Erwachen
Ich wache auf. Geknebelt.
Der Geruch von nassem Moos, abgestandener Luft und feuchter Erde steigt mir schwer in die Nase und dringt an mein vernebeltes Gehirn. Mein Atem geht schwer und trotz des Klebebandes über meinem Mund schmecke ich immer noch Blut. Die Fesseln an meinen Armen und Beinen sind so stramm dass sie sich ins Fleisch schneiden. Hilflos liege ich auf dem Betonboden und beginne stumm zu beten. Der Boden ist staubig und teilweise mit Moos bewachsen. Seit 2-3 Tagen liege ich hier schon, abgemagert und durstig. Ohne einen Strahl Sonnenschein, einzig das fahle Licht einer einzelnen Glühbirne beleuchtet mein stilles Leiden. Ich beende mein Gebet und versuche vorwärts zu robben, doch der Schmerz im Brustkorb ist unerträglich. Ich muss mir wohl eine Rippe gebrochen haben als sie auf mich einschlugen. Sie. Wer war das überhaupt? Ich wusste es nicht.
Bis vor ein paar Tagen lebte ich ein geregeltes Leben, arbeitete in einer Kanzlei, lebte alleine und trieb regelmäßig Sport. Dabei hatten „sie“ mich auch geschnappt. Ich lief in der letzten Abendsonne noch eine kleine Runde durch den Wald nahe meiner Heimatstadt als „sie“ plötzlich aus dem Gebüsch sprangen. 4 maskierte Personen, vermutlich Männer. Ehe ich wirklich etwas realisieren konnte hatten sie schon einen Kreis um mich herum geschlossen. Dann stach der erste zu. Völlig unerwartet in meine linke Seite. Ich ging schmerzerfüllt blutend zu Boden, schrie um Hilfe, doch keiner hörte mich. Sie begannen mich zu treten und zu schlagen, bis zur Bewusstlosigkeit. Dabei muss wohl eine meiner Rippen gebrochen worden sein. An den Rest kann ich mich nicht erinnern.
So wachte ich letztendlich hier auf, gefesselt, panisch und ratlos. Seit dem war keiner der Entführer zu mir gekommen. Ich glaube langsam es wird auch keiner mehr kommen. Niemand. Ich werde wohl hier unten im Elend sterben, einfach so. Verdursten. Ich spüre wie die Tränen in mir aufsteigen und ich beginne langsam zu weinen. Die Welt verschwimmt vor meinen Augen in einem Schleier von Tränen. Die Tür schwingt langsam auf. Ein Mann tritt herein, in mir blüht eine unerwartete Hoffnung auf Erlösung auf, doch schnell wird mir bewusst das die bullige Person da einer der Entführer ist. Ich erkenne ihn trotz seiner Maskierung wieder, seine Statur, sein Auftreten, ich weiß einfach das er es ist. Er ist muskulös gebaut, hat eine krumme Nase, einen stoppligen Bart und einen rasierten Schädel. Er trägt einen Kapuzenpullover und eine weite Hose, beides in schwarz. Er sieht mich kurz an, murmelt sich selbst etwas zu und zieht sich Handschuhe an. Bisher stand er einfach nur da, in dem Türrahmen. Als seine Handschuhe sitzen kommt er langsam auf mich zu. Als er vor mir nieder kniet und ein Messer zieht, schlägt mir das Herz bis zum Hals. Er sieht mich an, lacht höhnend über meine Angst und schneidet die Fußfesseln auf. Entspannt atme ich auf als er sich vor mir wieder aufrichtet. Grob tritt er mir in den unteren Rücken, packt mich an den Schultern und zieht mich hoch. Es brennt in der Brust, doch mit seiner Hilfe halte ich das stehen aus. Er beginnt mich vor sich her zu stoßen und die Schmerzen werden schlimmer, ich stolpere vorwärts, verliere das Gleichgewicht und gehe auf ein Knie runter. Der Mann räuspert sich, packt meinen Arm und zerrt mich wieder auf die Beine. Ich atme schwer und sehr angestrengt. Der Schmerz wird schlimmer und schneidet zunehmend schärfer in meinen Verstand. Eine Flucht ist unmöglich, ich bin zu schwach. Langsam taumele ich auf die Tür zu als die Welt vor mir zerspringt. Ich sehe Sterne und breche unter dem Geschrei des Mannes zusammen. Die Ohnmacht legt sich wie ein kalter, erlösender Schleier über meinen Körper.
