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Erschütterungen

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04.05.2016
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Erschütterungen

Schnellen Schrittes ging sie zu ihrem Auto.
Nur kurz glitten ihre Gedanken zu der Hitze, die sie darin erwarten würde. Sie hatte am Morgen einfach den erstbesten Parkplatz genommen, ohne darüber nachzudenken, dass ihr Auto den ganzen Tag in der sengenden Sonnenhitze stehen würde. Das würde sich nun rächen.
Sie zog den Schlüssel hervor, in Gedanken schon wieder bei dem Gespräch, dass sie gerade geführt hatte. Wie lange hatte es gedauert? Sie blieb stehen, starrte ins Leere.
Wie lange hatte es gedauert, ihre Welt zu erschüttern?
Sie schluckte. Er war vierzehn. Vierzehn und hatte sie mit wenigen Worten in den luftleeren Raum geschickt.
Was sollte nun werden? Wie sollte sie weitermachen?
Hätte sie jemand aus ihrer Gemeinde gesehen, er hätte sich über sie gewundert. Sie war bekannt für ihre feste Überzeugung, ihren Glauben, ihre Energie, ihren grenzenlosen Optimismus und vor allem dafür, dass sie immer in Eile war. Immer unterwegs zur nächsten Verpflichtung, Termin oder Notfall oder aber natürlich nach Hause, zu ihren Kindern, ihrem Mann. Es passte nicht ins Bild: die Pastorin, wie erstarrt auf dem menschenleeren Parkplatz vor ihrem Gemeindehaus, den Autoschlüssel in der Hand, verloren.
Dabei hatte sie am Morgen noch gedacht, es würde einer dieser leichten Tage, die ihr eine Atempause gewährten in ihrem manchmal so schwierigen Alltag. Sie hatte sich gefreut. Die Konfirmationen standen an und der Unterricht näherte sich seinem Ende.
Vor einigen Jahren hatte sie Einzelgespräche mit den Jugendlichen eingeführt, die ihren Konfirmationsunterricht besuchten, um ihren Schäfchen auf den Zahn zu fühlen. Sie wollte sichergehen, dass sie verstanden, was sie mit der Zeremonie taten. Sie wollte nicht nur eine dieser netten Spaßfreizeiten anbieten, bei der man am Ende Geld von den Verwandten bekam und den Führerschein bezahlen konnte. Die Mädchen und Jungen sollten wirklich wissen, in was sie eintraten.
Die ersten Gespräche waren gut verlaufen. Dann kam er.
Sie hatte sich ihn absichtlich für den Schluss aufgehoben, sich Zeit nehmen wollen. Irgendwie hatte sie ihn in all den Monaten nicht einzuschätzen gelernt. Immer wieder war er ihr entglitten. Dabei konnte sie nicht sagen, was sie eigentlich störte. Nie hatte er den Unterricht blockiert, sie nicht geärgert, nein, eigentlich hatte er sich überhaupt nicht groß beteiligt. Wenn sie ihn etwas gefragt hatte, hatte er stets die richtigen Antworten parat. Wie ein Fisch hatte er sich nicht packen lassen.
Das hatte sich heute ändern sollen.
Sie hatte ihn gefragt, warum er sich konfirmieren lassen wolle.
Er hatte gefragt: „Warum nicht?“
Sie hatte gefragt, welchen Wert die Worte Jesu Christi in seinem Leben hätten.
Er hatte gefragt: „Was für einen Wert haben die denn in Ihrem Leben? Wenn sich morgen herausstellen sollte, dass Jesus nichts von alledem gesagt hat, was in der Bibel steht, würden sie aufhören, sich um andere zu kümmern?“
Da hatte sie aufgehorcht. Sie hatte ihn gefragt, ob er denn überhaupt an Gott und Jesus Christus glaube.
Er hatte geantwortet:
„Ich ‚glaube‘ nicht. Ich weiß mit dem Wort nichts anzufangen.“ Er hatte sich vorgebeugt und sie gemustert. Es schien ihr, als versuchte er einzuschätzen, ob er ihr seine Gedanken anvertrauen konnte.
Sie hatte sofort reagiert:
„Raus mit der Sprache. Ich höre Dir zu.“
„Hm“, er traf eine Entscheidung, schloss kurz die Augen, holte tief Luft.
„Also gut. Was soll das bedeuten? 'Glauben'? Entweder ich habe Anhaltspunkte, dann brauche ich nicht zu glauben, dann kann ich aus den Anhaltspunkten schließen oder ich habe keine, dann brauche ich mir auch nichts auszudenken.“
Sie war verblüfft.
„Aber warum bist du dann in meinem Unterricht? Deine Familie ist doch gar nicht in der Kirche.“
„Nein. Aber ich will hinein.“
„Warum?“, hatte sie gestottert, erschrocken von seiner Heftigkeit. „Und warum überhaupt ausgerechnet in die Evangelische Kirche?“
