Was ist neu

Es ist zu spät

Mitglied
Beitritt
26.09.2003
Beiträge
4
Zuletzt bearbeitet:

Es ist zu spät

Mist. Seit wann liege ich hier auf dem Boden? Ich weiß es nicht genau, aber es ist unbequem. Ich sollte aufstehen. Dieser verdammte Husten. Hört einfach nicht mehr auf. Der alte Mike ist vor kurzem gestorben. Der hatte doch auch so einen Husten. Gehe ich jetzt auch daran zu Grunde? Blödsinn, ich bin viel zu dumm um zu sterben. Verdammt kalt ist es hier auch. Wenn wenigstens dieser eisige Wind nicht wäre. Dieser verdammte Wind. Ich muss irgendwoher Bier oder Schnaps kriegen. Dann wird mir wenigstens etwas warm. Dieser verdammte Husten. Erst mal aufstehen. Wie spät ist es? Also eine Uhr habe ich ganz sicher nicht. Mal sehen... Die große Straße, die Bäume, der Laden vom geizigen Joe. Jetzt weiß ich es.

Ich muss in der nähe vom Markt sein. Da gibt es auch eine Uhr. Es ist eigentlich egal wie spät es ist. Also Termine habe ich ganz sicher nicht. Soviel ist klar. Ich sollte jemanden nach der Uhrzeit fragen. Da kommt eine Mutter mit ihrem Sohn. "Entschuldigen sie, könnten sie mir..." "Wir haben kein Geld und auch kein Essen für sie, komm Schatz." Essen. Eigentlich auch keine schlechte Idee. Jetzt habe ich auch noch Hunger. Toll, vielen Dank auch, meine Dame. Sehr damenhaft hat sie sich allerdings nicht benommen. Wollte doch nur die Uhrzeit wissen. Nur die Uhrzeit. Ich muss zum Markt, da ist eine große Uhr. Aber ich wette auch die guckt mich mit dem Arsch nicht an. Etwa so wie die blöde Mutter und auch sonst der Rest der Welt. Danke, Welt, vielen herzlichen Dank. Oh Gott, schaut ihn euch an, den verdammten sarkastischen Penner. Ich sollte Komiker werden. Aber dafür ist es wohl zu spät. Wenn ich nur die verdammte Uhrzeit wüsste. Erst mal was Essen. Im Mc D. Gibt es immer was zu holen. Wenn die mich da noch reinlassen. Da war irgendwas. Irgendwas war da. Vielleicht kann ich mir ja was kaufen. Mal sehen wie viel ich noch von dem Geld habe, dass die freundliche alte Frau mir gestern gegeben hat. Die war echt mal freundlich. Nicht so eine, wie die meisten andern in dieser verfluchten Stadt. Drei Euro. Ich meine Leute sind scheiße. Mit ihren dummen Ausreden. Nicht viel ist das. Drei Euro sind nicht viel. Ich bin einfach nur zu dumm, aber das gebe ich wenigstens zu. Zu dumm um zu wissen wie spät es ist. Grade genug für ne Portion Fritten und ein Bier. Aber immerhin etwas. Immerhin etwas. Ich sollte dann mal in den Laden gehen. Vorher noch den Dreck aus dem Gesicht wischen. Ich will ja nicht aussehen wie ein obdachloser Bettler. Schon wieder so ein Witz. Ich sollte das echt beruflich machen. Die Fritten sind gut. Ich weiß gar nicht wann ich das letzte mal Fritten gegessen habe. Muss schon ein Weilchen her sein. Mist, ich hab vergessen den Verkäufer zu Fragen wie spät es ist. Ich bin auch zu blöd. Das erste was ich mir kaufe, wenn ich ein reicher Witzbold bin ist eine verdammte Uhr. Ich fluche viel. Verdammt viel. Noch so ein scheiß Witz. Galgenhumor nennt man das wohl. Aber das weiß ich nicht mehr genau. Ist alles schon zu lange her. Wie lange weiß ich nicht. Dafür bräuchte ich die verdammte Uhr. Ein Teufelskreis. Wenigstens bin ich jetzt einigermaßen satt und warm ist mir jetzt auch etwas. Eigentlich schon etwas zu warm. Komisch. Ich schwitze ja schon. Ich sollte die Jacke ausziehen. Aber ich darf sie nirgendwo vergessen. Die Leute hier sind wie die Geier. Geben einem Nichts und sobald man ihnen den Rücken zudreht oder einschläft, beklauen sie einen was das Zeug hält. So sind die Menschen nun mal, so sind die.

