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Etwas Stilles

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16.04.2018
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Etwas Stilles

Etwas Stilles gleitet aus den Bäumen, wenn die Glocken läuten. Gleitet durch die leeren Straßen, vorbei an verriegelten Fenstern und Türen, füllt den Marktplatz mit seinem Brunnen. Es wirbelt mit den welken Blättern durch die Luft, ein Nebel, der aus den Augenwinkeln ein wenig zu dicht zu sein scheint. Ein wenig zu greifbar. Einige Blätter fangen sich in dem dunklen Mantel des Fremden, halten sich fest bevor der Wind sie wieder davon trägt. Im gelben Licht der einsamen Laterne glitzern die winzigen Tropfen des Sprühregens auf den Fäden der schwarzen Wolle. Auch der Koffer, den der Mann hinter sich her zieht, ist mit kleinen Tropfen besetzt. Der Fremde bleibt unter dem Licht der Laterne stehen und zieht einen Zettel aus seiner Manteltasche auf dem in sauberer Handschrift eine Adresse geschrieben ist. Er sieht sich um und findet wonach er sucht. Die Glocken klingen aus und hinterlassen eine Stille, die unter anderen Umständen vielleicht friedlich gewesen wäre.
Der Mann fröstelt und seine Nackenhaare stellen sich auf. Er dreht den Kopf und erwartet fast, eine Frau dort stehen zu sehen. Eine Frau mit goldblondem Haar und anklagenden Augen. Die Augen, denen er stattdessen begegnet reflektieren wie kleine Spiegel das Licht der Laterne als die Katze ihn misstrauisch beobachtet. Der Mann setzt seinen Weg fort und geht auf ein Fachwerkhaus zu, über dessen Tür ein Schild mit der Aufschrift "Ferienwohnungen" prangt. Die Tür lässt sich leicht aufdrücken und der Mann beeilt sich, ins Trockene zu kommen. Er steht in einem engen Flur, dessen Wände mit Radierungen und Fotografien des Marktplatzes in verschieden Zeitaltern geschmückt sind.
Eine untersetzte Frau kommt ihm entgegen, eine Tasse Tee in den Händen.
"Guten Abend, ich bin Rosa." Allerdings. Ihre Wangen und Nase sind von winzigen roten Adern durchzogen. Der Mann streckt eine Hand aus.
"Mein Name ist Skiggs, wir hatten telefoniert."
"Ach ja, dann kann ich endlich die Tür abschließen."
Skiggs gibt sein entwaffnenstes Lächeln zum Besten. "Entschuldigen Sie bitte, ich konnte leider keinen früheren Anschluss bekommen."
Rosa macht eine wegwerfende Handbewegung und watschelt zu einem Schlüsselkasten.
"Ihr Zimmer ist nur die Treppe hoch und dann direkt rechts. Sie können es nicht verfehlen, Nummer zwei." Sie drückt Skiggs einen Schlüssel in die Hand und deutet mit dem Kopf nach oben. Er bedankt sich und verschwindet in das Zimmer in dem er für die nächsten paar Wochen wohnen wird. Es ist furchtbar ländlich eingerichtet, aber sauber und mehr oder weniger gemütlich. Er hat schon ganz anders gewohnt.
Skiggs gähnt. Zum ersten Mal seit Wochen fühlt er sich wahrhaft allein, ein wunderbares Gefühl.
Zeit für wohlverdienten Schlaf, auspacken kann er morgen immer noch.

