Was ist neu

Es ist soweit

Seniors
Beitritt
13.06.2002
Beiträge
2.978
Zuletzt bearbeitet:

Es ist soweit

Ein leichtes Gewitter tobte außerhalb des Restaurants, aber das spielte für ihn keine Rolle. In der Küche brüllte der Chefkoch seinen Gehilfen an, weil der die Hummerschwänze hatte verkohlen lassen. Aber auch das war ihm nicht wichtig. Der Speisesaal war gut gefüllt, beinahe alle Tische waren voll besetzt, bis auf einen. Bei näherer Betrachtung war jedoch auch das nicht weiter von Belang. Das einzige, was ihn an diesem Abend wirklich interessierte, war das Glas Wasser. Es stand auf dem einzigen Tisch, an dem nicht alle Stühle besetzt waren.
Ein junger Mann, ganz in schwarz gekleidet, saß dort und nippte an seinem Wasser. Beinahe vorsichtig, als wolle er ja nicht zuviel Flüssigkeit auf einmal in den Mund bekommen. Langsam ließ er seinen Blick durch das Lokal schweifen und ein leichtes Lächeln bemächtigte sich seiner Mundwinkel als er sah, wie die anderen Gäste ihre teuren Delikatessen auf ihren Tellern suchten.
Das hier war kein Restaurant, in das man geht, wenn man Essen möchte. Es war eines, in das man geht, um gesehen zu werden, um für möglichst viel Geld möglichst fremdartig anmutende Gerichte zu bestellen, die so geschickt angerichtet waren, daß man nicht einmal bemerkte, daß der Teller eigentlich leer war. Die perfekte Diät.
Der Mann in schwarz winkte einen Kellner zu sich heran, bezahlte sein Wasser und verließ mit gemächlichen Schritten den Saal. Draußen wurde er von einer Frau empfangen, die ihn mit seinem Namen ansprach. Nicht viele kannten seinen Namen und die Tatsache, daß sie hier war, konnte nur eines bedeuten.
Es ist soweit.

...

„Tut... tut es noch sehr weh?“
„Nur wenn ich lache.“
„Ich habe Sie noch nie lachen sehen.“
„Du bist ein verdammter Idiot, weißt du das?“
„Tut mir leid. Aber... Sie haben doch gesagt, ich soll den Knopf drücken.“
„Nein, ich habe gesagt, daß du... ach, vergiß es einfach!“

Die beiden Männer schwiegen eine Weile, die von Dr Pandea Thorne genutzt wurde, um die blutende Wunde in seinem Arm zu versorgen. Sein Assistent, ein junger Mann namens Karl, stand ein wenig betreten an den Überresten der Anlage und tat so, als würde er sie zu reparieren versuchen. In Wirklichkeit ließ er den Doktor der Quantenmechanik nicht eine Sekunde aus den Augen. Er fürchtete dessen Wutausbrüche.
Thorne war ein ziemlich emotionaler Mann. Wenn etwas nicht so klappte, wie er sich das vorgestellt hatte, wurde er schnell aufbrausend und cholerisch. Schon viele Assistenten und Versuchsaufbauten hatten das in der Vergangenheit zu spüren bekommen. Jetzt pulte er sich aus seinem knochigen Arm den kleinen Metallsplitter, der ihn bei der Explosion der Anlage getroffen hatte.
„Normalerweise würde ich dich jetzt achtkantig rauswerfen, Karl. Aber ich habe einfach keine Zeit mehr. Einen neuen Assistenten kann ich nicht mehr einarbeiten... Komm, bauen wir es wieder zusammen. Aber diesmal drückst du keine Knöpfe, bevor ich es dir nicht ausdrücklich befehle!“

...

