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Es lebt

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11.06.2002
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Es lebt

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Sweetwater endgültig zur Geisterstadt werden würde. Sweetwater, das war der Name eines kleinen, verträumten Dorfes in den Bergen. In drei Himmelsrichtungen ragten die Felsen steil empor, lediglich vom Westen war das Dorf über eine schmale Straße zu erreichen. Sweetwater hatte seinen Namen einst von den vielen Bächen erhalten, die sich ihren Weg von den umliegenden Gebirgsmassiven ins Tal bahnen, von denen sich drei vor dem Dorf vereinen und dann als größerer Bach – beinahe schon ein Fluß – um den Ort herum fließt. Sweetwater besteht aus genau 28 Häusern, die in zwei parallel verlaufenden Reihen angeordnet sind. Zwischen den Häusern liegt die einzige Straße, die den Ort mit der Zivilisation verbindet. Zu erwähnen währe noch die Bushaltestelle, die einzige Attraktion des Ortes. Sonst hatte Sweetwater absolut nichts zu bieten, kein Gasthaus, kein Kino, nicht einmal einen Lebensmittelladen. Wer kein Auto besaß aber trotzdem Lust hatte sich zu amüsieren und vielleicht ein paar Glas Bier in der Gesellschaft anderer Menschen zu trinken, stieg in den Bus und fuhr in die nächste Stadt, die 25 Meilen entfernt war. Wer dringend etwas für den Haushalt brauchte oder wem schlicht die Lebensmittel ausgingen, der benützte den Bus. Es war nicht verwunderlich, das der kleine Ort allmählich ausstarb. Das lag einerseits daran, daß die meisten Menschen alt waren und nach und nach das Zeitliche segneten. Andererseits hatten die wenigen jungen Leute bald die Nase voll, bestellten eine Transportfirma samt Möbelpacker und ließen das kleine Nest für immer hinter sich. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Sweetwater endgültig zur Geisterstadt werden würde.
Heather Dehan war zu alt, um nochmals den Wohnsitz zu wechseln. Mit ihren 65 Jahren machte es ihr auch nichts aus, in einem langweiligen Ort zu leben. Sie bewohnte gemeinsam mit Ihrem Mann Aaron, der noch älter als Heather war, das letzte Haus in der Reihe, dort wo die Straße endete. Die beiden waren seit Jahrzehnten glücklich verheiratet und längst im Ruhestand. Ihr Nachbar David Stanton – ebenfalls ein Rentner – kam fast jeden Abend vorbei und sie erzählten sich alte Geschichten, redeten über die anderen Leute und tratschten über Gott und die Welt, die ihrer Meinung nach ohnehin bald zum Teufel ging. Die Abende waren immer sehr vergnüglich. David war ein guter Geschichtenerzähler und er liebte es, seine stinkenden Zigarren zu rauchen während er redete. Er trank meist zwei bis drei Bier – es sei denn die Unterhaltung war besonders interessant, denn kam es schon mal vor, daß er auf dem Heimweg leicht schwankte – warf reichlich Knabbergebäck ein und verließ das Haus der Dehans meist gegen 10 Uhr. In letzter Zeit waren seine Besuche jedoch seltener geworden. Heather wußte nicht, woran das lag, vermutete aber, daß es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand. In den letzten beiden Wochen hatte sich David gar nicht mehr blicken lassen.
Heather war auf dem Weg zur Bushaltestelle, die am anderen Ende von Sweetwater lag. Sie wollte in die Stadt fahren um dringend benötigte Lebensmittel zu kaufen. Sie schritt gemächlich die Straße entlang. Wenn sie zu schnell ging konnte es leicht passieren, daß sie in Atemnot geriet. Deshalb war sie rechtzeitig von zu Hause aufgebrochen, um den Bus nicht zu verpassen. Als sie langsam dahin schlenderte, schmerzte sie der Anblick der vielen leerstehenden Häuser, die langsam verwahrlosten und zerfielen. Es war eine Schande. Zu ihrer Rechten bemerkte sie Susan Redman, die vor ihren Rosenbeeten kniete und Unkraut jätete. Sie trat näher.
„Hallo Susan, ein herrlicher Tag heute.“
„Ja, wie geschaffen für Gartenarbeit. Fährst du in die Stadt?“
„Ich brauche dringend Lebensmittel. Aaron flippt total aus, wenn er länger als zwei Tage kein Steak bekommt. Kann ich dir was mitbringen?“
„Nein Danke. Wir haben alles, was wir brauchen.“
„In Ordnung. Ich muß los, sonst verpasse ich noch den Bus. Wiedersehen.“
„Bis bald.“
Heather wollte sich auf den Weg machen, als ihr noch etwas Wichtiges einfiel.
„Susan, hast du David in letzter Zeit gesehen?“
„Nein, schon über eine Woche nicht mehr. Er wird wohl verreist sein.“
„Wahrscheinlich. Ich muß jetzt wirklich los.“
David Stanton war verreist. Das war die Erklärung. Aber so ganz wollte Heather das nicht glauben. Hätte David sich nicht von ihnen verabschiedet, wenn er eine längere Reise antrat. Heather war ziemlich sicher, daß er das tun würde. Und selbst wenn er seinen Freunden nicht auf Wiedersehen gesagt hätte, so hätte er ihnen doch zumindest von der Reise oder dem Urlaub erzählt. Er redete doch sonst wie ein Wasserfall. Heather kam das alles sehr merkwürdig vor. Als sie auf Höhe von Davids Haus angelangt war, blieb sie abrupt stehen. Sie betrachtete den Briefkasten, und ihr Mißtrauen wurden noch größer. Er war randvoll mit Zeitungen, Briefen und Werbeaussendungen und der Postbote hatte alles, was nicht mehr darin Platz hatte, achtlos vor die Haustüre geworfen. Würde ein Mann wie David nicht das Postamt benachrichtigen, wenn er längere Zeit nicht zu Hause war? Ein Mann wie David würde das mit Sicherheit tun, denn er war allen als ordentlich und pflichtbewußt bekannt. Irgend etwas stimmte hier nicht. Heather überlegte ein paar Augenblicke, dann ließ sie den Bus sausen und beschloß der Sache auf den Grund zu gehen. Sie gab sich einen Ruck und ging die Einfahrt hoch. Sie sammelte die verstreute Post vor der Haustüre auf und machte daraus ein ordentliches Bündel. Dann drückte sie auf die Klingel.
„David! Bist du da?“
Nichts rührte sich. Sie klingelte nochmals, aber niemand öffnete ihr. Alles blieb still. Sie drückte die Klinke aber die Tür war verschlossen. Heather ging um das Haus herum, betrat die Veranda und klopfte mehrmals gegen die Glastür.
„David! Wenn du da bist, öffne bitte!“
Nichts regte sich. Heather klopfte nochmals, diesmal so fest daß ihre Knöchel schmerzten. Sie preßte ihr Gesicht gegen das Glasfenster und schirmte mit den Händen seitlich ihre Augen ab. So konnte sie Davids Wohnzimmer gut überblicken. Alles sah völlig normal und ordentlich aus. Heather war fast so weit, Susans Theorie von der Reise Glauben zu schenken, aber nur fast. Sie machte einen letzten Versuch und drückte gegen die Verandatür. Sie schwang mühelos auf. Und als Heather über die Schwelle trat war das erste, was sie wie ein Hammer traf, der abscheuliche Verwesungsgeruch. Jetzt war die Urlaubstheorie endgültig aus ihren Überlegungen gestrichen. Sie machte sich ernsthaft Sorgen. Mit einem kurzen Blick überflog sie das Wohnzimmer, wobei sie immer wieder Davids Namen rief. Das Sofa, der niedrige Tisch, Davids Fernsehsessel, alles stand auf seinem Platz. Es wäre nichts ungewöhnliches daran gewesen, wenn nicht alle Möbel mit einer dünnen Staubschicht bedeckt gewesen wären und es in dem Raum von Fliegen geradezu wimmelte. Heather wollte in die angrenzende Küche gehen, als sie auf der Schwelle innehielt und einen schrillen Schrei ausstieß. Auf dem Herd fristete ein einzelner Topf sein kümmerliches Dasein. Aber das war es nicht, was sie so erschreckte. In einer Ecke stand der leere Freßnapf von Davids Kater und davor lag das Tier, alle Viere von sich gestreckt und mausetot. Die Fliegen hatten den Kadaver dazu benützt, ihre Eier abzulegen und so wimmelte das Fell von ekligen, weißen Maden. Heather betrat die Küche erst gar nicht sondern machte schleunigst kehrt und rannte durch das Wohnzimmer ins Freie. Sie mußte dringend frische Luft schnappen und warten, bis sich ihr rebellierender Magen beruhigt hatte. Nach ein paar Minuten hatte sie sich wieder unter Kontrolle und trat erneut ein. Sie wußte nicht, was David zugestoßen war, falls überhaupt etwas passiert war. Aber sie rechnete mit dem Schlimmsten.

David Stanton hatte noch wenige Stunden zu leben. Davon wußte er jedoch nichts und so verschwendete er auch keinen Gedanken daran. Es saß in seinem Fernsehsessel und verfolgte eine langweilige Quizsendung. Seine Beine waren in eine dicke, wärmende Wolldecke gehüllt. Auf dem Wohnzimmertisch neben sich hatte er eine große Tasse heißen Tee stehen. Er nippte gelegentlich daran. Das Getränk schien ihm gut zu tun und seine Schmerzen zu lindern. Das Rheuma plagte ihn nun schon seit Jahren, aber in den letzten Wochen war es schlimmer geworden. Es hatte kurz mit dem Gedanken spekuliert, den Dehans einen Besuch abzustatten, hatte diese Idee aber bald wieder verworfen. Die Kniegelenke und die gekrümmten Finger schmerzten ihn zu sehr. Er zog es statt dessen vor, zu Hause zu bleiben, eine Weile fern zu sehen und früh ins Bett zu gehen.
David lebte allein in seinem Haus. Seine Frau war bereits vor Jahren gestorben und ihre drei Kinder hatten alle eine eigene Familie gegründet und waren längst weggezogen. Abends wurde er sich seiner Einsamkeit immer besonders bewußt. Das Haus war für einen einzelnen Mann viel zu Groß. Den Keller benützte er eigentlich gar nicht mehr. Er hatte dort unten alle möglichen alten Möbel und anderen Krimskrams verstaut. Und er war schon seit Jahren nicht mehr unten gewesen. Die Zimmer im Erdgeschoß reichten für ihr völlig aus. Wenn abends der Fernseher nicht lief und auch das Radio nicht eingeschaltet war, war die Stille fast erdrückend. Aus diesem Grund war er oft bei den Dehans zu Gast, um der Einsamkeit zu entfliehen. Am Tag war es anders. David war ein leidenschaftlicher Hobbygärtner und zog alle möglichen Kräuter- und Gemüsesorten. Ein weiters Hobby war das Angeln. Die klaren Gebirgsbäche boten eine vortreffliche Gelegenheit dazu. Es lebten reichlich Forellen darin und Davids Ausbeute war meist sehr zufriedenstellend.
Während er mit halbem Interesse die Quizsendung verfolgte, strich etwas um seine Beine und er hörte das bekannte Schnurren.
„Hallo Cäsar, du alter Flohbeutel!“
David streckte seine Hand nach dem Kater aus und dieser rieb zur Begrüßung seine Schnauze an seinen Fingern. Dann tänzelte er mehrmals zwischen Davids Füßen hindurch, rieb sich an seinen Beinen und sprang schließlich auf Davids Schoß. Cäsar ließ sich umfallen, streckte alle viere von sich und rieb seinen Kopf an der Wolldecke. Ein paar Sekunden später stand er wieder auf den Tatzen, sprang zu Boden und lief erneut um die Beine seines Besitzers. David wußte, was das zu bedeuten hatte.
„Ist ja schon gut. Du kriegst gleich zu fressen.“
Er schlug die Decke von seinen Beine und stand schwerfällig auf. Seine Kniegelenke knackten. David Stanton machte sich auf den Weg in die Küche. Kater Cäsar lief voran, drehte sich immer wieder nach seinem Ernährer um als wollte er sagen ‚Wo bleibst du denn!‘ und wartete dann ungeduldig vor seinem Freßnapf.
Hinter David Stantons Fernsehsessel hing ein Bild an der Wand. Es zeigte die berühmten Billard spielenden Hunde. David hatte es einst um einen Apfel und ein Ei auf einem Flohmarkt erstanden und es sich zu Hause ins Wohnzimmer gehängt. Über dem Bild war die Wand schon etwas brüchig geworden und ein kleiner, etwa 40 Zentimeter langer waagerechter Riß hatte sich gebildet. Das kam in alten Häusern öfter vor und war nichts ungewöhnliches. Mit diesem unscheinbaren Spalt in der Wand nahm jedoch der Schrecken in Davids Haus seinen Anfang. Hinter dem Riß beobachteten grün leuchtende Raubtieraugen das Geschehen im Wohnzimmer. Das Wesen war zum Leben erwacht. Aufmerksam betrachtete es den Raum, beobachtete seine potentielle Beute und wußte nicht ob Gefahr von ihr ausging. Das kleine Tier schien harmlos zu sein, aber vor dem großen hatte es Angst. Das Wesen war vorsichtig, wartete ab, denn es wußte, daß der geeignete Augenblick kommen würde. Es war hungrig, unterdrückte seinen Hunger aber. Es war wütend, blieb aber trotzdem besonnen. Nur eine Eigenschaft konnte das Wesen nicht bezähmen: Es war teuflisch böse.
David Stanton hatte eine Dose Katzenfutter geöffnet, den Inhalt in den Freßnapf gekippt und die Dose in den Müll geworfen. Er stellte das Futter in die Ecke, der Napf hatte aber den Boden noch nicht berührt als der Kater auch schon zu fressen begann. Cäsar war schon alt und deshalb zu träge um Nachts auf die Pirsch zu gehen und Mäuse zu jagen. Das hatte er auch nicht nötig, denn er wurde von David gut versorgt.
„Du bist wohl schon am verhungern“, stellte er lächelnd fest. „Ich werde dir noch etwas Milch warm machen.“
Er stellte einen Topf auf den Herd und erhitzte die Milch. Nachdem Cäsar sein Futter restlos verschlungen hatte, schüttete David die Milch in den Napf, stellte den leeren Topf zurück auf den Herd und begab sich wieder vor den Fernseher.

