- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 4
Erwachen
Eines Tages erwachte ein junger Herr aus einem Traum. Was er geträumt hatte, wusste er nicht, denn er war wach, somit fern von dem, was er zuvor gewesen war. Er schaute um sich und bemerkte, dass er noch im Bette lag, also entschloss er sich aufzustehen, denn da zu sein war etwas Besonderes. Als er zum ersten Mal seit langem den Flur zur Tür entlang lief, bemerkte er, es war kalt geworden. Die Wände seiner Zimmer hatten Risse bekommen. Die Pflanzen waren längst verstorben, denn die Sonne war verschwunden und es war dunkel. Draußen flackerten Straßenlaternen, die vergebens versuchten, Licht in die Finsternis zu bringen. Barfüßig und nur mit dem Schlafrock bekleidet schritt er zur Tür hinaus und stand plötzlich im eisigen Schnee. Er wollte sich lebendig fühlen und fühlen kann man nur, wenn man sich nicht verhüllt.
„Guten Abend der Herr, dürft' ich Sie ein Stück begleiten?“
Ein Schüler stand neben ihm und starrte ihn sehnsüchtig an, als hätte er schon lange auf diesen Moment gewartet, als wüsste er, dieser Tag würde kommen, an dem er erwacht.
Der junge Mann reagierte nicht auf den Schüler, er ging den einzigen Weg entlang, der beleuchtet war. Doch der eifrige Schüler ließ sich nicht abweisen und folgte seinem Lehrer. Der junge Herr störte sich nicht an dem lästigen Anhängsel, welches dann kein Wort sprach und einen Abstand hielt, dass er schon wieder fast das Gefühl bekam, alleine zu sein. Er wollte sich diesen Augenblick nicht nehmen lassen. Jeder Mitspieler könnte ihm den Zug verderben. Er durfte sich das einfach nicht erlauben. Nicht nachdem er solange geschlafen hatte.
Nach einer Weile gelangten sie an einen Park. Am Eingang befand sich ein Tor, das einladend weit offen stand. Es war zu verlockend. Nicht hineinzugehen wäre unlogisch, denn umkehren war unlogisch. Als der Lehrer mit seinem Schüler hindurchlief, bemerkte er, dass sie sich auf einem Friedhof befanden.
„Warum haben Sie sich für diesen Pfad entschieden?“, fragte der Schüler.
Erbost über diese törichte Frage antwortete der junge Herr: „Du hast mich doch die ganze Zeit begleitet, hast du eine andere Möglichkeit gesehen?“
„Es hätte auch andere Routen gegeben.“
„Herr Gott, wie hätte ich denn bei dieser verdammten Dunkelheit auch nur das Geringste sehen können?“
„Sie hätten sich Licht machen müssen.“
„Jetzt schreibst du mir auch noch vor, was getan werden muss. Was fällt dir ein, mir so etwas zu sagen. Das ist unerhört! Ist dir denn deine Stellung nicht bewusst?“
„Ich schreibe Ihnen gar nichts vor, schließlich ist das Ihr Traum. Aber wegen Ihnen kommen wir hier nicht mehr raus.“
„Wieso sollen wir hier nicht wieder rauskommen? Ich versteh' dich nicht. Ich möchte, dass du mich jetzt in Ruhe lässt!“
„Hören Sie mir denn gar nicht zu? Ich kann hier nicht weg, ebenso wie Sie. Hätten Sie einen anderen Pfad beschritten wären wir jetzt nicht in dieser Misere.“
Der junge Mann wurde wütend, da er bemerkte, dass sein Gefolgsmann unbelehrbar war. Er wollte zurück und sich wieder schlafen legen. Er war müde geworden vom vielen spazieren gehen und er fror am ganzen Leib. Jedoch als er sich umdrehte, war das Tor im Nebel verschwunden. Sein Begleiter saß auf dem Boden und rührte sich nicht. Plötzlich überkam ihn ein Gefühl von Angst, das sich bis in alle Glieder ausstreckte. Er wollte rennen, doch seine Beine weigerten sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, um voranzukommen. Er wollte schreien, doch seine Stimme weigerte sich seiner Verzweiflung Ausdruck zu gewähren. Er blickte hilfesuchend seinen Schüler an, doch dieser weigerte sich, seinen Blick zu erwidern, stattdessen richtete er sich auf und klopfte den Schnee von der Hose.
„Ich habe Ihnen vertraut. Ich habe an Sie geglaubt. Aber Sie waren auch nicht anders als die anderen. Sie haben uns ins Verderben gestürzt.“
Der Mann war wie versteinert. Er konnte in keinster Weise reagieren also blieb er wie er war.
„Nun denn. Sie wissen's ja, es ist zu spät! Hier gibt es für mich nichts mehr zu lernen. Leben Sie wohl.“
Zum Abschied verbeugte sich der engagierte Schüler und wanderte schließlich durch das Tor.