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Ex Animo
Adrenalin flutete das Blut. Konzentriert lenkte er ein. Der Pilot vergaß die Umgebung um sich, nur noch das Ziel vor ihm zählte. Seine rotgeäderten Augen fixierten es durch die rußbefleckte Frontscheibe.
Gleich war es so weit…
Fest umklammerte er den Abzug, einem kleinen Hebel auf der rechten Seite des Sitzes. Sensoren der Hand ließen ihn kaltes Metall spüren.
Näher…Näher…
Eine Schweißperle bahnte sich ihren Weg über die angespannte Stirn.
Antimateriegeschütze surrten. Mit Gelassenheit wartete der Tod auf seinen Einsatz.
Näher…Jetzt!
Rotes Licht erregte seine Aufmerksamkeit, die Zielerfassung blinkte. Alle Anspannung entlud sich in einem Fingerdruck des künstlichen Arms. Aus dem Cockpitfenster sah er die funkelnden schwarzvioletten Kugeln in das Heck des Raumjägers rasen. Der Pilot verfolgte, wie sie das Heck des Schiffs pulverisierten.
In einer stillen Explosion verging der Flieger.
Schließlich war es vorbei, er spürte wie sich Muskeln lockerten und sein Blick wanderte über den endlosen Sternenteppich im leeren All.
Präzise Handgriffe bedienten die zahlreichen Steuerelemente und Navigationscomputer. Er spürte wie Schubdüsen einen Kurs bestimmten und das ovale Raumschiff zurück in die Schlacht manövrierten.
Mit ernstem Blick nahm der Pilot den fernen Orbit einer Planetenkugel wahr. Lange Wolkendecken und bizarre Wirbel bildeten ein faszinierendes Muster auf der grünblauen Oberfläche.
Zwei von Asteroiden zerschlagene Monde warfen kreisrunde Schattenflecken auf die weiten Ebenen und Meere.
Zwischen den grauen Riesen tobte das Gefecht, dem er sich näherte. Der Pilot erkannte mehrere dutzend Schlachtschiffe und Blitzen tausender Laser- und Ionengeschütze. Hin und wieder zerbrach eines in einer lodernden Flammenwoge unter dem gegnerischen Feuer.
Jedesmal hüllten die Explosionen die Kabine des Jägers in gespenstischem Licht und erregten die Sinne des Piloten. Die Aufregung des Gefechts stieg wieder hervor und mehrte sich zusammen mit den vergangenen Sekunden. Ungeduldig bewegte er Schultern und Beine, um die Verspannungen eines langen Tags im Cockpit zu lösen.
Es verlief gut für sie. Drei große Flaggschiffe schwebten in Trümmern im oberen Orbit des Planeten. Seine Fraktion hatte nur eines und einige kleinere Kreuzer verloren.
Immer mehr Details wurden sichtbar, er konnte nun die Geschwader verfolgen, wie sie sich gegenseitig jagten und zerstörten.
Mächtige Antimateriegeschütze warfen ihnen ihre tödlichen Geschosse hinterher, doch meist verloren sie sich in der Schwärze des Raums und verpufften an dem toten Gestein der Monde oder den Frackteilen der einst so prächtigen Kriegsschiffe, dem Stolz der Sardonar.
Das Volk hatte begonnen sich vom intergalaktischen Protektorat loszulösen und seine eigenen Illitriumvorkommen auszuschöpfen. Das kostbare Metall war unverzichtbar für die Herstellung von Ionenwaffen und Hyperraumantriebskraftwerke. In der Furcht die Sardonar könnten ihr Monopol gefährden, befahlen deren Anführer den Angriff auf das sardonaische Imperium.
Doch diese gaben sich nicht kampflos geschlagen und stellten eine eigene Armee auf.
Nachdenklich betrachtete er das Inferno vor ihm.
Doch derlei politische Streitigkeiten interessierten ihn wenig. Er hatte gelernt mit dem eisernen Würgegriff des Protektorates, der das Universum fest umschloss, umzugehen und versuchte das Beste daraus zu machen. Selbst der Weltenrat wagte es nicht sich ihnen in den Weg zu stellen, aus Furcht vor dem Abschnitt vom Illitrium. Was konnte dann ein einzelner Assalier tun?
Mit in zahlreichen Schlachten geschulten Bewegungen leitete er ein Ausweichmanöver ein, als eine gruppe sardonaischer Jäger seinen Weg kreuzte. Einige Schüsse streiften die Seitenflügel der Maschine. Die Erschütterung versetzte ihm einen schweren Schlag und er spürte den Schmerz im Rückgrat. Zähneknirschend feuerte er auf einen Jäger in Reichweite.
Also war er zum Söldner geworden, zum Auftragsmörder, der sich auf die Seite des Meistbietenden stellte. Es war, seiner Meinung nach, die einzige Möglichkeit in einer derart korrumpierten Gesellschaft zu überleben.
Die getroffene Maschine geriet ins Trudeln und zerschellte stumm an einem Flaggschiff und der Pilot flog weiter, wand sich an Geschützen vorbei und vernichtete einen Raumgleiter nach dem Anderen.