Vom Wohnzimmer führt eine Tür in einen langen Gang. Von dort, der Wohnzimmertür gegenüber, gelangt man über eine enge Wendeltreppe in den Keller. Am anderen Ende des Ganges befindet sich links Davids Schlafzimmer und auf der rechten Seite liegt sein Arbeitszimmer, Bücherei, oder wie immer man es nennen mag. Heather öffnet die Tür und tritt in den Gang. Sie befindet sich jetzt in der Nordseite des Hauses und da der Gang neben der Haustür nur ein kleines Fenster in der Mitte hat, ist es hier ziemlich dunkel. Heather blickt fröstelnd die Kellertreppe hinab, die in völlige Finsternis führt. ‚Da bringen mit keine 10 Pferde hinunter‘, denk sie. ‚Nicht heute und jetzt. Ich werde mir Davids Schlafzimmer und Arbeitszimmer ansehen, und wenn ich dann noch keine Spur von ihm gefunden habe, hole ich Aaron.‘ Heather geht ein paar Schritte den Gang entlang als ihre Gedanken abschweifen. Sie erinnert sich an jene grauenvollen Bilder zurück, als sie mit ihrem Mann eine Woche in New York verbrachte. Sie sieht deutlich die Fußgängerampel, wie sie von grün auf rot schaltet. Dann kommt der Junge auf seinem Skateboard den Gehweg daher gebraust. Er mochte vielleicht 10 oder 12 sein. Seine langen Haare wehen hinter ihm her. Mit einem Affenzahn rast er auf den Fußgängerübergang zu. Er versucht abzubremsen, bemerkt aber zu spät, daß er zu schnell unterwegs ist. Mit beträchtlicher Fahrt rast er in einen Passanten, der darauf wartet, die Straße zu überqueren. Durch die Wucht des Aufpralls wird der Junge auf die Straße geschleudert und von einem Lastwagen gerädert. Ein entsetzter Aufschrei geht durch die Menge. Aaron und Heather eilen hinzu, doch hier kam jede Hilfe zu spät. Es lohnte nicht mehr einen Rettungswagen zu rufen. Hier konnte nun noch der Leichenbestatter das Durcheinander von Haut, Knochen und Fleisch vom Asphalt kratzen.
Heather war wieder stehen geblieben. Sie hatte noch keine fünf Schritte im Gang zurückgelegt, als ihr ein kalter Schauer über den Rücken läuft. ‚Hör auf dich verrückt zu machen. Warum denkst du jetzt an diesen Jungen?‘ Heather hat Angst. Sie fürchtet sich davor, in Davids Haus einen ähnlichen Anblick vorzufinden, oder noch schlimmer, in dem zwielichtigen Gang buchstäblich über seine Leiche zu stolpern. ‚Was ist, wenn er schon seit zwei Wochen tot ist?‘, spielen Heathers Gedanken verrückt. ‚Wenn sein Gesicht eingefallen und ausgetrocknet ist wie Leder?‘ Ihre Nackenhaare stellen sich auf. Sie ist nicht in der Lage auch nur einen einzigen Schritt weiter zu gehen. ‚Die Fliegen! Wenn sich die Fliegen mit der toten Katze in der Küche nicht begnügt haben sonder David ...‘ Heather sieht jetzt den Leichnam deutlich vor ihrem geistigen Auge. Das Gesicht ist nicht eingefallen. Es ist nicht ausgedörrt. Das Gesicht ist gar nicht mehr vorhanden. Sie sieht einen kahlen Totenschädel an dem noch wenige Fleischfetzen hängen. Maden kriechen zwischen den Kieferknochen. Dort, wo einst die Augen waren, wuseln die kleinen Tierchen in den leeren Höhlen und arbeiten sich langsam zum Gehirn vor um ihr abscheuliches Mahl zu halten.
Heather möchte nur noch weg hier, raus aus diesem Haus aber sie steht da wie angewurzelt und ihre Hände zittern. Sie faßt einen neuen Gedanken: ‚Was ist, wenn David verletzt in einem der hinteren Zimmer liegt, vielleicht mit einem gebrochenen Bein.‘ Sie ruft laut seinen Namen. Als ihre eigene Stimme seltsam verzerrt aus dem unheimlichen Gang widerhallt, zuckt sie zusammen, aber niemand antwortet ihr. ‚Vielleicht ist er so geschwächt, daß er nicht mehr sprechen kann.‘ Sie nimmt all ihren Mut zusammen und setzt langsam und vorsichtig einen Fuß vor den anderen, immer darauf gefaßt über ein Hindernis, oder – Gott behüte – über eine Leiche zu stolpern. Die Dielenbretter knarren bei jedem Schritt. Sonst ist es absolut still. Als Heather die Hälfte des Gangs geschafft hat und das kleine Fenster neben der Haustür erreicht, löst sich ihre Anspannung etwas. Hier ist es hell und freundlich. Sie blickt einen Augenblick nach draußen und geht weiter. Mit jedem Schritt nimmt das Zwielicht wieder zu.

David Stanton schaltete den Fernseher aus. Cäsar hatte es sich auf dem Schaffell, daß auf dem Parkettboden ausgebreitet lag, bequem gemacht und träumte möglicherweise von einem riesigen Stück Fleisch oder von einem Schäferstündchen mit einer Katze. David ging ein letztes Mal in die Küche und knipste das Licht aus. Dann beugte er sich zu Cäsar hinunter und streichelte ihm mehrmals über das Fell. Der Kater begann zu schnurren, ohne zu erwachen. David trat zu dem Bild und betrachtete es ein paar Augenblicke. Ohne das er es wußte, stand er dem Wesen Auge in Auge gegenüber. Alle Nerven der Kreatur waren bis zum Zerreißen angespannt. Der Blick war starr in Davids Augen gerichtet. War der geeignete Augenblick gekommen?
Wehmütige Erinnerungen wurden in David wach. Er dachte daran, wie seine Frau, die damals noch am Leben war, über den billigen Tand geschimpft hatte. Als Schund hatte sie das Bild bezeichnet. David hatte sich aber nicht beirren lassen und es trotzdem an die Wand gehängt. Er mußte lächeln. Ja, ja, seine Frau. Sie war ständig am Nörgeln, aber sie hatten sich trotzdem geliebt. Aber was war das? Hatte er gerade ein grünliches Leuchten in dem Riß über dem Bild gesehen, oder hatte er es sich nur eingebildet. Er trat noch näher an die Wand. Seine Nase berührte fast den Bilderrahmen. Er lugte in den dünnen Spalt, strengte seine alten Augen an, konnte aber nichts entdecken. Er tat die Sache als Hirngespinst ab, löschte auch im Wohnzimmer das Licht, trat auf den Gang hinaus und machte sich auf den Weg ins Schlafzimmer.
Das Wesen hatte die Augen geschlossen um sich nicht zu verraten. Als die Beute entwischt war, zwängte es sich durch die Hohlräume in den Wänden und Decken und folgte ihr.

Plötzlich macht Heather ein weiteres Problem zu schaffen. Sie hat das Gefühl, daß sie beobachtet wird. Sie blickt angestrengt nach vorne, kann aber nichts erkennen. Sie dreht sich um aber auch hier ist nichts außer dem dunklen Gang. Trotzdem, das Gefühl ist so stark, daß es beinahe Gewißheit ist. Sie ist nicht allein hier drin. Irgend wer oder was scheint sich sehr für das zu interessieren, was sie hier macht. Sie fühlt die Blicke förmlich in ihrem Rücken, fühlt das Verlangen des Beobachters die Lage zu sondieren und nur auf einen geeigneten Augenblick zu warten, um zuzuschlagen.

David Stanton entkleidete sich bis auf das Unterhemd und die Boxershorts, knipste das Licht aus und legte sich hin. Unruhig warf er sich von einer Seite auf die andere. Die Schmerzen in den Gelenken hielten ihn lange Zeit wach. Als er beinahe in den Schlaf hinüber geglitten war, wurde er nochmals gestört. Cäsar war es allein zu langweilig geworden. Er war David gefolgt, sprang auf sein Bett und machte es sich am Fußende bequem. Wenig später schliefen beide tief und fest.

Heather schüttelt sich und geht weiter. Als sie noch drei Meter vom Ende des Ganges entfernt ist, bleibt sie erneut stehen. Sie hat etwas gesehen. Sie versucht ihre Augen noch mehr anzustrengen, kann aber nicht genau feststellen, was es ist. Sie geht zwei kleine Schritte weiter, dann kann sie es erkennen. Am Fußboden vor der Tür zum Schlafzimmer befindet sich eine großer, schwarzer Fleck. ‚Blut‘, denkt sie entsetzt. ‚David ist tatsächlich verletzt oder – tot.‘ Sie hat jetzt die beiden Türen zu Davids Arbeit- und Schlafzimmer erreicht und ihre zitternde Hand greift nach der Klinke zu Davids Schlafzimmer. Ganz langsam drückt Heather sie nach unten, verharrt einige Sekunden in dieser Stellung und atmet nochmals tief durch. Sie rechnet mit dem Schlimmsten. Heather nimmt all ihren Mut zusammen und öffnet die Tür einen winzigen Spalt. Das gleißende Sonnenlicht aus Davids Schlafzimmer blendet ihre Augen. Sie kneift sie zusammen und wartet, bis sich die Pupillen an die Helligkeit gewöhnt haben. Sie kann jetzt Davids Kleiderschrank erkennen, der in der Ecke neben dem Fenster an der Wand steht. Heather möchte die Tür ganz öffnen, um mehr sehen zu können, stößt aber auf ein Hindernis. Als sie nach unten blickt und den Grund für die klemmende Tür wahrnimmt, setzt ihr Herz ein paar Schläge aus. Sie sieht die nackten, aschgrauen Füße einer Leiche – wahrscheinlich Davids Leiche – am Boden, der restliche Körper ist von der Tür verborgen. Heather zwängt ihren Kopf durch den Spalt und lugt ins Schlafzimmer. Überall auf Davids Bett ist getrocknetes Blut verspritzt. Am Fußboden führt eine dunkelbraune Fährte vom Bett bis zur Tür. Als ihr Blick auf die Leiche fällt, gerät Heather endgültig in Panik. Sie stürmt den Gang zurück ins Wohnzimmer, rennt schreiend durch die Verandatür ins Freie und hört erst auf zu laufen, als sie völlig außer Atem ihre eigenen vier Wände erreicht hat.

David Stanton schlief auf der Seite, hatte eine Hand unter dem Kopfpolster und die andere über die Bettkante hinaus gestreckt. Die Katze schnurrte behaglich zu seinen Füßen, als ein leises Geräusch die Idylle störte. Die Dielenbretter unter dem Bett knarrten kaum wahrnehmbar. Dem folgte ein leises Schaben und Kratzen. Der unter den Brettern verborgene Riß im Fußboden sollte David Stanton zum Verhängnis werden. Der Kater schlug die Augen auf, denn er fühlte die Nähe des Wesens, fühlte, daß ein fremdes Raubtier in sein Revier eingedrungen war. Cäsar war im nu auf den Beinen, machte einen Buckel und fauchte es an. Aber es war bereits zu spät. Die Kreatur streckte sich in Sekundenbruchteilen etwa 50 Zentimeter senkrecht nach oben, stillte seinen Hunger und zog sich blitzschnell wieder zurück. David Stanton stieß einen markerschütternden Schrei aus und saß im nächsten Moment kerzengerade im Bett. Der Kater flüchtete ob des seltsamen Verhaltens seines Ernährers. David hatte in seinem linken Arm so starke Schmerzen, daß seine Augen feucht wurden. Er kletterte mühsam aus dem Bett, wobei er sorgfältig darauf achtete, mit dem pochenden Arm nirgends anzustoßen, taumelte zum Lichtschalter und drückte ihn mit den Fingern seiner rechten Hand. Als das Schlafzimmer hell erleuchtet war, riß er seine Augen weit auf. Seine linke Hand war verschwunden. Sie war fein säuberlich wie mit einer Axt abgetrennt. Er betrachtete entsetzt den Stummel. Große Mengen Blut spritzten aus den durchtrennten Arterien. David Stanton wollte zum Telefon in seinem Arbeitszimmer eilen, schaffte es aber nicht mehr. Der Schock war zu groß. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen.

*

3 Jahre später:
Beth Gillan saß in ihrer 3-Zimmer-Wohung in Denver und laß die Tageszeitung, wurde aber immer wieder gestört. Von draußen drang unaufhörlich der Verkehrslärm herein, obwohl sämtliche Fenster fest verschlossen waren. Alle 10 Minuten dröhnte eine Passagiermaschine über die Wohnanlage und ließ die Scheiben vibrieren. Beth wollte gerade einen Artikel über einen Raub in einer Tankstelle lesen, als das schrille Kreischen ihrer Tochter Lucy sie dazu veranlaßte, die Zeitung wegzulegen.
„Mommy!“, hörte sie ihre Tochter aus dem Kinderzimmer rufen.
„Was ist denn Liebling?“ Beths Stimme klang leicht genervt.
„Danny hat mir meine Puppe weggenommen.“
„Hör auf deine Schwester zu ärgern, Danny! Und gib ihr die Puppe zurück!“
„Ja, Mom!“
Beth schlug die Zeitung wieder auf und begann den Artikel zu lesen. Sie hatte noch nicht einmal die Hälfte geschafft, als der Radau im Kinderzimmer aufs Neue losging.
„Hört sofort auf zu streiten, oder ich komme rüber!“, ermahnte sie ihre beiden Kinder mit erhobener Stimme.
Das schien zu wirken. Die nächsten Minuten verhielten sich die Kinder tatsächlich ruhig. Beth wußte aber, daß der Frieden nur von kurzer Dauer sein würde. Sie kannte ihre beiden Streithähne nur zu gut. Sie freute sich auf nächste Jahr, wenn Danny, der jetzt 6 Jahre alt war, mit der Schule beginnen würde. Seine um ein Jahr jüngere Schwester war dann zumindest vormittags allein mit ihrer Mutter zu Hause und Beth erhoffte sich durch diesen Umstand etwas ruhigere Zeiten.
„Mom! Lucy hat mein Lego-Haus kaputt gemacht!“
Beth legte die Zeitung endgültig beiseite und atmete tief durch. Kinder konnten nerven! Sie sah auf die Uhr. Wo zum Teufel blieb Roger nur. Er hatte gesagt er würde bis 11 Uhr alles geregelt haben und dann gleich zurück kommen. Jetzt war es schon zehn Minuten nach elf. Beth stand auf und ging ins Kinderzimmer um den Streit zu schlichten. Danny zog aus Rache für das zerstörte Haus seine Schwester an den Haaren. Lucy kreischte dazu in einer Tonlage, von der man Kopfschmerzen bekommen konnte.
„Danny, laß deine Schwester los! Könnt ihr beiden nicht mal 5 Minuten Ruhe geben?“
Beth gab ihrem Sohn einen leichten Klaps auf den Handrücken. Danny ließ Lucys Haare los und machte ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.
„Hier hat jeder von euch ein Bilderbuch. Seht es euch an und streitet nicht gleich wieder. Ich möchte eine Weile nichts von euch hören.“
Jeder der beiden setzte sich auf sein Kinderbett und tat so als würde er sich für das Bilderbuch interessieren, jedenfalls so lange, bis ihre Mutter wieder verschwinden würde. Dem jungen Kätzchen waren die Vorgänge im Kinderzimmer völlig egal. Es rollte sich zusammen, schloß die Augen und träumte weiter. Als Beth wieder in die Küche zu ihrer Zeitung gehen wollte, öffnete sich die Wohnungstür und Roger Gillan trat ein.
„Ich bin zu Hause, Liebling!“, rief er und strahlte dabei übers ganze Gesicht.
„Daddy!“, riefen Danny und Lucy wie aus einem Mund und stürmten aus dem Kinderzimmer um sich im nächsten Moment an Rogers Oberschenkel zu klammern.
„Hallo, ihr beiden. Na, was habt ihr heute schönes gemacht?“, erkundigte er sich bei den beiden, während er den Revolvergurt samt Dienstpistole abschnallte.
„Ich habe mit meiner Puppe Dolly gespielt. Du hast ihr so gefehlt, Daddy“, berichtete Lucy.
„Wie traurig. Aber jetzt bin ich ja wieder da.“
„Ich habe eine Garage für meine Autos gebaut. Willst du sie sehen, Daddy?“. Dann fiel Danny ein, daß sein Kunstwerk ja vor kurzem zerstört worden war. „Das geht ja nicht. Lucy hat es kaputt gemacht.“ Er warf seiner Schwester einen finsteren Blick zu.
„Vermutlich, weil du sie geärgert hast, ist es nicht so?“
„Nein“, antwortete Danny und kniff die Lippen fest zusammen.
„Ist ja schon gut“, meinte Roger, griff seinen Kindern ins Haar und zerzauste es kräftig. Die beiden lachten von ganzem Herzen. Ihre kleinen Streitereien waren vergessen.
„Nun erzähl schon! Wie ist es gelaufen?“, wollte Beth ungeduldig wissen.
„Komm her Liebling. Ich will dir erst einen Kuß geben.“
Er umarmte seine Frau und drückte ihr einen dicken Schmatz auf die Lippen.
„Und? Red schon!“
„Es hat leider nicht geklappt, Beth“, antwortete er, konnte aber seine gute Laune nicht ganz verbergen. Beth kannte in nur zu gut und bemerkte seinen kleinen Schwindel sofort.
„Hör auf mich zu verarschen und sag was Sache ist!“
„Na gut. Zuerst die gute Nachricht: Ich kann meinen Job bei der Polizei behalten.“
„In Denver?“
„Nein, die Versetzung ist genehmigt worden. In zwei Wochen fange ich in meinem neuen Revier an. Bis dahin habe ich Urlaub.“
„Das ist ja großartig! Und was ist die schlechte Nachricht?“
„Es gibt keine schlechte Nachricht, nur eine noch bessere. Die Bank hat der Hypothek zugestimmt und ich habe den Kaufvertrag bereits unterschrieben.“
„Du hast das Haus bereits gekauft?“
„Ja, oder wolltest du dir die Sache noch überlegen?“
„Nein! Bei dem niedrigen Kaufpreis mußtest du sofort zuschlagen.“
„Genau! Ich habe fast das Gefühl, den Verkäufer zu betrügen. Weißt du, daß die Kreditraten weniger ausmachen als daß, was wir jetzt an Miete bezahlen müssen? Der helle Wahnsinn. Und in 15 Jahren ist der Kredit abbezahlt und das Haus gehört uns.“
„Wann ziehen wir um?“, wollte Beth wissen. Ihre Augen glänzten vor Freude. Endlich würden sie nicht mehr in dieser kleinen Wohnung eingesperrt sein. Als sie sich das Haus vor drei Wochen angesehen hatten, war Beth sofort begeistert gewesen. Es war geräumig, hatte einen großen Garten und außerhalb des Gartens herrschte Natur pur. Das Verkehrsaufkommen war gleich null und die Nachbarn schienen nett zu sein. Es war ein idealer Platz, vor allem für ihre beiden Kinder. Sie konnten im Freien nach Lust und Laune herum tollen, und Beth mußte sich keine Sorgen machen, daß sie Opfer eines Verkehrsunfalles wurden, oder daß ein Geisteskranker ihnen etwas antat.
„Ich schätze, daß wir in einer Woche einziehen können. Ich habe mit Rick schon telefoniert. Er hat morgen Zeit. Es sagt, daß in der Baubrache im November nicht mehr besonders viel los ist und er sich von seiner Firma einen Kipplaster borgen kann. Wir fangen morgen mit dem Entrümpeln an.“
„Sollen ich und die Kinder mitkommen?“, wollte Beth wissen.
„Lieber nicht, Liebling. Du könntest nicht viel tun. Die alten Möbel sind zu schwer für dich.“
„Du hast recht. Aber nimm dich bloß in Acht, daß dir keine junge Blondine über den Weg läuft und dir den Kopf verdreht“, sagte Beth scherzhaft.
„Ich glaube kaum, daß es dort überhaupt junge Blondinen gibt.“
„Wie heißt der Ort noch mal, Roger?“
„Sweetwater, Liebling. Das wird unser neues Zuhause.“