Ich liege ja schon wieder auf dem Boden. Ich wollte doch zum Markt. Da gibt es immer was zu holen. Auch wenn es nur die Uhrzeit ist. Also aufstehen. Obwohl ich schon sehr müde bin. Aber wo bin ich eigentlich? Es ist immer noch dieselbe große Straße. Aber ich bin in die falsche Richtung gegangen.

Ist jetzt auch egal. Ich will jetzt schlafen. Aber wo? Dahinten ist der Eingang von dem verlassenen Gebäude. Die Tür ist zu, aber von der Straße bis zum Eingang sind es ein paar Meter. Da ist es bestimmt windstill. Da werde ich mich hinlegen. Da war ich schon letztens irgendwann mal. Der Karton ist auch noch da. Eigentlich ganz gemütlich hier. Aber man kann ja nirgendwo lange bleiben. Ne, das geht nun wirklich nicht. Ist eigentlich komisch, dass man es nie mitkriegt wenn man einschläft. Man liegt nur so rum, macht sich Gedanken und ist irgendwann weg. Komisch ist das. Echt komisch. Ich möchte eigentlich nur Wissen wie spät es ist. Ist schon toll wenn man so einfach zufrieden gestellt ist. Toll. Aber nicht mal das weiß ich. Dieser verdammte Husten. Nicht mal das. Warum ist mir so schwindelig? Wozu will ich überhaupt wissen wie spät es ist? Ich hab doch nur ein Bier getrunken. Ich sollte zum Arzt gehen. Wie spät ist es denn jetzt? „Es ist zu spät.“ Wer war das? Wer hat das gesagt? Meine Augen fallen zu.

 
Zuletzt bearbeitet:

Zu aller erst:

Nach dem Satz "So sind die Menschen nun mal, so sind die." solltest du einen Absatz machen, da dies eine entscheidende Stelle in deiner Geschichte ist. Vor diesem Satz sitzt der Typ noch im Mc Donalds, danach ist er schon wieder eingeschlafen und liegt irgendwo auf der Strasse. Für das Verständnis der Geschichte ist das ganz wichtig.

Alles in allem hat mir deine Geschichte gut gefallen, netter innerer Monolog der die Situation eines dementen, sterbenden Obdachlosen verdeutlicht.

P.S.: Der Satz "Es ist zu spät." sollte doch auf den Tod des Protagonisten hindeuten, nicht wahr? Oder etwa, dass er dem Wahnsinn verfallen ist? Ich denke, dass ist wohl Interpretationssache.

 

Ich hab die Geschichte erst zweimal lesen müssen, bis ich alles verstanden hab :-)
Beim zweiten Mal hat sie mir auch viel besser gefallen, obwohl ich zugeben muss, dass ich mich mit deiner kurzen Satzstrukur nicht anfreunden kann. Dieser Stil ist nicht so mein Ding.
Trotzdem hat mir die Thematik überhaupt und der Schluss gefallen, besonders da er wohl mehrere Interpretationen zulässt. Wahrscheinlich denkt jeder zuerst, dass der Protagonist gestorben ist - genauso würde es aber passen, dass ein vorbeigehender Passant der Ansicht ist, dass es für den "Penner" zu spät für ein "normales" Leben ist und dieser in seinem Suff einschläft... Ok, da wäre noch das Husten, aber das könnte auch ein Fingerzeig dafür sein, dass man mit einem geschwächten Immunsystem eher weg ist. Nur mal so ne Überlegung ;)

Gruß

I.