Als ich wieder aufwache ist alles um mich herum dunkel. Ich höre das Brummen eines Motors und alles um mich herum scheint zu beben. Der Geschmack von Blut ist intensiver und frischer. Meine Beine sind wieder gefesselt worden. Als das Beben zunimmt wird mir klar dass ich im Kofferraum eines Autos liegen muss. Ich spüre die Panik wieder in mir aufsteigen. Ich versuche mich freizustrampeln, irgendwie auf mich aufmerksam zu machen, doch es hilft nichts. Ich beginne erneut zu beten, als der Wagen langsamer wird, und schließlich anhält. Ich Höre wie der Motor verstummt und in meinem Kopf noch eine Sekunde weiter dröhnt. Mehrere Türen öffnen sich und fallen wieder zu. Jemand öffnet den Koffer. Das plötzlich einfallende Licht ist so grell dass es im ersten Moment unmöglich ist irgendetwas zu erkennen. Nach und nach zeichnen sich die Konturen von 4 Köpfen vor mir ab. Grob packt man mich unter den Armen und gleichzeitig an den Beinen, 2 Männer heben mich aus dem Kofferraum. Ich erkenne den bulligen Mann von eben wieder. Er und ein junger Mann, etwa in meinem Alter, legen mich jetzt ein Stück vom Auto weg wieder ab. Es ist kurz vor Sonnenuntergang, der Himmel ist leicht bewölkt und strahlt im Westen orange-rot. Wir sind auf einer weiten asphaltierten Fläche, möglicherweise ein Flugplatz. Der dritte Mann begibt sich langsam zurück zum Wagen. Er ist der älteste und auffallend viel besser gekleidet als die übrigen. Seine Wilden Locken, die unter einer Strickmütze heraus in sein Gesicht fallen, sind teils grau, statt schwarz. Die verbleibenden Männer blicken verachtend auf mich nieder und ich sehe sie bloß hilflos an. So muss sich eine Maus vor einer Schlange fühlen… Der Mann mit den Locken kommt zurück, er trägt jetzt Handschuhe und hält er einen Kanister. Er stellt sich zu den Anderen in den Kreis um mich herum, sieht in die Runde, grinst hämisch und schüttet den Kanister über mir aus. Ich werde wieder von Panik ergriffen, die Luft ist erfüllt von starkem Benzingeruch und der Treibstoff brennt sich in meine Wunden, in meine Augen, er brennt auf meiner Haut. Mit abgeklebtem Mund beginne ich zu schreien, der Schmerz ist unerträglich, ich verkrampfe mich, am Boden liegend. Ich winde mich unter schrecklichen Schmerzen doch die Männer lächeln sich bloß gegenseitig zu. Der Älteste mit den Locken greift in die Innentasche seines Jacketts und zieht ein silbriges Feuerzeug hervor. Ich reiße die Augen voller Angst auf, starre ihn geraderaus an und er sieh mich nur sonderbar amüsiert an. Dann öffnet er die Verschlusskappe des Feuerzeugs, sieht mich wieder an und entzündet eine kleine züngelnde Flamme. Ich sehe ihn flehend an, versuche ihn durch das Klebeband um Gnade anzuflehen, doch er zeigt sich unbeeindruckt und lässt das Feuerzeug fallen. Diese einzige Sekunde, die das Feuerzeug in der Luft war, wurde zur längsten meines Lebens. Ich sah die kleine Flamme lodern und fackeln, das Feuerzeug drehte sich, doch die Flamme erlosch nicht. In diesem Moment war alles um mich herum still. Es gab nur noch mich und das fallende Feuerzeug. Funken stoben von ihm ab und verglühten im Flug. Schließlich schlug das Feuerzeug am Boden auf. Das Scheppern des Aufpralls klang unnatürlich laut in meinen Ohren. Im selben Moment loderte ein Feuer auf. Ich schrie unter den schlimmsten Qualen die ein Mensch wohl erleiden kann. Die Hitze war unerträglich. Meine Kleidung qualmte und mein Fleisch verbrannte, während ich stumpfe Schreie der Qual ausstieß, unter den Blicken der 4 Männer. Die Luft war erfüllt vom den widerlichen Geruch meines verbrennenden Körpers als…
Ich wache auf. Geknebelt. Auf dem staubigen Betonboden.