Pünktlich um 8 Uhr morgens parkte Roger seinen verrosteten Ford vor dem leerstehenden Haus mit der Anschrift Sweetwater 14, und wartete auf seinen alten Schuldfreund Rick. Wenig später traf dieser mit dem Kipplaster ein, der einen solchen Krach machte, daß die letzten noch schlafenden Nachbarn mit Sicherheit wach wurden. Rick hielt an, kurbelte das Seitenfenster herunter, streckte seinen linken Arm raus, ließ den Motor aber laufen.
„Guten Morgen, du alter Strafzettelschreiber“, begrüßte er Roger. „Auch schon wach?“ Er lächelte zum Seitenfenster heraus, was bei ihm eine Seltenheit war, und schüttelte Roger die Hand. Normalerweise war er so früh am Morgen nicht ansprechbar.
„Hallo Rick! Schön, daß du schon da bist.“
„Wo soll ich hin?“
„Fahr am besten rückwärts die Einfahrt hoch.“
Rick parkte den Lastwagen ein, stieg aus, öffnete die hintere Bordwand und lehnte ein langes, breites Brett an, daß als Rampe dienen sollte. Dann kletterte er nochmals ins Führerhaus um die Sechserpackung Dosenbier zu holen.
„Hast du schon einen Kühlschrank, damit wir das Bier nicht warm trinken müssen?“, fragte er Roger.
„Ein Kühlschrank ist vorhanden. Aber willst du dich besaufen?“
„Wer hart arbeitet, wird auch durstig. Und von drei Bier wird keiner von uns besoffen.“
„Du hast recht. Und Rick, vielen Dank noch mal, daß du mir hilfst.“
„Keine Ursache. Dazu sind Freunde schließlich da. Womit möchtest du anfangen.“
„Am besten mit den alten Möbeln im Erdgeschoß. Dann haben wir das Schwerste hinter uns und haben uns ein Bier redlich verdient.“
Roger schloß die Haustüre auf. Die Schlüssel dazu hatte er bereits gestern vom Verkäufer, einem gewissen Mark Stanton erhalten. Die beiden traten ein, marschierten nach rechts den langen Gang entlang und kamen ins Wohnzimmer. Sie begannen damit, den schweren Wohnzimmerschrank zu zerlegen, trugen die einzelnen Bauteile nach draußen, schleppten sich keuchend über das Brett auf den Laster und warfen die Teile achtlos auf die Ladefläche. Die Couch paßte nicht durch die Tür zwischen Wohnzimmer und Gang. Deshalb mußten sie sie durch die Verandatür hinaus schaffen und mühselig um das ganze Haus herum tragen. Die restlichen Möbel im Wohnzimmer waren kein Problem.
„Warum wirfst du die ganzen Sachen eigentlich weg?“, wollte Rick wissen. „Die Möbel sehen doch noch ganz passabel aus.“
„Wo soll ich sie hinstellen? Wir haben schließlich unsere eigenen Möbel aus der Wohnung in Denver.“
„Aber den Fernseher solltest du behalten.“
„Falls er funktioniert. Mal probieren.“
Roger knipste das Gerät an, der Schirm blieb aber schwarz.
„Ich glaube allmählich, du hast hier keinen Strom. Sieh her, das Licht funktioniert auch nicht“, stellte Rick fest. „Weißt du, wo der Sicherungskasten ist?“
„Ja. Komm mit!“
Sie überprüften die Sicherungen und stellten fest, daß alle in Ordnung waren. Roger rief daraufhin mit seinem Handy bei der Elektrizitätsgesellschaft an, Rick schaffte unterdessen die restlichen, kleineren Teile aus dem Wohnzimmer hinaus auf den Lastwagen.
„Der Typ vom E-Werk sagt, daß der Strom abgeschaltet worden ist, weil das Haus drei Jahre leer stand“, berichtete Roger. „Sie schicken morgen vormittag jemand vorbei der die Drähte wieder anschließt.“
„Dann wird es heute wohl nichts mit dem Keller. Es sei denn du hast Kerzen oder Taschenlampen im Haus. Da unten ist es stockdunkel.“
„Laß uns erst mal das Erdgeschoß räumen. Wenn wir uns beeilen, werden wir am vormittag damit fertig. Dann müssen wir ohnehin mit dem Lastwagen auf die Müllkippe und ihn abladen. Unterwegs kaufen wir dann Taschenlampen.“
Rogers Plan war gut, aber es kam alles ganz anders. Die Küche ließen sie in dem Zustand wie sie sie vorfanden, da jene aus ihrer Wohnung in Denver unmöglich in diesen Raum hinein paßte. Nachdem sie auch das Schlafzimmer vollständig geräumt hatten, beschlossen die beiden eine Pause einzulegen. Jeder holte sich ein warmes Bier aus dem Kühlschrank, der ohne Strom nicht funktionierte. Sie gingen nach draußen, kletterten auf die Ladefläche und machten es sich auf den alten Möbeln bequem. Sie saßen nicht lange dort, als eine Frau in den Vierzigern die Straße entlang schlenderte und – wie es in einem kleinen Dorf wie Sweetwater unvermeidlich ist – neugierig bei dem Lastwagen stehenblieb.
„Guten Tag meine Herren. Sind sie etwa die neuen Besitzer von diesem Haus?“
„Der hier schon“, antwortete Rick und deutete mit dem Finger auf Roger. „Ich bin nur der Packesel.“
„Verzeihen Sie bitte die ungehobelte Ausdrucksweise meines Freundes. Lastwagenfahrer haben nun mal keine Manieren. Darf ich mich vorstellen: Roger Gillan. Ich habe das Haus gekauft.“
„Freut mich Sie kennenzulernen, Roger. Ich heiße Susan Redman und wohne gleich da drüben. Kann ich ihnen vielleicht behilflich sein?“
„Ich denke nein, Susan. Danke. Wissen Sie, wir machen heute nur die groben Arbeiten, hauptsächlich Möbel schleppen. Das ist glaube ich nichts für eine Frau.“
„Was machen sie mit dem ganzen Kram?“
„Auf den Müll werfen, warum?“
„Den Weg können Sie sich sparen, Roger. Soviel ich sehe sind die Möbel alle aus Vollholz. Kippen Sie die Ladung einfach in unsere Einfahrt. Den Rest erledigen wir.“
„Ich kann doch nicht meinen Müll vor ihrem Haus abladen. Das geht doch nicht.“
„Sie verstehen nicht, Roger. Das ist kein Müll sondern Brennholz für unseren Kachelofen. Mein Mann wird die Teile im Handumdrehen mit der Kettensäge zerteilt haben. Er kann gut damit umgehen.“
„Das ist natürlich etwas anderes. Vielen Dank Susan. Sie ersparen uns eine Menge Zeit. Aber wir müssen trotzdem noch in die Stadt. Wir brauchen dringend Taschenlampen und etwas Warmes zwischen die Rippen.“
„Taschenlampen kann ich ihnen leihen. Und was das Mittagessen angeht: Sie beide sind herzlich eingeladen.“
„Das können wir doch nicht annehmen.“
„Natürlich können Sie das. Ich hoffe Sie mögen Rinderbraten. Um 12 Uhr ist der Tisch gedeckt.“
„In Ordnung, wir kommen zum Essen. Aber nur unter einer Bedingung: Wenn wir eingezogen sind, ist ihre Familie bei uns zum Abendessen eingeladen.“
„Ich freue mich darauf. Jetzt muß ich aber los. Der Braten verkohlt mir sonst.“
Susan Redman eilte nach Hause. Die Männer sahen ihr nach und tranken ihr Bier.
„Nette Person“, meinte Rick.
„Ja. Das ist eben der Unterschied zwischen dem Stadt- und dem Landleben. Hier kümmern sich die Menschen umeinander. In Denver kannte ich die andere Mieter nur flüchtig, du weißt schon, ein kurzer Gruß wenn man sich zufällig begegnet oder ein bißchen Smalltalk im Treppenhaus. Und jetzt befinde ich mich vielleicht seit drei Stunden hier und bin schon bei den Nachbarn zum Essen eingeladen. Ich fange an, dieses verträumte Dorf zu lieben.“
Roger und Rick beeilten sich, um das letzte Zimmer im Erdgeschoß noch vor dem Mittagessen zu räumen. Dann kippten sie den Laster in der Einfahrt zu Susans Haus ab und begaben sich hungrig wie die Bären zum Mittagessen.

Auch das verborgene Geschöpf hatte Hunger. Endlich, nach langer, langer Zeit, witterte es wieder Beute. Es beobachtete die Vorgänge aus seinem sicheren Versteck heraus. Es war während der einsamen Tage nicht untätig gewesen. Mit viel Mühe hatte es neue Risse in Wände und Decken gekratzt. Bald würde es seinen Hunger stillen können.

Jeder der beiden Männer hatte sich von Susan eine Taschenlampe geliehen. Sie benützten die schmale Wendeltreppe um in den Keller zu gelangen. Ohne künstliche Beleuchtung hätte man hier die Hand nicht vor den Augen gesehen. Sie ließen das Licht der Taschenlampen durch den Raum wandern und stellten deprimiert fest, daß noch viel Arbeit auf sie wartete. Der ganze Keller war vollgestopft mit alten Kisten, Pappkartons, Schränken und Truhen. Über allem lag eine fingerdicke Staubschicht. Die Luft war stickig und es roch irgendwie nach Vergammeltem und Verfaultem. Roger ließ den Lichtkegel über den Boden wandern. Er entdeckte Rest von alten verschlissenen Zeitungen, rechts an der Wand befanden sich mehrere Stapel angenagter Stoffetzen und als er direkt vor seine Füße leuchtete, bemerkte er eine dicke, fette Ratte, die genau auf Rick zulief und über seine Schuhe kletterte.
„Sieh mal nach unten, Rick!“
Als dieser das Nagetier bemerkte, machte er vor Schreck einen mächtigen Satz zur Seite. Die Ratte schien ihm zu folgen. Rick hob seinen rechten Fuß und als das Tier unter seinem Stiefel war, trat er zu.
„Verdammt! Ich hasse diese Biester! Glaubst du, daß noch mehr hier sind?“
„Woher soll ich das wissen? Fangen wir einfach an, OK?“
Sie legten die Taschenlampen so auf die herumstehenden Gegenstände, daß sie den Keller halbwegs gut beleuchteten. Als erstes knöpften sie sich einen ziemlich schweren Kleiderschrank vor, der ihnen den Weg versperrte. Fluchend schleppten sie das Teil irgendwie die Wendeltreppe hinauf, warfen es auf die Ladefläche und kehrten zurück. Dann folgten mehrere Pappkartons und als sie alle nach oben getragen hatten, war im Keller bereits ein großer freier Platz entstanden. Rick nahm sich jetzt die Kisten auf der linken Seite vor, während Roger sich um das Gerümpel rechts kümmerte. Er griff unten einen Stapel alter Kleidung, aber als er ihn hoch hob, rutschten die vielen Stoffschichten auseinander und alles fiel zu Boden.
„Wirf mir mal eine Kiste rüber! Sonst wird das hier nichts.“
Rick warf ihm in hohem Bogen eine leere Kiste zu. Als sie am Boden aufschlug, zersplitterte das morsche Holz in tausend Teile.
„Gut gemacht, Rick! Wie wäre es, wenn du mir eine Kiste rüber trägst? Vielleicht kommt sie dann heil an.“
„Du hast doch gesagt, ich soll sie werfen.“
Die beiden lachten. Roger sammelte die alten Fetzten vom Fußboden auf und stopfte sie in die Kiste. Dann griff er unter einen weiteren Stapel, stieß vor Schmerz einen Schrei aus und zog seine Hand blitzschnell wieder heraus.
„Was ist los?“, fragte Rick besorgt.
„Etwas hat mich gebissen.“
Er hielt seine Hand in den Schein der Taschenlampe. An der Kuppe seines Mittelfingers bildeten sich ein paar Tropfen Blut. Nichts Ernstes. Roger ging zu dem Stoffbündel zurück und trat es mit seinen Stiefeln auseinander. Das Bündel war innen hohl und es hauste eine ganze Rattenfamilie darin, zwei ausgewachsene Tiere und fünf nackte, blinde Jungen. Ohne zu zögern trat Roger zu. Er erwischte aber nur die wehrlosen Jungen und eines der erwachsenen Tiere. Das andere hatte das Nest blitzschnell verlassen und war direkt auf Roger zugelaufen. Als dieser den Fuß aus dem Nest nahm, blickte er sich um und suchte nach der entflohenen Ratte. Als er sie entdeckte, konnte er es kaum glauben. Sie hatte sich in der Spitze seines Stiefels verbissen. Roger schüttelte sein Bein und machte wilde Lufttritte, aber es war unglaublich, die Ratte ließ nicht los. Erst als er mit dem Stiefel gegen die Wand trat, fiel das Tier tot auf den Boden.
„Hast du das gesehen, Rick?“
„Ja“, antwortete er. Seine Stimme war etwas belegt.
„Es ist unglaublich, wie aggressiv diese Biester sind.“
„Sollen wir nicht besser Rattengift besorgen und erst morgen weitermachen? Du weißt, daß ich Ratten nicht mag.“
„Quatsch! Die tun dir nichts. Laß uns weitermachen.“
Roger sammelte die verstreuten Stoffetzen auf und stopfte sie in die Kiste. Die toten Ratten ließ er einstweilen liegen. Er hatte sich vorgenommen, die Kadaver später mit einer Schaufel einzusammeln und auf der Müllhalde zu entsorgen. Den nächsten Stapel aus alten Kleidern faßte er aber nicht mehr mit bloßen Händen an. Er trat ihn erst auseinander um sicher zu gehen, daß er auch nicht bewohnt war, und verstaute die Teile erst dann in der Kiste. Auch Rick war wieder bei der Arbeit. Er hatte jedoch nach dem Zwischenfall mit den Ratten kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache. Er stapelte fünf bis sechs Kisten ineinander und trug sie dann nach oben. Langsam aber sicher legte er die linke Wand des Kellers frei. Als er seine Taschenlampe auf einen anderen Platz legte um besser sehen zu können, bemerkte er den Riß in der Wand. Er lag etwa in Höhe der Schultern, zog sich beinahe über die gesamte Länge der Wand und war so breit wie zwei Finger. Am Boden befanden sich kleine Häufchen Ziegelstaub.
„Wir sollten morgen etwas Gips mitbringen um die Wand zu kitten. Sieh dir nur diesen gewaltigen Sprung in der Mauer an“, teilte er Roger mit.
„In einem alten Haus läßt es sich nun mal nicht vermeiden, daß sich Risse in den Wänden bilden. Kannst du dir bitte mal ansehen, wie schlimm der Schaden ist?“
„Wird gemacht, Alter!“
Rick nimmt die Taschenlampe in die Hand, hält sie vor den Spalt und leuchtet hinein. Er beugt sich etwas nach unten und betrachtet sich den Riß genauer. Er scheint tief zu sein, jedenfalls sieht es so aus. Rick nimmt seine linke Hand nach oben und steckt seine Finger in die Maueröffnung. Seine Hand verschwindet vollständig bis zum Daumen in der Wand und Rick kann noch immer keinen Widerstand fühlen. Der Riß scheint in der Tat sehr tief zu sein. Rick beschließt, seine ganze Länge abzutasten, nur so kann er herausfinden, wie viel Gips er benötigt. Er bewegt sich langsam die Mauer entlang, die Finger dabei immer tief im Spalt verborgen.
Roger hatte die Kiste inzwischen mit Stoffetzen gefüllt und nach oben geschleppt. Er hatte sich etwas zu viel zugemutet, denn die Kiste mochte an die vierzig Kilo wiegen. Er torkelte den Gang entlang und erreichte mit letzten Kräften die Ladefläche. Erschöpft ließ er die alten Kleider fallen, wischte sich den Schweiß von der Stirn und atmete einige Male tief durch. Er beschloß, sich ein Bier zu genehmigen und wollte Rick auch eines mitbringen, als dieser im Keller einen einzigen, lauten Schrei ausstieß. Roger verzichtete auf die Erfrischung eilte nach unten.
Rick hatte bereits die Hälfte des Sprungs inspiziert, als sich drei Ratten von verschiedenen Seiten näherten. Sie liefen direkt auf Rick zu, als wären sie von einer unheimlichen Intelligenz dazu getrieben worden. Die Ratten greifen sofort an. Rick ist noch immer damit beschäftigt, die Tiefe des Sprungs zu bestimmen und bemerkt die Angreifer nicht. Die erste Ratte beißt in das dicke Leder von Ricks Stiefeln, die nächste nagt an den Schnürsenkeln. Die dritte, offensichtlich die Intelligenteste, klettert den Stiefel hoch und verbeißt sich in Ricks Wade. Er spürt den Schmerz sofort. Er richtet den Strahl der Taschenlampe nach unten und bemerkt die beiden Ratten, die an seinen Stiefeln hängen. Von der dritten sieht er nur den langen, ekligen Schwanz, der aus dem rechten Bein seiner Jeans heraus hängt. Rick verliert etwas die Fassung. Er bückt sich und hämmert mit der Taschenlampe auf die Ratte ein, die unter seiner Hose verborgen ist und an seinem Bein nagt. Gleichzeitig spürt er die Schmerzen in seiner linken Hand, die noch immer im Riß in der Wand steckt. Rick schlägt mehrmals auf die Ratte ein, bis sie ihren Biß lockert und tot aus dem Hosenbein fällt. Die beiden anderen zertritt er.
Roger hatten den Keller erreicht. Er sah Rick an der Wand stehen und mit der Rechten hatte er sein linkes Handgelenk umklammert.
„Was ist passiert?“
„Die Ratten haben mich angegriffen. Dabei habe ich mich an dem Riß in der Wand geschnitten.“
„Ist es schlimm?“
„Ich weiß nicht. Es blutet aber sehr stark.“
„Laß uns nach oben gehen!“
Sie gingen in die Küche und Rick wusch sich das Blut von der Hand. Es stellte sich heraus, daß er einen harmlosen Schnitt im kleinen Finger hatte. Am Bein hatte er tiefe Eindrücke von den Zähnen der Ratte. Roger holte ihm ein Pflaster aus dem Verbandskasten im Lastwagen und die Sache war erledigt. Dann arbeiteten sie weiter.

