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Evolution

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14.06.2013
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Evolution

Metamorphose

Schon mit zwei Jahren wusste Steven, dass es für ihn nirgendwo einen sicheren Platz gab.
Seine Mutter Hattie trug nicht viel dazu bei, seine Meinung zu ändern, ihr Sohn bedeutete für sie ein gedecktes Konto und ein Dach über dem Kopf, ansonsten hatte sie keine besondere Verwendung für ihn.
Wenn es an der Wohnungstür klingelte, begann Steven zu zittern und versteckte sich unter dem rustikalen Eichentisch im Wohnzimmer. Sein kleines Herz raste und klopfte so stark gegen die Rippen, dass es wie Paukenschläge in seinen Ohren dröhnte.
Klingeln bedeutete meistens Besuch.
Und es kamen etliche......
Sie nannten sich selbst die netten Onkel, aber sie waren weder seine Onkel noch nett, obwohl der eine oder andere Geschenke mitbrachte.
Immer jedoch hatten sie Kameras dabei, kostspielige Dinger mit teuren Extras, die ein vielfaches des Betrages ausmachten, den sie Hattie in die Hand drückten, bevor das Kind mit ihnen alleine gelassen wurde.
Mit vier Jahren wusste Steven etwas Neues, nämlich dass er die Onkels mitsamt seiner Mutter glühend hasste. Er hätte das Gefühl niemals beim Namen nennen können, aber es war etwas Schwarzes und ungeheuer Machtvolles. Und es gab ihm auf eine kranke Weise Stärke.
Da er nicht in den Kindergarten ging, konnte er sich niemandem mitteilen, aber er zeichnete und wie er zeichnete, nämlich in einer für einen Vierjährigen geradezu gnadenlosen Präzision. Hattie betrachtete sämtliche Bilder von Zeit zu Zeit mit hochgezogenen Augenbrauen, dann sammelte sie die Zeichnungen ein und verbrannte sie kommentarlos.
Steven konnte nichts dagegen tun, aber er begann, einige Bilder hinter den wackeligen Steinen der Kellermauer zu verstecken. Was er damit anfangen wollte, war ihm nicht ganz klar, aber er hoffte, dass jemand sie eines Tages finden würde.

Als er fünf Jahre alt geworden war, zogen sie um auf das Land in ein geräumiges Haus mit wertvollen Möbeln, auch das Essen wurde besser, denn die neuen, netten Onkel schienen über wesentlich mehr Geld zu verfügen.
Trotzdem half ihm das nicht über die Tage hinweg, an denen er baden musste, um gut zu riechen. Sobald das Badewasser eingelassen wurde, begann Steven zu zittern und verursachte dadurch winzige Wellen in der Wanne. Das Geräusch des Zähneklapperns störte den Besucher bei seinen Manipulationen am kindlichen Körper, und er beschwerte sich bei der Mutter, daraufhin gab sie ihrem Sohn vor dem Baden ein leichtes Beruhigungsmittel. Die Zufriedenheit der Kunden ging schließlich vor.

Ein paar Wochen vor Stevens sechstem. Geburtstag flatterte ein Brief der Schulbehörde ins Haus.

Nun bekam Hattie es mit der Angst. Sie zitierte das Kind in das neue, große Wohnzimmer, er durfte sich sogar neben sie auf das wertvolle Designersofa setzen. Dann fixierte sie ihn mit kalten, grauen Augen, und Steven dachte, dass es nun soweit wäre, nun würden sie ihn endlich umbringen, und alle Qualen hätten ein Ende.

„Steven, in vier Wochen ist Einschulung“.
Sie kniff ihre Augen zusammen und musterte Steven argwöhnisch, aber er gab keinen Laut von sich, sein Gesicht blieb unbewegt, tief im Inneren fühlte er Freude, denn das bedeutete Sicherheit für ein paar Stunden. Er kannte den Begriff Schule aus dem Fernsehen und seinen vielen Büchern.

