Erster Versuch, zweiter Teil
Die Glocken der Uhr im Park schlugen, sie war pünktlich.
Wartete auf der üblichen Bank ihren treuesten Kunden zu empfangen, ihre Bezahlung gegen die gestohlene Ampulle zu tauschen um dann in die Nacht zu entfliehen, wie die Sonnenstrahlen es taten, dem Schatten der Nacht zu weichen.
Bevor sie ihre Hütte verlassen hatte, schrieb sie ihrem Auftraggeber noch eine Email:
„Hier V,
hab wie immer den schwarzen Hoodie mit dem aufgedruckten Tigerkopf an und werde an der Bank vorm See warten.
Bis gleich.“
Danach war sie losgegangen, ihre Hütte lag nicht weit von dem Park entfernt. Sie brauchte circa zehn Minuten zu Fuß, wenn sie sich nicht beeilte. Auf dem Weg zu der Bank fiel ihr die Einsamkeit auf mit der sie zu kämpfen hatte und ihre Gedanken schweiften wieder ab zu dem Jungen, der anscheinend so war wie sie.
Da war sie, saß auf der Bank an der üblichen Stelle und wartete auf den Käufer der Ampulle.
„Was wohl in der Ampulle war?“, fragte sie sich und ertappte sich dabei, wie sie wieder einmal zweifelte. Zweifelte über ihre Art zu leben, wohl eher zu überleben. Zweifelte an ihrem Sein. Zweifelte an den Entscheidungen die sie hierher geführt hatten. Zweifelte an ihren Zweifeln.
Sie schüttelte ihren Kopf und damit die Zweifel hinfort. Griff in die tiefe Tasche ihres Hoodies und zerrte eine zerfetzte Zigarettenschachtel und ein altes Sturmfeuerzeug hervor, zündete sich eine Zigarette an und stopfte beides zurück in die Tasche.
Das Läuten der Glocken verstummte, sie starrte in die Dunkelheit hinaus auf den dunkelblauen See. Im Hintergrund schien der Mond hell zwischen den Wolken.
Ihr Herzschlag wurde schneller, sie konnte die Anwesenheit von Jemandem spüren, sie roch ihn und in dem Moment trat er in ihr peripheres Sichtfeld, stütze sich mit beiden Händen auf die Lehne der Bank und fragte: „Wo ist die Ampulle?“
Bevor sie auch nur an eine Bewegung dachte schoss aus ihr heraus: „Erst die Bezahlung.“
Er ließ eine braune Tüte neben ihr auf die Bank fallen und sie schnippte die Kippe in den See. Der Rauch kroch ihr noch aus der Nase und dem Mund, als sie in der Tüte nachsah.
Vertrauen ist gut, doch Kontrolle ist besser, diese Lektion hatte sie einmal auf die harte Tour gelernt und sich geschworen diesen Fehler niemals zu wiederholen.
Es passte. „Die Ampulle steht an der zweiten Bank hinter uns.“, sagte sie in Richtung des Mondes.
Er verschwand aus ihrem Sichtfeld, sie drehte sich um und sah ihn, wie er zu der anderen Bank ging, eine Taschenlampe in die Hand nahm um besser sehen zu können. Die Ampulle stand im Mittelpunkt des Lichtstrahls.
„Perfekt! Danke, es ist immer schön mit dir Geschäfte zu machen.“, sagte der Mann und drehte sich dabei zu ihr um, realisierte, dass er mit sich selbst redete, da sie schon längst in die Nacht entflohen war.
Er drückte ab, lockerte die Gürtelschnalle mit einem gekonnten Handgriff und spürte, wie sich das Heroin in seinem Netzwerk aus Adern, dass seinen Körper mit Blut versorgte, verteilte.
Ihm wurde warm, erst nur um die Stelle des Einstiches herum, dann breitete die Wärme sich in seinem Körper aus, wie ein Lauffeuer.
Innerhalb von Sekunden durchschoss ihn die Wärme, wie eine Kugel, aus dem Lauf einer Desert Eagle gefeuert, ein Stück Butter durchschoss.
Das Gespräch mit Frank, wenn man es denn überhaupt so nennen mag, war nicht sehr positiv verlaufen, es fand auch kein Austausch von Freundlichkeiten, oder Unfreundlichkeiten statt, was vermutlich daran lag, dass Frank im Koma lag, aufgrund seines gebrochenen Schlüsselbeins, Schultergelenks und seiner fehlenden Muskelmasse und der dazugehörigen Hautfetzen an der Schulter.
Als sich Tony die Verletzung angesehen hatte, war ihm klar geworden, dass Frank froh sein konnte, dass es nur seine Schulter zerfetzt hatte.
Das Mädchen hätte auch durch ihn durchrennen können, was für sie vermutlich eine eher weniger schöne Erfahrung gewesen wäre, die Innereien von Frank hätten sich an ihr verfangen, sie wäre blutüberströmt gewesen und Frank, der wäre tot, hätte aber keine Schmerzen gehabt und würde jetzt auch nicht im Koma liegen.
Im Rausch dachte Tony darüber nach, was seine nächsten Schritte sein würden um das Mädchen ausfindig zu machen, soweit sein Rausch es zuließ. Eigentlich lag er nur in seinem Sitzsack, den er vor sein bodentiefes Fensterelement positioniert hatte, starrte auf den See des Westparks und sah bei dem Versteckspiel des Mondes und der Wolken zu.
Die Deutung seiner, von Drogen beeinflussten Träume legte er morgens so aus, dass es für ihn immer gut ausging. Oder wenn die Träume zukunftsweisend waren, sah Tony nur das positive für ihn selbst. Doch dieses Mal, war der Traum geprägt von Wahnvorstellungen. Monster die ihn verfolgten, durch das Haus seiner Kindheit, an das er so viele Erinnerungen hat. Er selbst, der auf einmal langsamer war als andere Menschen und gebrechlicher, als wären seine Knochen aus Glas.