der /die du dieses liest, diese Bücher nicht kennst, hör auf, myfanfiction.de zu lesen, oder unterbreche das zumindest, lauf in die Stadtbücherei und lies sie!! Meine Schüler sind versessen darauf – und warst du, wart ihr, je versessen auf ein Buch, was ihr in der Schule last??

 

Ist ja schon bemerkenswert, welche Gedanken in einem menschlichen Gehirn ihr Unwesen treiben können. Solche Gedanken einfach aufzuschreiben, ergibt nur selten eine gute Geschichte. Deine "Geschichte" ist leider vollkommen unstrukturiert, unverständlich, banal, langweilig, stilistisch schlecht usw usw...

 

Hallo sagitario,

tut mir Leid, aber ich bin über den "Prolog" nicht hinausgekommen. Du erzählst die Handlung so konfus und irgendwie inkohärent, dass es mir schwerfällt, dem Geschehen überhaupt folgen zu können. Deine Intention war es, denke ich zumindest, humoristisch rüberzukommen oder sogar in Richtung Satire zu gehen. Doch leider reflektiert die Sprache das so gut wie gar nicht. Obwohl ich versucht habe wirklich konzentriert zu lesen, weiß ich immer noch nicht, was dein Krikto eigentlich genau ist. Ein tausend Jahre alter, blaugefiederter Außerirdischer? Das ist mir zu abstrus. Und warum das Jahr 2009? Und was will er genau? Vielleicht wird das im Verlauf deiner Geschichte noch deutlicher, aber ich fürchte, viele Leser werden nicht so weit lesen. Dafür ist der Anfang viel zu langatmig erzählt und reißt nicht mit. Dabei ist dies, vor allem zu Beginn, essentiell.
Ein paar Komma- un das/ss Fehler sind mir auch aufgefallen, doch die Handlung ist die Baustelle, der du oberste Priorität einräumen solltest. Wenn du etwas mehr Struktur und Spannung reinbringen könntest, würde ich auch gern weiterlesen.

Beste Grüße, gibberish

 

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