Die endlose Stille des Weltraums und das monotone Surren und Piepen der Bordcomputer konnte einen ungeschulten Geist leicht in den Wahnsinn treiben. Doch dies war seine Welt und er achtete kaum noch auf die Geräusche der Navigationsgeräte, fokussierte sich nur auf den Kampf.
Schließlich vernahm der Pilot ein Geräusch. Ein Knacksen, gefolgt von einem Rauschen, eine Funknachricht. Der Ton wich einer weiblichen Stimme.
„Alpha 53, Mortimus Prime, melden!“, ertönte es verzerrt.
„Hier Alpha 53, was gibt es?“, erwiderte Mortimus Prime, während er dem Feuer eines Kreuzers auswich.
„Der Hauptschlachtenkreuzer der Sardonar versucht zu fliehen. Laut den Informationen unserer Aufklärer befindet sich ihr Anführer dort. Der oberste Konsul befiehlt ihn sofort zu eliminieren“
„Ich habe verstanden“
„ Wir senden ihnen die Koordinaten. Ich hoffe Qualitäten sind wirklich so gut, wie uns berichtet wurde. Das Protektorat wird keinen Misserfolg dulden!“
„Wenn der Konsul auch nur das Geringste von der Macht eines Telonkampfstabs verstände, würde er nicht mal im Traum an ein Scheitern der Mission denken“
Es war Tradition der Assalier im Kampf mit dem Telonstab unterwiesen zu werden. Gefechte mit Feuerwaffen hielten sie für ehrenlos und zeugten von Schwäche. Zorn stieg jedesmal in dem Söldner auf, wenn die hirnlosen Bürokraten, für die er meistens arbeitete, seine Fähigkeiten unterschätzten.
Niemand konnte ihn bezwingen, er ging aus hunderttausenden anderer Adepten der Kampfkunst als Bester hervor und das hatten seine Feinde zu spüren bekommen.
Stirnrunzelnd betrachtete er das Hauptflaggschiff, welches nun vor ihm lag.
Mortimus Prime schoss auf die, aus zwei Halbzylindern bestehende, Raumbasis zu und visierte den Spalt zwischen den Hälften, der als Einflugstelle des schwergepanzerten Schiffs diente, an.
Flink wich er den noch vorhandenen Bordgeschützen aus. Immer aufs Ziel konzentrieren, rief der Pilot sich in Erinnerung. Schon bald hatte Mortimus Prime die äußere Abwehr überwunden und befand sich in der Einflugschneise. Vor Ihm lag die Brücke, wie ein gewaltiges Auge starrte sie auf den Assalier hinab. Das grüngetönte Spezialglas offenbarte ihm hektisch arbeitende sardonaische Techniker und Piloten. Er wendete den Blick ab und wandte sich der Steuerkonsole in seinem Raumjäger zu. Wieder huschten routinierte Hände über die zahlreichen Elemente und programmierten den Kurs zu einem unweit liegenden Hangar.
Sein Ziel befand sich sicherlich auf der Kommandobrücke. In jenem smaragdgrünen Auge wartete ein weiterer Auftrag.
Mit maschinellem Murren gaben die Triebwerke den Befehlen nach und brummten der Einflugstelle entgegen.
Er wartete auf einen günstigen Moment und drang in den Hangar ein, als sich die Schleusentore öffneten um einige weitere Jäger auszuspucken.
Die Landung blieb nicht unbemerkt, einige grünhäutige Sardonar mit gezückten Kanonen näherten sich dem Cockpit.
Mortimus Prime löste den Telonstab aus dessen Verankerung. Es handelte sich um einen übermannslangen Metallstab, an dessen oberen Ende eine bläulich schimmernde Spitze thronte.
Sein künstlicher Arm bediente einige Schalthebel und die Luke des Raumschiffs öffnet sich.
Stumm wandte er sich der zischenden Rampe zu und trat hinaus. In der Handinnenfläche der Cyborgprothese erschien eine schimmernde Oberfläche.
Eine kybernetische Meisterleistung der Ingenieure seines Volkes. Sie ersetzte nicht nur den Arm so perfekt, das er manchmal sogar vergaß, dass es sich um eine Prothese handelte, sondern war auch mit allerlei nützlichen Extras ausgebaut.
Sofort wurde der Unbekannte von Soldaten umringt die ihre Waffen bedrohlich auf den Assalier richteten. Kaum sichtbar für die Sardonar, bewegte sich ein Finger des Söldners zur Schaltfläche. Alarmiert verfolgten sie das selbstsichere Lächeln in seinem Gesicht. Doch bevor die Soldaten reagieren konnten war er verschwunden.
Das Tarnschild verbarg den Assalier vor den Augen der Wachen und ließ ihn ohne größere Probleme zur Kommandobrücke gelangen, keine Überwachung durch Kameras oder Wärmebildsensoren. Dieser Auftrag war so gut wie erledigt.
