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- 17.06.2008
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Erstkontakt
Das Schiff hing in der Leere, in einem stabilen Orbit sechstausend Kilometer über der Oberfläche eines Planeten, dessen Atmosphäre in einem matten Grünton schimmerte. An Bord der achtzig Kilometer durchmessenden Silberkugel befand sich einzig der Kommandant, der vollkommen reglos im Zentrum des Schiffes in einem künstlich erzeugten Antigravitationsfeld hing.
Gerade machte er einen Eintrag ins Logbuch.
„Akte P-914-XK-4 geöffnet.
Planet hat um Mitgliedschaft in der intergalaktischen Föderation gebeten.
Diese wird hiermit verweigert.
Begründung:
Die moralische und technologische Entwicklungsstufe der Spezies entspricht nicht dem in der Föderation gegebenen Standart.
Beispiele:
Moralisch – Den letzten Krieg hat es vor fünftausend Jahren gegeben. Das letzte Gewaltverbrechen liegt nicht einmal zweitausend Jahre in der Vergangenheit. Die Rasse befindet sich auf dem dritten Grad kollektiver Erleuchtung, auf dem Kommunikation nur noch mittels Telepathie vollzogen wird.
Technologisch – Die planetare Energieversorgung basiert auf dem Prinzip der kalten Wasserstofffusion. Die Raumschiffe erreichen kaum sechstausendfache Lichtgeschwindigkeit. Weniger als zweitausend Sonnensysteme sind kolonisiert.
Trotz dieser für eine Jungrasse üblichen primitiven Zustände habe ich mich entschlossen, den Planeten zumindest auf die Anwärterliste zu setzten. Eine weitere Überprüfung der Mitgliedseignung wird in eintausend Jahren stattfinden.
Akte P-914-XK-4 geschlossen.“
Der Kommandant zog sein Bewusstsein aus dem Zentralcomputer zurück und besah sich die nächste Aufgabe. Ein Erstkontakt im G-Quadranten.
Ein einfacher Auftrag.
Dort hatte eine Robotsonde die Funksignale einer fremden Rasse aufgefangen. Art und Inhalt der Signale zeugten zwar von großer Primitivität, aber die Radiowellen befanden sich auf einer hohen Frequenzspur, was mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,0463 Prozent auf Kenntnis metaphysischer Vorgänge hinweisen konnte.
Nicht viel, aber Grund genug, sich den Planeten einmal etwas genauer anzuschauen.
Der Kommandant programmierte die Koordinaten und aktivierte den Antrieb. Eine Sekunde später fiel er achthundert Milliarden Lichtjahre entfernt aus dem Nullraum, in einem stabilen Orbit sechstausend Kilometer über der Oberfläche des Zielplaneten.
Er aktivierte die Sensoren:
Dreizehn Millisekunden später entschied er sich gegen einen Kontakt.
Der Planet war am Ende! Die Meere waren vergiftet, die Landmassen geschändet und gebranntmarkt. Die äußere Lufthülle war irreparabel beschädigt. Die Ozonwerte und Messungen kosmischer Strahlung befanden sich im roten Bereich.
Es kam einem Wunder gleich, von diesem Planeten überhaupt noch Lebenssignale orten zu können.
Die Bevölkerung verhielt sich den Umständen entsprechend. Sie zerfleischte sich selbst! Die Sensoren erfassten Dutzende kleiner Kriegszonen weltweit. Radioaktive Messungen ließen auf ein globales Atomwaffenarsenal schließen.
Der Kommandant empfand Ekel. Nein, dieser Planet kam für eine Mitgliedschaft in der Föderation nicht in Frage. Hier gab es nur noch eines für ihn zu tun.
Er fuhr die Zieloptik hoch und aktivierte die Phaser.
Doch plötzlich zögerte er.
Sollte er den Fremden vielleicht noch eine letzte Chance geben, bevor er ihnen den Gnadenschuss verpasste? Immerhin: Die Radiowellen befanden sich auf einer hohen Frequenzspur.
Er traf eine Entscheidung und deaktivierte Phaser sowie Zieloptik. Ganze 4,2 Sekunden investierte er in die Analyse der planetaren Radio- und Fernsehsignale.
Dann aktivierte er den Teleporter.
Eine Sekunde später rematerialisierte er auf der Planetenoberfläche, vier Meter neben dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.
Dieser befand sich gerade in einem Sportstadion und hielt die wichtigste Ansprache in der Geschichte der Menschheit. Achtzigtausend Zuschauer saßen dichtgedrängt. Das Fernsehen war anwesend und übertrug die Rede live in neunhundert Millionen Haushalte weltweit.
Wissenschaftler hatten entgegen Regierungsanweisungen gehandelt und die Nachricht publik gemacht, dass der Planet am Ende war. Das Ausmaß jahrzehntelanger Umweltverschmutzung hatte einen nicht mehr umkehrbaren Punkt erreicht. Selbst wenn jetzt sofort alle Menschen zur Vernunft kämen, würde die Welt in spätestens fünfzehn Jahren eine leblose Einöde sein.
Und es gab nichts, was man noch dagegen tun konnte.
Daraufhin brachen weltweite Unruhen aus. Es war zu Plünderungen und Massenhysterie gekommen. Die Kriminalitätsrate war innerhalb von einer Woche um zweitausend Prozent gestiegen. Und schließlich sah der Präsident sich gezwungen vor die Weltöffentlichkeit zu treten und den Wahrheitsgehalt der Meldung zu bestätigen.
Er hätte die Rede so gerne im Oval Office gehalten, mit nur einer Fernsehkamera, die auf ihn gerichtet war, dicken Mauern um ihn herum, viel Sicherheitspersonal, noch mehr dicken Mauern und einem startbereiten Hubschrauber, der draußen auf dem Rasen wartete.
Aber seine Ratgeber waren strikt dagegen gewesen.
Der Präsident war nervös. Schweiß perlte auf seiner Stirn, die Hände zitterten leicht. Ab und zu stotterte er, verlor den Faden oder verhaspelte sich im Text.
Der Grund war eine zunehmende Unruhe in den Reihen der Zuschauer.
Besser gesagt: Am Anfang hatte es Unruhe gegeben. Pfiffe, Buhrufe und die eine oder andere Gemüsesorte und Getränkedose, die auf das Spielfeld geflogen waren. Aber während er sich durch seinen Text kämpfte, so etwa zu jenem Zeitpunkt, als er der Weltöffentlichkeit mitteilte, dass die Reichen und Mächtigen in Bunkern überleben würden, während der Pöbel zu einem langsamen und qualvollen Tod verdammt war, war Ruhe eingekehrt. Jetzt fiel jedes seiner Worte in einen unauslotbar tiefen Abgrund eiskalten Schweigens.
Kurz fragte er sich, ob die vierzehn Bodyguards ihn im Ernstfall vor einem achtzigtausendköpfigen rasenden Mob beschützen könnten.
Er hatte Zweifel.
Gerade war er an einem Punkt seiner Rede angelangt, an dem er der Menschheit riet, den drohenden Weltuntergang zu ignorieren und einfach so weiter zu machen wie bisher, als er plötzlich bemerkte, dass ihm niemand mehr zuhörte. Die Zuschauer waren aufgesprungen und tuschelten aufgeregt miteinander. Die Fernsehkameras waren auf einen Punkt links von ihm geschwenkt.
Er drehte sich um und sah eine einen Meter durchmessende Silberkugel reglos neben sich in der Luft schweben.
Er erbleichte.
Der Kommandant erfasste die Situation sofort und schaltete sich in das Kommunikationssystem ein.
„Guten Tag“, sagte er, und weltweit vernahmen mehr als eine Milliarde Menschen seine Stimme. „Ich bin eine Hochleistungskontaktsonde vom Typ B. Ich bin gekommen, um Sie zu retten.“
Dem Präsidenten klappte die Kinnlade herunter.
Der Kommandant fuhr fort.
„Innerhalb der nächsten vierzig Minuten werde ich alle Umweltschäden beheben, alle Kriege beenden, den Welthunger ausmerzen und alle Krankheiten heilen. Außerdem werde ich Ihnen eine Technologie zur Verfügung stellen, die Sie befähigt, ihre Welt in ein blühendes Paradies zu verwandeln, in dem alle Menschen glücklich sind und niemand mehr hart zu arbeiten braucht. Danach können wir uns über eine eventuelle Mitgliedschaft in der intergalaktischen Föderation unterhalten, in der bereits achtzehntausend verschiedene Rassen vereinigt sind.“
Der Präsident begann zu zittern.
„Wenn Sie mit all diesen Maßnahmen einverstanden sind, dann geben Sie dies bitte zu erkennen. Ein einfaches Ja oder auch ein simples Nicken genügen.“
Der Präsident stöhnte, griff sich an die Brust und kippte wie ein gefällter Baum nach hinten, knallte schwer auf die hölzernen Bodendielen der Bühne.
Der Kommandant schwebte ein Stück nach vorne und richtete seine Sensoren auf den Mann.
Er war tot.
Seltsam...
Ein Mann des Secret Service interpretierte die Situation falsch, zog seine Waffe und schoss.
Einmal.
Die Kugel prallte vollkommen wirkungslos an der silbernen Außenhülle aus achtfach konzentriertem monomolekularen Weltraumstahl ab und sirrte als Querschläger davon.
Der Kommandant reagierte unverzüglich.
Ein winziges Fach an seiner unteren Seite öffnete sich, und heraus glitt eine hauchdünne silberne Antenne. Ein Blitz zuckte, und der Planet zerplatzte. Funken stoben hinaus in die Kälte des Alls, gefolgt von glühenden Gesteinsbrocken, die im Vakuum schnell erkalteten.
Der Kommandant schwebte inmitten einer faserigen Wolke subatomarer Partikel und zog die Antenne wieder ein. Kurz fragte er sich, ob er vielleicht etwas überreagiert hatte.
Ein mentales Schulterzucken folgte.
Er teleportierte sich wieder auf sein Schiff zurück.
Der Eintrag ins Logbuch lautete wie folgt:
„Akte G-723-LP-9 geöffnet.
Planet hat sich als verlorene Welt erwiesen. Habe Gnade walten lassen.
Akte G-723-LP-9 geschlossen.“
Er zog sein Bewusstsein aus dem Zentralcomputer zurück und besah sich die nächste Aufgabe. Ein Schlichtungsverfahren im C-Sektor. Dort stritten sich zwei Superrassen über die Schürfrechte am negativen Plasma eines schwarzen Loches.
Ein einfacher Auftrag.
Der Kommandant programmierte die Koordinaten und aktivierte den Antrieb. Eine Sekunde später fiel er zweihundert Milliarden Lichtjahre entfernt aus dem Nullraum, in einem stabilen Orbit sechstausend Kilometer über der Oberfläche des Zielplaneten.