„Die Kirche selbst ist mir völlig egal. Ich glaube nicht an ihre Religion oder irgendeine andere. Überhaupt finde ich den ganzen Hokuspokus um die Entstehung der christlichen Welt ziemlich Banane. In sieben Tagen die Welt erschaffen, Adam, Eva kriegen Kain und Abel. Kain erschlägt Abel und findet seine Frau… Wo kommt die her? Inzest ohne Ende. Dann ewig alte Leute, eine Flut, bei der von allem nur ein Pärchen überlebt und ich mich die ganze Zeit frage, was zum Geier, die vielen Tiere eigentlich die ganze Zeit fressen, wenn schon nicht sich gegenseitig. Kaum ist das überstanden, zwingt der so genannte ‚liebe‘ Gott einen, der ihm wirklich ergeben ist, die Bereitschaft ab, den eigenen Sohn zu töten. Dann dieser Hiob. Der ist die ärmste Wurst von allen, aber es heißt ja auch, der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen, oder? Ach nee, das ist hier ja auch der so genannte ‚liebe‘ Gott. Und dann das Wort ‚christlich‘, da wird mir voll schlecht. Die Menschen haben ein bemerkenswert selektives Gedächtnis. ‚Christlich‘ sind auch Inquisition, Kreuzzüge, Völkermord, Hexenverbrennung, Ausbeutung, Sklaverei, Missbrauch und Ausgrenzung. Na herzlichen Dank, da will man doch gleich Christ werden, oder?
Und wenn wir hier schon mal so nett zusammen sitzen, Frau Pastorin, haben Sie jemals das Neue Testament gelesen und nicht gedacht, dass Jesus ein echt manipulativer Guru war?
Ha! Wäre das alles ein Hollywoodfilm und man würde ihn im Kino zeigen, die Leute würden entweder buhen oder sich totlachen. Aber trösten sie sich, die anderen Religionen sind ja nicht besser. Absolut nicht! Eine beknackter als die andere. Sobald der Mensch eine Religion entwickelt, ist es vorbei. Erst kann man sich was nicht erklären, also schiebt man es einem höheren Wesen unter, dann findet man Leute, die mitmachen und schon ist man eine Glaubensgemeinschaft.
Wussten Sie, dass alle Kirchen mal Sekten waren? Und jetzt blicken die Kirchen verächtlich auf die Sekten. Was für‘n Quatsch. Da geht es nur um Macht. Das war schon immer so. Die, die mitmachen, belohnt man mit Geld, Ämtern oder zumindest der Hoffnung auf‘s Jenseits und die, die nicht mitmachen, sind die Bösen, die bekriegt man, vernichtet oder unterwirft man.“
Geschockt hatte sie ihn angestarrt.
Das musste sie ersteinmal verdauen. Darauf war sie nicht vorbereitet gewesen. Schließlich hatte sie herausgebracht:
„Also, also bist du Atheist?“
„Nein!“ hatte er geschrien, „Auf keinen Fall!“
Dann hatte er sich zusammengerissen:
„Ich 'glaube' nicht, aber ich 'hoffe'. Ich hoffe, dass es so was wie Gott gibt. Dass das alles hier einen uns nicht erkennbaren Sinn ergibt. Dass die Kinder, die auf dem Weg zu uns im Mittelmeer ertrinken, nicht einfach nur weg sind, dass Jungs wie mein kleiner Bruder, die aber nicht hier, sondern in Sao Paulo geboren werden, nicht einfach nur auf Müllkippen nach Essen suchen, dass kleine Mädchen nicht einfach nur an Leute, die sie zu Tode vergewaltigen, verkauft werden, dass keine Mutter zusehen muss, wie ihrem Baby von einem Geier die Eingeweide aus der Bauchdecke gerissen werden, sondern dass irgendein verschissener Zweck dahinter steckt.
Denn was ist die Alternative, Frau Pastorin? Was wäre unsere Welt ohne die Hoffnung auf einen Gott? Ich wäre nur ein Junge, der sieht, ohne helfen zu können. Wie Scheiße wäre das denn? Wie könnte je wieder irgendein Mensch auf dieser Welt, der auch nur den kleinsten Fitzel Gutes in sich hat, morgens aufstehen, ohne zu kotzen? Sie werden jetzt sagen, die Menschen verdrängen, ich sage, die Menschen brauchen Gott, Allah, Shiva oder sonstwen, um an den Konsequenzen, die eine Welt ohne Gott hätte, nicht zu Grunde zu gehen. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Oder halten Sie es für möglich, dass das Universum eine so geniale Entwicklung wie das Bewusstsein einfach verschwendet? Und was ist mit unserem Gehirn? Es heißt, wir verwenden nur einen Bruchteil davon. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Natur ein so aufwendig zu unterhaltendes Organ ohne erkennbaren Sinn, quasi sicherheitshalber betreibt? Ich ziehe also den Schluss, dass da noch mehr sein muss.
Aber, habe ich mir gedacht, vielleicht sollte ich meine ‚Hoffnung‘ sicherheitshalber lieber amtlich machen. Deshalb will ich in eine Kirche und Ihre ist nun mal direkt nebenan.“

