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Es war einmal...
Es war einmal...
Es war einmal ein Planet auf dem viele Menschen zu Hause waren. Die Menschen auf diesem Planeten waren nicht unbedingt von der Sorte, die als besonders friedlich einzuschätzen war. Sie stritten sich um dies und das und insbesondere stritten sie sich mit einer beharrlichen Kontinuität um ein im Prinzip ziemlich kleines Stückchen Land, welches zudem zu großen Teilen aus Wüstenlandschaft bestand. Eine blutige Abfolge von Kriegen zog mehr als 1000 Jahre lang über diese Region...
Dazu muss man sagen, dass dies in der Geschichte dieses Planeten kein Unikum darstellte und irgendwann ein gewitzter Sprengstoffhersteller den Vorschlag machte, am Ende solcher Konflikte eine zufällig für den jeweils
überraschenden Frieden verantwortliche Person oder Personengruppe traditionell zum Essen einzuladen und mit etwas Geld, sowie übermäßiger Anerkennung zu belohnen. (Welche man ansonsten lediglich
durch Selbstmordattentate oder die Planung von besonders blutigen Schlachten erlangen konnte).
Und siehe da: Für viele hatte der Frieden tatsächlich plötzlich einen realen Anreiz. So wurde nun also jedes Jahr ein schönes Fest gefeiert und es gab immer etwas leckeres zu Essen und viele Menschen ernteten die so begehrte Anerkennung (sie kamen sogar ins Fernsehen). Und für dieses Fest gab es auch einen wundervollen Ort ganz im Norden des Planeten in einem Land voller Pracht.
Ein Land in dem die Straßen beheizt waren und in dem die Schüler
am inelligentesten und die Natur am unberührtesten war.
Und an diesem wundervollen Ort standen eines Tages drei herausragende Personen, welche sich damit brüsteten nun endlich auch das kleine Wüstenland an der Grenze der drei unterschiedlichsten Kontinente befriedet zu haben.
Eigentlich war dies nicht weiter außergewöhnlich, doch dieses mal sorgte das Fest für eine ungewöhnliche mediale Unruhe:
Bei der traditionellen Dankesrede war die Präsidentin des industriell am höchsten entwickelten Staatsgebildes der einstigen Krisenregion als erste dran. Und von ihrer Rede ist das Protokoll bis heute erhalten geblieben:
"Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können uns heute hier zu diesem historischen Augenblick so friedlich
versammeln, weil es in den letzten Jahren eine Kette von Kompromissen aber auch kompromisslosen Entscheidungen
gegeben hat [...] Ich versichere ihnen: Es ist nicht leicht in unserem Land einen bestimmten Kurs zu verfolgen und es muss einmal deutlich gesagt werden: Frieden bedeutet auch Unnachgiebigkeit, das möchte ich an dieser Stelle einmal deutlich hervorheben. [...] Wenn sie mich also fragen warum wir heute hier stehen können, so werde ich antworten, dass wir dies einer Waffe zu verdanken haben, welche in der Innenpolitik meiner Amtszeit und auch der Amtszeit meines Vorgängers [...] eine große Rolle gespielt hat. Ich rede vom Gummiknüppel. Jawohl er war und ist bis heute teilweise notwendig um Frieden zu erreichen und zu sichern. Wie sonst, wenn nicht mit polizeilicher, auch körperlicher Gewalt wäre es möglich gewesen die Siedlungen zu Räumen oder die radikalen Friedensgegner, wie ich sie nenne, zurückzudrängen. In den vergangenen 15 Jahren gab es 9 Parteiverbote und 53 von der Polizei gewaltsam niedergeschlagene Demonstrationen, davon nahezu die Hälfte während meiner Amtszeit. Und ich spreche es Laut aus - Frieden
heißt knüppeln, jawohl! [...]