Die beiden Männer waren fast fertig. Es warteten nur noch ein paar große Brocken auf den Abtransport. An der hinteren Wand des Kellers standen noch ein alter, schwerer Tisch aus Eichenholz, ein langes Regal gefüllt mit selbstgemachter Marmelade aus dem Jahre Schnee und eine massive, versperrte Truhe. Roger holte eine leere Kiste von der Ladefläche, verstaute die alten Einmachgläser darin und trug sie nach oben. Dann beförderten sie das Regal ans Tageslicht. Als nächstes nahmen sie sich die große Truhe vor. Rick nahm den Griff auf der einen Seite, Roger den auf der anderen. Sie machten sich bereit, die Truhe unter großer Kraftanstrengung hoch zu heben, aber als sie das vermeintlich schwere Teil anhoben, ging es kinderleicht. Der Boden der Truhe war längst verfault und die Männer hielten nur die Seitenteile und den Deckel in Händen. Der Inhalt der Truhe war auf den Boden gerollt und die beiden Männer standen knöcheltief in hunderten von Ratten.
„Scheiße!“, brüllte Roger noch, der nun auch die Fassung verlor.
Die Ratten waren aggressiv wie Kampfhunde und gingen sofort zum Angriff über. Dutzende verbissen sich in die Stiefel der Männer, doch davon spürten sie glücklicherweise nichts. Sie traten wild um sich, hatten aber wegen der Übermacht nur wenig Erfolg. Roger bemerkte, wie eine Ratte sein Hosenbein hoch kroch und ihn in den Oberschenkel biß. Er schlug mit der Faust auf das Tier ein. Unterdessen krabbelten zwei weitere Ratten sein anderes Hosenbein hoch. Sie bissen aber nicht zu, sondern kletterten immer höher. Roger geriet in Panik. Er konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als eine Ratte, die in seine Eier biß. Er hämmerte blind mit beiden Fäusten auf seine Schenkel ein. Es war ihm egal, ob er die Ratten traf oder mit den Fausthieben nur blaue Flecken auf seinen Beinen verursachte. Rick erging es nicht viel besser. Glücklicherweise waren seine Hosen so eng, daß die Ratten nur bis zu seinen Knien vordringen konnten. Er trat mit seinen Stiefeln gegen die Schienbeine und konnte sich so der meisten der Angreifer erwehren. Aber die Ratten wurden immer mehr, die Übermacht war erdrückend. Da kam Rick der rettende Gedanke. Er machte einen mächtigen Satz und stand im nächsten Moment auf dem Eichentisch. Die wenigen Ratten, die er auf seinen erhöhten Standpunkt mitnahm, tötete er, indem er gegen die Wand trat, Fausthiebe auf seine Beine austeilte und einige mit bloßen Händen von seinen Schenkeln heraus riß und sie auf den Boden schleuderte.
„Komm rauf zu mir, Roger!“, rief er seinem Freund zu. Dieser schien ihn aber nicht zu hören. Immer mehr Ratten griffen ihn an. Rick packte ihn am Hemdkragen und zog ihn zur Tischkante. Roger kapierte nun auch, worauf Rick hinaus wollte. Er setzte sich mit dem Hinterteil auf den Tisch und zog seine Beine nach oben in Sicherheit. Er wehrte sich noch immer verzweifelt gegen die Ratten in seiner Hose und auch Rick schlug nun auf die Beine seines Freundes ein. Als sich die Biester in seiner Hose nicht mehr rührten, stand Roger auf und schüttelte seine Beine aus. Die Kadaver fielen unten aus den Hosenröhren heraus. Dann tötete er die restlichen Ratten, die an seinen Stiefeln hingen, mit Tritten gegen die Wand. Die beiden Männer kickten die erlegten Tiere von der Tischplatte und blickten nach unten. Ein Heer von Ratte kroch über den Fußboden und schien nach den Eindringlingen zu suchen.

Auch das Wesen hatte sich inzwischen zu dem Kleinkrieg im Keller gesellt. Es beobachtete die Vorgänge durch den Spalt in der Wand, in dem Rick vor wenigen Minuten noch seine Hand hatte. Es sah Nahrung im Überfluß. Unzählige kleine Appetithäppchen krabbelten am Boden herum und seine Wut steigerte sich ins Unermeßliche. Wie sollte es an die Nahrung herankommen? Es hatte bisher noch keine Risse im Kellerboden angelegt und das Wesen beschloß, dies schleunigst nachzuholen.

Roger hatte seine Hose runter gelassen und betrachtete sich im schwachen Licht der Taschenlampen seine Wunden. Seine Beine waren mit kleinen, schmerzhaften Bissen übersät, aus denen etwas Blut tropfte. Er zog seine Hose wieder hoch, denn mit nackten Beinen fühlte er sich noch verwundbarer. Rick sah sich seine Beine nicht an. Er fühlte den brennenden Schmerz der Bißwunden überall und konnte sich vorstellen, wie die Ratten ihn zugerichtet hatten. Wenn alles überstanden war, würden die beiden dringend eine Tetanus-Spritze benötigen. Die Ratten wimmelten sicherlich vor Krankheitserregern.
„Und was machen wir jetzt?“, erkundigte sich Rick. Seine Stimme klang verzweifelt.
Roger blickte ihn an und zuckte mit den Schultern. Er wußte es nicht. Die beiden betrachteten das Heer aus Ratten. Sie reckten ihre Schnauzen in die Luft und versuchten die Witterung der beiden Menschen aufzunehmen. Das schien ihnen auch zu gelingen, denn allmählich bildete sich eine Knäuel von durcheinander laufenden Tieren vor dem Tisch. Die Lage spitzte sich zu.
„Ratten können doch hoffentlich nicht klettern, oder Roger?“. Ricks Stimme brach etwas.
„Keine Ahnung. Aber wenn sie es können, sitzen wir tief in der Scheiße.“
Die Ratten schienen sich zu formieren. Das Knäuel vor und unter dem Tisch wurde immer dichter und bildete einen Teppich mit fünf Metern Durchmesser. Die ersten richteten sich an den Tischbeinen auf und schnupperten nach oben. Die anderen suchten weiterhin den Boden ab, aber immer mehr drehten ihre Schnauzen in die Richtung, wo Roger und Rick verschanzt waren.
„Verdammt! Was sollen wir tun, Roger. Ich drehe langsam durch!“. Rick, der von Natur aus eine starke Abneigung gegen Ratten hatte, war psychisch fast am Ende. Roger hingegen schien die Nerven zu behalten, wenigstens im Augenblick noch.
„Das Handy! Hast du dein Handy dabei?“, kreischte Rick hysterisch, aber in seiner Stimme klang doch so etwas wie Hoffnung mit.
Roger faßte in seine Gesäßtasche, aber sie war leer. Wie zum Hohn hörten die beiden das Telefon weit entfernt klingeln. Roger hatte es in der Küche liegen gelassen. Und dann wurde das, was Rick befürchtet hatte Gewißheit. Die ersten Ratten kletterten die Tischbeine hoch. Sie überwanden das Hindernis mit Leichtigkeit. Die erste Ratte, die die Tischplatte betreten hatte, wurde von Roger mit einem so heftigen Tritt empfangen, daß sie in hohem Bogen bis ans andere Ende des Kellers flog und an die Wand klatschte. Die nächste ereilte das selbe Schicksal. Rick begrüßte die Biester auf ähnliche Weise, nur zertrat er die meisten, bevor er sie weg kickte. Die Männer hielten sich ganz gut, doch als die Ratten auch die hinteren Tischbeine benützten um nach oben zu gelangen, verloren sie langsam den Überblick. Sie versuchten, alle Seiten des Tisches gleichzeitig zu überwachen, aber immer wieder kam eine der Ratten durch und griff an. Die Stiefel der Männer mieden sie mittlerweile. Sie krochen gleich die Hosenbeine hoch und verbissen sich ins Fleisch. Die Ratten schienen schnell zu lernen. Sie hatten gemerkt, daß sie die dicken Lederstiefel nicht durchnagen konnten und daß Gefahr von ihnen ausging.
„Wir müssen raus hier!“, keuchte Roger. „Wir können uns die Ratten nicht ewig vom Leib halten!“
„Bist du wahnsinnig!“, antwortet Rick hysterisch. „Wir können doch nicht durch sie hindurch laufen.“
„Doch, das können wir. Ich habe eine Idee. Kümmere du dich für eine halbe Minute allein um die Biester!“
Roger kickte noch rasch eine Ratte beiseite und bückte sich dann zu seinen Stiefeln hinunter. Er löste mit ungeschickten, zitternden Händen die Schnürsenkel. Die Schäfte der Stiefel ließen sich nun weit öffnen, Roger stopfte die Ränder seiner Hose hinein und band die Schnürsenkel in aller Eile wieder zu. Dann richtete er sich wieder auf und unterstützte Rick, der mit der Verteidigung der Tischplatte völlig überfordert war. Die Ratten krochen nun in Scharen die Tischbeine hoch.
„Mach schnell!“, forderte Roger seinen Freund aus. „Stopf dir die Hose in die Stiefel und dann verschwinden wir!“
Nun öffnete auch Rick die Schnürsenkel und überließ Roger allein die Verteidigung ihrer Festung. Als er die Stiefelschäfte geöffnet hatte kroch eine Ratte blitzschnell das Leder hoch, fiel in den Stiefel und biß Rick ins Fußgelenk. Roger hatte nicht gut genug aufgepaßt und diese eine Ratte übersehen. Lange würde es allerdings nicht mehr dauern bis den Männern alle Aufmerksamkeit der Welt nicht mehr helfen würde. Die Übermacht der Ratten wurde immer größer, sie erdrückten die beiden regelrecht.
Rick faßte in seinen Stiefel und ergriff die Ratte beim Schwanz. Er zerrte sie mit Gewalt von sich los, wobei sie ihm ein Stückchen Fleisch aus dem Fußgelenk riß, und warf sie gegen die Wand. Dann band er seine Schnürsenkel zu, die Hose war nun gut in den Stiefeln verstaut, und es konnte losgehen.
„Bist du bereit, Rick? Ich gehe als erster. Ein paar weite Sprünge und wir sind in Sicherheit.“
Roger preßte sich gegen die Wand um Anlauf zu nehmen. Dann Stieß er sich ab, machten einen mächtigen Satz über die Tischkante hinaus und landete mitten in dem Teppich aus Ratten. Einige von ihnen verloren dabei ihr Leben. Er ließ ihnen aber keine Zeit um ihn anzugreifen, sondern machte sofort den nächsten Sprung und dann noch einen und er hatte den Fuß der Treppe erreicht. Er nahm drei Stufen auf einmal und als er die Hälfte des Weges nach oben zurückgelegt hatte, blieb er stehen und drehte sich um. Rick stand noch immer auf dem Tisch und wehrte sich verzweifelt gegen die Ratten. Es war eindeutig zu sehen, wer Sieger werden würde. Immer mehr kletterten auf den Tisch und Rick konnte sie nicht mehr abwehren. Die ersten Ratten krochen schon seine Beine hoch, Gott sei Dank diesmal außen auf den Jeans und nicht in den Hosenbeinen.
„Beeile dich Rick! Komm rüber zu mir. Du mußt nur schnell sein, dann können dir die Ratten nichts anhaben!"
Rick drückte sich an die Wand, bevor er aber los sprang, entfernte er die Ratten mit Fausthieben von seiner Hose. Aber auf jede, die er auf diese barbarische Weise von sich weg prügelte, folgten zwei andere. Roger beobachtete die Entwicklung mit Entsetzen. Sein Handy klingelte erneut in der Küche, aber er hörte es gar nicht. Wenn Rick nicht bald floh, würde es zu spät sein. Und Roger war sich nicht sicher, ob er ihm helfen würde können. Er war sich überhaupt nicht sicher, ob er den Mut aufbringen würde sich noch einmal in das aggressive Volk der Ratte zu wagen, selbst wenn sie seinen Freund bei lebendigem Leib verspeisen würden.
„Komm endlich rüber!“, brüllte er in den Keller.
Rick schien es gehört zu haben. Er stieß sich von der Wand ab, sprang mitten in die Ratten hinein, stolperte über seine eigenen Füße und fiel der Länge nach hin.

Beth Gillan hielt den Telefonhörer an ihr Ohr und lauschte mit wachsendem Unbehagen dem eintönigen ‚Biep – Biep – Biep‘. Die Töne bedeuteten nicht, daß der Anschluß besetzt war, sondern daß das Telefonat angekommen war und die Gegenstelle durch das Klingeln aufgefordert wurde, den Hörer abzunehmen. Aber es nahm niemand ab. Beth rief nun schon zum zweiten mal Rogers Handy an und wieder meldete er sich nicht. Sie wußte nicht warum, aber irgendwie hatte sie eine böse Vorahnung. Sie legte den Hörer auf die Gabel und suchte im Telefonbuch nach dem Dorf Sweetwater. Sie wählte willkürlich einen Name aus den wenigen Einträgen und rief dort an. Eine tiefe Männerstimme meldete sich.
„Dehan hier, wer spricht?“
„Guten Tag! Sie kennen mich nicht. Mein Name ist Beth Gillan. Wir haben in Sweetwater ein Haus gekauft.“
„Ah, die neue Nachbarin. Es freut mich, daß sie anrufen.“
„Ja. Es ist nur so, mein Mann ist mit einem Freund heute hingefahren, um die alten Möbel weg zu bringen. Jetzt wollte ich ihn anrufen, aber er meldet sich nicht. Könnten Sie bitte mal nachsehen?“
„Welches Haus ist es denn?“
„Ich weiß die Hausnummer leider nicht. Aber sie haben einen Kipplaster dabei.“
„Na dann wird es wohl zu finden sein. Ich werde gleich mal nachsehen.“
„Vielen Dank, Herr Dehan.“
„Keine Ursache.“
Aaron Dehan legte auf und machte sich gleich auf den Weg. Schon von Weitem sah er den großen Lastwagen und wußte so, wo er hin mußte. Es war das Haus, in dem David Stanton früher gewohnt hatte und in dem er von seiner Frau ermordet aufgefunden worden war.