 

Hej AlteHummel,

ich dachte, weil Deine Geschichte noch keinen Kommentar bekommen hat, les ich sie mir mal durch:

Schnellen Schrittes ging sie zu ihrem Auto.
Das ist grammatikalisch zwar korrekt, aber stilistisch find ich's unschön. So betonst Du den schnellen Schritt in einer Form, die ein klein wenig affektiert wirkt, weil die Schnelligkeit so vorangestellt eigentlich kaum Gewicht hat, als Information.
"Sie lief schnell zu ihrem Auto" würde es auch tun.

Nur kurz glitten ihre Gedanken zu der Hitze
Auch hier würde ich Dir eine einfachere Form empfehlen. Warum extra ihre Gedanken gleiten lassen? "Sie dachte nur kurz ... "
Ungünstig, dass sie "nur kurz" denkt und sich dann ein ganzer kleiner Absatz mit ihren Gedanken beschäftigt.

Automatisch zog sie den Schlüssel hervor.
Automatisch würde passen, wenn Du das in einen anderen Kontext stellen würdest, aber sie denkt doch gerade ans Auto.

Hätte sie jemand aus ihrer Gemeinde gesehen, er hätte sich gewundert.
Vielleicht besser: Hätte jemand aus ihrer Gemeinde sie gesehen, hätte er sich (über sie) gewundert.

Wie ein Fisch, hatte er sich nicht packen lassen.
Komma weg

„Ich ‚glaube‘ nicht. Ich weiß mit dem Wort nichts anzufangen“Punkt Er hatte sich vorgebeugt und sie gemustert.

Es schien ihr, als ob er versuchte, einzuschätzen, ob er ihr seine Gedanken anvertrauen konnte.
Vielleicht findest Du hier eine Formulierung ohne Wortwiederholung.

dass Jungs, wie mein kleiner Bruder
Komma weg

Hm. Ich find es zum einen dramaturgisch unklug, dass Du die Pastorin nicht zu Wort kommen lässt.
Zum einen könntest Du dann eine Entwicklung zeigen und die Meinung dieses Jungen nicht nur wie einen Klotz niedersausen lassen. Es wäre möglich, beide genauer zu zeigen, wenn sie argumentativ mehr aneinander ziehen würden.