 

Danke erstmal für eure Meinungen!

Den Absatz habe ich einfach mal eingefügt, dass macht das Lesen bestimmt auch einfacher. :)

Die kurze Satzstruktur ist ganz einfach daran zu erklären, dass der ganze Text aus dem Gedankenfluß des Bettlers besteht. Daher können auch die Zeitsprünge zustande kommen, wie z.B. als er sich die Fritten kauft. Er steht vor dem Laden und ist sofort wieder draußen. Oder die Stelle die Identy angesprochen hatte, in der er sich so sehr in seine Gedankenwelt zurückzieht, dass er erst später mekrt, dass er auf dem Boden liegt. Man sieht halt nur worüber er sich Gedanken macht, also seine Realität.

Der letzte Satz zeigt das auch wieder, in dem er den Leser genauso im dunkeln lässt wie den Bettler. Er hat es gehört, aber man weiß nicht ob es wirklich gesagt wurde.

Ob er jetzt gestorben ist oder nicht, weiß ich leider auch nicht. ;)

 

Hallo Mcuwe,

mir hat die story nicht ganz so gut gefallen. Erstens konnte ich mich mit dem Bettler nicht genügend identifizieren, mir ihn nicht richtig vorstellen. vielleicht liegt es daran, dass ich von dem bettler nichts weiß - woher kommt er? wieso ist er in dieser situation? wo sind die details - was hat er genau an, wie sieht seine umgebung genau aus? ist er unrasiert, fettige haare etc etc - mehr leben im bettler als das dreckige gesicht hätte ich mir gewünscht..

Das thema Uhrzeit als symbol in der ganzen geschichte hat mich auch eher etwas irritiert, sie hat keine funktion außer, dass du damit am schluß den "bedeutenden satz" schreiben kannst - ich glaube, die uhr ist auch dafür verantwortlich, dass ich während des lesens einige mal "aufgesetzt" gedacht habe - die story wirkt nicht authentisch genug auf mich...

das sind aber vielleicht auch nur meine eindrücke..das bisherige feedback ist ja positiv..

stilistisch hab ich nichts auszusetzen..das kurze passt ganz gut und du ziehst es konsequent durch..

viele grüße, streicher

 

Hallo,

gut geschrieben. Hat aber ein paar inhaltliche Fehler. Wenn ein Penner neu in die Stadt kommt, macht er erst mal alle kostenlosen Futterstellen aus, weis also immer, wo es was umsonst gibt. Wenn er auf Alk ist wird jeder Cent in Schnaps und Bier investiert und wenns ihm zu kalt wird, geht er in einen U-Bahn-Tunnel oder eine Wärmestube. Auch wenn das viele nicht glauben wollen: Wenn einer auf der Strasse bettelt, dann nicht um sich davon Essen zu kaufen.

 

Vielleicht nicht alle.

Und vielleicht nicht nur.

Du verallgemeinerst.

 

es gibt immer Ausnahmen von der Regel. Aber würde MCuwe eine Ausnahme beschreiben, so währe der Hintergrund der Geschichte falsch angelegt.

 

Wiedermal Dank an alle, die meine Geschichte gelesen und sich damit auseinandergesetzt haben.

Also ich muss zugeben, dassich mich nicht all zu sehr mit der Materie auseinandergesetzt habe und mich auch sonst nicht wirklich im Alltag eines Bettlers auskenne. Ich habe die Geschichte einfach aus einem Guß runtergeschrieben und mich an den Symbolen orientiert, die mit der Zeit immer wieder auftauchen.

Den Schlusssatz habe ich erst später dazugeschrieben, weil ich das Ende so besser fand.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom