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Essen bei Julia

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02.07.2003
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Essen bei Julia

Essen bei Julia

Was für ein Arsch. Breit und ausladend wabbelt er vor meinen Augen. Keine Chance, auf der engen Rolltreppe an diesem Monster vorbei zu kommen. Warum müssen Frauen mit solchen Ärschen ihre Massen immer in enge, grässlich bunte Leggings quetschen? Fühlen Sie sich darin sexy? Oder ist es, weil die Dinger keinen Reißverschluss haben – an dem sie stundenlang rumzerren müssen, damit die XXL-Hose endlich zugeht?

Ich drehe mich um und starre nach unten. Der Kerl hinter mir grinst dümmlich und zieht eine Braue hoch. Idiot. Ich gucke grimmig an ihm vorbei. Endlich ist das Ende der Rolltreppe erreicht. Die Presswurst stolpert von ihrer Stufe – und bleibt stehen. Die Rolltreppe leider nicht. Ich rausche mit vollem Tempo in das Fettgebirge. Die Dame rührt sich keinen Zentimeter. Wahrscheinlich hat sie den unfreiwilligen Körperkontakt nicht einmal bemerkt.

Die Leute hinter mir sind natürlich rechtzeitig ausgewichen. Einige lächeln verhalten, andere schauen peinlich berührt weg. Gerade als ich einen Ausfallschritt nach links machen will, bewegen sich die Beine der menschlichen Barrikade. Nach links natürlich. In Richtung Sport-Abteilung. Da gibt es Leggings. Und Zelte. Vielleicht für eine neue Regenjacke. Schließlich sind wir in Hamburg. Da ist das Wetter immer mies.

Erstmal tritt sie mir allerdings auf den Fuß.

"Autsch!" Mein Ausruf erschreckt sie so sehr, dass sie sich an die gewaltige Brust packt und mich schwer atmend anblickt. Und genau in diesem Augenblick verliebe ich mich Hals über Kopf.

Ich versinke in ihren himmelblauen Augen – und sehe plötzlich das zarte Geschöpf, das sich unter all dem Fleisch versteckt. Ihr Gesicht ist schön wie das einer Prinzessin. Ich lächle. Sie lächelt. Und dann ist da dieses Gefühl der Vertrautheit. Als würde ich sie schon ewig kennen.

"Ähh...", bringe ich nur heraus und schaue nach unten. Ihr Blick geht mit – und dann nimmt sie schnell ihren Fuß von meinem. Der pochende Schmerz stört mich nicht. Ich bin mit meinen Gedanken woanders. Wie stelle ich es an, sie anzusprechen, sie einzuladen, sie zu meiner Frau zu machen? Sie kommt mir zuvor.

"Das tut mir wirklich leid", dringt eine süße Stimme an mein Ohr. "Kann ich das irgendwie wieder gut machen?"

Klar, heirate mich. Aber das sage ich natürlich nicht laut. Stattdessen: "Hmm, du könntest mit mir essen gehen." Noch ein verliebtes Lächeln obendrauf – und sie nickt. "Aber dann lade ich dich ein. Ich koche!"

"Klingt zauberhaft." Meine Stimme überschlägt sich fast vor Freude. Sie hält mir ihre Hand hin: "Julia." Der erste Körperkontakt, meine Haut berührt ihre. Ich möchte sie nie wieder loslassen. Dann ist der Augenblick vorbei, ihre Hände verschwinden in der Tasche, die sie sich wie einen Gürtel um den Bauch gebunden hat. Ein Zettel, ein Kugelschreiber – und schon habe ich ihre Adresse. Samstag um sieben.

"Und wie heißt du?", begleitet von einem sanften Augenaufschlag. "Oh, sorry. Ich bin Florian." Abermals reichen wir uns die Hände. Und wieder ist da diese Spannung, dieses Prickeln als wir uns berühren. Dann etwas verlegen: "Sei mir nicht böse, aber ich muss weiter. Hab noch was zu erledigen. Wir sehen uns ja dann am Samstag." Ihre Hand streichelt über meinen Arm. Noch ein Lächeln und dann geht sie.

Die nächsten zwei Tage überstehe ich nur mit dem Gedanken an den Samstag. Meine Arbeit erledige ich mechanisch. Ich tippe die Texte für den größten Kunden unserer Agentur ohne nachzudenken, lasse meine Finger einfach über die Tastatur springen – und zum ersten Mal sind wirklich alle begeistert von dem, was ich schreibe. Sogar der Chef, der sonst immer an jedem Wort was auszusetzen hat.

"Jungmann, was ihnen da aus den Händen geflossen ist. Einfach großartig!", krakeelt er mir fröhlich auf dem Gang entgegen. "Damit werden wir beim Kunden ordentlich Punkte sammeln!" Aus den Händen geflossen. Klingt gut. Schade nur, dass es wohl das letzte Mal war.

Samstag. Endlich. Normalerweise falle ich erst nach zwölf aus dem Bett. Heute nicht. Eigentlich habe ich gar nicht geschlafen, die Spannung ist unerträglich, die Stunden ziehen sich wie Kaugummi. Mein Schlafzimmer sieht gegen Nachmittag aus wie nach einem Bombeneinschlag. Überall liegen Hemden, Hosen – und Unterwäsche. Die will schließlich auch gut gewählt sein. Wer weiß denn schon, was heute Abend noch passiert.

Pünktlich um sieben drückt mein Finger auf den Klingelknopf. Nicht so einfach, wenn man dabei einen riesigen Blumenstrauß balanciert. Als Julia die Tür öffnet, drehen meine Sinne durch. Sie trägt einen kurzen Rock, ein hautenges T-Shirt und ihr langes Haar umspielt ihr süßes, rundes Gesicht. Und dann wieder dieser scheue Blick aus ihren blauen Augen. "Oh, ist der etwa für mich?" Wortlos strecke ich ihr die Blumen hin. Mein Mund ist so trocken, als hätte ich mir gerade einen gigantischen Joint in die Lungenflügel gepustet.

Ihre Wohnung ist hell. Die wenigen Möbel lassen die Räume größer erscheinen und sorgen für eine einladende Atmosphäre. Ein breites, blaues Sofa beherrscht eine Ecke des Wohnzimmers. "Setz dich doch schon mal. Ich stelle nur eben diesen wunderschönen Strauß ins Wasser." Und schon ist sie in der Küche verschwunden. Dass ich kein Klappern von Schranktüren höre, kein Rauschen eines Wasserhahnes macht mich nicht stutzig. Auch nicht, dass Julia nach nur wenigen Atemzügen wieder bei mir im Wohnzimmer ist. Ohne Blumen.

Sie setzt sich neben mich aufs Sofa, ein Bein auf dem Boden, das andere auf dem Sitzpolster. Ihr kurzer Rock rutscht nach oben. Ich wende meinen Blick schnell ab, schaue ihr ins Gesicht. Ich will ja nicht unhöflich wirken. Ein verwegenes Lächeln umspielt ihre Lippen. "Na, was denn. So schüchtern? Guck ruhig richtig hin – oder gefällt dir das nicht?" Sie zieht das Bein noch ein wenig höher, lehnt sich mit dem Rücken an die Lehne des Sofas. Ihr Fuß streichelt mein Bein, wandert über den Oberschenkel und findet sein Ziel in meinem Schoß. "Na, was haben wir den da. Da wächst ja schon meine Vorspeise." Plötzlich hat ihr Blick nichts Scheues mehr. Nur pure Lust und Gier sind in ihren Augen zu lesen. Ihr Fuß bewegt sich schneller in meinem Schoß – und dann hört sie plötzlich auf, beugt sich nach vorn und ihr gewaltiger Busen drückt sich gegen mein Gesicht. Die weichen Rundungen unter dem dünnen Stoff des T-Shirts sind ein Traum. Sie presst diese fleischgewordenen Männerphantasien auf meinen Mund, auf meine Nase – doch jetzt nicht mehr sanft, sondern druckvoll, erbarmungslos. Ich versuche zu atmen, schnappe nach Luft, doch Julias Brüste rauben mir jede Möglichkeit. Dann wird mir schwarz vor Augen.

Epilog

Schreiben kann ich noch. Es ist allerdings etwas schwierig, mit dem Bleistift im Mund immer die richtigen Tasten zu treffen. Natürlich kann ich nicht mehr arbeiten. Ich schreibe jetzt nicht mehr für Werbekunden. Nur noch für Julia. Ihr gefallen meine kleinen Erzählungen. Diese hier wird sie allerdings nie lesen. Muss auch nicht sein, denn schließlich schwärmt sie immer noch davon, wie wir uns gefunden haben. Oder besser: sie mich. Denn Julia wollte mich von dem Moment an, als sie mich im Kaufhaus gesehen hat. "Mir ist bei Deinem Anblick das Wasser im Mund zusammengelaufen", schmunzelt sie immer, wenn wir auf dem blauen Sofa sitzen und sie die Stümpfe meiner Arme und Beine streichelt.