Seine Schläfen pochen und sein Hals ist rau vom Schreien. Sie haben sich gestritten, schon wieder. Er weiß gar nicht genau worüber, nur, dass Vera wütend ist. Ihre Worte prasseln auf ihn ein wie Hagel, kalt und schmerzhaft. Sie weiß genau was sie sagen muss um seinen Puls zum Rasen zu bringen. Er betrachtet sie, das Gesicht wutverzerrt, die langen Haare durcheinander weil sie ständig ihre Hände darin vergräbt.
Er hasst sie.
Kann sich kaum daran erinnern sie jemals geliebt zu haben, das alles scheint Jahrzente her zu sein. Ein Teller fliegt an ihm vorbei und zerschellt irgendwo hinter ihm. Vera kommt auf ihn zu, ihre Hände wild gestikulierend vor sich, sie brüllt noch immer. Am liebsten würde er ihren dummen Kopf nehmen und hart gegen die Kante der Küchentheke schlagen. Ein heißer Schwall an Emotionen steigt in ihm auf, liegt bitter in seinem Mund den er krampfhaft verschlossen hält. Er weiß nicht, wie lange er das noch ertragen kann. Wie lange er sie noch ertragen kann. Sie steht nun direkt vor ihm, schnaufend wie ein Stier. Er streckt die Hand nach seiner Frau aus, berührt ihren Hals und vergräbt seine Hand in ihren Locken ohne ihre Proteste zu beachten. Dann packt er zu, sein Körper bewegt sich von ganz allein, steckt alle Kraft in die Bewegung. Haare bleiben an der Kante der Theke kleben. Er folgt ihrem regungslosen Körper auf den Boden, kniet schwer atmend über ihr. Die rote Pfütze breitet sich aus, wird ein See der bald den gesamten Boden bedenkt hat. Skiggs drückt gegen die blasse Haut von Veras Brust, gräbt seine Finger immer tiefer in das weiche Fleisch bis der Widerstand überwunden ist. Ihre Rippen können seinem Gewicht nicht standhalten, brechen wie Zeige und legen das schwach flatternde Herz frei. Es ist schwarz und ölig glänzend. Skiggs schließt seine Finger um das dunkle Organ und drückt so fest er kann. Es quillt zwischen seinen Fingern hervor und pocht kläglich gegen seine Handflächen. Plötzlich schießen Veras Arme an seinen Hals, schmierig vom Blut und kalt. Ein animalischer, heulender Laut entweicht ihren blassen Lippen. Ihre langen Nägel graben sich tief in die dünne Haut seines Halses, schnüren ihm die Luft ab. Er würgt und schließt seine Hände fester um ihr Herz bis es endlich zwischen seinen Fingern platzt. Eine rote Fontäne schießt ihm entgegen, dringt in seine Augen, seinen Mund und seine Nase, nimmt ihm seine Sinne, ertränkt ihn.

Skiggs zwingt sich die Augen aufzureißen und seinen Körper aus der Starre zu befreien, die der Traum ihm aufgelegt hat. Sein Herz beruhigt sich nur langsam während er sich blinzelnd umsieht. Der Inhalt des Traums beginnt bereits zu verblassen, aber das klamme Gefühl um seine Brust bleibt. Den Albträumen hat er also nicht entkommen können. Dafür aber hoffentlich alles anderem. Er sieht zu dem Koffer, in dem sich ein nagelneuer Führerschein und Ausweis befindet, neben einem ordentlichen Batzen Geld. Er beginnt ein neues Leben, hier, mitten im Nirgendwo. Fernab von der Quelle seiner Träume und den misstrauischen Blicken.
Sein Magen allerdings ist noch der Alte und verlangt nun lautstark nach einem deftigen Frühstück. Skiggs zieht sich an und folgt dem Klappern von Tellern und Besteck in die Küche. Rosa hat ihm den Rücken zugewandt und gießt dampfendes Wasser in eine Tasse.
"Guten Morgen."
Sie fährt herum und lacht erleichtert auf als sie ihren Gast erkennt.
"Guten Morgen. Auch?" Sie schwenkt den Wasserkocher vor ihrem Gesicht herum und Skiggs nickt. Er ist kein großer Teetrinker, aber es erscheint ihm unhöflich nein zu sagen.
"Ich war nicht sicher, ob Sie lieber Toast oder Brot möchten, ich habe einfach beides gemacht." Rosa stellt eine leuchtend grüne Tasse vor ihm ab und bietet Skiggs verschiedene Teebeutel an. Er greift nach dem Pfefferminztee.
"Danke, aber das wäre gar nicht nötig gewesen. Ich bin wirklich nicht wählerisch, was Essen angeht."
Das Frühstück ist schlicht, aber gut und eine halbe Stunde und zu viel Smalltalk später verlässt Skiggs die Küche wieder. Er will heute seine neue Umgebung erkunden und sich nach einem Job umhören.
Der Himmel ist zwar grau, aber es regnet nicht. Dafür klammert sich Nebel an die alten Gebäude und nimmt dem Dorf die wenige Farbe die der Winter ihm gelassen hat.