Der Barkeeper polierte scheinbar teilnahmslos ein paar Gläser. In Wirklichkeit verfolgte er aber ganz genau, was sich an dem Tisch direkt vor seiner Theke abspielte. Drei Männer waren dort in ihr Pokerspiel vertieft. Noch nie hatte er so konzentrierte und verbissene Menschen gesehen. Keiner der drei schien gewillt zu sein, aufzugeben. Und so dauerte dieses Spiel nun auch schon zwei volle Tage an und der Einsatz auf dem Tisch war mittlerweile astronomisch hoch. Eine Menschentraube hatte sich versammelt und wollte das Ende dieses Spiels um keinen Preis der Welt verpassen.
Ging es zu Beginn noch um kleine Beträge, lagen dort nun schon Armbanduhren, Manschettenknöpfe, Goldketten und ein Dolch. Letzterer gehörte einem Mann, der ganz in schwarz gekleidet und ohne die geringste Regung zu zeigen mit am Tisch saß. Er musterte seine beiden Gegner mit einem abschätzenden Lächeln, nahm ab und an einen tiefen Schluck aus seinem Bierglas, gab sich ansonsten aber keinerlei Mühe, die anderen durch Gesten oder Worte einzuschüchtern.
Mußte er auch nicht. Alleine seine Anwesenheit schien zu genügen. Allen im Raum stand der Schweiß auf der Stirn. Aufregung, Angst und Anspannung lagen in der Luft. Nur der Mann in schwarz blieb ganz ruhig. Er wußte genau, was zu tun war. Plötzlich, als würde er einem inneren Impuls gehorchen, packte er dem Spieler links von sich ans Handgelenk und schlug es hart auf die Tischplatte. Der Geschlagene schrie auf und wand sich in Schmerzen. Dabei entblößte er seinen Unterarm und ein paar unter dem Ärmel versteckte Spielkarten kamen zum Vorschein.
Mit einem Lächeln erhob sich der Mann in Schwarz und verließ die Kneipe, die Zuschauer während hinter ihm sich auf den Betrüger stürzten und eine wilde Prügelei entstand. Draußen stand eine Frau lässig an einen Baum gelehnt und rief seinen Namen quer über die Straße.
Es ist soweit.

...

„Wohin gehört denn dieser Schlauch, Doktor?“
„Was für ein... der gehört da gar nicht hin. Hast du denn die Pläne nicht gelesen?“
„Oh... tut mir leid. Er lag auf dem Kopf. Alles klar, jetzt hab ichs im Griff.“
„Irgendwie bezweifle ich das...“

Seit Stunden waren die beiden Wissenschaftler nun schon damit beschäftigt, den Apparat wieder aufzubauen. Karl erwies sich dabei als keine große Hilfe. Ständig zog er Schrauben nicht fest genug an, verwechselte Kabel und machte Kaffeeflecken auf die Pläne. Dr Thorne war also gezwungen, jeden Handgriff selbst zu machen. Eigentlich war es ihm so aber am liebsten. Wäre Karl nur ein wenig klüger gewesen, hätte er vielleicht gemerkt, wofür die Maschine, die sie hier bauten, wirklich gedacht war.

...

Ein leises Röcheln drang in sein Ohr. Der ganz in schwarz gekleidete Mann hielt inne, drehte sich um und betrat das Krankenzimmer, aus dem das Geräusch gekommen war. Vorsichtig, beinahe ehrfürchtig setzte er sich auf die Bettkante und sah dem Patienten in die fiebrigen Augen. Langsam strich er ihm über die verschwitzte Stirn und murmelte lächelnd ein paar beruhigende Worte.
Dann erhob er sich, trank den Kamillentee, der auf dem Nachttisch stand und verließ das Zimmer wieder. Nicht ohne dem kranken Mann gute Besserung zu wünschen, was dieser mit einem heiseren Gekrächze beantwortete.
Im Gang des Krankenhauses kam ihm ein Rollstuhl entgegen. Eine Frau mit gebrochenem Bein. Abwertend und fast ein wenig angewidert sah der in schwarz gekleidete Mann in eine andere Richtung. So etwas war nicht seine Welt. Er haßte die Unfallstation, darum beeilte er sich, an ihr vorbeizukommen.
Gemessenen Schrittes verließ er das Krankenhaus und trat hinaus auf den von Sonnenlicht durchfluteten Parkplatz. Eine Frau schien dort auf ihn gewartet zu haben und winkte ihn mir einer lässigen Handbewegung zu sich heran. Er erkannte sie, weil sie die einzige war, die seinen wirklichen Namen kannte.
Es ist soweit.

...