Teilnahmslos zuckte er mit den Achseln, worauf sie nach einem weiteren prüfenden Blick weitersprach.
„Deshalb gehen wir in einer Woche nach Amerika zu Onkel Pete. Er hat viel Geld und kann uns ein schönes Leben bieten. Ich habe ihn bereits angerufen, er ist sogar damit einverstanden, dich zu adoptieren. Dann haben wir beide ausgesorgt. Er freut sich sehr auf dich“.
Steven schluckte aufgeregt, ein dicker Kloß im Hals drückte ihm fast die Luft ab, selbst wenn er gewollt hätte, war ihm das Sprechen unmöglich.In seinem Magen schien etwas Großes zu flattern, Hände und Füße prickelten wie unter Tausenden von Nadelstichen.
Hattie massierte sich die steile Falte zwischen den Augenbrauen, klatschte abschließend ungeduldig in die Hände und stand vom Sofa auf.
„Geh wieder in dein Zimmer und überlege dir schon mal, was du mitnehmen willst. Wir lassen den anderen Plunder hier, dort, wo wir hingehen, brauchen wir davon nichts mehr“, und sie lächelte zufrieden.
Doch Steven wusste, dass sie in letzter Zeit jedes Mal, bevor sie zu Bett ging, kleine, weiße Tabletten einnahm, ohne die sie keinen Schlaf mehr fand, trotzdem wachte sie nachts schreiend auf. Dann lächelte Steven, es machte ihn glücklich.

Seine Träume verliefen sehr viel besser, besonders der eine, wo er fast geräuschlos in großen Bögen in einem schuppigen Körper unter einem dunklen Himmel durch rauen Wüstensand glitt.
Im Traum sah er zwar schlecht, aber er konnte durch seine gespaltene Zunge riechen, wo sich all die kleinen, ängstlichen Tiere versteckten, von denen er sich ernährte. Das war sehr befriedigend für ihn. Im klaren Wasser eines stillen Teiches sah er sein Spiegelbild, dunkle Augen starrten gefühllos zurück. Er fühlte sich alt, weise und stärker als jedes andere Lebewesen.
Dieser Traum schlich sich immer wieder in seinen Kopf, nie ganz der gleiche, sondern viele Varianten davon, aber stets erfüllte ihn Macht und unbändige Kraft. Wenn er mit einem berauschenden Glücksgefühl erwachte, half es ihm, die Besucher und mit ihnen die an ihm vollführten demütigenden und schmerzhaften Handlungen auszublenden.

Am letzten Tag vor der Abreise hatte er starke Kopfschmerzen . Sein Kiefer schmerzte ihn ebenfalls. Als er sich im Badezimmerspiegel betrachtete, bemerkte er, dass sein Gesicht angeschwollen war. Steven öffnete den Mund und betastete vorsichtig die obere Zahnreihe, auf der ein ungeheurer Druck lastete. Er war nicht fähig, irgendetwas zu essen, obwohl er rasenden Hunger verspürte.
Hattie musterte ihn, auch ihr fiel die Veränderung in seinem Gesicht auf.
„Du wirst doch nicht krank werden? Das würde Onkel Pete gar nicht gefallen, er kommt morgen, um uns abzuholen. Sieh zu, dass du alles bis dahin gepackt hast, ich sage das nicht noch einmal. Hier hast du ein Aspirin, das wird helfen. Besser, du isst heute mal nichts“. Sie gab ihm einen unfreundlichen Schubs und stieß ihn in sein Zimmer, dann schloss sie hinter ihm ab.

Die Nacht kam, und Steven schlief trotz des Schmerzmittels unruhig. Immer wieder wälzte sich der magere, geschundene Kinderkörper ruhelos von einer Seite auf die andere.

Endlich entführte ihn ein neuer Traum in die ihm bereits bekannte Welt. Aber diesmal war alles anders und sehr viel beunruhigender. Sein glatter, gepanzerter Körper füllte eine Höhle unter dem Gipfel des Berges fast völlig aus. Der dreieckige Kopf züngelte nervös, denn das Ende der Häutung war noch nicht lange her, die neue Haut spannte unangenehm. Das Reptil spürte mit seinen sensiblen Sinnesorganen die Aufregung tief im Tal unter ihm.