Die Dorfbewohner sind dem Neuankömmling gegenüber im besten Fall höflich unterkühlt und im schlimmsten Fall offen feindselig und Skiggs gibt sich Mühe, sich seine Frsutration nicht anmerken zu lassen. Er ist ein Eindringling in dieser kleinen Gemeinde. So klein, dass es nicht einen einzigen Polizisten im Dorf gibt. Trotzdem scheint es kein Problem mit Kriminalität zu geben, vermutlich, weil jeder jeden kennt. Das Risiko ist einfach zu hoch. Und sonderlich lohnenswert wäre ein Raub sowieso nicht. Laut Rosa kommt hier schlicht niemand auf den Gedanken, vom Gesetz oder den dorfeigenen Regeln abzuweichen. Man schließt seine Autos oft nicht ab, Fahrräder erst recht nicht. In einer Gemeinde wie dieser regeln die Dinge sich von selbst hat sie gesagt.
Skiggs vergräbt die Hände tief in seinen Manteltaschen und sieht sich nach Läden oder Büros um, in denen er seine Kontaktdaten noch nicht abgegeben hat. Eine schwarze Katze sitzt unter einem Baum und beobachtet ihn. Sie gefällt ihm nicht. Irgend etwas stimmt mit ihren Augen nicht. Sie sind zu intelligent, zu abschätzig. Als wüsste sie, wer er wirklich ist. Vor seinem inneren Auge sieht Skiggs die Katze in hohem Bogen über die Straße fliegen. Er bleibt stehen und starrt zurück in die grünen Augen. Plötzlich springt Tier mit einem Satz auf und Skiggs zuckt ein wenig zurück, würde sich am liebsten umdrehen und rennen. "Was willst du?" will er schreien. Stattdessen steht er nur da und lässt die Katze auf sich zu kommen. Er fühlt sich wie am Morgen, als der Albtraum ihn in seinen Krallen hatte und seinen Körper lähmte. Wie dumm er aussehen muss. Ein erwachsener Mann, vor Angst gelähmt. Wegen einer Katze die gemächlich auf ihn zu geht. Aber das Vieh scheint den Nebel mit sich zu bringen. Er scheint an dem seidigen Fell zu hängen wie ein geisterhafter Schleier der nun um sie beide herum wabert.
Skiggs hört Schritte hinter sich, harte Absätze auf Pflastersteinen. Aus den Augenwinkeln sieht er einen Mann, in einen dunklen Regenmantel gehüllt. Skiggs' Herz schlägt schneller, hämmert nun gegen seine Brust. Aber der Mann beachtet ihn nicht. Scheint den dichten Nebel nicht zu sehen, nicht die schwarze Katze mit leuchtend grünen Augen die ihn viel zu wissend anstarren. In ihn hinein starren.
Skiggs senkt seinen Blick wieder, die Katze ist fort.

