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Erstens kommt es anders...!

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23.01.2003
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Erstens kommt es anders...!

Erstens kommt es anders.
Zweitens als man denkt!
Und Drittens, wie es kommen muss!

Hallo. Mein Name ist Collin. Brast Collin. Ich habe da eine Story zu erzählen. Eigentlich ziemlich abgefahren, und schwer zu glauben, dass dies alles wirklich passiert ist.
Obwohl meine Zurechnungsfähigkeit an dem Abend des Geschehens von Stunde zu Stunde radial (weil radix = Wurzel = Wurzelziehen = etwas kleiner machen, oder so) abgenommen hatte, kann ich alles noch sehr genau rekonstruieren. Mein Vater arbeitet nämlich bei der städtischen Polizei und wurde am besagten Abend auch zum Einsatzort zitiert, dort, wo alles passiert war. Inoffiziell gab er mir später eine vollständige Akteneinsicht. Deswegen bekomme ich den ganzen Film noch zusammen.

Da sind so ein paar Dinge, die ihr vorher wissen solltet. Zum Beispiel, dass das alles auf der Party von meiner Bekannten Namens Morticia passiert ist. Wir nennen sie so wegen ihrem ausgeprägten Hang zur Farbe Schwarz. Morticia ist ein sehr liebes Mädel, aber da gibt es leider noch ein paar andere, die nicht so lieb sind, zum Beispiel Ralle. Ralle ist in Morticia hoffnungslos verschossen. Und ständig stellt er ihr nach, lauert ihr auf und beobachtet sie heimlich. So auch an dem Abend. Seit dem nennen ihn die Leute aber „Ralle die Katze“. Warum das so ist, werdet ihr noch sehen. Dann sind da noch Sybille und ihr trotteliger Freund Toffy. Sybille mag Morticia nicht ausstehen und will ihr was auswischen. Ausgerechnet an diesem Abend. Wird schon schief gehen. Tja, und dann sind da noch meine Kumpels Sven und Maverick. Beide besoffen, so wie ich. Maverick denkt im Rausch immer, er wäre in Mogadischu, Bundeswehreinsatz! Sven möchte nach den ersten 4 Bier immer die Regierung stürzen. Aber lest selbst...

Es war ein herrlich lauwarmer Spätsommerabend. Am Horizont dämmerte der azurne Himmel seinem abendlichen Rot entgegen. Milde Brisen wehten uns durchs Haar, als wir mit unseren Fahrrädern in die Straße einbogen, wo Morticias Haus stand. Es war eigentlich das Haus der Eltern. Aber die waren nicht da, sondern gerade in Holland. Und Morticias nervige kleine Schwester hatten sie gleich mit im Gepäck. Das bedeutete, dass ein Haufen cooler Leute die ganze Hütte für sich alleine hatte. Das Wochenende schien also gerettet.
„Erster“ trompetete Sven, machte in Morticias Einfahrt eine Vollbremsung und warf sein Mountainbike gegen den Zaun.
„Angeber“ tönte ich zurück. Wir hatten unsere Räder längst abgeschlossen, als Maverick schließlich eintrudelte. Wir waren zusammen losgefahren. Maverick beschrieb mit seinem Rad bereits unfreiwillig Schlangenlinien um die mittlere Fahrbahnmarkierung. Wir waren nämlich vorher bei Sven gewesen, wo Maverick sich mit drei Flaschen Bier und einer halben Flasche Bacardi aufgewärmt hatte. „Damit ich den Lenker ruhig halten kann, ihr werdet schon sehen“ hatte er uns versichert.
Als Morticia uns die Tür öffnete, begrüßte sie uns alle mit einer herzlichen Umarmung. „Na, mein Kleiner“, sagte sie zu mir, „was machen die Weiber? Immer noch solo?“
„Die Weiber?“ entgegnete ich, „Ja, die sind immer noch solo.“ Morticia lachte mich aus: „Jetzt find mal endlich eine Frau für dich, sonst mach ich das.“
Nun, wir gingen ins Wohnzimmer und pflanzten uns zu den anderen Gästen, die sich bereits im ganzen Raum verteilt hatten. Dann begannen wir zu saufen.