Schemenhaft erkannte Steven Fackeln, von Menschen getragen, die zu ihm emporkletterten, und zwischen ihnen wand sich eine nackte, gefesselte Gestalt, deren schrille Schreie von Gesang und Getrommel der Träger begleitet wurden.

Steven spürte, wie sich sein Traumtier bewegte, die anstrengende Häutung in den letzten Tagen hatte Jagd und Nahrungsaufnahme verhindert. Ein rasender Hunger überfiel ihn bzw. das riesige Reptil, das sich jetzt langsam aus der Höhle schlängelte, immer wieder züngelnd.

Inzwischen hatten die Fackelträger und ihr Opfer die letzte Steigung überwunden.
Noch einmal ertönte wildes Trommeln, dann wurde der Gefangene an einen abgewetzten Pfahl unweit des Höhleneingangs gebunden, sein lautes Jammern nützte ihm wenig, denn seine Peiniger flohen talabwärts, sobald sie ihn in sicherem Gewahrsam wussten..
Steven fröstelte im Traum, doch er merkte auch, wie ihn etwas packte, was weitaus intensiver war als jedes andere Gefühl außer seinem Hass, nämlich die blanke Gier, seinen Körper um zappelndes, zuckendes Fleisch zu winden und zu spüren, wie unter dem Druck der Ringe langsam und unaufhaltsam das Leben aus ihm wich.
Der gewaltige Reptilienkörper richtete sich träge auf und pendelte vor dem Pfahl hin und her, die dreieckige Schnauze öffnete sich, zwei lange Zähne, spitz wie Nadeln, traten aus dem Oberkiefer hervor. Die Schreie waren verstummt, halb ohnmächtig hing das Opfer in den Stricken, fixiert von schwarzen, gleichgültigen Augen. Das Ende kam schnell.

Steven wachte auf, keuchend vor Furcht, alle Knochen im Leib schmerzten ihn, seine heißen Hände krampften sich um die Bettdecke und zerrten daran. In den Ohren hörte er noch das widerwärtige Knirschen, mit dem die tödliche Umschlingung des Reptils das Rückgrat des Unglücklichen zermalmte.
Mühsam befreite sich der Junge aus den zerwühlten Laken und taumelte benommen ins Badezimmer. Dort spritzte er sich erst einmal kaltes Wasser ins Gesicht. Die Schwellungen und Kieferschmerzen waren zwar zurückgegangen, aber die Innenseite seines Mundes brannte wie Feuer, außerdem trugen ihn seine Beine nur mit Mühe.

Er kletterte wieder in sein Bett, langsam ließ das Brennen nach. Bevor er endlich in einen nunmehr traumlosen Schlaf dämmerte, registrierte er noch mit einem Gefühl der Zufriedenheit, dass sein Hunger merkwürdigerweise verschwunden war.

Am nächsten Morgen wurde Steve durch Unruhe im Haus geweckt. Seine Mutter lief nervös hin und her, sie packte die letzten Koffer und pochte an seine Tür.
„Stell alles, was du mitnehmen willst, hier auf den Flur. Und beeile dich mit dem Anziehen. Frühstücken kannst du im Flugzeug“.
Ungeduldig schaute Hattie auf die Uhr.
„Pete kommt gleich, mach schneller, Steven, oder soll ich nachhelfen?“.