Die Rede der Präsidentin lößte Reaktionen im Publikum aus, welche sie zwangen sie vor ihrer Vollendung abzubrechen, speziell nachdem mehrere unverhältnismäßige Vergleiche mit einem unbeliebten Massenmörder, der sich eigentlich schon vor Jahrzehnten umgebracht hatte, in der Rede und auch in anfänglichen Zwischenrufen auftauchten.
Dennoch gelang es den Menschen, welche dem Fest beiwohnten ein gewisses Mindestmaß an Ruhe herzustellen und der zweite Redner kam zu Wort. Er war der Anführer einer großen Organisation, welche die Funktionen einer Gewerkschaft, einer Reihe Versicherungen, einer Armee, einer Nachrichtenagentur, eines Geheimdienstes, einer Altenpflege, Armenspeisung, Jugendbetreuung, Religionsgemeinschaft und einiger weiterer Institutionen in sich vereinte, welche aber von Außenstehenden sehr oft sehr pauschal eingeschätzt wurde. Die Leute hatten viel Mühe darauf verwandt pauschalisierende, negative Begrifflichkeiten für derartige Strukturen zu erdenken, welche ein größtmögliches Maß an Beleidigung für die jeweils pauschalisierten
darstellen. Denn eines hatten die Menschen dieses sagenhaften Planeten schon früh begriffen:
Auch Worte sind Waffen. In jenem Zeitalter lautete der Begriff, den man gegen diese vielschichtige Organisation ins Feld führte "Terrorbande". Jedoch wurde dieser Begriff, der ja als Waffe verstanden wurde, zum Zeitpunkt des Friedens ebenfalls nicht mehr verwendet.
Die Rede des Oberhauptes der auf gar keinen Fall als Terrorbande zu bezeichnenden Organisation lautete wiefolgt:
"Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Vorrednerin sprach über die Probleme welche der langwierige Friedensprozess mit sich gebracht hat. Es wurde vor allem die Notwendigkeit des politischen Drucks als Mittel der Friedenssicherung betont. [...] Nun ist es aber nicht so, dass ein politischer Wille sich in einem Land, und sei es noch so demokratisch regiert, durchsetzt, ohne dass er zu einer Notwendigkeit wird. [...] Eine Notwendigkeit, welche hervorgerufen werden kann einzig wiederrum durch Druck. Und deshalb, und das sage ich ehrlich und in dem Wissen dass große Schuld nicht nur auf uns sondern auf allen an diesem Konflikt Beteiligten lastet, verdanken wir dem Frieden einer Waffe. Die Waffe von der ich spreche ist die Raketenwaffe. Ich will es nicht verhehlen, dass unsere Armee während der letzten
Jarzehnte oft und kontinuierlich Raketen abgeschossen hat. Es waren ungelenkte Raketen mit unklaren Zielen, welche vor allem auf Siedlungen, aber auch in andere Regionen geschossen wurden.