Rick liegt benommen am Boden und sein Gesicht ist in den Staub gedrückt. Überall um ihn herum hört er nur das fiepen der kleinen Nager. Er hebt den Kopf. Eine Ratte läuft keine fünf Zentimeter entfernt an seinen Augen vorüber, drei weitere reißen kleine Stückchen Fleisch aus seinen ausgestreckten Armen. Rick schlägt sie weg. Fünf andere Ratten ersetzten ihren Platz und führen das makabere Mahl fort. Rick verspürt einen brennenden Schmerz im Nacken. Er greift mit der rechten Hand nach hinten, an der drei Ratten wie Lametter an einem Weihnachtsbaum hängen. Er packt die Ratte, die ihn ins Genick beißt und schleudert sie weg. Dann geschieht alles gleichzeitig. Das Rattenvolk fällt über ihn her, fünfzig und mehr kriechen über seine Beine. Andere erklimmen seinen Rücken und dringen über den Hemdkragen zu Ricks Körper vor. Er spürt die Rattenbisse überall. Verzweifelt wälzt er sich am Boden, macht dadurch seine Lage aber nur noch schlimmer. Durch seine hastigen Bewegungen löst sich die Hose aus den Stiefeln und für die Ratten öffnet sich so ein neuer Zugang zum Fleisch. Rick brüllt wie am Spieß. Er rollt so lange über den Boden, bis er die Orientierung verliert. Dann kauert er sich in Embryostellung zusammen, versucht, den Ratten möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, muß aber schmerzhaft erkennen, daß er keine Chance hat. ‚Es ist aus‘, denkt er und schließt mit seinem Leben ab.
Eine Hand greift in den Knäuel aus Ratten, bekommt Ricks Hemdkragen zu fassen und schleift ihn zur Treppe. Das Hemd zerreißt und Roger hat nur noch einen Stoffetzen in der Hand. Er packt ihn am Handgelenk und schleift ihn hinter sich die Kellertreppe hinauf. Oben angekommen fällt die Lethargie von Rick ab und er nimmt den Kampf gegen die Ratten wieder auf. Er rollt sich am Boden um die Biester mit seinem eigenen Körpergewicht zu zerquetschen. Auch Roger, der bei der Rettungsaktion erneut von den Ratten angegriffen wurde, versucht sich von ihnen zu befreien, als völlig unerwartet ein Mann in den Korridor tritt, seine Jacke auszieht und auf die beiden Männer einprügelt. Der Fremde zertritt jede Ratte, die er erwischen kann, schlägt mit seiner Jacke die Nager von den Körpern der liegenden Männer und zertritt auch diese. Mit vereinten Kräften schaffen es die drei, alle Tiere, die sie vom Keller mit nach oben geschleppt hatten, zu töten. Roger und Rick reißen sich Hose und Hemd vom Leib und schütteln die toten Tiere aus ihren Kleidern. Erst dann blieb Zeit, sich die Wunden zu lecken.

„Danke für Ihre Hilfe!“ Roger streckte dem Fremden die Hand entgegen. „Wer sind Sie?“
„Ich bin Aaron Dehan. Ich wohne ein paar Häuser weiter.“
„Was für ein Glück, daß Sie zufällig vorbei gekommen sind. Ohne Sie hätten wir einen schweren Stand gehabt.“
„Es war kein Zufall. Ihre Frau hat mich angerufen und gebeten, ich soll mal nachsehen. Wie konnte das eigentlich passieren?“
Aaron deutete auf die nackten Oberkörper der beiden. Sie waren überall mit leicht blutenden Wunden übersät.
„Ich weiß nicht, was mit den Ratten los ist“, antwortete Rick. „Ich weiß nur, daß sie mich beinahe getötet hätten, wenn Roger mich nicht gerettet hätte.“
„Sie sollten einen Arzt aufsuchen“, schlug Aaron von. „Man weiß nie, welche Krankheitserreger die Tiere mit sich herumschleppen.“
„Das werden wir sofort tun. Dann kommen wir mit einer großen Tüte Rattengift zurück. Ich gehe nicht eher wieder in den Keller, bis alle tot sind.“
Roger und Rick verabschiedeten sich von Aaron und fuhren mit dem Ford in die Stadt, wo sie nach einem Arzt suchten.
Als sie wieder zurück kehrten, waren ihre Wunden desinfiziert und beide hatten eine Tetanus-Spritze bekommen. Rick schleppte die große Tüte mit 20 Kilo Rattengift zur Kellertreppe, riß sie auf und warf sie nach unten. Er wagte es nicht, die Wendeltreppe zu betreten. Der Schock des Erlebten saß noch zu tief. Anschließend kippte er den Laster vor dem Haus der Redmans ab, die beiden luden alles, was nicht brennbar war wieder auf und fuhren zur Mülldeponie. Dann hatten sie Feierabend. Am nächsten Tag wollten sie sich um 8 Uhr wieder in Sweetwater treffen.

Auch Beth und die Kinder waren am nächsten Morgen dabei. Während Beth das Erdgeschoß gründlich reinigte, kümmerten sie die beiden Männer um die toten Ratten im Keller. Das Gift hatte hervorragend gewirkt. Der Fußboden war von toten Tieren übersät. Roger lud sie mit einem Stock auf eine Schaufel und schüttete sie in einen großen Plastiksack, den ihm Rick aufhielt. Die beiden Kinder tollten inzwischen draußen herum. Sie hatten ein paar niedrige Bäume entdeckt und kletterten darauf herum. Es war ein Erlebnis für sie, das sie bisher nicht kannten. In der Umgebung der Wohnung in Denver gab es keine Bäume, auf die man klettern konnte. Nachdem Roger und Rick alle toten Ratten eingesammelt hatten, luden sie die Säcke in den Ford und Roger fuhr damit auf die Müllkippe. Rick gipste inzwischen den mächtigen Spalt in der Kellerwand zu. Der Arbeiter vom E-Werk erschien so gegen 10 Uhr und sorgte dafür, daß sie wieder Strom hatten. Den restlichen Tag verbrachten sie hauptsächlich damit, das Haus und vor allem den Keller gründlich zu reinigen. In den nächsten Tagen wurden die üblichen Arbeiten erledigt, die anfallen, wenn man in ein neues Zuhause wechselt. Die Wände wurden neu gestrichen, Lampenschirme wurden montiert, Möbel wurden zerlegt, verladen, hierher transportiert, wieder zusammen gebaut und schließlich aufgestellt. Alles in allem brauchten sie eine Woche, bis die Familie Gillan in Sweetwater einziehen konnte.

*

Roger und Beth hatten zum Abendessen geladen und alle waren gekommen. Die Gäste waren Aaron und Heather Dehan, Susan Redman und ihr Ehemann Mike, und natürlich Rick. Beth hatte große, saftige Steaks serviert und allen schien es geschmeckt zu haben. Nach dem Essen saßen sie gesellig im Wohnzimmer beisammen. Es war bereits 8 Uhr Abends. Beth bemerkte, daß den beiden Kindern schon die Augen zufielen und sie brachte sie deshalb ins Bett.
„Mann, bin ich voll“, stöhnte Rick. „Ich glaube ich platze gleich.“ Sein Bauch hing tatsächlich über die Hose und drohte diese zu sprengen.
„Dann knöpfe einfach deine Jeans auf so wie ich es jetzt mache.“ Roger öffnete den Knopf über dem Reißverschluß seiner Hose und verschaffte seinem mit zwei Steaks gefüllten Bauch etwas mehr Freiraum. „Wir sind hier schließlich nicht auf einer offiziellen Dinnerparty, sondern unter uns. Es wird dich keiner wegen mangelhafter Kleidung rauswerfen.“
Rick folgte seinem Beispiel und auch Aaron Dehan und Mike Redman öffneten die Knöpfe ihrer Jeans und atmeten erleichtert aus. Beth hatte reichlich Steaks gebraten, aber nicht eines war übrig geblieben.
„Ihr seid unmöglich“, meinte Susan Redman gespielt entrüstet.
„Du kannst meinetwegen deinen Rock auch ausziehen“, antwortete Aaron Dehan. „Ich habe nichts dagegen.“
„Das glaube ich dir gerne. Aber den Gefallen mache ich dir nicht.“
„Hör auf Susan anzubaggern“, warf Heather lächelnd ein. „Sonst lasse ich mich auf der Stelle von dir scheiden!“
„Um dir einen jungen Hüpfer zu suchen. Ich alter Knacker bin dir wohl nicht mehr gut genug“, erwiderte Aaron.
Roger ging in die Küche um eine neue Flasche Wein zu öffnen und die leeren Gläser der Gäste wieder zu füllen. Beth hatte die Kinder inzwischen zu Bett gebracht und gesellte sich zu den anderen.
Aaron schnitt ein neues Thema an: „Seid ihr mit den Ratten inzwischen fertig geworden?“
„Ich denke ja“, antwortete Roger. „Rick und ich haben jeden Winkel des Hauses gründlich durchsucht. Wir sind sie ein für alle mal los.“
„Trotzdem wirst du in regelmäßigen Abständen Rattengift streuen“, bemerkte Beth. „Ich habe deine und Ricks Wunden gesehen. Ich möchte nicht, daß so etwas noch mal passiert.“
„Keine Angst“, beruhigte Mike Redman. „Die Ratten haben sich nur so vermehrt, weil das Haus drei Jahre lang leer stand. Es ist nicht zu befürchten, daß sich eine solche Plage wiederholt.“
„Wer hat eigentlich vor uns hier gewohnt“, wollte Roger wissen.
„Sein Name war David Stanton“, antwortete Heather. „Er war ein sehr guter Freund von uns.“
„Warum ist er ausgezogen?“
„Er ist gestorben“, antwortete Aaron. „Eine sehr tragische Geschichte.“
Aaron wollte weiter reden, wollte berichten, daß David Opfer eines Mordes geworden war, aber seine Frau warf ihm einen bezeichnenden Blick zu. Dieser Blick sollte sagen: ‚Verschone die netten Leute mit dieser Horrorgeschichte. Sie sind gerade erst eingezogen und brauchen nicht zu wissen, daß in ihrem Haus ein Mord geschehen ist. Sie werden es noch früh genug erfahren.‘ Aaron schien Heathers Warnung richtig zu interpretieren, denn er sprach weiter: „Ja, er ist gestorben, an Herzversagen.“

Danny und Lucy lagen in ihren Kinderbetten und schliefen tief und fest. Vom Wohnzimmer waren die Stimmen der Erwachsenen als leises Murmeln zu hören. Die Tür zu ihrem Zimmer, das früher einmal das Arbeitszimmer von David Stanton gewesen war, war geschlossen. Durch das Fenster drang schwaches Mondlicht herein und zeichnete verworrene Schatten an die Wand. Draußen hatte es zu schneien begonnen, erst kleine, vereinzelte Flöckchen, die, sobald sie auf der Erde angekommen waren, sofort schmolzen, dann wurde der Schneefall dichter. Die Landschaft wurde mit einem weißen Flaum überzuckert. Die Kinder bemerkten weder den Wetterumschwung, noch das leise Kratzen in der Wand. Es hörte sich an als würde jemand versuchen, mit einer Messerspitze eine Kerbe in einen Stein zu ritzen. Das Geräusch war schwer zu lokalisieren, schien aber von der Wand zu kommen, wo Lucys Bett stand. Lucy war von Kopf bis Fuß in ihre Bettdecke gehüllt, und träumte möglicherweise von den Kletterpartien auf den Bäumen oder von dem aufgeschürften Knie ihres Bruders, als er beim Fußballspielen hinter dem Haus hingefallen war. Die Geräusche in der Wand wurden um eine winzige Nuance lauter. Feiner Ziegelstaub rieselte auf Lucys Bett herab, dann war es plötzlich still. 70 Zentimeter über Lucys Bett erschien in der Wand ein grünes Leuchten in Form einer unregelmäßigen, waagerechten Linie. Danny drehte sich auf der anderen Seite des Zimmers in seinem Bett um. Die Matratze quietsche. Lucy lag auf dem Rücken, ihr Gesicht war zur Decke gerichtet und sie atmete gleichmäßig. Das Ding blickte durch den Spalt auf das schlafende Mädchen. Alle Sehnen und Muskeln waren gespannt wie bei einem Raubtier, daß sich auf seine Beute stürzen will. Es machte sich bereit, seine Beißwerkzeuge auszufahren.

„Warum seid ihr ausgerechnet nach Sweetwater gezogen?“, wollte Heather wissen. „Viele haben nämlich genau das Gegenteil gemacht und sind von hier abgehauen, weil es ihnen zu langweilig war.“
„Hauptsächlich wegen der Ruhe“, antwortete Beth. „In Denver bin ich von dem andauernden Lärm fast verrückt geworden.“
„Und vergiß die Kinder nicht“, warf Roger ein. „In der Wohnung waren sie eingesperrt wie Tiere in einem Käfig. Hier können sie im Freien nach Lust und Laune herum tollen.“
„Das ist wahr“, stimmte Aaron zu. Sie sollten ihnen aber einschärfen, von den Bergen weg zu bleiben. Wenn sie auf die verrückte Idee kommen, auf die Felsen zu klettern, könnte es gefährlich werden.“

Was sich währenddessen im Kinderzimmer ereignete, geschah schnell und mit der Präzision eines Uhrwerks. Das Wesen zwängte sich durch den Riß in der Wand und streckte sich nach unten. Sein Ziel war das Gesicht des schlafenden Mädchens. Die Bewegungen waren so schnell, daß sie mit freiem Augen kaum wahrgenommen werden konnten. Eine Handbreit über Lucys Gesicht stoppte es und hing für zwei Sekunden bewegungslos in der Luft. Der Schneefall war noch stärker geworden und hatte die Landschaft unter einer dünnen, weißen Decke begraben. Das Mondlicht spiegelte sich darin und im Kinderzimmer war es etwas heller als vorhin. Das Wesen war gut zu erkennen. Dort, wo es aus der Wand wuchs, war es so dünn wie eine Nadel. Der Körperumfang nahm trichterförmig zu und ging in ein kugelförmiges Gebilde über, das so groß wie ein Fußball war. Von der Wand bis zum äußersten Ende der Kugel maß das Wesen etwa 50 Zentimeter. Die grün leuchtenden Raubtieraugen saßen tief in der oberen Hälfte des Kugelkopfes und blickten wütend auf Lucys Gesicht. Es öffnete sein Maul und mehrere Reihen spitzer Zähne, dünn wie Nägel aber scharf wie Rasiermesser, spiegelten sich im schwachen Licht des Mondes. Die obere und untere Hälfte des Kugelkopfes klappen weit nach hinten und es entsteht eine Halbkugel, deren gerade Seite von dem riesigen Maul gebildet wird. Die Zahnreihen bewegen sich hin und her wie gegeneinander laufende Sägeblätter und erzeugen ein leises Rasseln. Zehn Zentimeter unter diesem grauenhaften Gebiß befindet sich Lucys Gesicht. Sie atmet gleichmäßig und bläst die warme, verbrauchte Luft in den Rachen des Monsters. Ein paar Meter entfernt murmelt Danny im Schlaf einige unverständliche Worte. Er träumt. Das Monster schließt das Maul, blickt ein letztes Mal zornig auf das Gesicht des Mädchens und zieht sich so schnell zurück, wie es gekommen war. Der Kopf und der trichterförmige Körper verändern sich, schrumpfen irgendwie zusammen und verschwinden in dem Riß in der Wand. Wütend auf sich selbst, weil es den Riß zu hoch angelegt hatte, macht es sich auf die Suche nach weiteren Schwachstellen in den Wänden und Decken. Diesmal würde es geeignetere Stellen finden, um neue Risse zu kratzen, Stellen, die näher an der schlafenden Beute lagen.

Die Gäste verabschiedeten sich geschlossen gegen 11 Uhr und stapften durch den Schnee, der inzwischen knöcheltief lag nach Hause. Beth beschloß, die Unordnung im Wohnzimmer und in der Küche erst am nächsten Tag aufzuräumen. Die beiden gingen zu Bett und träumten bald genauso friedlich und nichtsahnend wie ihre Kinder.

Der Schnee fiel in immer dickeren Flocken vom Himmel.