Eine halbe Stunde später etwa parkte Ralle seinen Wagen zwei Straßen weiter und bereitete sich auf seine nächtliche Observation vor. Getrieben von Liebeskummer und gezeichnet von Verzweiflung scharrte er im Kofferraum seine Ausrüstung zusammen. Videokamera, Mikrofon, Digitalkamera. Dazu ein Tarnset der Schweizer Armee inklusive der Tarnschminke. Wer ihn so sah, rannte weg. Hoffnungslos waren seine Anrufe und seine Liebesbriefe an Morticia. Nichts wollte sie von ihm wissen. Deswegen suchte er durch Beschattung ihre Nähe und über die Fotos und Filmaufnahmen, die er dann von ihr machte. Pervers aber unglücklich.
Er knallte den Kofferraum zu und machte sich zu Fuß auf den Weg zu Morticias Grundstück. Wie ein Schatten schlich er in der Einfahrt herum und verschwand dann in der begrenzten Unendlichkeit der halbwilden Gartenbotanik.

Der Abend schritt voran, draußen war es schon dunkel und jemand kam auf die Idee, den Videorecorder anzuschmeißen, um „Stirb Langsam“ zu kucken. Die Musik ballerte weiter aus den Boxen und Sven und ich amüsierten uns köstlich mit den anderen. Kein wunder, bei so viel Alk und guter Laune. Als wir dann nebenbei auf die Mattscheibe glotzten und Bruce Willis gangsterjagend durch das Hochhaus schleichen sahen, hatte Sven eine zündende Idee. „Komm,“ sagte er, wir haben doch letztens unsere Supersoakers hier liegenlassen. Lass sie uns auftanken und uns gegenseitig abballern.“
„Klasse,“ jubelte ich. „Und dann ballern wir auf Morticias Katzenvieh.“
„Wehe, ihr tut meiner Lizzy was, dann lege ich euch um!!“ grollte Morticia und machte einen gefährlichen Schritt mit einem Korkenzieher auf mich zu. Nachdem ich ihr zugesichert hatte, dass wir nicht auf die Katze schießen würden, erlaubte sie uns, mit unseren Monsterpistolen auf die Jagd zu gehen.

Sven und ich wollten gerade aufstehen und unsere Wasserpistolen suchen, als ein panisches Geschrei durch die Partymenge ging. Die Aufmerksamkeit galt Maverick. Ich sah, wie er in der Ecke des Raumes, halb an den Schrank gelehnt mit dem Gesicht zur Wand stand. An sich nichts Schlimmes, wenn er nur nicht mit seinen Händen an seinem Hosenstall herumgespielt hätte. Seine gesamte Körperhaltung signalisierte zudem akute Urinierbereitschaft. Sofort zerrte Sven ihn aus der Ecke. „Du bist NICHT in Mogadischu! Du bist bei Morticia zu Hause, und da wird nicht in die Ecke gepinkelt!“ Der Arme Maverick. Promille im Blut von hier bis nach Jericho und das Gesicht ganz Fragezeichen. Sven wollte ihn zur Toilette schleppen, aber irgendwie riss Maverick sich los. Er schwankte zur Terrassentür, öffnete sie und verschwand im Garten. Dort stellte er sich dann ans Gebüsch, schwankend wie ein Seegang.
„Vielleicht sollte jemand mal aufpassen,“ sagte Morticia. Ihre Sorge war berechtigt, denn Maverick war schon des Öfteren beim Pinkeln umgefallen. Ich persönlich habe ihn schon drei mal aus irgendwelchen halbzerstörten Sanitärmöbeln herausheben dürfen. Aber diesmal ging es zum Glück noch mal gut, er blieb stehen und bewässerte halt nur Morticias Garten.

Ungefähr eine viertel Stunde später knallte Ralle – wieder bei seinem Auto – wütend den Kofferraum zu und richtete sich seine frische Tarnbluse zurecht. „Diese Arschgeige“, fluchte er. „Die Terrasse ist voll von Büschen, und er pinkelt genau in die Stelle rein, wo ich mich verstecke! Verflucht und Eins!!“. Zum Glück nahm er zu seinen Späh-Aktionen immer noch Sachen zum Wechseln mit. Dann machte er sich wieder auf den Weg zurück zum Haus.

Im Bad tankten Sven und Ich unsere Pumpguns mit Wasser auf. Nachdem ich aufgetankt hatte, schraubte ich das Gewehr zu und machte ein paar Testschüsse in die Badewanne, während Sven seine Wumme auflud. „Was ist?“ fragte ich ihn. „Hosen voll? Soll ich dir einen Vorsprung lassen?“ Dabei handhabte ich mit arroganter Selbstsicherheit meine Supersoaker.
„Nicht nötig“, sagte er mit einem hinterhältigen Grinsen, das mir eigentlich hätte eine Warnung sein müssen. Mit einem Mal traf mich der harte Wasserstrahl seiner Knarre mitten ins Gesicht. Verdammt. Diese Dinger haben einen gewaltigen Druck. Mit dem Strahl kann man jemanden, der auf der anderen Straßenseite steht, die Zigarette ausmachen!!! Halb bewusstlos taumelte ich schreiend nach hinten und fiel. Im Sturz suchte ich reflexartig Halt, riss aber nur haufenweise Handtücher, Klorollen, Cremedosen, Tampons und Zahnputzbecher mit in die Tiefe. Klirrend landeten die Utensilien auf den Kacheln und hörten erst auf zu kullern, als ich schon lange lag. Dann hörte ich, wie Sven mit schallendem Gelächter hastig trampelnd das Weite suchte. Ich fluchte Obszönitäten bezüglich Zeitpunkt und Umstände seiner Zeugung, als ich mich wieder aufrappelte und ihm hinterherlief.

Ich suchte ihn. Aber verdammt! Wo konnte er sein. Instinktiv rannte ich die Treppe hoch. Dort sah ich die Tür zum elterlichen Schlafzimmer offenstehen. Normalerweise sind derartige Räumlichkeiten für mich tabu, auch wenn ich angetrunken bin. Aber jetzt war es was anderes. Es ging um meine Ehre. Ich stürmte den Saal, rollte mich, cool wie Bruce Willis, auf dem Boden ab und sah mich ruckartig um. Plötzlich ein Schatten neben dem Schrank. Ich schoss und schrie: „Du verdammtes Schwein! Das hast du zum letzten Mal gemacht, jetzt bist du dran!“ Der Schatten schrie zurück, sogar mit zwei Stimmen. Aber keine davon gehörte Sven. Ich vernahm so etwas wie „Iihh, iihh,“ und „Du Arschloch!“. Ich identifizierte die beiden Stimmen als Mark und Kathrin, die sich wohl zum Knutschen einen Stillen Fleck gesucht hatten. Dumm gelaufen. Draußen im Gang auf einmal Schritte und schadenfrohes Gelächter, durch und durch hemmungsloser Natur. Sven! Er war mir entwischt und polterte Treppe abwärts. Ohne zu zögern stürzte ich aus dem Zimmer. Eine Ladung Wasser erwischte mich am Bein. Der Schweinehund schoss im Laufen und hatte mich auch noch getroffen.

Stille (abgesehen von der Partyrandale im Wohnzimmer). Ich kauerte unten im Flur bei der Wohnungstür. Ich musste den Hauptflur überqueren, um in den Gang zu gelangen, der zum Kinderzimmer führte. Ich rechnete fest damit, dass Sven sich dort versteckt hielt. Plötzlich hörte ich, wie ein Schlüssel im Schloss der Wohnungstür gedreht wurde. Wie ein Blitz durchzuckte mich ein Gedanke: DIE ELTERN! Es mussten Morticias Eltern sein, denn wer sonst hatte noch einen Schlüssel zu der Wohnung? Morticia selbst hatte einen, aber sie war nicht draußen, sondern in der Küche. Ich hörte nämlich ihre Stimme von da, weil sie gerade den Maverick zurechtwies. Wahrscheinlich wegen der Aktion in der Zimmerecke oder so. Ich musste handeln. Oh Gott, wenn Morticias Vater sehen würde, wie wir in seiner Abwesenheit in seinem Haus die Nacht zu Tage machten ... er würde uns alle kreuzigen, vierteilen und erwürgen. Und zwar in dieser Reihenfolge. Um die anderen zu warnen, dazu war es allerdings zu spät. Ich konnte also nur mich retten, wenn überhaupt. Ich musste ins Kinderzimmer und mich unter dem Etagenbett der beiden Schwestern verkriechen. Dann einen geeigneten Augenblick abwarten, und das Haus durch das Fenster verlassen. Ich machte also meinen Bruce-Willis-Sprung mit Rolle über den Flur in den anderen Gang, hastete ins Kinderzimmer und lugte um die Ecke, wer da zur Tür hereinspazierte. Shit, ich sah mich schon Stunden unter dem Bett verbringen, zwischen Staub, Spinnenweben, Silberfischen und dreckigen Kindersocken. Dehydriert vor lauter Angstschweiß, Geruch von Teppichmief beißend in der Nase. Meine Ohren Zeugen des Mordes an meinen Freunden durch des Vaters Hand. Und ich hilflos, keine Chance, auch nur einen von ihnen zu retten.

Die Tür Ging auf und ich erblickte den Linus und den Jack, wie sie mit einem Kasten Bier durch die Tür kamen. Sie waren zur Trinkhalle gegangen und hatten den Schlüssel gleich mitgenommen, da Klingeln bei dem Lärm eh nicht viel Sinn machte. Mann, was war ich froh. Schreck lass nach!
„Naaaachschuuuub!“ alarmierte Jack die anderen Gäste, die sich auch sofort über den Bierkasten hermachten wie die Fliegen über Unrat. Sogar Sven kam aus seinem Versteck gekrochen. Ich vereinbarte mit ihm einen Waffenstillstand, denn auch ich wollte erst einmal in Ruhe „nachtanken“.

Draußen warteten Sybille und Toffy im Wagen auf ihre Chance. Sie hatten Katzen-Aphrodisiakum dabei. Sybille konnte Morticia nicht ausstehen und überlegte schon Monate, wie sie ihr was übles antun könnte. Nun hatte sie einen teuflischen Plan ausgeheckt. Sie wusste, dass Morticias Katze Lizzy sich gerne im Garten am Teich aufhielt um die Mücken auf der Wasseroberfläche zu belästigen. Dieser Teich sollte mit dem für Menschen unriechbaren Aphrodisiakum verseucht werden, damit alle Kater der Umgebung das Grundstück wie Mekka ansteuerten. Man kann sich ungefähr vorstellen, wie lästig das ist, wenn der Garten Tag und Nacht von rolligen Biestern heimgesucht wird, die dann auch noch balzen wie die Weltmeister. Und keine Erklärung für die Ursache. Sybille war Stolz, Mutter einer solchen Teufelei zu sein.

„Komm, du Sack“ herrschte Sybille ihren Freund an. Sie stiegen aus dem Wagen und schlichen sich an das Haus. An dem Treppenaufgang vorbei gelangten sie in den Garten. Sybille gab Toffy die Flasche mit dem Aphrodisiakum. „Und schön vorsichtig. Das ist ein Konzentrat. Die Pulle langt für einen See so groß wie ein Fußballstadion. Nur ein paar Tropfen, hörst du? Das Zeug war verdammt teuer!“
„Warum muss ich das eigentlich machen, Schatz?“ protestierte Toffy.
„Mach schon!“ schnauzte Sybille. Er gehorchte, schraubte die Flasche auf und tröppelte das Mittel in den Teich.
Just in diesem Moment wurde die Terrassentür aufgerissen und ein betrunkener Maverick stolperte nach draußen. „Mooogadischuuu!“ brüllte er aus Leibeskräften. Von Innen ertönte Musik und Geschrei: „Komm rein, du Esel! Du weckst sonst noch alle Nachbarn!“ Starke Hände ergriffen den Betrunkenen und zerrten ihn wieder in das Haus zurück. Die Tür wurde wieder verriegelt, der Partylärm wieder eingedämmt.
Toffy hatte vor Schreck die Flasche in den Teich fallen lassen. Sybille führte vor Wut einen indianischen Regentanz auf. Sie verpasste ihm einen Tritt vors Schienbein. „Du Idiot!“, fluchte sie. „Das war genug Zeug, um den Garten für die nächsten drei Jahre vergiften zu können. Und was machst du? Beim nächsten Wasserwechsel ist alles futsch! Tolle Wurst.“ Dann machten sie sich aus dem Staub. Als sie aber davonfahren wollten, fuhr der Wagen keine 30 Meter und ging aus. Dort blieben sie für den Rest der Nacht, bis die Polizei eintraf. In der Zeit ertrug Toffy unter der offenen Motorhaube Sybilles Gejammer und gab vor, nach den Ursachen des Schadens zu suchen. Nach der Schlappe am Teich wollte er ihr jetzt nicht auch noch gestehen, dass er einfach vergessen hatte zu tanken.

Unterdessen hatten Sven und ich es geschafft, uns wirklich jenseits der Grenzen von Gut und Böse zu betrinken. Und da trat sie wieder hervor, die kommunistische Ader, die bei Sven pochte, stets bereit, rote Gedanken mit rotem Blut zu versorgen. Er diskutierte über eine mögliche kommunistische Revolution, angetrieben durch eine Diktatur der absoluten Vernunft. Und dabei gab er sich alle Mühe der Welt. Ich muss anmerken, dass sein Wille, alles gut zu durchdenken, damals wirklich vorhanden war.Doch neigte Sven oft dazu, bei diesem Thema in einen enthusiastischen Monolog zu verfallen. So auch jetzt. Meistens tat ich mir diesen gerne an. An dem Abend machte ich allerdings eine Ausnahme. Während er dann da saß und predigte, nahm ich mir wieder meine Supersoaker und machte mich auf den Weg, für Ordnung In diesem Haus zu sorgen.

Der arme Ralle hatte heute wirklich kein Glück. Er wollte gerade seine Position verlassen, als Sybille und Toffy auf einmal am Teich aufkreuzten. Um ein Haar hätten sie ihn gesehen. Und dann Geschrei und anderer Lärm. Der Pinkler schon wieder! Vielleicht sollte er trotz seiner guten Tarnung im Gartenbusch die Observation für heute sein lassen, denn er bekam langsam ein komisches Gefühl bei der Sache. Morticia bekam er heute sowieso nicht mehr vor die Kamera. Trotzdem beschloss er, noch zehn Minuten zu warten. Dann wollte gerade gehen, als wieder die Terrassentür aufflog und wieder dieser Maverick auf ihn zugerannt kam. Das war genug. Ralle zog seinen Elektroschocker aus dem Gürtel. Dieser dämliche Pisser. Einmal anpinkeln reicht. Würde er jetzt noch einmal vor seinem Versteck stehen und seinen Willi herausholen, würde Ralle dafür sorgen, dass Willi ein spannendes Erlebnis bekommt. Aber Maverick ließ die Finger weg vom Hosenstall. Seine Hände ruhten beherrscht auf den Oberschenkeln seiner Fußballer-O-Beine.

Die Polizeibeamten, die Ralle später aufgelesen hatten, gaben zu Protokoll, dass sein Haar nach Erbrochenem roch und auch solches drin verklebt war.

Das war zuviel. Ohnmächtig vor Ekel sprang er aus dem Gebüsch, nachdem Maverick, sich den Mund abwischend, wieder im Haus verschwunden war. Ralle wollte gerade das Grundstück verlassen, als ein Mercedes Anstalten machte, in die Einfahrt zu fahren. Scheiße! Der einzige Ausweg war nun blockiert. Ralle rannte nach hinten zum Teich und sah ein großes Fass, das am Zaun zum Nachbargrundstück stand. Das war die einzige Chance, unbemerkt zu entkommen. Mit einem Satz war er auf dem Fass und ergriff die Spitze des Zauns. Da aber traf ihn das Abblendlicht des Wagens. Ralle wurde geblendet, und über den Schreck, jetzt vielleicht entdeckt worden zu sein, verlor er das Gleichgewicht. Das Fass kippte und er fiel direkt in den Teich.

Aber Morticias Eltern, die in dem Mercedes saßen, hatten ganz andere Sorgen. Sie stürmten aus dem Vehikel, gefolgt von Anita, Morticias Schwester, die laut heulend Krokodilstränen von sich gab und sich den Bauch hielt. Der Vater wetterte: „Nur weil Anita Bauchschmerzen hat, den Urlaub abzubrechen und mitten in der Nacht nach Hause zu fahren, das kann ja wohl nicht sein.“ Die Mutter war entsetzt: „So! Denkst nur an dich! Und wenn sie was ernstes hat? Sie muss zu einem Arzt!“
„Natürlich gibt es in Holland keinen einzigen Arzt!“, spottete der Vater zurück.
„Die holländischen Ärzte rauchen alle Haschisch. Da gebe ich mein Kind nicht hin.“ beschwerte sich die Mutter. Sie öffneten die Haustür und knipsten das Licht im Vorflur an. Morticias Vater fluchte weiter, weil er zwischen den ganzen Schlüsseln für das Feriengrundstück den Schlüssel für die eigene Wohnungstür nicht mehr wiederfand. Meckernd probierte er der Reihe nach einige Schlüssel. Die Mama schimpfte, weil Papa meckerte, und Anita heulte, weil sie ein kleines Kind war, sonst nichts.

Ich lungerte an meinem alten Platz im Flur, wo ich schon gehockt hatte, als Linus und Jack mich mit dem Schlüssel erschreckt hatten. Wieder vernahm ich das Drehen eines Schlüssels im Schloss. Diesmal hatte ich keine Angst mehr vor den Eltern, weil ich voll war wie tausend Russen. Hätte ich aber gewusst, dass es diesmal wirklich die Eltern waren, die herein wollten, hätte ich vielleicht doch welche bekommen. Nur zu dem Zeitpunkt wollte ich nur eines: mit der Wasserwumme auf Leute ballern. Deswegen war Verstecken angebracht. Der Schlüssel drehte sich weiter und egal wer es war, der herein wollte, ich musste weg. Ich musste ihm auflauern und ihm eine Dosis Pumpgun-Wasser verabreichen. Ja, und mit einem mal geriet ich in Rage. Ich wusste, ich würde den Eindringling nass spritzen, und zwar von oben bis unten. Jawoll, Herr Oberleutnant! Also sprang ich wieder in den anderen Flur.
Draußen war der schimpfende Vater immer noch verzweifelt bemüht, den richtigen Schlüssel für die Wohnungstür zu finden. Mit einem Mal vernahmen die drei von innen ein gewaltiges Krachen und Klirren. Abrupt hörte Morticias Vater auf, am Schloss zu kurbeln und sah seine Frau an. Oh Mann, ich stelle mir seine dumme Visage vor, mit der er die Mutter anstarrte, die wiederum ihn mit weit aufgerissenen Augen und einem ebenfalls weit aufgerissenen und zu einem „O“ geformten Mund anglotzte. Und dazwischen das plärrende Kind mit den seltsamen Bauchschmerzen.

Langsam rappelte ich mich wieder hoch. Ich hatte im Sprung den anderen Flur verfehlt, war dafür aber ohne Umwege in die Standuhr geflogen, die neben dem anderen Eingang an der Wand gelehnt stand. Na ja. Die Scherben der Glasabdeckung drückten ein wenig. Aber sonst war alles im Lack. Ich wunderte mich nur, warum auf einmal alles so nass war. Aber klar doch. Das war das Wasser der Wasserpistole, das nun auslief und sich über meinen Unterarm ergoss. Ich wischte den Arm an meinem T-Shirt ab. Danach war der Arm aber noch immer nass. So besoffen war ich also, dass ich ein paar Kubikzentimeter Wasser nicht mehr unter Kontrolle hatte. Ich schlurfte ins Bad, um mir ein Handtuch zu besorgen. Ich tapste durch den dunklen Flur und wunderte mich, wie viel Flüssigkeit in so eine Pistole hineinpasste. Später im Krankenhaus sagte mir man dann, wie viel Blut ich zwischen Standuhr und Handtuchschrank wirklich verloren hatte.

Der arme Ralle war am Ende seiner Kräfte, als er sich aus dem Teich hangelte und den kürzesten Weg zu seinem Auto suchte. Um dorthin zu gelangen, musste er allerdings an Sybille und Toffy vorbei, die immer noch an ihrem Wagen herumschraubten. Einen Umweg konnte er nicht nehmen. Das hätte nämlich bedeutet, dass er am Marktplatz hätte vorbeigehen müssen. Obwohl es mitten in der Nacht war, wollte er das nicht riskieren. Morticias Eltern hatten die Tochter beim Partymachen eiskalt erwischt, d.h., dass hier bald der Dritte Weltkrieg ausbrechen würde. Und am Marktplatz war die nächste Polizeiwache mit Nachtdienst. Und auf keinen Fall wollte er heute Nacht hier gesehen werden, schon gar nicht in dem Tarnoutfit. Also blieb nur der mühsame Weg durch das wildgewachsene Gebüsch, das an der ganzen Straße entlang führte.

Ralle trampelte durch die Pampa. In sicherer Entfernung schlich er sich an Sybille und Toffy vorbei. Er hatte es fast bis zu seinem Wagen geschafft. Nur noch über die kleine Kreuzung und dann in die Einbahnstraße. Er krabbelte aus den Büschen und fand wieder sicheren Halt auf dem Bürgersteig. Aber auf einmal hörte er hinter sich ein gewaltiges Gejammer. „Miau, mau, miaoouu, miau....miau...“ Ralle drehte sich um und stellte fest, dass ihm mindestens 20 Katzen gefolgt waren. Und aus dem Busch kamen noch weitere. Schnell drehet er sich um, um weiterzulaufen, da sah er, wie weitere Kater über die Straße auf ihn zugelaufen kamen. Es waren mindestens 10 Viecher. Und links und Rechts von den Hofeinfahrten kamen auch noch mal welche. Es dauerte nur Sekunden, dann war Ralle eingekreist von lüsternen Katzenmännchen. „Miau, miaou ,mau...“ Es war ein fürchterlicher Sound. Ralle tat das wohl einzig richtige: er rannte.
Aber auch das Rennen half nicht viel, denn die Katzen, spitz wie Nachbars Lumpi, hatten ihn fix eingeholt und sprangen ihn von allen Seiten an. In Panik rannte er auf Morticias Straße zurück. Da standen ja immerhin noch Sybille und Toffy. Vielleicht konnten die ihm helfen, diese Tiere zu verscheuchen?

Sybille und Toffy trauten ihren Augen nicht, als sie Ralle sahen, mehr Pelz als alles andere und gefolgt von der Schar Kleintiger. Er rannte direkt auf die beiden zu. „Hilfe! Hilfeeeee!“ schrie er, aber das Miauen der Katzen war fast genau so laut.
„Ach du heilige Scheiße,“ schimpfte Sybille. „Wenn das auf uns zurückgeht, sind wir erledigt. Und das ist alles deine Schuld! Scheiß auf die Karre, Mann. Lauf Toffy, lauf, was das Zeug hält!“
Sybille und Toffy nahmen die Beine in die Hand und rannten. Ralle rannte hinter her, denn irgendjemand musste ihm ja helfen. So rannten die drei die Straße runter, bis sich ihnen zwei Streifenwagen in den Weg stellten. Morticias Vater hatte, wie befürchtet, die Polizei gerufen, nachdem er gesehen hatte, was in seinem Haus los war. Mit der Bitte, schnell zu kommen! Er hatte in den Hörer irgendetwas von Vandalismus, Sabotage und Ausnahmezustand hineingebellt.
Vorsichtshalber nahm die Polizei erst mal alle Personen vor Ort fest. Ich wurde direkt in einen Rettungswagen verfrachtet, Ralle ebenfalls. Die Kampfspuren , die die Biester bei ihm hinterließen, waren nicht unerheblich. Die Polizisten mussten mehrere Male in die Luft schießen, um die Katzen zu vertreiben. Aber einige hatten sich in Ralle richtig festgekrallt. Da half stellenweise nur ein kräftiger Tritt in den Hintern des jeweiligen Viechs.


Selbstverständlich haben Morticias Eltern mir lebenslanges Hausverbot erteilt, aber ich denke, das legt sich wieder. Mein Arm kommt auch wieder in Ordnung. Und die Moral von der Geschichte? Die kann man im Titel nachlesen. Ich weiß nicht, wie die anderen Beteiligten mit ihren Erfahrungen umgegangen sind. Aber als man mir im Krankenhaus den Arm wieder zugenäht hatte, dachte ich über alles noch mal nach. Das war verdammt cool. Die Krankenschwester hatte einen tiefen Ausschnitt, schöne Hände und große Haselnussaugen. Ich erfreute mich an diesem Anblick, atmete die Luft und lernte.

 

Hallo Silencer,

erstmal herzlich willkommen auf kg! :)

Deine erste hier gepostete Geschichte hat es ja schon mal richtig in sich. Sie hat mir recht gut gefallen, auch wenn ich bezüglich des Genres nicht so ganz begeistert bin, ich mag lieber andere Themen, aber das ist nun auf jeden Fall reinste Geschmacksache und hat mit der Qualität deiner Geschichte nichts zu tun.

Du hast einen kurzweiligen gut lesbaren Schreibstil, der mir gefallen hat.
Die einzelnen Handlungsstränge, die du miteinander gelungen verwoben hast laufen über einen straffen Spannungsbogen und als Leser ist man geradezu gezwungen bis zum Ende zu lesen, weil man unbedingt wissen will, was denn nun sonst noch so alles passiert.

Die leiseren ironischen Bemerkungen und Anspielungen in dem Text fand ich auch gelungen,für meine Begriffe hätte es noch ein wenig heftiger sein dürfen, aber auch das ist reinste Ansichtssache.

Also insgesamt ein wirklich gelungener Einstand, ich hoffe, noch weitere Geschichten von dir hier lesen zu dürfen. :thumbsup:

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo Silencer,

eine wirklich spannend geschriebene kurzweilige Geschichte.
Freue mich auf mehr.

Gruß
Trigonia

 

Hallo Silencer,

die Story hat gut gefallen. Es war mir ein Spaß sie zu lesen.

Rabe

 

Hallo Iakita, Trigonia und Rabe,

vielen Dank für den tollen Empfang. Es freut mich wirklich, dass euch mein Einstiegswerk gefallen hat.

Werde Iakitas Ratschlag beherzigen und an meinem ironischen Biss arbeiten. Ist eine sehr kompexe Sache, mal sehen, was sich machen läßt.

Viele Grüße auch an den Rest von kg.de
:cool:

Der Silencer

 

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