Je nach unserer Versorgungslage hatten die Raketen eine größere oder geringere Reichweite und es kamen sicher sehr viele unbeteiligte ums Leben. [...] Dennoch und das muss auch einmal gesagt werden, war diese Waffe die einzige, welche den nötigen politischen Druck ausüben konnte um den eisernen politischen Willen zum Frieden in unser Nachbarland einzupeitschen. Ich möchte nicht - "
Die hochangesehene Führerfigur musste ihre Rede vorzeitig abbrechen. Der Weltfrieden war in diesen Minuten zumindest in diesem Saal durchaus gestört worden und die Situation konnte einzig durch die Beendigung der Rede halbwegs entspannt werden. Einzig die anwesenden Journalisten verfielen in eine große Verzückung. Die Presse funktionierte in dieser Epoche noch
weitestgehend nach marktwirtschaftlichen Regeln und so freute man sich darüber, dass genügend zu verarbeitender Skandalstoff und Skandal-Absatzmarkt für alle zur verfügung stehen würde und sogar für viele Monate. Es waren wohl auch die Journalisten, welche die Haupttriebfeder waren für die Entscheidungsfindung bei der Frage ob eine dritte Rede jetzt noch angebracht wäre. Und da man die Marktwirtschaft sehr ernst nahm und diese nach dem Prinzip "Es gibt kein genug" zu funktionieren beanspruchte, begann der dritte Redner seine Ansprache an den inzwischen nurnoch
zur Hälfte gefüllten Saal. Es war der gewählte Präsident des Staates, in welchem die Organisation, die den zweiten Redner als Oberhaupt anerkannte hauptsächlich operierte und dessen Bürger mehrheitlich aktiv in dieser Organisation engagiert waren. Der Präsident hatte stets gute Beziehungen zum zweiten Redner dieser Friedensfeier unterhalten und entsprechend gespannte Beziehungen zu seinem Nachbarstaat mit seiner knüppelbefürwortenden Präsidentin. Auch diese Rede blieb erhalten:
"Sehr verehrte Anwesende, als ich ein kleiner Junge war wurde meine Heimatstadt durch Bombenangriffe schwer beschädigt. Auch meine Eltern und Großeltern wurden Zeugen fast zyklisch wiederkehrender Aggressionen gegen unser Vaterland.[...] Dabei richteten sich die meisten dieser Aggressionen nicht gegen diesen Staat an sich, sondern gegen so genannte 'terroristische Gruppen', welche sich angeblich oder tatsächlich hier aufhielten. Diese Aggressionen richteten sich jedoch stets direkt oder indirekt gegen die Bevölkerung! Mein Vorredner sprach von der Rolle
des außenpolitischen Drucks im Friedensprozess. Und ich möchte an dieser Stelle zugeben, dass wir die Raketenangriffe die von unserem Territiorium aus gestartet wurden nicht nur gedultet, sondern auch unterstützt haben. [...] Nun ich will ihnen sagen [...] was die normale Reaktion unseres Nachbarlandes in der Situation der letzten Jahre gewesen wäre:
Nichts anderes als Aggression. [...] Jawohl! Krieg wäre es gewesen. Tatsächlich gab es jedoch in den letzten Jahrzehnten keinen Krieg mehr der gegen unsere Nation gerichtet war. Wie ist das zu erklären? [...] Ich will es ihnen verraten. Es hat mit einer Waffe zu tun. Die Waffe von der ich spreche ist die atomare. Unsere Nation besaß bis vor wenigen Monaten eine atomare Waffe, von welcher wir unseren Nachbarländern aus Abschreckungsgründen berichtet haben unter der Drohung, diese bei unverhältnissmäßiger Aggression unverzüglich anzuwenden. Der
schlagartig gesicherte Waffenstillstand verschaffte zum einen unseren außerparlamentarisch engagierten Milizen einen [...] gewissen Handlungsspielraum [...] Er verschaffte [...] auch unserer Außenpolitik neue Möglichkeiten vor allem in Form von Ausübung internationaler Solidarität mit isolierten Staaten auf der ganzen Welt.[...] Dies half in vielen Fällen überall auf der Erde zum endgültigen Frieden beizutragen [...] Die Atomwaffe war es, welche es uns ermöglichte -
Der Weltfrieden war im Saal nun endgültig derart gestört, dass auch diese Rede ihre Vollendung nicht finden konnte, diesmal wird es wohl daran gelegen haben, dass die meisten Anwesenden zuvor ein falsches Bild vom militärischen Potential der Nation des Redners hatten. Inzwischen siegte auch bei der Mehrheit der Presse-Lobby der Selbsterhaltungstrieb über die marktwirtschaftliche Ethik und man begann auf kreative Art, welche den Bewohnern dieses sagenhaften Planeten in dieser Beziehung schon immer eigens war, Gegenstände verschiedenster Natur als Waffen zweckzuentfremden. Dieser Tag stellte das Ende einer auf diesem Planeten gern gepflegten Tradition dar, was dann irgendwie auch schade war.
Und wenn sie nicht alle gestorben sind, bekriegen sie sich noch heute...