Mit dem monotonen Surren des Energieschildes in den Ohren schlich er sich stillschweigend in einen Aufzug der ihn direkt zur oberen Brücke brachte. Dort saß der Imperator des sardonaischen Reiches in einem hohen Thron.
Lange, tentakelartige Fortsätze am Kinn zeugten von seinem hohen Alter und vermittelten den Eindruck von Weisheit und Erfahrung. Eigenschaften eines starken Anführers, den nichts erschüttern konnte. Seine roten pupillenlosen Augen beobachteten den Verlauf der Schlacht auf einer riesigen holographischen Karte. Er sah nicht zufrieden aus.
Mortimus Prime begutachtete die Umgebung. Fünf Wachen umgaben den König und vier weiter bewachten mit ernstem Blick die Tor durch die er eingetreten war. Unter der sirrenden Kuppel des Tarnschilds verfolgte der Assalier, wie die Wachen fortgeschickt wurden und der Anführer der Sardonar sich erhob. Das Hologramm der Karte verpuffte stumm in die Existenzlosigkeit.
Die plötzliche Aktion des Sardonars nährten Zweifel im Geist des Söldners. War er doch nicht unbemerkt geblieben?
Seine Bedenken bewahrheiteten sich als der Imperator mit fester Stimme sprach: „ Ich weiß, dass ihr hier seid, Assalier. Eure Präsenz verriet euch und ich weiß, dass ihr mich töten werdet, doch damit werdet ihr nur weiteres Leid über die Galaxis bringen. Das Protektorat ist ein Dämon, den wir bezwingen müssen. Jeden Tag schließt der Konsul seinen Griff enger um das Universum“
Mortimus Prime deaktivierte die Tarnkuppel.
„Die Galaxis ist schon vor langer Zeit gestorben. Das Illitrium hat die Menschen schon vor langer Zeit infiziert und ihre Gier nach Macht noch vermehrt. Die Sternensysteme gaben sich nacheinander der Abhängigkeit hin, zum Preis der Freiheit. Ich versuche nur meinen Weg zu finden, ohne selbst von der Übermacht des Protektorates zerschmettert zu werden“
„Ich würde mit euch kämpfen, wenn es denn Hoffnung gäbe“, erwiderte Mortimus Prime verbittert.
„ Dann tut, was ihr tun müsst“, sprach der Anführer ernst.
Der Herrscher hatte den Söldner an einer empfindlichen Stelle getroffen.
Er hob den Telonstab, die blaue Spitze leuchtete unheilvoll, bereit ein weiteres Leben zu nehmen. Doch der Sardonar hatte Recht… aber das Protektorat war übermächtig, was konnte er tun?
Zum ersten Mal bahnten sich Zweifel an seinem Handeln ihren Weg, überwandten die Mauer aus Verdrängung und Selbsterhaltungstrieb in seinem Kopf.
Die Spitze zielte direkt auf das Herz.
Unsicherheit machte sich in dem Assalier breit. Man sah, dass er mit sich selbst kämpfte. Dann fasste Mortimus Prime einen Entschluss, den der Auftragskiller selbst nicht für möglich gehalten hätte.
„Nein, ich werde euch nicht töten“
Der alte Mann hatte etwas geweckt, was der Söldner schon verloren geglaubt hatte, sein Gewissen.
Langsam sank die Waffe und der Totgeweihte atmete erleichtert auf.
Schweigend wandte sich der Assalier um, er musste nachdenken. Wieso konnte er diesen Auftrag nicht erfüllen? Was hielt ihn auf?
Dann fühlte er es, eine fremde Präsenz in seinem Geist. Mit irgendeinem Trick schien der Sardonar sich seines Geistes zu bemächtigen. Der Söldner verdrängte die Präsenz, niemand kontrolliert mich! Zorn stieg in ihm auf und die eiskalte Emotionslosigkeit eines Killers ergriff wieder die Kontrolle über einen von der Welt gemarterten Mann.
In einer fließenden Bewegung stieß der assalische Krieger dem alten Herrscher die Lanzenspitze durch die grüne Haut. Ächzend sank dieser auf den Boden. Niemand kontrolliert mich!
Überraschung gefror im Gesicht des sardonaischen Imperators und das Leuchten der roten Augen verlosch.
Nachdenklich starrte er durch das smaragdene Kunstglas. Dort wartete nichts als die Leere des Alls und der Söldner spürte, dass er durch das Fenster in das Spiegelbild seiner Seele schaute.
Schweigend bediente er die holographische Schaltfläche in seiner Hand.
Sein Körper schien durchscheinend zu werden. Nach einer Weile stellte er nur noch ein verzerrtes Abbild dar und dematerialisierte dann vollständig.
Als die Wachen eintraten fanden sie nur ihren leblos daliegenden Anführer. Wie nach jedem erfolgreichen Auftrag, verschwand der Söldner spurlos.
Doch diese Begebenheit ließ ihm keine Ruhe mehr.
Wenige Tage nach der Schlacht zwischen den Monden, fand man die Leiche vom obersten Konsul des Protektorates in dessen Büro. Nichts deutete auf den Täter hin, dennoch bejubelte das halbe Universum den Unbekannten.