Erwachen
Der Morgen schmeckte bitter. Sie öffnete die Augen und blinzelte irritiert, dies war nicht ihr Schlafzimmer. Der Geruch von kaltem Tabak und menschlichem Schweiß bildete eine ungute Mischung. Sie drehte den Kopf, um nach der Quelle des eindringenden Tageslichtes zu suchen. Der Geschmack in ihrem Mund wurde sauer, sie stürzte in den angrenzenden Waschraum. Es geschah was geschehen musste. Als sie nichts mehr in sich hatte, wusch sie sich das Gesicht mit kaltem Wasser und sah in den Spiegel. Sie fühlte sich klein, elend und dreckig.
Wie eine Königin war sie gestern auf Sandrins Party erschienen. Sie wusste sofort, als sie ihn dort traf, dass er einer von zu vielen war. Er hatte sie wieder zu dem gemacht was sie war, eine billige Nutte, ja, eine die es umsonst tat. Nein, umsonst war es nicht, jedesmal gab sie ein Stück ihrer Selbst, ihrer Träume. Sie hatte sich so satt.
Sie wusch sich und zog ihre Kleider wieder an. Langsam verwandelte sie sich zurück in die Maske, die sie sich ausgesucht hatte. Sie frisierte ihr Haar und lächelte sich im Spiegel zu. Sie verließ das schäbige Hotelzimmer und lachte über ihre Untergangsstimmung. Sie war jung und schön, solche Nächte gehörten dazu. Sie würde Janie im Büro davon erzählen, es ein wenig ausschmücken. Sie sah Janies Gesicht schon vor sich, jedes ihrer Worte aufsaugend, wie ein trockener Schwamm.
Als sie den Flur vor dem Zimmer betrat, öffnete sich die gegenüberliegende Tür. Eine junge Frau kam heraus. Sie lächelten sich an und plötzlich war es, als ob sich eine Nebelwand lichtete. Beide sahen gegenseitig aneinander herunter und lachten laut auf. Sie waren gleich, wie Zwillinge, viel zu aufgetakelt für diesen schmierigen Laden. Sie verließen das Hotel Hand in Hand und wussten, dass sie ihr Leben ändern würden.