Mitglied
- Beitritt
- 18.04.2013
- Beiträge
- 9
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 6
Ethanollatenz
Wissen Sie, ich bin an einem Punkt angekommen in meinem Leben, an dem ich Ihnen das ruhig erzählen kann. Die Ärzte geben mir noch sechs Monate. Vielleicht neun.
Ich trage mit Vorliebe häßlich-grell-karierte Polohemden und dazu häßliche Polyesterhosen. Meine Schließmuskeln neigen dazu, mir häßliche Streiche zu spielen. Und was ich zu erzählen habe, ist nichts als die häßliche Wahrheit.
Ich liebe Alkohol. Und eigentlich ist das noch nicht ganz richtig. Ich lebe Alkohol!
Meinen Kaffee heute Morgen hatte ich irisch. Aber genauso gut geht russisch oder mit sonst irgendeinem nationalen Einschlag.
Wahrscheinlich, weil irgendjemand mal gesagt hat, daß alle bedeutenden Schriftsteller trinken. Und wenn man sich die alten Herren Villon, Bierce, London mal anschaut, dann hat dieser jemand verdammt recht gehabt.
Wie oder warum sollte ich mich dieser Ahnenreihe entziehen?
Wann das bei mir angefangen hat?
Kann ich nicht mehr genau sagen. Natürlich in der Schule, aber da war das für mich noch kein Lebensgefühl. Da haben wir das doch alle gemacht.
Was ich mit Lebensgefühl meine, ist dieses Gefühl von Freiheit, wenn man irgendwo aus seinem Wagen steigt und in der Hand eine angerissene Flasche Schnaps hält und dann geht man zum Strand oder durch die Stadt und man hat sich einfach über die Konvention hinweggesetzt: Trinken am Steuer ist verboten.
Weil ich ziemlich schnell gelernt habe, Nüchternheit zu können. Ich habe natürlich auch bis zur Bewußtlosigkeit gesoffen und gekotzt und weiter gesoffen. Aber für mich ist Alkohol ein Genußmittel geblieben. In erster Linie.
Wenn ich jemandem geschadet habe, dann vielleicht mir selbst. Ich sagte Ihnen ja schon, daß mein Körper nicht mehr in ganz tadellosem Zustand ist.
Auto bin ich immer unfallfrei gefahren.
Wie kommen Sie denn darauf? Mache ich so einen unausgeglichenen Eindruck auf Sie?
Aber um die Frage zu beantworten: Nein, ich habe auch im Suff nie jemanden verprügelt.
Was das Beste daran ist? Naja, ich fühle mich den meisten Menschen überlegen, weil ich einfach permanent das mache, was mir Spaß macht. Ich leiste mir einen Luxus, auf den viele Leute wirklich neidisch sind. Weil ich es kann.
Aber damit Sie mich nicht falsch verstehen. Ich übe mich gelegentlich auch in Demut.
Wenn man so latent trinkt wie ich es tue, dann ist die körperliche Abhängigkeit erheblich. Sie glauben nicht, welche Demut man erfährt, wenn man dann, auch noch aus eigenem Antrieb, acht oder zwölf Stunden auf einen vernünftigen Drink verzichtet.
So gehe ich an meine Grenzen. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, mir wird schlecht, selbst rumliegen ist eine Höllenqual. Und jedes Mal stelle ich meine eigene Existenz in Frage, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich mich mit dem Blute Christi erlöse.
Und manchmal ist es vielleicht auch nur seine Pisse.
Wasser ist das Einzige, was ich auch mal so trinke. Vielleicht noch Tee. Trotzdem, auch wenn Sie das nun nicht mehr überraschen mag, ist das beste Wasser, welches man bekommen kann, ein Scotch Soda.
Und eigentlich sollten Sie bei einem guten Scotch das Wasser weglassen!
Wiedersehen.
Wiedersehen, der war wirklich gut! Ich glaube, Sie hören gar nicht richtig zu!