Er sieht sich um, er ist allein. Ein Auto brummt irgendwo. Skiggs lacht zittrig, versucht die Angst zu verscheuchen. Er hat für heute genug von seiner neuen Heimat gesehen.
Er macht einige langsame Schritte und lässt den Blick vorsichtig schweifen. Ein Vogel hüpft jetzt unter dem Baum herum. Eine junge Frau kommt um die Ecke. Ihr Gesicht kann er noch nicht sehen, aber sie hat lange blonde Locken, die mit jedem ihrer Schritte wippen. Sie ist ein wenig zu schick für so eine ländliche Gemeinde. Und sie kommt ihm bekannt vor. Erinnerungen an panische Schreie und wimmerndes Flehen kommen an die Oberfläche. Die blonden Strähnen, blutverklebt in seiner Faust. Hände die nach seinen tasten und versuchen, seinen Griff zu lösen. Die Frau kommt nun auf ihn zu und Skiggs fällt einige taumelnde Schritte zurück. Für einen kurzen Moment hat sein Herz ausgesetzt, jetzt rast es.
"Nein..." haucht er, "nein."
Er war so vorsichtig, es ist unmöglich, dass jemand weiß wo er sich aufhält. Er hat es niemandem gesagt und eine umständliche Verbindung gewählt, eine neue Identität bekommen. Einen Neustart. Und trotzdem ist sie hier. Lebendig. Wütend. Sie zieht den Nebel, der sich gerade gelüftet hat, hinter sich her wie einen Schleier.
Er muss an den Tag ihrer Hochzeit denken. Wie schön sie war. Schön auf eine Art, wie eine Waffe schön sein kann. Jetzt sieht sie gefährlich aus, als wäre ihr Inneres nach außen gekehrt worden. Aber Skiggs vermutet, dass sie ihn dieses Mal nicht nur mit Worten verletzen wird wenn sie ihn erreicht. Kalter Schweiß läuft seinen Rücken herunter. Kämpfen oder laufen? Er zwingt seinen Körper, sich zu bewegen, die Lähmung abzuschütteln. Adrenalin rast durch seine Adern als er sich umdreht und rennt. Ohne zu wissen wohin, nur weg von ihr und den Erinnerungen, die sie mit sich bringt. Weg vom Nebel, der viel zu dicht ist. Er kann kaum sehen, hofft nur inständig, dass der Weg frei ist. Skiggs wagt keinen Blick hinter sich aber er weiß, dass sie nicht weit ist.
Die Straße wird steiler und gröber. Seine Lungen brennen und seine Beine schmerzen. Plötzlich ist der Boden unter seinem rechten Fuß verschwunden. Skiggs findet ihn mit dem Rest seines Körpers wieder als er das Gleichgewicht verliert und hart aufkommt. Er nimmt kaum war, dass seine Handflächen und ein Knie anfangen zu bluten. Hastig zieht er seinen Fuß aus dem Schlagloch und kommt stolpernd auf die Beine. Er wirft einen Blick über die Schulter und sieht nichts als den Nebel, der alles verschluckt das nicht unmittelbar vor ihm ist. Aber sie bringt den Nebel, sie kann nicht weit sein. Oder bringt der Nebel sie?

Wie durch Milchglas kann Skiggs große dunkle Schemen erkennen, die in einiger Entfernung vor ihm liegen. Der Wald! Auf der anderen Seite ist eine Landstraße, er muss es nur durch den Wald schaffen. Er ignoriert das scharfe Stechen in seiner Seite und das Aufschreien seiner Lungen und rennt weiter. Kälte streicht über seinen Nacken, kriecht über seine Kopfhaut und seinen Rücken herunter. Er kann sie spüren. Es spüren. Sie ist nicht hier! Sie liegt hunderte von Kilometern weit weg unter der Erde.
'Wegen dir.' Es ist keine Stimme, nur ein Gedanke. Ein fremder Gedanke in seinem Kopf der Bilder und Gefühle mit sich bringt. Skiggs rennt weiter, versucht das Tempo anzuheben aber seine Beine sind müde und seine Lungen und sein Herz überstrapaziert. Er kann nicht mehr.
Er stolpert, als die festgefahrene Erde in Gras übergeht, fängt sich jedoch im letzten Moment. Er hat den Wald erreicht! Vor ihm ragen alte Tannen in den Himmel wie grimmige Wächter. Skiggs streckt beide Arme vor sich aus um niedrige Äste aus seinem Weg zu schieben. Der Nebel wird immer lichter. Skiggs taumelt auf einen schmalen ausgetretenen Weg und läuft weiter, so schnell, wie sein erschöpfter Körper es ihm erlaubt. Er kann nun einen Meter vor sich sehen. Zwei, dann drei. Erleichterung durchströmt ihn, nur, um ihn wenige Sekunden später wieder zu verlassen. Sie steht vor ihm, die Katze zu ihren Füßen. Skiggs kommt zum Stehen, taumelt einige Schritte zurück und wäre beinahe wieder gefallen. Seine Beine zittern, seine Lunge brennt. Der Nebel sammelt sich wie eine weiße Wand hinter seiner Frau und der verfluchten Katze. Skiggs sieht sich gehetzt um.
Die Welt ist verschwunden.