*

Roger und Beth Gillan saßen im Wohnzimmer uns spielten Karten. Auf der Tischplatte standen zwei Kerzen und verbreiteten ein angenehmes Licht. Sweetwater war jetzt seit drei Tagen eingeschneit, der Stromausfall kam aber erst heute vormittag. Ein einsamer Stuhl unter dem Lampenschirm zeugte noch von dem nutzlosen Versuch Rogers, eine neue Glühbirne einzuschrauben, als er bemerkte, daß ohne Strom weder die alte noch die neue Birne Licht spenden würde.
Die Kinder lagen längst in den Betten. Danny lag auf dem Rücken und machte beim Atmen Geräusche, die sich beinahe wie Schnarchen anhörten. Lucy schlief auf der Seite, hatte eine Hand unter dem Kopfpolster und die andere über die Bettkante hinaus gestreckt. Im Haus der Gillans war alles ruhig und friedlich. Roger schlug seine Frau bei dem Kartenspiel haushoch und Beth verlor allmählich die Lust daran. Die beiden einigten sich darauf, noch eine Runde zu spielen und wollten dann auch zu Bett gehen.
Beth war drauf und dran, ihrem Mann endlich einen vernichtende Niederlage zuzufügen, als sie das schrille Kreischen aus dem Kinderzimmer beinahe vor Schreck vom Stuhl fallen ließ. Dieser Schrei war anders als jene, die Beth unzählige male gehört hatte, wenn die beiden Kinder sich stritten. Dieser Schrei klang ernst, gefährlich, tödlich. Vom Gang kamen ihnen kurze, hektische Schritte entgegen. Das Kreischen kam näher, wurde lauter, setzte ein paar Sekunden ganz aus und begann dann von neuem, wie das Warnsignal einer Sirene. Als Lucy das Wohnzimmer betrat, fing auch Beth an zu schreien.
Roger blieb ruhig, sein Gesicht erblaßte zwar und sein Adamsapfel hüpfte hektisch, aber er blieb ruhig und versuchte, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Er sah, daß Lucy verletzt war, ziemlich schlimm verletzt war, und wenn er sich beim schwachen Licht der Kerzen auf seine Augen verlassen konnte, fehlte ihr die linke Hand. Er würde etwas tun müssen. Auf Beth konnte er nicht zählen, die war völlig hysterisch und dem Nervenzusammenbruch nahe. Wenn er nicht wollte, daß seine Tochter verblutete, würde er etwas tun müssen, er ganz allein und zwar schnell. Roger schüttelte die Lethargie von sich ab und handelte. Er ging auf seine Tochter zu, deren Schreie ihm durch Mark und Bein drangen, hob sie an den Hüften hoch und bettete sie auf die Couch. Er zog hektisch sein Hemd aus, wobei die meisten Knöpfe absprangen, riß einen schmalen Streifen Stoff heraus und versuchte Lucys Arm damit abzubinden.
„Alles wird wieder gut“, beruhigte er seine Tochter. „Daddy ist ja bei dir.“
Beth stand ein paar Schritte abseits der Couch, hatte eine Handfläche auf den Mund gepreßt und beobachtete mit verwirrten und ungläubigen Blicken, wie Roger den Stoffstreifen um Lucys Arm band. Nun schlich auch Danny ins Wohnzimmer. Er war seiner Schwester ängstlich gefolgt und als er zum ersten Mal ihren blutenden Stummel bemerkte, rannte er weiter in die Küche, wo er sich verschanzte. Nur hin und wieder warf er ein paar verstohlene Blicke auf die Couch.
„Beth!“ – Keine Antwort.
„Beth!“, etwas lauter, fast brüllend. „Haben wir Verbandszeug?“
Als er noch immer keine Antwort erhielt, drehte sich Roger zu seiner Frau um und sah ihr bittend in die Augen. „Hilf mir! Sie verblutet“, flüsterte er.
Beth schien zu erwachen, tauchte wie aus einem Traum empor in die Realität, die Mutterliebe – ‚Sie verblutet‘ – gewann Oberhand über den lähmenden Schock. „Ich weiß nicht“, stammelte sie. „Ich glaube nicht.“
Großartig! In Roger brach eine Welt zusammen. Was sollte er jetzt noch für seine Tochter tun? Er hatte festgestellt, daß der Stoffstreifen aus seinem Hemd nichts taugte und die Blutung nicht stoppte. Verbandszeug war noch nicht vorhanden, also tat er das einzige, was er noch tun konnte: Er riß zwei weitere Streifen aus seinem Hemd – ‚Warum trage ich nie einen Gürtel? Verdammt!‘ – und versuchte die Wunde damit etwas besser zu versorgen.

Das kleine Kätzchen gesellte sich zu den Menschen im Wohnzimmer und damit war die Familie komplett. Es begrüßte seine großen Freunde mit einem lauten „Miau“ und zog alle Blicke für einen Moment auf sich. Niemand verpaßte den Augenblick, als das Ding sich das Kätzchen holte. Es war plötzlich wie aus dem Nichts da, der trichterförmige Körper wuchs senkrecht aus dem Boden und der Kugelkopf klappte auf. Das Kätzchen wurde durch die Schnelligkeit des Dings nach oben katapultiert, landete im Maul mit den schrecklichen, mahlenden Zähnen, ein kurzes Rasseln, und beide, Kätzchen und Kreatur, waren im Fußboden verschwunden. Das alles ereignete sich so schnell, daß es mit freiem Auge kaum wahrgenommen werden konnte. Trotzdem hatten alle außer Lucy es mitbekommen, erahnt oder zumindest richtig interpretiert. Und sie waren von der Schnelligkeit und Gefährlichkeit des Dings so überzeugt, daß ihr Selbsterhaltungstrieb sie dazu veranlaßte, sich in Sicherheit zu bringen. Roger kletterte auf die Couch zu Lucy, Beth hüpfte auf den Stuhl, der noch unter dem Lampenschirm stand und Danny rettete sich auf die Anrichte in der Küche. Die drei waren einen Augenblick sprachlos. Nur Lucy wimmerte leise und gab von Zeit zu Zeit stumme Schrei von sich. Sie hatte sich heiser gebrüllt und ihre Kräfte schwanden rasant.
„Mommy! Was war das?“
Beth drehte ihren Kopf zur Seite. Danny hockte auf der Anrichte und blickte sie Hilfe suchend an. Eine Träne floß über seine Wange. Beth wußte nicht, was sie antworten sollte und gab den Blick weiter an Roger. Dieser schien genauso ratlos zu sein wie alle anderen.
„Was sollen wir tun?“, wandte sich Beth mit brechender Stimme an ihn.
Roger starrte noch immer ungläubig auf den Parkettboden des Wohnzimmers. Seine Augen hatten gesehen, wie sich das Ding das Kätzchen geschnappt hatte, aber sein Verstand weigerte sich, diesen Vorfall zu glauben. Die Geschichte war viel zu absurd, um wirklich zu sein. Warum waren am Kampfplatz keine Spuren zurück geblieben? Wenn das Vieh die Katze wirklich gefressen hatte, warum gab es dann keine Blutspuren oder Fellreste? Hatte er sich das alles nur eingebildet? Unwahrscheinlich. Dann wären auch Beth und sein Sohn von der selben Halluzination getäuscht worden und von einer Fata Morgana im Wohnzimmer hatte er noch nie gehört. Als sein Blick auf den blutenden Stummel seiner Tochter fiel, begriff er aber, daß der Angriff des Dings keine Einbildung war. Es hatte sich zuerst Lucys Hand geholt, dann die Katze verschlungen und jetzt wartete es auf den nächsten Happen.
Roger wußte, daß er etwas unternehmen mußte. Solange er mit seinem Hintern faul auf der Couch hockte, würde er seiner Tochter nicht im geringsten helfen können. Es sah nur zwei Auswege: Seine Dienstpistole und sein Handy. Beides lag im Schlafzimmer, das Handy auf dem Nachtkästchen, die Pistole im obersten Regal das Kleiderschranks. Roger mußte sich auf den Weg machen, ob er wollte oder nicht.
„Ich hole Hilfe“, sagte er entschlossen.
„Was hast du vor?“ Beth sah entsetzt mit an, wie er sich aufrichtete und einen Fuß auf die Lehne der Couch setzte. Als Roger mit zwei weiten Sprüngen das Wohnzimmer durchquerte und auf den Gang hinaus fiel, wußte Beth, daß das Monster noch immer da war.
„Sieh nicht hin Danny!“, schrie sie in die Küche.
Aber Danny hatte hingesehen, öffnete den Geschirrschrank, der über ihm an der Wand hing und versuchte hinein zu klettern. Der Lärm der am Boden zerschellenden Teller, Kannen und Schüsseln machte alles noch unerträglicher.
Roger stieß sich von der Lehne ab und setzte drei Meter weiter mit seinem linken Fuß auf. Er hatte sich die Stelle genau gemerkt, wo das Ding die Katze gefressen hatte und mied sie daher. Diese Vorsichtsmaßnahme erwies sich jedoch als genau so nützlich wie ein Eimer mit einem Loch im Boden. Als er zum nächsten Sprung ansetzte, mit dem Fuß schon leicht vom Boden abgehoben hatte, war das Ding blitzschnell wieder da, sägte mit seinen rotierenden Zähnen sein Bein unterhalb der Kniescheibe ab, zerkleinerte Fleisch, Haut und Knochen in winzige Teilchen und war so schnell verschwunden, wie es aufgetaucht war. Der Schwung reichte aus, um Roger den zweiten Sprung ausführen zu lassen und als er mit dem anderen Bein aufsetzte, wiederholte sich das gleiche makabere Schauspiel und Roger stürzte durch die geöffnete Tür hinaus auf den Gang.

Das Wesen hatte Kraft und Mut geschöpft. Es hatte gefressen, war aber nicht satt. Es fühlte instinktiv, daß von der Beute keine Gefahr ausging, obwohl sie so groß war. Bisher hatte es nur schlafende Beute angegriffen, diese Scheu schien aber unnötig zu sein. Es beschloß, forscher vorzugehen, um seinen Hunger zu stillen.

Lange Zeit saß Beth Gillan nur auf der Stuhllehne, hatte die Füße auf der Sitzfläche und weinte bittere Tränen. Ihr Blick war getrübt, aber sie war nicht mehr hysterisch. Sie konnte klar denken. Doch so sehr sie ihr Gehirn auch anstrengte, sie fand keinen Ausweg aus dieser Lage. Die beiden Monster waren glücklicher Weise nicht mehr aufgetaucht, seit sie Roger so schlimm zugerichtet hatten. Beth war sich ganz sicher, daß sie zu zweit waren. Kein Lebewesen auf der Erde konnte so schnell sein, daß war unmöglich. Oder waren es mehr, vielleicht drei oder vier? Wimmelte das Haus geradezu vor diesen Geschöpfen?
Ihr Blick wanderte zur Couch. Lucy lag reglos da und gab keinen Laut von sich. War sie bereits tot? Ihr Brustkorb hob und senkte sich schwach aber gleichmäßig und Beth wußte, daß sie noch am Leben war, bewußtlos, aber noch am Leben. Die Kerzen am Wohnzimmertisch flackerten beängstigend, die Flammen drohten im heißen Wachs zu ersticken.

Roger wußte, daß er bald sterben würde. Er lag mit gequältem Gesichtsausdruck an der Wand, seine Füße schmerzten und seine Zehen schienen zu jucken. Er wußte, daß er seine Beine verloren hatte, aber sein Gehirn bestand darauf, daß sie noch da waren. Schweißperlen standen auf seiner Stirn und seine Hände zitterten. Sollte alles wirklich so enden? Roger hatte mit seinem Leben abgeschlossen, er wußte, daß für ihn jede Hilfe zu spät kommen würde. Aber für Beth und Danny – vielleicht sogar für Lucy – konnte er noch etwas tun, mußte es zumindest versuchen. Er wollte nicht, daß seine ganze Familie ausgerottet wurde. Die Pistole konnte er vergessen. Die war sicher verstaut, damit die Kinder nicht an sie herankommen konnten. Das Dumme war nur, daß auch Roger sie ohne Beine nicht mehr erreichen konnte. Aber ihm blieb das Handy. Er konnte damit Hilfe rufen, die Polizei, die Rettung, möglicherweise eine Kompanie Soldaten, ausgerüstete mit Panzerfäusten und Flammenwerfern, einen Hubschrauber, ja er konnte Gott und die Welt zu Hilfe rufen, wenn er es nur bis zum Handy schaffte. Roger rollte sich auf den Bauch und robbte auf Händen und Ellbogen durch den Gang in die totale Finsternis, eine breite Blutspur hinter sich zurücklassend.

Wie aus dem Nichts war das Ding wieder aufgetaucht, rasselte mit seinen Zähnen und versuchte, nach Beths Füßen zu schnappen. Beth war von der Attacke brutal aus ihrem Nachdenken gerissen worden, stieß einen entsetzten Schrei aus und rutschte instinktiv ein Stück nach hinten. Der Stuhl verlor das Gleichgewicht, balancierte ein paar Sekunden auf zwei Beinen, drohte zu kippen, fiel aber doch nicht. Beth verhinderte den Sturz nur mit Mühe. Sie bemerkte, daß das Monster sie nicht erreichen konnte, daß sie auf dem Stuhl relativ sicher war.
„Verdammtes Vieh!“, schrie sie es an. „Willst du uns alle umbringen!“
Wie um die Worte zu bestätigen wiegte der trichterförmige Körper wie ein Grashalm im Wind nach hinten und schnellte dann wieder auf den Stuhl zu. Beth riskierte das Unmögliche und trat nach dem Kugelkopf. Ihr Pantoffel und der größte Teil ihres großen Zeh wurden ihr vom Fuß gerissen, im Maul des Monsters zermahlen und dann verschwand es wieder im Fußboden.

Danny hockte hoch oben im Geschirrschrank und zitterte am ganzen Körper. Er wagte es nicht, die Schranktür zu öffnen, nicht einmal einen Spalt. Seit seine Mutter wieder zu schreien angefangen hatte, war Danny nur noch ein Häufchen Elend. Er sehnte sich nach den starken Armen seines Vater, oder den liebevollen seiner Mutter. Er wollte nur, daß sie ihn festhielten, ihn trösteten, ihn beschützten. Aber er war allein in der völligen Dunkelheit des Geschirrschranks und hatte furchtbare Angst.
„Danny!“
Das hörte sich an wie seine Mutter. Danny schöpfte etwas Hoffnung.
„Danny, wo bist du?“
„Ich bin hier“, rief er zurück.
„Wo?“
„Im Schrank!“ Der Junge öffnete die Tür einen Spalt und seine Blicke trafen sich mit denen seiner Mutter. Sie lächelte ihn an. Danny fiel ein Stein vom Herzen und brachte seinerseits zumindest die Andeutung eines Lächelns zustande. Dann bemerkte er, daß sie am Fuß blutete und seine Mine verfinsterte sich wieder.
„Hat es dir weh getan, Mommy?“
„Es ist nur ein Kratzer, Liebling. Nicht schlimm.“ Das war eine gewaltige Untertreibung, aber Beth mußte ihrem Sohn die Wahrheit verschweigen, wenn sie ihn nicht noch mehr verängstigen wollte.
„Ich könnte deine Hilfe gebrauchen, Danny. Möchtest du mir helfen?“
„Ja, Mommy.“
„Ich möchte, daß du von da oben auf die Anrichte hinab kletterst. Schaffst du das?“
Danny erblaßte, begann wieder heftiger zu zittern und antwortete stotternd: „Das Monster ... kommt wieder ... will mich fressen!“
Es kostete Beth viel Mühe und aufmunterndes Zureden bis Danny endlich sein Versteck verließ.
„Und jetzt mach die Lade mit dem Besteck auf und wirf mir ein Messer rüber!“
Der Junge gehorchte, nahm eines der Messer in die Hand und kroch auf der Anrichte zur Tür zwischen Wohnzimmer und Küche. Der Stuhl, auf dessen Sitzfläche seine Mutter nun stand, war drei bis vier Meter entfernt. Danny holte mit dem Arm etwas aus und warf das Messer ins Wohnzimmer. Einen Meter vor dem Stuhl kam es am Boden auf und blieb zitternd im Holz des Parkettbodens stecken.
„Das war nichts, Danny. Versuch das nächste mal weiter zu werfen.“
Dann wurde ihr bewußt, daß ihr Sohn erst 6 Jahre alt war. Er konnte noch gar nicht richtig zielen und mit einem Messer würde die Sache für ihn noch viel schwieriger werden. Beim nächsten Wurf würde er sicher zu viel Schwung mitgeben, und das Messer würde über ihren Kopf sausen und in der Wand stecken bleiben. Oder die Flugbahn würde noch viel ungünstiger verlaufen und das Messer würde sie durchbohren, wenn sie nicht rechtzeitig ausweichen konnte. Beth beschloß, ihre Strategie zu ändern.
„Warte, Danny! Wirf mir erst ein paar Löffel zu.“
Nach zwei Minuten lagen sechs Löffel am Parkett des Wohnzimmers verstreut, Beth hatte zwei Stück in der Hand. Die Ausbeute war miserabel, aber es hatte keinen Zweck, Beth mußte es versuchen.
„Und jetzt wirf mir das Messer rüber, Danny! Das große!“
„Du hast gesagt, das darf ich nicht anfassen“, entgegnete der Junge, die alten ‚tu-dies-nicht-tu-das-nicht‘-Regeln befolgend.
„Heute darfst du es anfassen. Ab heute bist du ein großer Junge. Aber sei vorsichtig damit.“
Danny umklammerte zaghaft den Griff, kroch zurück zur Tür und warf es. Es drehte sich einmal um seine eigene Achse, die 30 Zentimeter lange Scheide funkelte einen Augenblick im matten Schein der Kerze und Beth sah es kommen, sah, daß die Flugbahn nicht perfekt aber ziemlich gut war und sie war stolz auf ihren Jungen. Sie fing das Messer mit der rechten Hand halb beim Griff, halb bei der Scheide auf und zog sich einen tiefen Schnitt quer über ihre Handfläche zu.
„Gut gemacht, Danny!“, lobte sie ihren Sohn. „Ich möchte, daß du jetzt wieder in den Schrank kletterst.“
„Wirst du es töten, Mommy?“
„Ja, Liebling.“
Und das war nicht gelogen. Das war ihr voller Ernst. Sie hatte nun eine Waffe in Händen, mit der sie den Monstern den Gar ausmachen konnte. Sie blickte ein letztes Mal zur Couch und registrierte mit feuchten Augen die Tatsache, daß sich Lucys Brustkorb nicht mehr bewegte. Beth setzte sich auf die Stuhllehne, umklammerte den Griff des Messers mit beiden Händen, so daß die Scheide nach unten gerichtet war und konzentrierte sich auf die Fugen zwischen den einzelnen Elementen des Parkettbodens.
‚Ihr habt meinen Mann und meine Tochter nicht umsonst getötet. Ich werde euch umbringen, ihr verdammten Viehcher, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.‘
Beth saß da und wartete. Von ihren Händen und ihrem großen Zeh tropfte Blut. Die Haare fielen ihr in wilden Strähnen ins Gesicht, die sie von Zeit zu Zeit weg pustete. Ihre Gesicht war verkrampft, die Augen funkelten entschlossen. Im flackernden Kerzenschein sah sie aus wie ein durchgeknallter Massenmörder aus einem billigen Horrorfilm.