Steven war wie gelähmt. In seinen Ohren hörte er das Blut rauschen, die Stimme seiner Mutter drang dumpf wie durch Watte zu ihm durch. Die obere Zahnreihe tat ihm wieder weh, und er fühlte, wie seine Augen zuschwollen. Die Zunge lag klumpig in seinem Mund und schien eine merkwürdige Form anzunehmen. Die Arme wurden ihm immer schwerer, mit Mühe griff er nach seinem Pullover.
„Ich bin krank!“ wimmerte er leise. Hattie gab ihm eine schallende Ohrfeige. „Die ist dafür, dass du mich anlügst, du bist nicht krank“.
Sie riss Steven den Pullover aus der Hand und wollte ihn rücksichtslos über seinen Kopf stülpen, als es klingelte.
Sofort ließ sie den Jungen los, eilte zur Haustür und riss sie erwartungsvoll auf.
Draußen stand ein etwa siebzigjähriger, hagerer Mann mit Glatze und tiefen Falten in seinem roten Gesicht.. Bevor er eintrat, wischte er die beschlagene Brille mit einem Taschentuch aus seiner Aktentasche trocken.
Er nickte Hattie kurz zu, dann glitt sein kalter Blick zu Steven, der kraftlos an der Tür seines Zimmers lehnte. Kalter Schweiß floss ihm den Rücken hinunter, und er taumelte zurück zu seinem Bett.
Onkel Pete folgte ihm und tätschelte den mageren Rücken. Gleich darauf zog er angewidert seine behaarte Hand zurück.
„Du bist total verschwitzt. So kannst du nicht bei mir zu Hause ankommen. Mein zukünftiger Sohn ist ja kein Penner, was soll denn das Personal denken. Ab in die Badewanne, ich helfe dir dabei, dann geht es schneller“. Er grinste den Jungen breit an und blinzelte ihm zu, und Steven wusste, was der unbarmherzige Mensch von ihm wollte.
Obwohl von Hattie keine Hilfe zu erwarten war, schaute sich Steven nach ihr um, aber sie stand mit einer Tüte vor dem Kleiderschrank und packte schweigend seine Schuhe ein, ihrem Sohn gönnte sie keinen Blick.
Onkel Pete hatte bereits das Wasser in die Wanne gelassen und krümmte neckisch seinen Zeigefinger, seine blassgraue Zunge leckte gierig über die aufgesprungenen, dünnen Altmännerlippen..
Da glitt Steven mit einem dumpfen Laut zu Boden. In seinem Kopf wirbelte es, rote Funken tanzten vor seinen Augen. Seine Beine schienen sich in eine formlose Masse zu verwandeln. Er sah, wie Onkel Pete den Mund bewegte und sprach, aber Steven konnte den Mann nicht hören, er war taub. Seine riesige Zunge füllte mittlerweile den ganzen Mund, die Spitze hing ihm bis zum Kinn.
Er roch den Körpergeruch des Mannes, und er stank noch widerlicher, wie in seiner Erinnerung. Die Mischung von altem Schweiß, Rasierwasser und Gleitgel brachte ihn fast dazu, sich zu übergeben.

Hattie stand neben Steven und packte wütend seinen Arm. Sie schrie ihn an und schüttelte ihn so heftig an den mageren Schultern, dass sein gesenkter Kopf von einer Seite auf die andere flog. Als er sein Gesicht hob und seine Mutter ihm in die Augen sah, wurde sie kreideweiß, ließ Steven los und wich zur Tür zurück. Ihr Mund bewegte sich, doch Entsetzen lähmte die Stimmbänder.

Aber ihr veränderter Sohn war bereits jenseits aller menschlichen Empfindungsfähigkeit am Rande seines Bewusstseins angelangt, er merkte kaum noch, wie der geplagte Körper sich dehnte, schließlich völlig verwandelte und der neuen, zweckmäßigeren Daseinsform entgegenstrebte.

Und als grauenvolle Schreie die Stille des Hauses zerbrachen, die Nachbarn alarmierten und das über Jahre gut gehütete, furchtbare Geheimnis offenbarten, durfte endlich sein aufgestauter Hass sich entladen und Rache nehmen für die gestohlenen Jahre seiner Kindheit.
Die Polizisten fanden einen Mann und eine Frau tot vor, ihr körperlicher Zustand ließ selbst die hartgesottenen Beamten erschauern.
Das Fleisch beider Leichen war blau-schwarz verfärbt, fast sämtliche Knochen zersplittert, eine blutige Schleifspur führte aus dem Tatort hinaus durch die offene Wohnungstür in den Wald und von da aus zum Ufer des kleinen Sees, dort verlor sie sich, und auch die Spürhunde waren nicht imstande, sie weiter zu verfolgen.

Der Gerichtsmediziner, der die spätere Autopsie durchführte, schüttelte immer wieder den Kopf, denn so etwas war ihm in seiner bisherigen Laufbahn noch nie vor die Augen gekommen.
Als er persönlich seinen Bericht beim Polizeipräsidenten präsentierte, schaute ihn dieser ungläubig an.
„Erwürgt und vergiftet.... unmöglich. Keine Giftschlange zerquetscht ihre Opfer und umgekehrt, keine Würgeschlange hat Giftzähne. Was erzählen Sie mir da für einen Unsinn?“

Der ratlose Mediziner wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er wusste selbst, das das völlig absurd war, aber die Untersuchungsergebnisse sprachen für sich.

„Die Labortests haben ein noch unbekanntes Gift ergeben, es ist ungefähr tausend mal tödlicher als das Gift eines Taipans, der gefährlichsten Schlange Australiens. Dazu kommt, die Toten hatten fast keinen einzigen heilen Knochen mehr im Leib“.
Der Polizeipräsident winkte zornig ab. „Der Bürgermeister macht mir bereits die Hölle heiß, die Öffentlichkeit will Informationen. Was soll ich ihm sagen? Dass ein Monster in unserer friedlichen Stadt herumschleicht? Das macht sich ganz schlecht für die Wiederwahl. Wir ziehen noch einen Experten hinzu. Und Sie schlafen am besten Ihren Rausch aus. Viel wichtiger ist, dass wir herausfinden, was es mit dem Kinderspielzeug und den grauenvollen Zeichnungen auf sich hat. Die Nachbarn haben angeblich nie ein Kind dort gesehen“.

Hundertschaften durchkämmten die nähere und weitere Umgebung des Hauses, suchten den Wald ab, Taucher wurden in den See geschickt, alles ohne Erfolg. Nach einer Weile stellte man die Suche ein, und der Fall wurde zu den unerledigten Akten genommen.


Den neuen und verbesserten Steven interessierte das alles nicht. Er glitt in seinem geschuppten Körper durch tiefe Wälder voller Nahrung und fand wie in seinen Träumen eine Felsenhöhle, die ihm als Heim diente. Nun war er zwar einsam, aber endlich in Sicherheit vor den Ungeheuern in Menschengestalt.

Doch die Zeitungsberichte über ungeklärte, unheimliche Vorfälle auf der ganzen Welt mehrten sich, und Steven blieb nicht lange allein.

Die Verwandelten stellten eine neue Spezies dar, ausgestattet mit den stärksten Waffen, die die Natur zu bieten hatte und es dauerte eine lange Zeit, bis die Wissenschaft dem Geheimnis der Metamorphose auf die Spur kam.

 

Hallo BUGS! Herzlich willkommen im Forum. Deine Geschichte, die Du hier als Einstand ablieferst, hat mir gut gefallen. Flüssig geschrieben, spannend und weitgehend frei von groben Rechtschreibfehlern. Nicht zu lang, nicht zu kurz - gerade richtig. Der letzte Satz, der sich an alle Päderasten richtet, fällt ein bisschen aus dem Rahmen. Womöglich könnte man ihn streichen, keine Ahnung. Auf jeden Fall hast Du meiner Meinung nach Talent und ich bin gespannt, was da noch von Dir kommt.
Schöne Grüße von
Harry

 

Hallo BUGS,

auch von mir Herzlich Willkommen.

Ich kann mich harrys positivem Kommentar leider nicht anschließen. Flüssig geschrieben ist die Geschichte, und handwerklich machst du einiges richtig.
Verbessern kannst du trotzdem noch vieles, und ich gehe dazu weiter unten auch noch ins Detail. Aber das sind eher Kleinigkeiten, und ich habe zwei grundsätzliche Kritikpunkte, die ich zuerst loswerden möchte.