Es gibt nichts als diesen unnatürlichen, undurchdringbaren Nebel, der sie umschließt. Skiggs' Knie geben nach und etwas heißes läuft an seinem Bein herab. Er kann kaum atmen. Der Nebelkreis wird enger, aus den Augenwinkeln flackern Gestalten um ihn herum auf. Aber die sind nicht für ihn bestimmt. Nicht wie sie.
Er hebt den Blick, begegnet nach Luft ringend ihrem anklagenden Blick. Kälte strahlt ihm entgegen und Entsetzen breitet sich aus, treibt verzweifelte Tränen in seine Augen. Er versucht zu sprechen, aber der Ton bleibt in seinem Hals stecken. Auf allen Vieren kriecht Skiggs zurück wie ein Tier. Sie streckt eine Hand nach ihm aus, fast schon einladend. Schluchzend und zittern weicht Skiggs vor ihr zurück, versucht sie anzuflehen, aber er kann kein Wort zustande bringen. Sie kniet nieder, die Hand immer noch ausgestreckt. Nein. Sie kniet nicht. Sie verschwindet, verschmilzt mit dem Nebel und hinterlässt nichts als nacktes Entsetzen. Der weiße Ring schließt sich enger und Skiggs halb wahnsinniger Verstand begreift.
Sie liegt viele Kilometer entfernt unter der Erde.
Sie ist nicht echt.
Nichts ist echt.
Außer das Ding, das jetzt überall ist, wie Eis über seine Haut streicht und durch seine Haare fährt. Das dafür sorgt, dass nichts unbestraft bleibt. Das die Dinge regelt.

Skiggs' Augen rollen blind in ihren Höhlen ohne etwas zu sehen. Das Herz, das gerade noch panisch geschlagen hat, stolpert. Bleibt stehen.

 

Hallo Telltale Heart,

und herzlich willkommen hier!

Der Inhalt deiner Geschichte ist klassisch. Ein Mann wird von Schuldgefühlen so sehr geplagt, dass er sich nur noch verfolgt fühlt. Ob er am Ende wirklich von einem Rachegeist ermordet wird oder ob ihn sein eigener Wahnsinn in den Tod treibt, bleibt offen.
Das ist nicht neu und das ist für mich auch so ein bisschen das Problem bei der Geschichte. Ab dem Zeitpunkt in dem du die Frau das erste Mal erwähnst, kann man ahnen in welche Richtung es geht. Trotzdem schaffst du es zwischendrin ganz gut Spannung zu erzeugen.

Den Anfang finde ich von der Idee her nicht schlecht. Man folgt dem Nebel auf seinem Weg bis zu dem Mann. Trotzdem finde ich ihn etwas anstrengend, etwas zu verschwurbelt und überladen. Ich würde versuchen hier die Satzstrukturen etwas aufzuräumen und Adjektive zu reduzieren.

Er dreht den Kopf und erwartet fast, eine Frau dort stehen zu sehen. Eine Frau mit goldblondem Haar und anklagenden Augen.
Das nimmt m.M. nach zu viel voraus. Ich sehe du liest Stephen King, der verrät ja eh alles schon vorher. Mir gefällt dieses Stilmittel nicht, aber das ist Geschmackssache.

Die Augen, denen er stattdessen begegnet reflektieren wie kleine Spiegel das Licht der Laterne als die Katze ihn misstrauisch beobachtet.
Komma nach begegnet und bor als.
Kommas fehlen einige im text, vielleicht magst du da noch mal drüberschauen. Vielleicht hast du auch das Glück und unsere Kommakönigin TeddyMaria beehrt dich.
Der Satz gefällt mir aber auch nicht. Etwas verschachtelt. Ich würde vielleicht zwei draus machen.

"Guten Abend, ich bin Rosa." Allerdings. Ihre Wangen und Nase sind von winzigen roten Adern durchzogen.
Gefällt mir.

Skiggs gibt sein entwaffnenstes Lächeln zum Besten.
Uh, das klingt aber arg abgedroschen.

Zum ersten Mal seit Wochen fühlt er sich wahrhaft allein, ein wunderbares Gefühl.
Ich hab ja gedacht, dass da noch was kommt, wegen der Tropfen, die sich an ihn gehaftet haben.