Dass diese Ansprache der Pastorin den Boden unter den Füßen weghaut, find ich unglaubwürdig. Sie müsste schon sehr weltvergessen leben um nicht selber von alldem zu wissen, und sie müsste ziemlich heuchlerisch oder oberflächlich arbeiten, wenn sie sich nicht selbst mit dem Konflikt auseinandergesetzt hätte, den ihr Glaube an Gott und vielleicht auch an das Gute einerseits und die realen Verhältnisse in der Welt andererseits auslösen könnte.

"Erschütterungen" sind durchaus lesenswert, aber ich sehe in Deinem Text nicht, wodurch die hervorgerufen werden sollten.

Gruß
Ane

 

Liebe AlteHummel

mir kommt es so vor, als habest du hier eine kleine, für meinen Geschmack etwas dürftige Handlung, um den Monolog eines jungen Mannes konstruiert. Eine Pastorin fragt, warum sich ein junger Mann konfirmieren lassen möchte. Er antwortet, dass er nicht glaube, aber hoffe, dass es einen Gott gebe, damit alles, was geschieht, einen Sinn habe. Deshalb möchte er ein Mitglied der Gemeinde werden.
MMn handelt es sich in deinem Text nicht um ein wirkliches Gespräch: Die anfänglichen und späteren Fragen der Pastorin dienen lediglich als Auslöser, damit der junge Mann sagen kann, was (so vermute ich) dem Autor auf der Seele liegt.
Ich finde es zur Bewertung des Textes als Kurzgeschichte eher müßig, auf die Einzelheiten des Monologs einzugehen, und damit auch auf die in ihm ausgesprochenen eventuellen Wahrheiten oder Widersprüchlichkeiten. Im Rahmen einer wörtlichen Rede kann jede Person sagen, was sie will, ob ich als Leser dem nun zustimme oder alles für wirres Zeug halte.

Natürlich könnte man die Frage stellen, wieso die Hoffnung auf die Existenz eines Gottes den Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten, die die Menschen sich gegenseitig antun, einen Sinn geben könnte. Aber das wäre eine Frage, die die Pastorin dem Jungen hätte stellen müssen. Die aber bleibt stumm. Es entwickelt sich keine wirkliche Auseinandersetzung, keine Diskussion, kein Konflikt.

Liebe @Alte Hummel, das ist für mich leider keine gelungene Kurzgeschichte. Mir wird hier zu sehr eine Botschaft verkündet, nur schwach eingebunden in eine Pseudo-Handlung. Das, was ich am Anfang über die Person der Pastorin erfahre,

Hätte sie jemand aus ihrer Gemeinde gesehen, er hätte sich gewundert. Sie war bekannt für ihre feste Überzeugung, ihren Glauben, ihre Energie, ihren grenzenlosen Optimismus und vor allem dafür, dass sie immer in Eile war. Immer unterwegs zur nächsten Verpflichtung, Termin oder Notfall oder aber natürlich nach Hause, zu ihren Kindern, ihrem Mann

bleibt im weiteren Verlauf unberücksichtigt, scheint unwichtig zu sein. Sie setzt sich nicht mit dem Jungen auseinander, argumentiert nicht, lässt alles so stehen, ist jedoch, so vermitteln es die Anfangsszene und der Titel, zutiefst erschüttert von dem, was sie hören musste. Und da bin ich wie@Ane der Meinung, dass eine so charakterisierte Pastorin wohl weniger verstört sein würde.

Unterm Strich ähnelt für mich dein Text in seiner Monologlastigkeit eher einem Pamphlet und würde wohl besser in eine philosophische oder religionskritische Diskussion passen.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo Ane, hallo barnhelm,

vielen Dank für Eure sehr konstruktive Kritik!
Die Kommafehler habe ich direkt verbessert, was die inhaltlichen Punkte angeht, so habt Ihr mir auf jeden Fall zu denken gegeben. Da harmonieren meine Absichten offensichtlich noch nicht mit dem Resultat.
Werde Euch dazu noch ausführlicher antworten!

Beste Grüße
AlteHummel

 

Hallo AlteHummel,

ich schließe mich meinen Vorredner im Großen und Ganzen an. Ich möchte der Geschichte aber zu Gute halten, dass ich mich beim Lesen des Anfangs gefragt habe, was der Junge denn jetzt so schlimmes gesagt hat. Du hast mich also schon ein bisschen neugierig gemacht.