1. Ich hab das Gefühl, dass die Geschichte hier auf und ab marschiert und aus vollem Hals schreit: "Kindesmissbrauch ist böse, habt ihr gehört? BÖSE! Seht ihr wie böse diese Leute sind!" ... und dann benutzt sie das als Rechtfertigung für ein bisschen trashige Gewalt. Ich habe nichts dagegen, Kindesmissbrauch zu thematisieren, auch nicht in "Genre"-Geschichten. Aber bitte nicht als billiges Mittel, um der Geschichte einen düsteren Touch zu verleihen! Wenn man sich nicht sicher ist, ob man das Thema mit der nötigen Sensibilität behandeln kann, dann sollte man besser die Finger davon lassen, ist meine Meinung.

2. Sich in ein Wesen einer anderen Spezies zu verwandeln, hat nichts mit Evolution zu tun.
Das hier ist eine Fantasy-Geschichte. Du kannst von mir aus gerne Voodoo-Kulte, Zaubertränke oder Feenpatinnen als Begründung einbauen, warum das mit dem Jungen passiert, und ich werd nicht meckern, versprochen!
Aber ich hab echt meine Probleme, wenn ein falsches Verständnis von Evolution so ein zentrales Handlungelement ist. Das ist nämlich genau die Vorstellung von Evolution, die gewisse Leute propagieren um dann zu sagen: Das ist doch totaler Humbug, so was darf man doch nicht in den Schulen lehren, da müssen wir ganz dringend die hochwissenschaftliche Theorie vom "Intelligent Design" in den Lehrplan schreiben. Natürlich ist das totaler Humbug, das hat ja auch mit der Evolutionstheorie nichts gemein. Deshalb sind mir der Titel und die Erklärung für die Ereignisse in der Geschichte ebenfalls sauer aufgestoßen.

Details und Textkram:

Mit vier Jahren wusste Steven etwas Neues, nämlich dass er die Onkels mitsamt seiner Mutter glühend hasste.Er hätte das Gefühl niemals beim Namen nennen können,
Leerzeichen nach dem Punkt fehlt

Als er 5 Jahre alt geworden war, zogen sie um auf das Land in ein geräumiges Haus mit wertvollen Möbeln,
Zahlen bis zwölf ausschreiben

Ein paar Wochen vor Stevens 6. Geburtstag flatterte ein Brief der Schulbehörde ins Haus.
Zahl ausschreiben. Und das ganze mit der Schulbehörde ist reichlich fragwürdig. Was du später schreibst lässt darauf schließen, dass die Mutter die Existenz ihres Sohnes geheimgehalten hat, wie kommt also die Schulbehörde dazu, ihr zu schreiben? Außerdem scheint die Geschichte in den USA zu spielen, und dort gibt es keine allgemeine Schulpflicht, Eltern dürfen ihre Kinder zuhause unterrichten. In Großbritannien dagegen, wohin sie übersiedeln, gilt meines Wissens eine allgemeine Schulpflicht.
Das gibt es leider häufig, dass Leute ihre Geschichte in Amerika spielen lassen, weil das "cool" ist und weil ein Großteil der Literatur und der Filme, die wir konsumieren von dort kommt, ohne sich aber Gedanken zu machen, was dieses Setting bedeutet. Schreib lieber über eine Umgebung, die du kennst, dann vermeidest du solche Probleme.

„Steven, in 4 Wochen ist Einschulung“.
Zahl ausschreiben

Er kannte den Begriff Schule aus dem Fernsehen und seinen vielen Büchern.
Seinen vielen Büchern, die er lesen konnte, obwohl er noch nie in der Schule war? Oder seinen vielen Büchern, die seine liebende Mutter im regelmäßig vorlas? :susp:

Im klaren Wasser eines stillen Teiches sah er sein Spiegelbild, schwarze Augen starrten gefühllos zurück.
Die Schlangen, die ich so kenne, haben gelbe oder grünliche Augen mit vertikaler Pupille. Ich schließe nicht aus, dass es auch Schlangen mit komplett schwarzen Augen gibt, aber der Normalfall ist das nicht.

„Die Labortests haben eine Konzentration von 1000 x tödlicher als das Gift eines Taipans ergeben
Da fehlt noch was. Vorschlag: eine Konzentration von etwas ergeben, das tausendmal tödlicher ist als das Gift eines Taipans (und was ein Taipan ist, könnte man noch erwähnen, es ist nie schön, wenn Leser erst googlen müssen).