Irgendwo waren auch noch Rechtschreibfehler versteckt, ich find die grad nicht mehr. Also noch einmal drüberschauen, Rechtschreib- und Kommafehler ausbessern und vielleicht die Sätze noch etwas ordnen, prüfen, ob du wirklich jeden Satz bzw Wort brauchst. Würde dem Text glaube ich gut tun.

Viele Spaß noch hier und viele Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Ihr habt mich gerufen? Da bin ich schon!

(Übrigens, Nichtgeburtstagskind, danke für die Krönung. Das ist ja ein hochtrabender Beiname, den Du mir da verpasst hast, ich fühle mich geschmeichelt. Habe ich mir mit der Klugscheißerei aber auch verdient.)

Also richte ich mal mein Krönchen und lege die Lupe drauf, liebe/r Telltale Heart

Erstmal aber: Epischer Titel! Und die Geschichte gefällt mir auch.

Einige Blätter fangen sich in dem dunklen Mantel des Fremden, halten sich fest bevor der Wind sie wieder davon trägt.

Komma vor „bevor“.

Im gelben Licht der einsamen Laterne glitzern die winzigen Tropfen des Sprühregens auf den Fäden der schwarzen Wolle.

Dieser Satz ist ziemlich symptomatisch für den Anfang. Da hast Du sechs Nomen und nur ein Verb. Komplett überladen. Umstellen, mehr Prädikate, kürzen, was auch immer. Solche Monstren sind wirklich schwerlich intuitiv zu lesen und zu begreifen.

Der Fremde bleibt unter dem Licht der Laterne stehen und zieht einen Zettel aus seiner Manteltasche auf dem in sauberer Handschrift eine Adresse geschrieben ist.

Komma vor „auf dem“.

Er sieht sich um und findet wonach er sucht.

Komma vor „wonach“.

Die Augen, denen er stattdessen begegnet reflektieren wie kleine Spiegel das Licht der Laterne als die Katze ihn misstrauisch beobachtet.

Komma vor „reflektieren“ und vor „als“. Und mit dem, was nach dem „als“ kommt, bin ich auch unglücklich. Das ist so … etwas Zeitliches. Als stünde der Typ da so eine Weile und dann endlich beobachtet die Katze ihn. Besser: „ … wie kleine Spiegel das Licht der Laterne. Die Katze beobachtet ihn.“ Oder so.

"Ach ja, dann kann ich endlich die Tür abschließen."

Hier dachte ich: „Oh, wir sind an einem gefährlichen Ort.“ Aber später sagst Du, dass die Leute in diesem Dorf nicht einmal Fahrräder anschließen. Das passt nicht so gut zusammen.

Er bedankt sich und verschwindet in das Zimmer in dem er für die nächsten paar Wochen wohnen wird.

Komma vor „in dem“.

Sie weiß genau was sie sagen muss um seinen Puls zum Rasen zu bringen.

Komma vor „was“ und vor „um“.

Er betrachtet sie, das Gesicht wutverzerrt, die langen Haare durcheinander weil sie ständig ihre Hände darin vergräbt.

Komma vor „weil“. Guck mal, das erkennt sogar mein Rechtschreibprogramm. Und die Dinger sind mies, was Zeichensetzung angeht. Mal drauf hören, das lohnt sich also doch.

Kann sich kaum daran erinnern sie jemals geliebt zu haben, das alles scheint Jahrzente her zu sein.

Komma vor „sie“ und „Jahrzehnte“. Letzteres merkt das Rechtschreibprogramm auch. Einfach mal anmachen und drauf hören, würde ich sagen. Im Übrigen kann ich Dir weiterhin empfehlen, Dir jemand Sattelfestes in RGZ zu suchen, der Deine Geschichten Korrektur liest, bevor Du sie hochlädst. Jeder macht Fehler, deshalb würde ich es ausnahmslos jedem, auch erfahrenen Schreibern und Schreiberinnen, empfehlen.

Ein heißer Schwall an Emotionen steigt in ihm auf, liegt bitter in seinem Mund den er krampfhaft verschlossen hält.