Zwei Sachen zum Inhalt des Monologes:

Oder halten Sie es für möglich, dass das Universum eine so geniale Entwicklung wie das Bewusstsein einfach verschwendet? Und was ist mit unserem Gehirn? Es heißt, wir verwenden nur einen Bruchteil davon. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Natur ein so aufwendig zu unterhaltendes Organ ohne erkennbaren Sinn, quasi sicherheitshalber betreibt?

Zunächst mal benutzt man alle Areale des Hirns. Man benutzt sie nur nicht gleichzeitig, weil verschiedene Teile des Gehirns verschiedene Zwecke erfüllen. So benutzt du beispielsweise vorrangig motorische Zentren, wenn du dich bewegst. Unbenutzte Hirnzellen würden absterben.

Zum Anderen fällt auf, dass du das Universum und die Natur personifizierst und ihnen gleichzeitig offenbar eine gewisse Allmächtigkeit zuschreibst. Das ist im Prinzip auch ein Gottesglaube, nur halt ohne bärtigen Mann im Himmel. Du schließt also sozusagen von Gott auf Gott.

Ich will auf den Monolog jetzt nicht weiter eingehen, weil ich hier keine Glaubensdiskussion aufmachen will, aber die zwei Punkte sind mir beim Lesen ins Auge gesprungen.

Beste Grüße,
KreativerName

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe AlteHummel,

ich fand den Einstieg in die Story sehr gelungen: Zuerst war ich gespannt, wer diese Frau sein wird... dann hast du mir suggeriert, dass sie als Pastorin an ihre moralischen Grenzen geführt wurde. Da musste ich weiterlesen. Das Gespräch allerdings hat mich nicht überzeugt. Ane sagte bereits, dass es unglaubwürdig sei, eine Pastorin liesse sich von dem Gerede des Jungen "den Boden unter den Füßen wegziehen". Die Frau hat Theologie studiert, hat sich also mit einer Reihe philosophischer Ansätze auseinandergesetzt und kennt, als - wie du sie mit wenigen Sätzen toll charakterisierst - aktive Gemeindearbeiterin, sicher auch die eine oder andere zynische Argumentationslinie eines Heranwachsenden. Da nimmst du dem Gespräch schon recht viel an Potential, indem du Frau Pastorin einfach nur baff sein lässt.
Auch der Junge wirkt auf mich unglaubwürdig: Auch wenn du hier und da ein "scheiße" oder Anleihen an Jugendsprache einzubauen versuchst, die Sprache des Jungen ist nicht überzeugend. Nicht nur wegen des fehlenden Jargons (er klingt für mich völlig unpersönlich), sondern auch wegen des fehlenden Standpunktes. Du könntest versuchen ihm und der Pastorin feste, philosophische Standpunkte zu geben und sie damit aufeinanderprallen lassen.
Der Text oben klingt nach den ersten paar Zeilen nur noch nach einem Autor, der versucht Religionskritik in eine Geschichte zu weben. Am Anfang sah ich die Frau und war gebannt, ab der Mitte sah ich die AlteHummel mit sich selbst sprechen. ;)
Ich zerreiß' regelmäßig Stories zum gleichen Thema.. find ich nämlich echt schwierig glaubhaft als KG umzusetzen. Für den mutigen Versuch aber: Hut ab. ;)
LG
Klaus

 

Hallo AlteHummel!

Ich bin mit barnhelm und Klaus absolut auf einer Linie, was die Reaktion der Pastorin angeht. Absolut unglaubwürdig, dass sie soooo geschockt aufgrund dieses Monologs ist - denn wirklich nix davon war jetzt neu, revolutionär oder schockierend. Sowas darf sich jeder Religionslehrer jedes Jahr zig mal anhören.

Der 14-jährige (!) ist für sein Alter zu altklug, zu naseweis und auch zu vorlaut.