Roger Gillan war noch am Leben, und über diese Nachricht wäre seine Frau überrascht gewesen. Er hatte sich mühselig den Gang entlang geschleppt, und die Pausen, die er einlegen mußten, wurden immer häufiger. Er konnte schon einen schwachen Lichtschimmer aus der geöffneten Schlafzimmertür sehen, ein matter Schein der Sterne, die sich in der dicken Schneedecke spiegelten, und darunter ein seltsames grünes Leuchten. Roger robbte auf die Tür zu, blieb aber auf der Schwelle erneut liegen. Er atmete rasselnd und ein dicker Kloß saß in seinem Hals. Er hatte kaum noch Kraft, sich auf seine Arme zu stützen. Seit kurzem machte ihm auch noch ein starkes Schwindelgefühl zu schaffen. Alles drehte sich vor seinen Augen, die Konturen des Doppelbettes schwebten von rechts nach links, erst langsam, dann immer schneller werdend, verschwanden aus seinem Blickfeld und schwebten von rechts wieder ins Bild. Roger wußte, daß er bald kotzen würde. Er schloß seine Augen und preßte das Gesicht auf den Boden. Er versuchte, gleichmäßig zu atmen und neue Kraft zu schöpfen. Er streckte die Arme von sich und fühlte sich gleich viel besser. Es tat so gut einfach nur dazuliegen und darauf zu warten, bis das Bewußtsein schwand. Roger wollte auf der Türschwelle liegen bleiben und schlafen. Er erinnerte sich ein letztes Mal an seine Familie, an Danny, der nächstes Jahr mit der Schule beginnen würde, an Lucy, deren Hand von irgend einem Monster gefressen wurde – Rogers Finger ballten sich zur Faust – und an seine Frau. Er sah, wie das Monster es schließlich auf den Stuhl schaffte, zuerst Beths Beine abriß – Roger stützte seine Ellbogen auf – und sie schließlich bei lebendigem Leib auffraß.
Roger öffnete die Lider. Das Karussell vor seinen Augen drehte sich noch immer, aber es war langsamer geworden. Er mobilisiert seine letzten Kräfte und schleppt sich durch die Tür. Er glaubte nicht, daß er die wenigen Meter bis zum Nachtkästchen noch schaffen würde, aber er wollte es wenigstens versuchen. Er war zu schwach, um sich über das grüne Leuchten Gedanken zu machen, deshalb robbte er einfach darüber hinweg. Das Ding ließ sich dieses Angebot nicht entgehen und schnellte nach oben. Es riß Roger mit dem ersten Biß ein großes Loch in den Torso, verschwand kurz im Fußboden und biß dann ein zweites Mal zu. Roger hatte kaum Zeit sich darüber Gedanken zu machen, warum ihn plötzlich neue Schmerzen in der Bauchgegend plagten. Das Ding war so gnädig seine ganze Schnelligkeit auszuspielen, deshalb dauerte Rogers Todeskampf maximal zehn Sekunden. Danach war von ihm nichts mehr übrig.

‚Sie wollen mich verarschen‘, dachte Beth. ‚Oder sie fürchten sich vor dem Messer und lassen sich deshalb nicht mehr blicken. Und ich hocke da wie ein Idiot und kann nichts machen‘
Ihre Arme waren müde und die Finger kribbelten. Trotzdem hielt sie das Messer in der Position, von der aus ein einfacher Stoß nach unten genügte, um den Angreifer abzuwehren oder möglicherweise zu töten. Das Problem war nur, daß das Wesen sich nicht blicken ließ. Beths Konzentration ließ nach, ihre Lider wurden schwer und sie kämpfte gegen die aufkommende Müdigkeit. Immer häufiger fiel sie in einen Sekundenschlaf aus dem sie nur unter Aufbietung all ihrer Willenskraft wieder erwachte. Beth rammte das Messer zwischen ihren Füßen in die Sitzfläche des Stuhls, rieb sich die Augen und verpaßte sich ein paar Ohrfeigen. Das wirkte. Sie hatte die Müdigkeit weitestgehend abgeschüttelt, gerade noch im rechten Moment. Das Wesen war wieder aufgetaucht und versuchte nach Beth zu schnappen, als hätte es gewußt, daß das Messer nicht mehr in ihren Händen war. Beth umklammerte den Griff und zog das Messer aus dem Holz. Sie holte weit aus und stach nach dem Kopf des Monsters, der Hieb ging aber ins Leere. Das Wesen hatte sich blitzschnell nach hinten gedehnt und kehrte in die ursprüngliche Position zurück, als Beth zum zweiten Stich ausholte. Als sie mit dem Messer wieder nur in die Luft stach, tauchte rechts neben dem Stuhl ein zweiter Kugelkopf mit ebenso gräßlichen Zähnen auf. Völlig erschrocken stach Beth danach, aber dieses Ding war genauso schnell wie das andere. Beth traf wieder nicht, war aber mit einer Hand etwas zu weit nach unten geraten. Das Wesen schnappte zu, das Messer fiel auf den Boden und Beth hatte ihre rechte Hand verloren.

Das Wesen hatte gemerkt, daß es die Beute auf dem Stuhl nicht erreichen konnte, deshalb tat es das Einzige, was es tun konnte: Es wartete.

Beth hatte sehr viel Blut verloren. Ihre Augen waren leer und der Blick starr auf den Boden gerichtet. Aber sie wußte nicht, daß sie den Boden beobachtete, ihre Gedanken waren ganz wo anders. Danny und Lucy waren hinter dem Haus im Garten und jagten hinter einem Fußball her. Beth sah ihnen zu, Roger war im Keller und verkittete den Riß, der auf wundersame Weise wieder zum Vorschein gekommen war. Die beiden Kinder versuchten, den Ball zwischen einem Apfelbaum und einem Zierstrauch hindurch zu schießen, was das provisorische Tor darstellen sollte. Etwa zweihundert Meter hinter diesen beiden ‚Torpfosten‘ war der Fuß einer steilen Felswand, der Beginn der Berge. Der Tunnel, der in den Berg hinein führte, war hell erleuchtet. Danny hatte den Ball und rannte aufs Tor zu, als er über eine Wurzel stolperte und hinfiel. Er rappelte sich hoch und lief mit blutendem Knie und weinend auf Beth zu. Mommy, was ist mit dir? schluchzte Danny und deutete auf sein aufgeschürftes Knie. Keine Sorge Danny! Das ist nur ein Kratzer , antwortete Beth, klebte ihrem Sohn ein Pflaster auf die Haut und gab ihm einen liebevollen Klaps auf den Hintern. Der Junge stürmte gerade wieder aufs Spielfeld, als Roger hinter dem linken Torpfosten – dem Zierstrauch – vortrat und so tat als würde er den Torhüter spielen. Mach mit Schatz, komm ins Spiel, komm ins Licht , rief er Beth zu. Sie rannte aufs Spielfeld, erkämpfte sich den Ball von den Kindern – Kunststück – und schoß aufs Tor. Dort wo Roger vor kurzem noch gestanden war, befand sich jetzt die trichterförmige Gestalt des Monsters. Rogers Kopf schaute oben aus dem gräßlichen Maul heraus und wehrte Beths Schuß ab. Schlechter Schuß , sagte Roger, während das Monster zubiß und sich dann in die Erde zurückzog. Rogers Kopf schwebte ein paar Sekunden in der Luft und fiel dann zu Boden. Versuch das nächste Mal besser zu schießen , sagte er und rasselte mit den Zähnen. Es sah aus, als wäre er bis zum Hals im Boden vergraben. Beth trat nach dem Kopf und der Ball flog und flog und verschwand im Licht. Toller Schuß! lobte Lucy ihre Mutter. Mommy, halt dich fest! stimmte auch Danny seiner Schwester zu. Roger trat hinter Beths Rücken vor und küßte sie. Komm zu uns, Liebling! Komm ins Licht! flüsterte er. Er nahm Lucy bei der Hand, ihre Füße verloren den Kontakt zur Erde und sie schwebten langsam auf die Felswand zu. Dabei wiederholten sie immer wieder die selben Worte: Komm zu uns! Beth sah ihnen nach und wußte, was sie zu tun hatte. Das Licht war angenehm hell und wohltuend. Es schien Wärme und Geborgenheit von ihm auszugehen. Es schien absolut richtig zu sein, schien alle bösen Gedanken, allen Schmerz auszulöschen, nur Gutes und Reines konnte in ihm sein. Das Licht war ewig.
Komm zu uns flüsterten Roger und Lucy.
Beth ging in das Licht und alles war gut.

Als Danny sah, wie seine Mutter vom Stuhl zu kippen drohte, versuchte er sie durch lautes Zurufen aufzuwecken.
„Mommy, halt dich fest!“
Aber sie hörte ihn nicht. Ihr Körper neigte sich immer weiter nach links und als ein gewisser Punkt überschritten war, plumpste sie wie ein nasser Sack zu Boden. Als gleich darauf das Blut spritzte, schloß Danny die Tür des Geschirrschranks und heulte in der Finsternis vor sich hin. Wie sich das Wesen Beth Gillan holte, sah er nicht mehr.

Der Fußboden im Wohnzimmer vibrierte leicht und die Bewegung übertrug sich auf die Wände. Die Billard spielenden Hunde zitterten erst, hüpften dann am Haken und fielen schließlich scheppernd zu Boden. Ein Kerze war im heißen Wachs erstickt, die andere flackerte kümmerlich und drohte auch zu erlöschen. Ein harter Schlag gegen Holz ließ Danny in seinem Versteck zusammen zucken. Noch ein Schlag und ein Element des Parkettbodens löste sich aus den Fugen. Jahrzehnte alter Schmutz stob auf und bildete eine kleine Wolke. Dann wurden vier, fünf Bretter hoch geschleudert und im Fußboden klaffte ein breites Loch. Das Wesen verließ sein Versteck. Der schlangenförmige Körper kroch in gewundenen Linien heraus und bewegte sich geschmeidig über den Fußboden. Auf seinem Rücken waren drei Augenpaare in regelmäßigen Abständen angeordnet, saßen aber tief im Körper des Wesens und änderten an seiner Schlangenform nichts. Von den drei Mäulern war nichts zu sehen, sie waren ebenfalls im Schlangenkörper verborgen. Das Wesen hämmerte mit der Abgerundeten Spitze seines Körpers – vorne und hinten war bei dem Ding nicht zu unterscheiden – zwei mal gegen die Verandatür und das Glas splitterte. Es kroch ins Freie und wühlte sich in eleganten Linien durch den hohen Schnee.

Aaron und Heather Dehan wurden wach, als jemand wie verrückt gegen ihre Haustür hämmerte.
„Sieh bitte mal nach, wer das ist“, forderte Heather ihren Mann auf. „Um diese Zeit?“
Aaron brummte eine unverständliche Antwort, warf einen Bademantel über und tastete sich durch die Finsternis zur Tür. Das Hämmern hielt an.
„Ich komme ja schon, verdammt!“, knurrte Aaron ärgerlich.
Er tastete nach dem Schlüssel, der im Schloß steckte, drehte ihn und öffnete zum letzten Mal in seinem Leben eine Tür.

Es war nur eine Frage der Zeit bis Sweetwater endgültig zur Geisterstadt werden würde.

ENDE

 

Hi Guenter!
Wow, eine wirklich lange Geschichte, kein Wunder dass Du da auf Kritik warten musst.
Und erstmal wollte ich Dir sagen, dass ich es wirklich cool finde, dass Du nun den Rest der Story gepostest hast. Also, fühl Dich mal auf die Schulter geklopft.. :D

So, nun zu meiner Kritik, die der Story entsprechend wohl auch etwas länger wird. Auf Fehler in der Rechtschreibung und Zeichensetzung werde ich nicht eingehen, höchstens etwas Gravierendes fällt auf.

Was mir allerdings wirklich stark auffiel, war der ständige Zeitwechsel. Zu Anfang wechselst Du nur bei einzelnen Szenen wie David/Heather, aber je weiter man liest, desto häufiger kommen Wechsel mitten im Abschnitt vor:

Rick hatte bereits die Hälfte des Sprungs inspiziert, als sich drei Ratten von verschiedenen Seiten näherten. Sie liefen direkt auf Rick zu, als wären sie von einer unheimlichen Intelligenz dazu getrieben worden. Die Ratten greifen sofort an. Rick ist noch immer damit beschäftigt, die Tiefe des Sprungs zu bestimmen und bemerkt die Angreifer nicht.
Die mit den Szenen wechselnden Zeiten haben mich zwar auch gestört, aber gehen sicher noch durch. Aber so etwas wie im Zitat nervt einfach beim Lesen, weil man immer wieder abgelenkt wird.
Du solltest Dich dringend für eine Zeit entscheiden und die Story dahingehend anpassen.

Außerdem hast Du es öfters durch unnötige "Vorwarnungen" geschafft, erst gar keine Überraschung, Spannung, etc. aufkommen zu lassen:

Das kam in alten Häusern öfter vor und war nichts ungewöhnliches. Mit diesem unscheinbaren Spalt in der Wand nahm jedoch der Schrecken in Davids Haus seinen Anfang.
Jo, das ist ja schön, aber das muss man doch nicht schon vorher ankündigen.
Der unter den Brettern verborgene Riß im Fußboden sollte David Stanton zum Verhängnis werden.
Hier wieder.
Rogers Plan war gut, aber es kam alles ganz anders.
...

Einige Beschreibungen haben mir nicht gefallen:

Sekundenbruchteilen etwa 50 Zentimeter senkrecht nach oben,
Die 50 Zentimeter kannst Du Dir hier schneken, lenken mehr ab als zu ergänzen, da zumindestens ich dann versuchen muss mir genau einen halben Meter vorzustellen.

Wo zum Teufel blieb Roger nur. Er hatte gesagt er würde bis 11 Uhr alles geregelt haben und dann gleich zurück kommen. Jetzt war es schon zehn Minuten nach elf.
Oh mein Gott! Und um viertel nach Elf ruft sie die Polizei an und gibt eine Vermisstenanzeige auf. Soviel Aufregung wegen zehn Minuten Verspätung?

und stürmten aus dem Kinderzimmer um sich im nächsten Moment an Rogers Oberschenkel zu klammern.
„Hallo, ihr beiden. Na, was habt ihr heute schönes gemacht?“, erkundigte er sich bei den beiden, während er den Revolvergurt samt Dienstpistole abschnallte.
Ähm.. er entwaffnet sich während seine Kinder an ihm hängen und ihn begrüßen? :sconf: Und so etwas ist auch noch Polizist?
Findest Du das nicht etwas unwahrscheinlich?
„Hör auf mich zu verarschen und sag was Sache ist!“
Ohja, eine sich liebende Familie.. :D

Rick nimmt seine linke Hand nach oben und steckt seine Finger in die Maueröffnung. Seine Hand verschwindet vollständig bis zum Daumen in der Wand und Rick kann noch immer keinen Widerstand fühlen. Der Riß scheint in der Tat sehr tief zu sein. Rick beschließt, seine ganze Länge abzutasten, nur so kann er herausfinden, wie viel Gips er benötigt.
Wenn ich so einen Riss in einer Kellerwand hätte, würde ich mir keine Gedanken darum machen wieviel Gips ich benötige. Eher würde es mich beschäftigen was für eine Lebenserwartung mein Haus noch hat.

Nichts da, der trichterförmige Körper wuchs senkrecht aus dem Boden und der Kugelkopf klappte auf.
Beim besten Willen kann ich mir bei dieser Beschreibung kein unheimliches Monster vorstellen. Die ganze Zeit musste ich an ein grünschimmerndes Ding, das aus geometrischen Formen besteht, denken.
sägte mit seinen rotierenden Zähnen sein Bein unterhalb der Kniescheibe ab
Eben wegen Deiner Wortwahl und den vorangegangenen Beschreibungen hat dieses grüne Geometriemoster in meiner Fantasie ab dieser Stelle eine rotierende Säge im Maul. Beabsichtigt?

Außerdem sind mir noch ein paar Sachen, die mich in Ausdruck oder Sprache störten, aufgefallen.
Zum Beispiel der Begriff "Gang" oder "Bücherei". Es ist doch ein stinknormales Haus, warum gibt es dort keinen Flur oder ein Lesezimmer, bzw. evt. eine Hausbibliothek?
Oder der Satz "erst dann blieb Zeit sich die Wunden zu lecken". Ich dachte, das sind Männer und keine Katzen.
Dann die "Eindrücke" von den Rattenzähnen. Sicher haben die Eindruck hinterlassen, aber auf den Beinen wohl eher Abdrücke. Auch glaube ich nicht, dass sich Roger wirklich mit seinen Stieflen gegen die eigenen Schienbeine tritt. Einfach ungünstig formuliert.

Es gab noch andere Passagen im Text, die mich auch gestört haben. Ich bin jetzt aber zu faul, alle rauszusuchen.

Und nunmal zur Idee und Umsetzung.
Das Ganze hat mich etwas an den SciFi-Streifen "Im Land der Raketenwürmer" erinnert, da es sich um scheinbar ähnliche Monster handelt.
Anfangs ist es ein wirklich unheimliches Monstrum, da man nur seinen unbändigen Hunger kennt und nicht erahnen kann, was dahinter steckt. Aber je mehr Du versuchst, dem Ding ein Aussehen zu verpassen, desto skuriller und witziger wird es leider.
Mal im Ernst: Hattest Du wirkich ein Bild vor Augen? Klingt nämlich nicht danach und so konnte ich mir auch keins, bzw. kein Gutes machen.

Überhaupt fand ich Deine Geschichte anfangs sehr gut, aber mit jeder weiteren Seite schwand meine Begeisterung. Lag oft an Deiner nicht besonders bildlichen Umsetzung der eigentlich wirklich guten Idee. Besonders die Ratten- und Monsterszenen kamen mir holprig vor und schienen mir zu sehr auf billige Wirkung durch Blutspritzereien gemacht.
Wirklich gegruselt habe ich mich nie beim Lesen.

Und das ist sehr schade, da Du wirklich Fantasie besitzt und scheinbar auch den Willen zum Schreiben hast. Aber wie schon gesagt krankt die Geschichte oft an mangelnder Logik und schlechten Schockerszenen.

Mein Rat:
Übe Dich darin Bilder zu entwerfen und zu vermitteln. Erst wenn Du etwas selbst siehst, hat Dein Leser die Möglickeit dieses Bild auch wahrzunehmen. Komm weg von den "Stummel-Blut spritz-Uhauha"-Beschreibungen und setz mehr auf den Horror in unseren Köpfen.
Schreib zum Beispiel nicht, dass eine Ratte Rick ins Bein beißt und er Schmerzen hat, sondern beschreib wie Rick das flinke, leichte Kratzen der Krallen auf seiner Haut spürt, das feuchte Näschen der Ratte wahrnimmt und wie mit jedem Zentimeter, den die Ratte zurücklegt, sein Entsetzen steigt. Und noch während er wegen dem plötzlichen Schmerz des Bisses zusmmenzuckt, bemerkt er die nächsten Krallen, die sich wie Nadeln in seine Haut bohren, und ...

Insgesamt eine interessante Idee und ein vielversprechender Anfang. Leider konnte das nicht bis zum Ende hin durchgehalten werden. Aber trotzdem würde es sich lohnen, die Geschichte zu überabrbeiten - und wenn es sich erstmal nur um die gröbsten Schnitzer wie z.B. wechselnde Zeiten handelt.

Ugh

 

Hi Günter!

Ich fange mal mit ein paar Kleinigkeiten an, die mir auffielen:

Zu erwähnen währe noch die Bushaltestelle, die einzige Attraktion des Ortes. Sonst hatte Sweetwater absolut nichts zu bieten, kein Gasthaus, kein Kino, nicht einmal einen Lebensmittelladen.
Sind in Amerika Bushaltestellen Attraktionen? Mein Gott, was wäre erst los, wenn die eine Zugstation hätten? :lol:

Ne, im Ernst: Ich glaube, bei 28 Häusern wäre ein Kino oder ein Lebensmittelshop nach zwei Tagen pleite.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Sweetwater endgültig zur Geisterstadt werden würde.
Ist vielleicht ein Stilmittel, aber den Satz verwendest du schon als Anfangssatz. Ich würde das eher vermeiden, denn sooo wahnsinnig aufregend ist das ganze auch wieder nicht.

Sie bewohnte gemeinsam mit Ihrem Mann Aaron, der noch älter als Heather war, das letzte Haus in der Reihe
das noch älter als Aaron war. ;)

David Stanton hatte noch wenige Stunden zu leben. Davon wußte er jedoch nichts und so verschwendete er auch keinen Gedanken daran.
Wir Amateur-Autoren sollten solche Spannungskiller eher vermeiden.
Der zweite Satz kommt mir merkwürdig vor: Woran hätte er denn einen Gedanken verschwenden sollen? :confused:

auf der rechten Seite liegt sein Arbeitszimmer, Bücherei, oder wie immer man es nennen mag
Vorsicht, neutraler Erzähler! Wenn schon, dann schreib: "... sein Arbeitszimmer, wie es David nannte".

doch hier kam jede Hilfe zu spät. Es lohnte nicht mehr einen Rettungswagen zu rufen
Wie muss man sich das vorstellen?
"Schnell, rufen Sie einen Rettungswagen!"
"Ne, zahlt sich nicht aus, reine Benzinverschwendung."

Hier konnte nun noch der Leichenbestatter das Durcheinander von Haut, Knochen und Fleisch vom Asphalt kratzen.
Ich glaube nicht, dass das Aufgabe eines Beerdigungsinstitutes ist. Das müsste die Stadt erledigen, oder?

Heather war wieder stehen geblieben. Sie hatte noch keine fünf Schritte im Gang zurückgelegt, als ihr ein kalter Schauer über den Rücken läuft. ‚Hör auf dich verrückt zu machen. Warum denkst du jetzt an diesen Jungen?‘ Heather hat Angst.
Zeitfehler! Wenn du in der Gegenwart schreibst, musst du in der Gegenwart bleiben, nicht plötzlich Vergangenheitsform nehmen.

Der Kater begann zu schnurren, ohne zu erwachen
Wenn eine Katze schnurrt, ist sie munter.

Fußboden vor der Tür zum Schlafzimmer befindet sich eine großer, schwarzer Fleck. ‚Blut‘, denkt sie entsetzt
Also ich weiß nicht ... Bleibt eingetrocknetes Blut nicht trotzdem dunkelrot?

Sie hat jetzt die beiden Türen zu Davids Arbeit- und Schlafzimmer erreicht
:confused: Beide Türen?

Der unter den Brettern verborgene Riß im Fußboden sollte David Stanton zum Verhängnis werden.
Ich wiederhole mich: So etwas sollte man wirklich vermeiden, weil es die Spannung verringert.

„Sollen wir nicht besser Rattengift besorgen und erst morgen weitermachen? Du weißt, daß ich Ratten nicht mag.“
„Quatsch! Die tun dir nichts. Laß uns weitermachen.“
Und einen Absatz vorher hat ihn eine Ratte angefallen... :D

Sie liefen direkt auf Rick zu, als wären sie von einer unheimlichen Intelligenz dazu getrieben worden. Die Ratten greifen sofort an.
An dieser Stelle vermischst du wieder Gegenwarts- bzw. Vergangenheitsform!

Der Boden der Truhe war längst verfault und die Männer hielten nur die Seitenteile und den Deckel in Händen. Der Inhalt der Truhe war auf den Boden gerollt und die beiden Männer standen knöcheltief in hunderten von Ratten.
Hunderte Ratten in einer Truhe???

Glücklicherweise waren seine Hosen so eng, daß die Ratten nur bis zu seinen Knien vordringen konnten.
Trägt er hautenge Leggins? Oder ein Schnürkorsett? ;)

Überhaupt mutet mir dieser Rattenangriff höchst unrealistisch an: Ratten sind große, wendige, zähe Biester mit scharfen Zähnen. Wenn ein paar hundert davon einen Menschen angreifen, kann ich mir nicht vorstellen, dass der sich so locker erwehren kann.
Und diese ständigen "Tritte gegen die Wand": Wozu sollen die gut sein?!? Hängt sich geduldig eine Ratte nach der anderen an das Ende eines Schuhs und wartet darauf, dass sie gegen die Wand gedonnert wird?

Sie reckten ihre Schnauzen in die Luft und versuchten die Witterung der beiden Menschen aufzunehmen
Soviel ich weiß, sehen Ratten ganz ausgezeichnet. Warum sollten sie die beiden Typen auf dem Tisch nicht sehen können?

als völlig unerwartet ein Mann in den Korridor tritt, seine Jacke auszieht und auf die beiden Männer einprügelt. Der Fremde zertritt jede Ratte, die er erwischen kann
Was? Und die Schuhe zieht er nicht aus??? Wie unmanierlich... :D

Aaron deutete auf die nackten Oberkörper der beiden. Sie waren überall mit leicht blutenden Wunden übersät.
Nach den Schilderungen des Kampfes, müssten sie eigentlich halb-abgenagt sein.
Jetzt klingt es eher so, als wären sie von einer Katze gekratzt worden.

Beth stand ein paar Schritte abseits der Couch, hatte eine Handfläche auf den Mund gepreßt und beobachtete mit verwirrten und ungläubigen Blicken, wie Roger den Stoffstreifen um Lucys Arm band
Ähm ... Ich weiß, ist ein beliebtes Klischee, aber ich glaube nicht, dass eine Mutter tatenlos zusieht, wie ihr Kind mit einer blutenden Wunde rumläuft.

Als er zum nächsten Sprung ansetzte, mit dem Fuß schon leicht vom Boden abgehoben hatte, war das Ding blitzschnell wieder da, sägte mit seinen rotierenden Zähnen sein Bein unterhalb der Kniescheibe ab, zerkleinerte Fleisch, Haut und Knochen in winzige Teilchen und war so schnell verschwunden, wie es aufgetaucht war. Der Schwung reichte aus, um Roger den zweiten Sprung ausführen zu lassen und als er mit dem anderen Bein aufsetzte, wiederholte sich das gleiche makabere Schauspiel und Roger stürzte durch die geöffnete Tür hinaus auf den Gang.
Dieses Ding muss mit Schallgeschwindigkeit sich bewegen! Es schnappt sich beim ersten Sprung von Roger Fleisch, verschwindet dann wieder und holt sich beim nächsten Schwung wieder Fleisch!

Davon abgesehen würde ich meinen, dass er zumindest nach dem zweiten Sprung zusammenbrechen müsste.

Die beiden Monster waren glücklicher Weise nicht mehr aufgetaucht, seit sie Roger so schlimm zugerichtet hatten.
Wieso zwei Monster?

Er konnte damit Hilfe rufen, die Polizei, die Rettung, möglicherweise eine Kompanie Soldaten, ausgerüstete mit Panzerfäusten und Flammenwerfern, einen Hubschrauber
Ja klar! Ich fürchte aber, das gibt´s nur in Filmen.
In Wirklichkeit würde höchstens ein Polizist mal vorbeischauen, wenn man ihm sagte, dass ein Monster im Haus sei.
Die US Army würde wohl nicht gleich anrücken...

Sie fing das Messer mit der rechten Hand halb beim Griff, halb bei der Scheide auf und zog sich einen tiefen Schnitt quer über ihre Handfläche zu.
Und da lässt sie es nicht vor Schmerz gleich wieder fallen???
Diese ganze "Mein Sohn, wirf mir ein Messer zu"-Sache finde ich ziemlich abstrus, sorry.

Beths Konzentration ließ nach, ihre Lider wurden schwer und sie kämpfte gegen die aufkommende Müdigkeit. Immer häufiger fiel sie in einen Sekundenschlaf
Gerade in dieser Situation müsset sie hellwach sein! Ihr fehlt der Zeh und sie hat sich tief geschnitten, ihre Kinder und sie selber schweben in Todesgefahr! Da wird sie bestimmt nicht einfach einschlafen...

Komm zu uns flüsterten Roger und Lucy.
Beth ging in das Licht und alles war gut.
... und wir hätten wieder erfolgreich ein altes Klischee wiederbelebt.

Aaron und Heather Dehan wurden wach, als jemand wie verrückt gegen ihre Haustür hämmerte.
Oh Mann ... Klopft das Monster an Türen, damit ihm aufgemacht wird? Und wenn eine Klingel vorhanden ist klingelt es? :lol:

So. Zur Kritik an sich: Gute, wenngleich altmodische Idee, leider sehr dürftig umgesetzt.

Die Charaktere bleiben stets an der Oberfläche, zu keiner der Figuren kann man irgend eine Gefühlsnähe aufbauen. Gerade das ist wichtig, um mit den Akteuren "mitzuzittern".

Extrem schlecht kam diesr "Rattenkampf" rüber - erstens völlig unnötig, idiotisch und viiiiel zu lang!
Der erste Rattenangriff hätte ausgereicht. Alles was danach folgt ist nur noch lächerlich.

Die größte Schwachstelle ist jedoch das Monster (die Monstren?) selbst: Ich konnte es mir im Grunde überhaupt nicht vergegenwärtigen. Die anfänglichen Andeutungen mit den grünen Augen fand ich gelungen - da bleibt das Ding mysteriös. Aber als du dann anfingst es beschreiben zu wollen, war auch hier die Luft draußen.
Ich verstand auch nicht, warum es bis zum Schluss wartet, ehe es ganz rauskriecht.

Der Stil ist streckenweise nicht gerade ein Ruhmesblatt und die Beschreibungen ziemlich schleißig. Gerade daran musst du unbedingt noch feilen!

Ein Spannungsbogen wird nur ganz am Anfang zart aufgebaut, als der alte Mann dem Monster in die Falle geht. Danach plätschert die Story vor sich dahin.

Resumee: Daraus ließe sich eine fesselnde Story machen, wenn man sie kräftig bearbeiten würde. Wie gesagt: Hau diese Rattenschlacht raus, konzentriere dich ein bisserl mehr auf die Charaktere, lass das Monster dezent im Hintergrund verweilen und bitte, bitte streich die entsetzlichen Klischees sowie das absurde "Finale"!

 

Hey Rainer!
Wow, da hast Du Dir jetzt wirklich nochmal Mühe gegeben.
Bei den meisten Kritikpunkten gebe ich Dir Recht (nicht nur weil es teilweise auch meine waren :D ), aber:

Sie bewohnte gemeinsam mit Ihrem Mann Aaron, der noch älter als Heather war, das letzte Haus in der Reihe
das noch älter als Aaron war. ;)
Warum hier "das" statt "der"? Bezieht sich doch auf Aaron.

Und Katzen schnurren auch, wenn sie schlafen oder dösen. ;)

Ugh

[ 29.06.2002, 16:41: Beitrag editiert von: Bibliothekar ]

 

Meines Wissens nach heißt es "das Haus". ;)

Ne, Katzen schnurren nur im wachen Zustand. Da kannst du mir vertrauen, bei Katzen kenn ich mich ein bisserl aus!

 

Aber der Satz ist doch auf den Mann bezogen? Ich hab das so verstanden, dass Aaron älter als Heather ist und nicht das Haus älter als Aaron. :confused:

Und wegen den Katzen: Naja, egal. Die von meiner Mutter sind sowieso etwas seltsam, vielleicht sollte ich besser nicht ihr Verhalten auf alle anderen Katzen übertragen. ;)

Ugh

 

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