Komma vor „den“.

Er streckt die Hand nach seiner Frau aus, berührt ihren Hals und vergräbt seine Hand in ihren Locken ohne ihre Proteste zu beachten.

Unschöne Wiederholung von „Hand“. Vielleicht: „packt ihre Locken …“ Und dann kommt natürlich auch ein Komma vor „ohne“.

Die rote Pfütze breitet sich aus, wird ein See der bald den gesamten Boden bedenkt hat.

Komma vor „der“.

Skiggs drückt gegen die blasse Haut von Veras Brust, gräbt seine Finger immer tiefer in das weiche Fleisch bis der Widerstand überwunden ist.

Komma vor „bis“.

Skiggs schließt seine Finger um das dunkle Organ und drückt so fest er kann.

Komma vor „so“.

Er würgt und schließt seine Hände fester um ihr Herz bis es endlich zwischen seinen Fingern platzt.

Komma vor „bis“.

Okay, hier höre ich auf. Ich habe jetzt absichtlich immer geschrieben, vor welchem Wort das Komma kommt, weil viele davon 1a-Hinweiswörter auf einen Nebensatz sind = nebenordnende Konjunktionen wie „weil“ oder „bis“ oder „als“. Viele Fehler liegen auch an Relativsätzen (die erkennst Du an Artikeln in diversen Fällen, manchmal verstecken sie sich hinter Präpositionen wie „auf“ oder „in“). Ich empfehle Dir, auf solche Signalwörter zu achten.

Außerdem empfehle ich Dir, das alles nochmal genauestens zu pauken. Zeichensetzung ist wichtig! Das ist nicht nur meine Einzelmeinung. Du musst lernen, Nebensätze zu erkennen. Eigentlich ist das easy, ich weiß nicht, warum man das in der Schule mit so einem Aufkack lernt wie: „Wenn der Satzteil, der nach der nebenordnenden Konjunktion kommt, nicht ganz so wichtig ist, dann ist es ein Nebensatz.“ Super subjektiv! Gibt objektive Kriterien:

In Hauptsätzen stehen Prädikate an zweiter Stelle im Satz. Beispiele:
„Das Haus steht auf der Wiese.“ (Ist die zweite Stelle, denn es geht um Satzteile, und „das Haus“ sind zwar zwei Wörter, aber ein Satzteil).
„Warum gehen Sie weg?“
„Die Kinder haben gelacht.“

In Nebensätzen stehen die Prädikate an letzter Stelle im Satz (Ausnahme, wenn Vergleiche mit „wie“ oder „als“ angehängt werden). Beispiele:
„Auf der Wiese steht das Haus, das gelb ist.“
„Warum gehen Sie weg, wo Sie noch einen Vortrag halten müssen?“
„Die Kinder haben gelacht, weil es sehr lustig gewesen ist.“

Wat haben wir davon, dass wir jetzt HS und NS erkennen können? HS und NS haben mehr Vorurteile als ich: Sie hassen es, mit der Out-Group rumzuhängen. Also, HS wollen nicht mit NS und andersherum. Deshalb musst Du schön Zäune zwischen ihnen ziehen. Also Kommata setzen. Bei Verbindungen von HS und HS und NS und NS ist das anders, aber darüber sprechen wir dann irgendwann. ;)

So. Und jetzt diese Skills im ganzen Text anwenden. Und am besten für das großartige Zeichensetzungsstudium noch weitere Quellen hinzuziehen, denn das war die Blitzerklärung. Ich lese jetzt weiter, ohne Fehler zu suchen. Das ist Deine Aufgabe. Und wenn Du erstmal so viel Routine hast, dass Du beim Schreiben schon die Prädikate bemerkst, dann machst Du wirklich kaum noch Fehler (bis auf in den 30% anderen Fällen, in denen man Kommata setzen darf oder muss).

Ich kann doch nicht anders:

Er nimmt kaum war, dass seine Handflächen und ein Knie anfangen zu bluten.

„wahr“! Verdammt.

Skiggs' Knie geben nach und etwas heißes läuft an seinem Bein herab.

„etwas Heißes“. Und weißt Du was? Hat mein Rechtschreibprogramm auch erkannt. Nominalisierungen kann ich nicht so gut erklären. Wenn Du davon noch nie gehört hast: Bitte auch lernen! Wenn das hier nur Flüchtigkeit war, never mind.

Schluchzend und zittern weicht Skiggs vor ihr zurück, versucht sie anzuflehen, aber er kann kein Wort zustande bringen.

„zitternd“.

Sou, kommen wir zum eigentlich interessanten Teil: Der Inhalt. Ich fand das im Großen und Ganzen schön gemacht. Der Anfang ist etwas überladen mit beschreibenden Nomen und zugehörigen Adjektiven. Auf ein solches Monstrum von Satz habe ich Dich ja aufmerksam gemacht. Bitte schau mal, ob Du da ein bisschen was kürzt (nicht nur in dem einen Satz). Mir fällt so etwas beim ersten Lesen häufig gar nicht auf, weil dabei halt mein Hirn in Standby schaltet und erst wieder anspringt, wenn das aufhört. Was es nach dem ersten Absatz ja auch tut.

Wie Du vom Dorf erzählst und auch die Ermordung der Frau, das fand ich toll. Ich konnte mir die ländliche, leicht verschrobene Idylle gut vorstellen, und bei der Ermordung dachte ich empört: „Mein Gott, ich esse gerade!“ Was ja ein gutes Zeichen ist. Hat mich echt geekelt. Und meine Nudeln rochen auch komisch, vielleicht kam da was atmosphärisch günstig zusammen. ;)

Das Ende-Ende, also das hier:

Außer das Ding, das jetzt überall ist, wie Eis über seine Haut streicht und durch seine Haare fährt. Das dafür sorgt, dass nichts unbestraft bleibt. Das die Dinge regelt.

Das fand ich ziemlich cool. Das ist ja super mystisch, vielleicht schon eher göttlich, beinahe blasphemisch, wow! Fand ich großartig.

Das Ende davor von dem Moment, wo Skiggs seine Frau sieht und Panik kriegt, bis hierhin, das fand ich wiederum nur so mittel. Da wirst Du wieder sehr pathetisch, sehr viele Wörter, v.a. Adjektive … huah. Das lenkt so ein bisschen ab. Ich glaube, Du konntest Dich nicht ganz entscheiden, ob Du Hektik oder Grusel machen wolltest. In der Hektik nimmt man Dinge nicht so detailliert wahr, und wenn Du was Mystisches, gruselig Aussehendes beschreiben willst, dann sind Details wahrscheinlich wichtig. Beides zusammen funktioniert nicht so gut – zumindest nicht hier. Würde Dir empfehlen, daran genauso an überbordenden Details abzuspecken wie auch am Anfang. Ist ja eigentlich symptomatisch.

Ansonsten gerne gelesen, und nun bleibt mir nur noch eins: Make it work!

Katzenhafte Grüße,
Maria

 

Hihi, finde ich super, dass das klappt mit dem Rufen, TeddyMaria. Aber das erklärt eben keine so schön wie du. :chaosqueen:

 

Danke an Nichtgeburtstagskind und TeddyMaria erstmal :)

Es waren wohl noch Flüchtigkeitsfehler drin, die ich auch nach mehrmaligem Lesen nicht gesehen habe... Ich benutze ein anderes Programm zum Schreiben und habe vergessen, den Text danach für das Rechtschreibprogramm in Word zu kopieren :sealed:

Ich steige jetzt nach fast zwei Jahren Pause wieder ins Schreiben ein, so richtig drin bin ich noch nicht, allerdings habe ich früher immer viel zu viele Kommata gesetzt, vielleicht pendelt sich das ja noch in die goldene Mitte ein. Mein größtes Problem mit der Geschichte (abgesehen von Grammatik) war das Pacing, aber ich finde es sehr schwierig, objektiv die eigenen Stories zu lesen deswegen dachte ich, ich versuche es mal hier :)

Die Sache mit der Nominalisierung war ein Flüchtigkeitsfehler, eigentlich hab ich das drauf. Die Kommasetzung muss ich mir aber definitiv nochmal anschauen.

Grüße,
Telltale Heart

 

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