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Euro2030
Seit zwei Stunden sitze ich nun hier im Euroamt und weiß noch immer nicht, was ich hier soll.
Mein Videofon sagt mir dass es jetzt 8 Uhr ist. Um 6 Uhr sollte ich hier sein. Wozu, dass konnte mir hier aber noch niemand sagen. Diese Robo-Einheiten sind ja nicht gerade gesprächig. Noch nicht einmal Humor haben die. Hätte ich nur genug Geld für diese neuen Haus-Eigenen.
Es wird gesagt, man soll mit ihnen sogar einige Sportarten betreiben können. Aber ich muss mich mit einer einfachen Einheit, auf die jeder ein Recht hat, zufrieden geben.
Wenigstens gibt es heutzutage überall genug Unterhaltung, auch wenn die meisten Bildschirme und Luftprojektionen nur Reklame und primitive Reality Shows zeigen, wo es auch keine Action mehr gibt. Selbst die News zeigen nur noch „Schönwetterbericht“ und Sportarten, bei denen die Sportler keine Chance mehr haben sich irgendwie zu verletzen.
Gute Bücher gibt es auch kaum noch, wenn überhaupt nur auf den Sammlermärkten.
Ich bin wohl zu altmodisch. In der Lernanstalt hat man mich immer bemitleidet oder sogar ausgelacht wegen meiner Nostalgie und Sympathie zum Altmodischen.
Vor zwei Tagen bekam ich diese Textnachricht auf mein Videofon, worin stand, dass ich mich heute hier melden soll. Hatte ja genug Zeit mich darauf einzustellen. Meist bekommt man solche Nachrichten sehr kurzfristig und auch nicht per Text, sondern als Video.
Zum Glück passiert das aber nicht oft. Ich glaube niemand hat die Zeit und die Lust jedes Mal in die Hauptstadt zu fahren. Seit Brüssel die Euro-Capital-City ist, hat man alles hierher verlegt und die Stadt ist nun dreimal so groß wie das alte Mexiko City. Von Europol bis zur Euro-Zentro-Bank hat fast alles hier seinen Hauptsitz.
Aber es ist schon eigenartig, dass man mir den Grund der Einladung verschweigt. Nicht einmal zurück antworten konnte ich. Keine Kommu-Nummer oder eine Kommu-Adresse war beigefügt.
In der Außeneinheit vom Euroamt in Riga, wo ich herkomme, konnte man mir auch nicht weiterhelfen. Hat es vielleicht was mit meiner neuen Beschäftigung zu tun? Von Kind an wollte ich im Medi-Bereich arbeiten. Leider gibt es aber nur noch wenig Bedarf an Ärzten. Alles nehmen uns die „Homo-Robots“ ab, wie mein alter Mentor die nannte. Stattdessen lässt man mich im Transrapidkontrollcenter arbeiten. Arbeiten? Diese Posten sind eigentlich überflüssig. Passiert ja seit Jahren nichts, mal abgesehen von einer kleinen Panne vor 10 Jahren auf der Strecke Berlin-Warschau. Das ist eine der ersten Magnetstrecken, die man noch aus altem Stahlbeton baute. Ich weiß nicht wie, aber trotz Robo-Einheit am Steuer und Galileo-Navigation ist dieser Truck gegen einen der Schienenpfeiler gefahren.
Könnte das nicht öfter passieren? Dann könnte ich endlich mal was melden oder sogar als Medi-Helfer arbeiten, falls es sogar Verletzte geben sollte. Früher soll es ja täglich irgendwo Unfälle mit Verletzten gegeben haben, unverstellbar, aber ein interessanter Gedanke.
Solche Gedanken habe ich wohl zu oft laut ausgesprochen oder ins Net geschrieben.
So was hört man nicht gern, es ist sicher auch nicht gestattet darüber nachzudenken. Und so wie meine Robo-Einheit mich manchmal ansieht, habe ich das Gefühl, es könnte meine Gedanken lesen und mich an Europol verpetzen.
Es ist schon wieder eine viertel Stunde vergangen und ich werde immer ungeduldiger.
Auf dem Screen an der Glaswand werden gerade die neuesten News zeigt. In Innsbruck hat man die neuste Euro-Rapid-Strecke Bratislava-Lyon eingeweiht. Und in Oslo soll ein Mann überfahren worden sein. Wer soll das glauben? Niemanden würde heutzutage so etwas zustoßen. Das ist sicher nur wieder erfunden, damit man im Euronet was zu erzählen hat. Passiert ja sonst nichts.
Nach zweieinhalb Stunden kommt nun endlich eine Robo-Einheit und wird mich aufklären. Gleich werde ich erfahren warum man mich hierher gebeten hat. Aber seltsamer Weise sieht es nicht aus wie ein gewöhnlicher Homo-Robot. Es ist größer und stärker und seine beiden Zusatzhände sehen aus wie Handschellen.
A. Kutzinski „Euro2030“