Die Anpassung der Natur, die ansonsten immer die Schwachen ausgemerzt hatte, stellte sich auf die Seite der Gequälten, die sich nicht wehren konnten und kreierte eine neue Spezies mit den stärksten Waffen, die die Natur zu bieten hatte, und darin war sie sehr erfinderisch.
Irgendwo weint sich ein Biologielehrer in den Schlaf ... :(

Nehmt euch also in acht, ihr Schänder und Peiniger, wenn es nachts in eurem Schlafzimmer raschelt.... es könnte das letzte Geräusch sein, was ihr hört, bevor ihr starr vor Schrecken in den Rachen der Evolution blickt.......
Ähm, ja. Um die Ärzte zu zitieren "Ich bin sicher, dass sich alle schlechten Menschen jetzt schämen"
Überleg doch mal, was du hier machst. Du gehst davon aus, dass "Schänder und Peiniger" unter deinen Lesern sind. Ist das nicht etwas beleidigend, jeden, der deine Geschichte liest, so anzusprechen? Und falls die tatsächlich jemand liest, der Kinder missbraucht, dann wird der wohl kaum denken: O weh, ich muss aufhören mit meinem schändlichen Tun, sonst kommt die Evolution mich holen! Der letzte Absatz macht sich echt lächerlich, und das ist bestimmt das letzte, was du willst. Da rate ich ganz dringend zum Streichen.

Grüße von Perdita

 

grüss dich, liebe Perdita und auch Dir vielen Dank für deine Kritik:)

 

Hallo BUGS

Ich hatte deine Geschichte gelesen und mir eine Meinung dazu gebildet. Alsdann las ich auch die beiden Kommentare, die du erhalten hast. Deine Antwort darauf an Perdita erstaunte mich etwas. Sie hatte sich die Mühe gemacht, dir ausführlich und kritisch, aber fair und gut überlegt ein humorvolles Feedback zu geben, was du mit einem Satz quittierst.
Fehler zu korrigieren, die aufzeigt werden, gehören übrigens zum minimalen Standard an gelungener Sozialisation. Ausnahmen bilden in der Regel einzig, wenn man mit einem Korrekturvorschlag nicht einverstanden ist. Dann sollte man ihn jedoch begründet widerlegen.

In deinem Profil schreibst du:

Warum bist du hier?:
einfach mal andere Meinungen zu meinen Geschichten oder auch Anregungen für neue

Hm! Diese knappe Aussage lässt den Schluss zu, dass dir wirklich nichts an einem Austausch liegt. Glaubst du ernsthaft auf diese Art und Weise hier im Forum auf Resonanz zu stossen?
Wenn man in deiner Geschichte einen Sinn erahnen möchte, dann wohl der, dass Steven eine Entwicklung durchmachte, die ihn als Geschöpf weiterbrachte. Anscheinend bewegt dich eine solche Vorstellung, doch wenn du dabei etwas gewinnen willst, lerne aus ebendiesem Ansatz. Nur, dies funktioniert einzig in einem sozialen und kommunikativen Austausch.

Vielleicht täuscht mich der Eindruck auch und du warst einfach in Zeitnot, um ausführlich zu kommunizieren und zu korrigieren. Wenn dem so ist, kann man das auch sagen und holt es baldmöglichst nach.

Übrigens deine Frage zu „Drei Wünsche frei“ von albisrieden: aber was bitte ist ein Eingeklemmtes? Im Schweizer Dialekt bezeichnet man mit Eingeklemmtes ein Sandwich. Also ein Brötchen das mit Wurst, Käse, Gurke o. ä. belegt ist, beidseitig eingeklemmt. :)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon, auch bei Dir möchte ich mich für Deine Nachricht oder auch Kritik bedanken. Ich möchte erst einmal die Kritiken sammeln, miteinander vergleichen und prüfen, was davon ich annehmen oder als für mich nicht relevant verwerfen kann, um dann den Kritikern oder Informanten schreiben zu können. Ansonsten gibt es ja nur ein wildes Hin und Her meinerseits an eventuellen Korrekturen. Du siehst also, Dein Vorwurf, ich wäre an einem Austausch nicht interessiert, ist in meinem Fall bestimmt nicht gerechtfertigt:) Leider habe ich auch nicht geahnt, daß man hier auf die Kritiken sofort gezielt eingehen muß, ich habe mich lieber erst einmal höflich bedankt, denn ich bin neu hier und weiß nicht, wie alles gehandhabt werden sollte. Und übrigens vielen Dank auch, daß ich nun weiß, was ein "Eingeklemmtes" ist, eine witzige Bezeichnung, hat mich sehr amüsiert. Ein schönes Wochenende wünsche ich Dir... bis dann mal wieder:)

 

Hallo BUGS,

hier möchte ich mich Perdita anschließen, was ihre Meinung zu den appellativen Sentenzen am Ende Deines Textes betrifft. Zunächst finde ich es für eine Fantasy-Geschichte durchaus passend, aus Wut und Ohnmachtsgefühlen eines so schwer missbrauchten Kindes langsam Allmachtsträume (sogar mit rituellem Bezug) zu machen und diese in der Erzähl-Realität zuletzt Wirklichkeit werden zu lassen. Durch die flüssige und spannende Darstellung erscheint mir Steven´s Verwandlung wie auch das archaische Opferritual, das ihn im Traum zu einer Gottheit erhebt (wie gesagt, Stichwort "Allmachtsfantasie"/"Allmachtswünsche"), in gelungener, Grauen erregender Weise die menschliche Bestialität um den Jungen zu parallelisieren. Als grauenvollste Figur in der Geschichte erscheint mir nicht Steven in seiner neuen Riesenschlangengestalt, sondern seine Mutter - ich könnte mir vorstellen, dass es vielen Lesern ebenso ergehen dürfte.

Fantasy bildet sehr oft das Abgründige ab, das in Wahrheit in uns Menschen selber lauert.

Das bringt mich aber nun endlich zu dem oben begonnenen Punkt: M.E. wäre eine abschließende, hämisch-befriedigte Warnung an alle Kinderschänder in einem Erzähltext am besten angebracht, wenn die Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt ist. Ansonsten wirkt es so, als wäre es nicht Steven´s Appell, sondern Dein eigener. Absolut verständlich und notwendig, aber wohl doch ein auktorialer Ansatz (d.h. der Erzähler setzt sich erklärend oder moralisierend über Handlung und Figuren), wie er nicht mehr zeitgemäß ist. Ein wenig überschreitet er somit schon den Rahmen.

Eine Evolution passiert m.E. in Deiner Geschichte nicht, es ist eine Metamorphose, die vergleichsweise ad hoc geschieht. Dass es sich mit Steven´s neuer Gestalt um ein Superraubtier handelt, widerspiegelt eher den entsetzlichen Seelenzustand des Kindes und die ihm angetanen Verbrechen als dass es sich um die Weiterentwicklung vorhandener Artmerkmale handelt. Außerdem ist es ein Mythos, dass Evolution stetig nach Verbesserung strebt: Mutationen eines Genpools bewähren sich, wenn sie den gerade gegebenen Umweltbedingungen gerecht werden, nicht mehr und nicht weniger. Manchmal steht für mich der gesamte Evolutionsbegriff infrage, da er eine zielgerichtete Entwicklung impliziert. Aber dafür bin ich zu wenig Biologe und nur noch weniger Kreationist.

Umgekehrt, wendeten wir den Evolutionsbegriff auf die Amerikaner an, hätten wir ein schauerlich lebendes Beispiel dafür, dass Errungenschaften der Evolution, wie Intelligenz, sich auch aus dem Genpool der Art verlieren können, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.

Die Darstellung von Steven´s Ängsten aus der Perspektive eines Kleinkindes erscheint mir psychologisch sehr glaubwürdig und erzeugt eine sogar mitziehende Spannung.

 

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