Eulenspiegels Abkömmling
Als Eulenspiegel zum Friseur ging und dort die Friseurin dazu brachte, dass er ihr die Haare schneiden durfte
Einmal musste Eulenspiegel sich die Augenbrauen schneiden lassen, und da ging er zum Friseur. Er weilte gerade wieder einmal in der rheinländischen Stadt B. und dort sind die Friseure besonders eitel auf ihr berufliches Können. Nun saß Eulenspiegel auf dem Stuhl und die Friseurin schnippelte an ihm herum; da gab er von sich, er könne es besser als sie und überhaupt als jeder Friseur.
Sie lachte ihn aus und wies auf ihre Urkunde, die - für jeden deutlich sichtbar - über dem Spiegel hing. Da sagte er, das hat nichts zu bedeuten. Nun zeigte sie auch auf seine korrekt geschnittenen Augenbrauen, die er im Spiegel sehen konnte. Auch das tat er mit einer Handbewegung ab. Jetzt ging es eine Weile hin und her und auch die wartenden Kunden zeigten Interesse und und diskutierten mit. Und weil die Friseurin Angst hatte, die Kunden könnten ihm glauben und sich von ihm die Haare schneiden lassen, wechselte sie mit Eulenspiegel den Platz. Mit ungutem Gefühl sah sie, wie er alle Gerätschaften zurechtlegte. Zuguterletzt verlangte er, sie solle sich die Augen verbinden lassen. Auch dabei bedrängten sie die anderen Kunden, als wenn sie seine Partei ergriffen hätten. Endlich gab sie nach und Eulenspiegel begann zu werken.
Er machte mit den Scheren einen lauten Krawall und zerrte mit dem Kamme an ihren langen Haaren herum, zwischendurch fühlte sie den Rasierer summend an ihrer Kopfhaut entlanggleiten. Ihr wurde immer mehr Angst und Bange und schließlich hielt sie es nicht mehr aus und riß schnell das Tuch herunter. Als sie ihre Haare sah, voller Unordnung, da glaubte sie, er hätte ihre Haarfrisur total zerschnitten. Die Kunden lachten und noch viel mehr lachte Eulenspiegel und endlich stellte sie fest, nachdem sie sich wieder ordentlich gekämmt hatte, kein einziges Haar fehlte. Ihr fiel ein Stein vom Herzen, gleichzeitig schwor sie sich, es dem Eulenspiegel heimzuzahlen. Sie schlug vor, ihm die Haare schneiden zu wollen, auch so das er es nicht sehen konnte. Er konnte nicht umhin- um kein Spielverderber zu sein, dem zuzustimmen. Also band die Friseurin nun ihm das Tuch über die Augen und dann legte sie los mit all ihrem beruflichen Geschick. Die Kunden verstanden erst nicht, was sie dort machte, dann aber begriffen sie und lachten, aber nicht laut, mehr so ins Fäustchen. Endlich wurde es dem Eulenspiegel zu ruhig um sich, und er löste das Band und da sah er mit Schrecken, dass er nun keine Haare mehr besaß, stattdessen glänzte ihm eine Glatze entgegen. Die Kunden und auch die Friseurin sahen auf ihn und warteten, wie er reagieren würde. Aber er sah ein, dass aller Rabatz nichts mehr brachte und so ging er ganz traurig hinweg ins nächste Wirtshaus um dort seinen Kummer im Wein zu ersäufen.
Bevor er aber damit beginnen konnte, trat in die Gaststube ein junges Mädchen. Eulenspiegel meinte, das Gesicht zu kennen. Und in der Tat sie offenbarte sich als Kundin in dem von ihm verlassenen Friseursalon. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ohne ihren endgültigen Bericht abzuwarten, riß er an seinem Kopf herum. Und im silbernen Tresen konnte er sehen, dass sie die Wahrheit sprach. Da war der Eulenspiegel ganz vergnügt, denn er liebte seine zottligen braunen Haare wie er das Leben liebte. An diesem Tag schwor er sich, der Narretei für immer abzuschwören.
Hier muss man dem geneigten Leser aber mitteilen, den nächsten Tag erlebte der Schwur nimmer.