„So, Karl, halt da mal den Finger drauf.“
„Hierhin?“
„Ja... ja genau dort hin. Wenn ich jetzt sage, drückst du den grünen Knopf. Aber erst dann, klar? Keinesfalls früher!“
„Wann soll ich drücken?“
„Wenn ich jetzt sage.“
„Okay... alles klar. Ich habs kapiert.“

Dr Thorne war wirklich sehr zufrieden mit seinem Werk. Er strich sich mit seinen feingliedrigen Händen über den kahlen Schädel, rückte seinen schwarzen Umhang zurecht und lächelte. Jetzt mußte er nur noch auf die anderen warten. Sicher würden sie bald hier sein. Erst wenn Die Vier vereint sind, können sie das Werk zu einem Ende bringen.
Es gab ein polterndes Geräusch aus Richtung der Tür, als diese aus den Angeln gehoben wurde und drei Männer in den Raum stolperten. Sie alle trugen wie Thorne schwarze Kleidung und sie alle hatten sehr lange auf diesen Tag gewartet.

„Kann es endlich losgehen?“, fragte Hunger.
„Ja. Ich habe alles vorbereitet.“ Die Vier stellten sich im Kreis um einen kleinen Tisch und hoben die Blicke zum Himmel. Ihre Macht würde sich heute vereinen und das große Werk vollenden.
„Machen wir dem endlich ein Ende.“, sagte Krieg.
„Gib ihm das Signal.“, forderte Pest den Vierten in ihren Reihen auf.
„Nun gut. Karl, drück den Knopf... Es ist soweit.“

 

Ha!

eine neue gnoebel-Story, und ich hab sie zuerst gesehen :D

Hier zunächst ein paar Kleinigkeiten:

Zeitformen: "Aber auch das war ihm nicht wichtig" ist wie alles andere Vergangenheit, aber "Bei näherer Betrachtung ist..." Gegenwart. Das ist verkehrt, glaube ich.
Das "Es ist soweit" am Ende des ersten Absatzes würde ich intuitiv kursiv schreiben, als Gedanke praktisch (wer auch immer ihn gerade denkt...), dann ist die Gegenwart auch okay, denn dieses Zitat des Titels der Geschichte muss so stehen bleiben dürfen.

"Nur wenn ich so mache.“
„Dann sollten Sie besser nicht so machen.“ -> sehr abgegriffener Gag, Dir fällt sicher was anderes ein.

... aus dem knochigen Arm, der ihn bei der Explosion der Anlage getroffen hatte. -> falscher Bezug

mit einem abschätzigen Lächeln -> abschätzenden

packte er dem Spieler links von sich ans Handgelenk -> packte er das Handgelenk des Spielers links von ihm

während hinter ihm die Zuschauer sich auf den Betrüger stürzten und eine wilde Prügelei entstand. -> während sich die Zuschauer hinter ihm auf den Betrüger stürzten...

Ein leises Röcheln drang ein sein Ohr -> in sein Ohr oder an sein Ohr

Der ganz in schwarz gekleidete Mann hielt inne, drehte sich herum -> drehte sich um

So, nun zum inhaltlichen.

Ich finde die Geschichte spannend, weil die vielen Szenenwechsel auf die Pointe hin arbeiten. Okay, die vier Reiter der Apokalypse treten in der Reihenfolge Hunger, Krieg und Pestilenz auf, und der Wissenschaftler ist der Tod, der offenbar die Menschheit mit einem Knopfdruck auszulöschen gedenkt?

Wirklich ein überraschendes Ende, das dazu verleitet, die Geschichte nochmal zu lesen, um herauszubekommen, welche Hinweise man verpasst hat ;)

Fazit: sprachlich locker, inhaltlich spannend und lebendig, gute Pointe.

Uwe

 

Moin Uwe,

Erstmal vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Freut mich wirklich, daß diese Geschichte bei dir angekommen ist.
Ich hatte beim Schreiben ein wenig befürchtet, daß die vielen Szenenwechsel den Leser vielleicht stören könnten. Naja... mal schauen, ob da noch kritische Stimmen kommen.

sehr abgegriffener Gag, Dir fällt sicher was anderes ein.
Stimmt, der Witz ist uralt. Aber ich liebe ihn einfach :D
Ich hab ihn auch schon in mehrere Geschihten eingebaut, aber eben ist mir eine viel bessere Idee gekommen, die ich gleich mal einbauen werde. Zwar auch ein Uralt-Witz, aber der paßt sinnvoll zur Story.

Vielen Dank auch für die anderen Anmerkungen - da setz ich mich gleich noch mal dran.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom