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Esoterik-Dorothea

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07.01.2004
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Esoterik-Dorothea

Ja, man kann sagen, dass ich esoterisch bin. Ich lebe halt in anderen Sphären. Mag das aber nicht gerne sagen, weil die anderen Menschen dann ganz blöd schauen und was sie denken, fühle ich dann und das ist nicht schön. Nee, nee ist es nicht. Diese Vibrationen können sie sich fürs Schlafzimmer aufsparen, aber doch nicht für mich. Hui, die sollen mich mal alle in Ruhe lassen. Doch eigentlich, macht es mir nichts aus, denn ich habe natürlich einen dicken Aurapanzer um mich gelegt. Er schützt mich vor den bösen Dingen. Nicht vor Geldnot und Aids, aber vor dem bösen Blick und Poltergeistern, die einen im Schlaf gerne mal anrempeln und dann wacht man auf und denkt, man ist einfach so mal kurz aufgewacht. Dabei brauch man nur einmal überlegen. Warum sollte denn der gute alte und weise Gottvater uns so programmiert haben, dass wir im Schlaf ein paar Mal aufwachen. Ich bitt sie, das sind Poltergeister. Nun ja, ich wach nun nicht mehr auf. Das heißt schon, aber nicht mitten in der Nacht.
Alle kleinen Dinge haben für mich eine Bedeutung. In den Radkappen meines Autos sehe ich geheime Illuminatenzeichen, der Rabe auf dem Dach bringt mir Botschaft von der toten Oma und mein Kleiderschrank ist so unordentlich, weil es darin wieder vor Ufos gewimmelt hat. Die fliegen stets durch meine Ärmel und Hosenbeine. Denen macht es Spaß durch Stoff zu fliegen. Wenn ein Nichtsahnender an Ufos denkt, dann meist an runde Untertassen, die groß wie Straßenbahnen sind. Ist aber völliger Quatsch, denn sie sind winzig und man sieht sie fast gar nicht bloßem Auge. Nur wenn ein Sonnenstrahl in die Wohnung scheint. Dann fliegen sie durch den Strahl und dann sieht man sie. Ganz langsam wehen sie dann, wenn sie erkannt haben, dass man sie beobachtet.
In einem Buch habe ich gelesen, dass es spirituell sehr förderlich ist, wenn man einmal am Tag Brunnenkresse isst. Leider habe ich im Laden nur Gartenkresse bekommen. Das hat mich so geärgert, dass ich den Typen vom Gartenmarkt verwunschen habe. Zwei Tage später starb er dann und nun bekomme ich immer so Drohanrufe. Eine Stimme keucht immer wieder: „Freddy wird dich holen“. Die Stimme hab ich auch verwunschen und wenn ich jetzt den Hörer abnehme tutet das andere Ende nur.
Meinem ersten und bisher einzigen Mann, war das alles zu unheimlich. Nie wollte er mit mir Gläserrücken machen und ich durfte ihm auch keinen Speer durch die Brustwarzen ziehen. Er meinte dann immer, ich sei verrückt. Dabei hatte ich doch für den Speer ein Vermögen ausgegeben. Sogar desinfiziert hatte ich meine Hände.
Kurz vor dem Valentinstag schwor er mir dann in einem heiligen Schwur, dass er es bald machen würde und dann ist er vom Teeholen nicht mehr wiedergekommen. Seitdem bin ich mit meinen 11 Katzen alleine.
Manchmal schaut mein Schutzengel herein und wir kuscheln ein wenig und wenn ich mich wirklich sehr einsam fühle, geh ich in den Wald, wo ein Riese lebt, den ich kenne. Der ist auch alleine. Die letzte Riesenfrau ist irgendwo ertrunken. Ich glaube, dass war im Marianenngraben. Wir würden uns gerne zusammentun, aber zu einer Gemeinschaft zwischen Frau und Mann gehört ja auch das Eine und das Eine ist nicht möglich, wenn es mich zerfetzen würde. So bleiben wir gute Freunde.
In meiner Freizeit höre ich gern Klangschalenmusik und rieche Weihrauch. Aber nur das von Sathya Sai Baba, den ich schon einmal per Astralreise besucht habe. Diese ganzen Zimt und Orangenblütenstäbchen sind totale Verarsche.
Hab ich schon von meinem Beruf geschrieben? Nein, oder?
Kommt sicher daher, dass ich keinen habe. Ich hatte an meinem 18. Geburtstag eine Mariaerscheinung, die mir sagte „Dorothea gehe niemals arbeiten. Denke nur viel und du wirst glücklich“.
Ich denke viel nach und manchmal bin ich auch glücklich. Meist wenn ich wieder etwas entdecke. Wie zum Beispiel Wolken die zu mir sprechen. Neue Fernsehsender, die nur ich sehen kann (Fernsehen aus dem Jenseits) und neue Naturwesen draußen auf meinem Balkon.
So, jetzt muss ich mal los. Gleich kommt Dr. Mürio und dann ist ja auch schon wieder Bastelstunde.
Wünsche einen helllichten Tag.

Dorothea!!!
Weg da. Sprichst du schon wieder mit deinem imaginärem Publikum?

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo, Robert,

die Idee der Geschichte gefällt mir echt gut, und die Details, die sich die Protagonistin ausdenkt, auch (vor allem die UFOs). Mich hat nur irgendwie der Erzählton gestört: Dorothea betrachtet sich mit einer gewissen kritischen - oder besser ironischen - Distanz, die nicht zu einer Wahnerkrankung passt (denn darum handelt es sich ja wohl).

So könnte eher jemand anders über Dorothea reden: "Sie hat natürlich einen dicken Aurapanzer um sich gelegt. Er schützt sie vor den bösen Dingen. Nicht vor Geldnot und Aids, aber vor dem bösen Blick und Poltergeistern, die sie im Schlaf gerne mal anrempeln und dann wacht sie auf..."

Bei ihr selbst wäre das eher ein: "Früher, bevor meine Aura so stark geworden ist, habe ich vieles nicht verstanden. Zum Beispiel, dass man nachts aufwacht, weil einen Poltergeister anstoßen. Es ist aber im Plan des Schöpfers nicht vorgesehen, dass Menschen in der Nacht nicht durchschlafen. Meine Aura schützt mich jetzt vollkommen - natürlich nicht vor den grobstofflichen Gefahren wie Geldnot oder fallenden Ziegelsteinen, aber kein böser Einfluss aus dem Jenseits kann mich jetzt mehr erreichen wie die Nicht-Sehenden."

Auch dass sie "neue" Dinge zu finden meint, passt IMHO nicht zu ihrem Wahn, Zugang zu einer spirituellen Welt gefunden zu haben: Diese Geisterwelt wird doch immer als älter und wahrer beschrieben als die Materiewelt, so dass sie die Dinge "jetzt sehen kann" oder "ihr Auge dafür geöffnet wurde".

Eine Wahnkrankheit beinhaltet kaum jemals so viele verschiedene Ideen wie bei Dorothea, aber für eine Geschichte ist das eigentlich egal - ist ja nicht das DSM IV.

Die letzten beiden Zeilen würde ich streichen. Mir war vorher schon klar, wo Dorothea ist *g*.

Übrigens, es heißt "Marianengraben" und "Marienerscheinung".

Gruß, Alli
(mit einem Fall von Vergiftungs- und Verfolgungswahn in der Familie):teach:

 

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