Das, was da früher mal war, hat sie inzwischen gegessen. Ich bin am nächsten Morgen bei ihr aufgewacht und meine Gliedmaßen waren Geschichte. Sie braucht das, sagt sie, um ihre Hexenkräfte zu stärken. Und außerdem schmeckt ihr Menschenfleisch einfach. Normalerweise verspeist sie ihre Opfer auch ganz – aber bei mir hat sie eine Ausnahme gemacht. Ihr Herz wollte mich behalten, sie hat sich ziemlich in mich verliebt. Und doch musste sie ihren Hunger stillen, ihre magische Batterie aufladen. Aber das Wichtigste ist ja dran geblieben, wie sie gern betont.

Heute ist Julia wieder im Kaufhaus, um Essen zu finden. Und wissen Sie was? Ich glaube, ich werde auch mal davon kosten. Julia kocht nämlich ganz wunderbar.

 
Zuletzt bearbeitet:

Tag Vic.

Natürlich bin ich der erste, der dir sagt, dass Deine Geschichte nicht besonder´s originell ist...aber klasse geschrieben, gut zu lesen und witzig ist sie.
Hätte ich die Pointe nicht zehn Meilen gegen den Wind gerochen, und würdest Du etwas ausführlichere Dialoge schreiben, wäre es allerdings noch etwas geiler.
Übrigens, dein letzter Satz ist unlogisch.
Woher weisst Du, dass sie wunderbar kocht, wenn Du noch nicht gekostet hast?
Fazit: trotzdem sauber.

Man sieht sich - und ich werde nicht über das Totholz latschen, keine Sorge.


Jack

 

Hallo Victor,

mir hat Deine Geschichte sehr gut gefallen! Zuerst fand ich es unlogisch, daß sich Florian nach einen Blick in ihre Augen in Julia verliebt, obwohl er sie vorher so abstoßend fand. Doch das hast Du ja mit ihren Hexenkräften gelöst.

Jack: Ich verstehe den letzten Satz so, daß Florian noch nie von Menschenfleisch gekostet hat. Andere Sachen wird er schon bei ihr gegessen haben.

Also Victor, meiner Meinung nach eine gute Story mit einem (für mich jedenfalls) überraschendem Schluß!

VG

Petra

 

Hi Victor!

Mir hat die Geschichte ebenfalls gefallen - flüssig geschrieben, gut zu lesen.
Stutzig wurde ich erst über Julias Verhalten in der Wohnung, mit dem Schluss rechnete ich trotzdem nicht, der überraschte.

Aragorn

 

Hallo erstmal - und vielen Dank für den Response auf meine allererste Kurzgeschichte. Ist doch schön, wenn man mal für seine Texte gelobt wird... :)

@Jack: Der Satz am Schluss war schon so gemeint, wie Petra ihn verstanden hat. Schließlich leben die beiden ja schon eine Weile zusammen. Und da hat Julia natürlich die eine oder andere leckere Mahlzeit gekocht...

Na, ich freu mich jedenfalls, hier zu sein. Und hoffe, dass mir noch die eine oder andere Geschichte in den Sinn kommt, mit der ich euch erfreuen kann.

Vic

 

Jou!

Das mit dem wundervollen kochen hatte ich nicht vernünftig gelesen.
Mein Fehler...
Asche auf mein Haupt, Vic.


Jack.:dozey:

 

@Jack: Macht doch nix. War ja auch schon spät...

@Existence: "...aber das erscheint mir doch arg weit hergeholt." Naja, wir reden hier schließlich von Horrorstories. Zombies, Vampire und Werwölfe gibt's ja auch nicht...

 

Hi alle.
Mir ist aufgefallen, dass hier oft eine gewisse "Vorhersehbarkeit" bemängelt wird. Ich finde nicht, dass dies ein wirklich wichtiges Kriterium für die Qualität einer KG ist. "Julia" hab ich mir zum Beispiel ausgesucht, weil ich schon sehr genau erahnte, was ich da lesen würde. Viel wichtiger finde ich die vermittelte Atmosphäre, das "Flair" der Geschichte. Stilmittel und Sprache müssen stimmig sein. Insofern betrachte ich diese Geschichte als mehr als gelungen.
LG,
ME.

 

@Existence: Mir scheint, Du hast Schwierigkeiten damit, die Phantasie anderer zu akzeptieren - wenn sie nicht zu 100% der Realität entspricht. Und: Gute Idee übrigens mit dem Ufo aus Kartoffelbrei und den Weltraumkühen... Werde ich vielleicht mal aufgreifen. ;)

 

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