Unterm Strich bin ich ebenfalls der Meinung, dass diese Geschichte weniger Wert auf eine "Erzählung" legt, sondern eher ein Traktat oder Pamphlet darstellt, wie barnhelm das schon treffend festgestellt hat.

Was die Botschaft des Textes angeht, kann ich diese gut nachvollziehen. Von Menschen gemachte und praktizierte Religionen sind mehr oder weniger Manipulationsmechanismen, die sich die Angst vor der Existenzlosigkeit und verheißungsvolle Hoffnungen zunutze machen. Und jeder glaubt, im Recht zu sein und eine gute Sache zu machen - selbst wenn das bedeutet, Kindergärten in die Luft zu jagen.

Grüße vom EISENMANN

 

Hallo Alte Hummel,

ich habe gerade mit wachsendem Interesse Deine Geschichte gelesen und ich muß sagen, sie gefällt mir! Dass die Pastorin während des Gesprächs mit dem Jungen zu passiv wirkt, wurde ja schon mehrfach angesprochen. Dessen ungeachtet hätte ich, wenn ich die Kommentare nicht vorher gelesen hätte, angenommen, dass die Pastorin deshalb so schockiert ist, weil jetzt schon Kinder soweit sind, die Fundamente ihrer Religion (und gleichzeitig aller anderen auch) anzuzweifeln, während es früher vor allem gebildete Erwachsene waren, die sich derartige Gedanken gemacht haben, ein Indiz dafür, dass Religion nicht mehr zeitgemäß ist (im Rahmen der Geschichte. In der realen Welt würde ich eine solche Aussage nicht machen wollen, dafür ist Religion in psychologischer und gesellschaftlicher Hinsicht zu komplex). Ich glaube schon, dass Kinder in dem Alter sich kritisch mit dem Thema Religion auseinander setzen können, und der heutige Zugang zum World Wide Web immer und überall ist da sicher hilfreich. Ich persönlich habe den schulischen Religionsunterricht bei der ersten Gelegenheit abgewählt und das dürfte etwa in diesem Alter gewesen sein.

Beim letzten Satz musste ich schmunzeln. Für mich eine fast humoristische Note, die dem ernsten Thema quasi nachträglich verpasst wird.

Unterm Strich: Gefällt mir. Gegenargumente der Pastorin hätten Deiner Geschichte aber auf alle Fälle gut getan. Und sei es nur, um sie dann zu widerlegen ;-)

VG Kassiopeia

 

Hallo Alte Hummel

Weil mich die Thematik interessiert, habe ich mir deinen Text genauer angeschaut. Das lässt sich in sprachlicher Hinsicht sehr gut lesen, ich denke, das ist einiges an handwerklichen Voraussetzungen gegegeben.

Zwei Dinge lassen diesen Text in meinen Augen scheitern. Erstens beginnst du mit der Erschütterung und erzählst danach, wodurch diese Erschütterung ausgelöst wurde. Damit verhinderst du sehr viel an Dynamik, der Leser weiss, aha, jetzt kommt Religionskritik eines jungen Mannes und dann kommt sie tatsächlich (in Form eines langen Monologs). Und der Leser wird halt dabei auch enttäuscht, es haben ja schon andere angemerkt, dass diese Erschütterung wenig plausibel wird. Aber, um meinen Punkt noch mal anders zu formulieren, wenn du die Erschütterung erst am Ende angesprochen hättest, wäre das wohl weniger aufgestossen.

Der zweite Punkt ist der für mich wichtigere: Wozu Figuren erfinden, wenn man sich nicht in diese hineindenkt und versucht, deren Stimme zu finden? Wenn man sie bloss als Vehikel benutzt? Der Monolog ist in meinen Augen derart unauthentisch und, sorry, auch abgedroschen, dass ich ihn überfliegen musste.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ane,
hallo barnhelm,
hallo Peeperkorn,
hallo Kassiopeia,
hallo Klaus,
hallo KreativerName,
hallo EISENMANN,

ich bedanke mich sehr für soviel Interesse und noch viel mehr für all die guten Hinweise!
Der Text ist nun wieder in der Werkstatt und wird hier in den nächsten Tagen überarbeitet erscheinen.

Wie es aussieht, hapert es bei meinen Geschichten immer ein wenig mit der Gewichtung der einzelnen Bestandteile. Mir fehlt es noch an Kürzungsfähigkeit, um die mir wichtige Bedeutung hervorzuheben, statt der Teile, die ich am Anfang für mich als Schreiberling ausführlicher benötige. Wie ein Bildhauerlehrling traue ich mich nicht immer, die Figur/Geschichte deutlicher aus den vielen Worten herauszuschlagen und an anderen Stellen geht zu viel verloren.

(@ Kassiopeia,

Beim letzten Satz musste ich schmunzeln. Für mich eine fast humoristische Note, die dem ernsten Thema quasi nachträglich verpasst wird.
Damit und mit Deinem Verständnis meiner Geschichte überhaupt hast Du echt mal meinen Tag gerettet! :))

Tatsächlich geht es mir in der Geschichte um die Sprachlosigkeit der gegenwärtigen Erwachsenengeneration einer Jugend gegenüber, die bestens informiert ist, aber dennoch keine Antworten hat. Ich finde das Thema Gott-Religion-Glaube eignet sich dafür sehr gut.
Zu einer auch nur im Ansatz fundierten Religionskritik, sehe ich mich - noch dazu im Rahmen einer KG - nicht in der Lage. Ich finde hier ist dafür auch nicht der richtige Ort und so möchte ich mich mit ganzem Herzen Kassiopeia und Klaus anschließen.

Der Junge in meiner Geschichte hat mit 14 (!) die Bibel gelesen, sich kritisch mit einzelnen Passagen auseinandergesetzt und Informationen aus der Wissenschaft und der Geschichte in seine Überlegungen mit einbezogen. Ich habe in meiner Generation einen solchen Umgang mit dem Thema nie erlebt, stelle ihn aber in der heutigen Jugend vermehrt fest. Ihr mögt seine Punkte als "abgedroschen" (@Peeperkorn) empfinden, doch erlebe ich bei Erwachsenen jedweder Bildung sehr selten, dass sie sich jemals mit ihnen auseinandergesetzt haben.
Natürlich sollte man von einer studierten Pastorin erwarten, dass sie einer solchen Diskussion gewachsen ist. Ihre Reaktion ist bisher zu minimalistisch ausgefallen und ich werde sie in der Überarbeitung deutlich mehr zu Wort kommen lassen. Doch sei ihr vielleicht zu Gute zu halten, dass sie sich völlig unerwartet mit der Heftigkeit des Jungen konfrontiert sieht. Der noch dazu bibelimmanente Kritik, wissenschaftliche Erkenntnisse, eigene Vermutungen und historisches Wissen mischt. Zudem ist sie längst angekommen im Alltag ihres Berufes und der sieht doch eher selten eine solche Unterhaltung vor.
Ich wollte einen Jungen darstellen, der hin und hergerissen ist zwischen den Konsequenzen seiner eigenen Überlegungen und seinem Bedürfnis, dem Leid der Welt nicht ausgeliefert zu sein. Er hofft auf einen wie auch immer gearteten Sinn, den er gar nicht kennen muss, ja vielleicht nicht einmal will. (@barnhelm).

KlausHopper
Es wird eine Herausforderung, den Jungen in seiner Sprache glaubwürdiger zu machen. :)
KreativerName
Das mit den Arealen des Hirns war missverständlich ausgedrückt, wird korrigiert. :)

Ganz herzliche Grüße
AlteHummel

 

Hallo AlteHummel!

Tatsächlich geht es mir in der Geschichte um die Sprachlosigkeit der gegenwärtigen Erwachsenengeneration einer Jugend gegenüber, die bestens informiert ist, aber dennoch keine Antworten hat. Ich finde das Thema Gott-Religion-Glaube eignet sich dafür sehr gut.
Zu einer auch nur im Ansatz fundierten Religionskritik, sehe ich mich - noch dazu im Rahmen einer KG - nicht in der Lage. Ich finde hier ist dafür auch nicht der richtige Ort und so möchte ich mich mit ganzem Herzen Kassiopeia und Klaus anschließen.

Dir ist schon klar, dass du mit dieser Aussage nicht nur grad deiner ganzen Geschichte den Boden unter den Füßen weggezogen hast, sondern darüber hinaus auch deinen Lesern eine gedankliche Transferleistung abverlangst, die sich gar nicht oder allenfalls äußerst peripher aus deiner Geschichte erschließen lässt?

Überspitzt gesagt wäre das so, als würde ich eine blutrünstige Kriegsgeschichte schreiben und dann sagen, dass es in der Handlung ja gar nicht um das Thema "Krieg" geht, sondern eigentlich um die aggressive Zerstörung der Ozonschicht geht und ich dies am Beispiel eines "Kriegs" gegen die Ozonschicht verdeutlichen wollte, wobei die Panzer und Kanonen die Fluorkohlenwasserstoffe darstellen sollen.

Hm ... also ganz ehrlich: Der reine Bezug zur Religion hat mir trotz einiger handlungsmäßiger Defizite besser gefallen als diese Erklärung - wenn du das denn tatsächlich auch so gemeint habst und es sich nicht um den Versuch handelt, die Geschichte noch irgendwo und irgendwie zu "retten"!;)

Viele Grüße vom EISENMANN

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo AlteHummel,

Tatsächlich geht es mir in der Geschichte um die Sprachlosigkeit der gegenwärtigen Erwachsenengeneration einer Jugend gegenüber, die bestens informiert ist, aber dennoch keine Antworten hat

Das habe ich persönlich, wie schon angedeutet, nicht aus dem Text herauslesen können. Allerdings scheint es Kassiopeia ja gelungen zu sein. Es kommt vermutlich auch ein bisschen drauf an, wer die Geschichte liest und in welchem Kontext. Ich vermute, dass viele ältere Leute, die mit starkem Glauben aufgewachsen sind, eher so interpretiert hätten wie es deine Intention war.
In meiner Generation muss man sich eher mit Leuten auseinandersetzen, die irgendwo ein paar Brocken Religionkritik aufgeschnappt haben und diese genau so unreflektiert vertreten, wie die Gläubigen, die sie kritisieren. Vielleicht lag mir die andere Interpretation deshalb näher. :)

Du hast dich nun mal dazu entschlossen, Religionskritik in deine Geschichte zu bringen. Das macht sie zum einen, wie du an der Zahl der Kommentare gesehen hast, wesentlich interessanter, zum anderen aber eben auch kontroverser.

LG

 

Hallo AlterHummel,

ich habe mir deine Geschichte durchgelesen und musste feststellen, dass durch die ganzen 'Monologblöcke' und der gering ausfallenden Handlung sich das Ganze eher wie ein Essay lesen lässt (weil du auch viele Fakten auftischst) oder ein religionskritischer Diskurs. Das fand ich aber nicht schlimm (die Geschichte wird nur der Bezeichnung 'Kurzgeschichte' nicht gerecht), da du das ganze sprachlich gut gestaltet hast und ich die Thematik allgemein spannend finde. Die Monologe wirken glaubhaft (die Figuren auch) nur die überzogen wirkende Reaktion der Pfarrerin musst du, wie du selbst auch gemerkt hast, besser erklären.

Deinen Deutungsansatz (was ich reizend finde) kann man aus dieser Geschichte wirklich kaum herauslesen, aber umso mehr wünsche ich mir in der Hinsicht, dass du die Geschichte so überarbeitest, dass die Geschichte zum Deutungsansatz hinführt. Ich denke, dass dann ein ziemlich stabiles Produkt entstehen könnte.

Falls dich die Thematik Theodizeefrage etc. interessiert oder Religionsgeschichte allgemein, kann ich dir die Ringparabel von Lessing empfehlen. Musste wir in der Schule lesen und da fand ich es interessant, dass die Frage nach der ursprünglichen, wahren Religion durch die Frage nach der wahren Religiosität ersetzt wurde. Es ist auch verdammt wichtig in solchen katastrophalen Zeiten zusammenhalten.

Insgesamt würde mein Fazit eher positiv ausfallen. Ich bin gespannt auf das Endprodukt (da du die Überarbeitung auch selbst angekündigt hast) und wünsche dir viel Glück.

MfG-Nova

 

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