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Erlöser

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12.11.2001
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Erlöser

Der Regen prasselte auf die verschmutzte Straße nieder, während er sich im Schutz der Dunkelheit unerkannt zu seinem Unterschlupf durchschlug. Sein Mantel und sein Hut waren längst durchnäßt, seine Augen blutunterlaufen und seinem Körper fehlte seit zwei Tagen der Schlaf. Doch er durfte sich keine Pause gönnen, sie waren über-all. Hinter jeder der dunklen Ecken konnte einer von ihnen stehen. Wieder hörte er hinter sich ein Auto und sofort verschwand er im schützenden Schatten eines Hauseingangs. Hier verweilte er regungslos, bis die Lichter des Wagens nicht mehr zu sehen waren. Erst jetzt schlich er weiter durch den anhaltenden Regen. Alle zehn Meter blickte er sich um – war ihm jemand gefolgt? Block für Block brachte er so hin-ter sich. Wenn ihm jemand entgegen kam, zog er sich den Hut noch tiefer ins Ge-sicht und drückte sich noch enger an der Wand entlang. Den Schein der seltenen Laternen ließ er mit einem kurzen Sprint hinter sich.
Es war weit nach Mitternacht, als er das Motel im Rotlichtviertel erreichte. Das Leuchtschild über der Tür, auf dem „Jim’s Motel“ stand, sprühte nur noch Funken, die Tür quietschte beim Öffnen und die Beleuchtung drinnen war nicht einmal dürf-tig.
„Was wollen sie?“ grunzte der fette Kerl, der anscheinend hinter der Theke in ei-nem Sessel geschlafen hatte. „ Häh? Wenn sie nichts wollen, dann verpissen sie sich!“
„Ich? ... ich habe ein Zimmer reserviert.“ Er zog den Hut ab und zum Vorschein kam ein dünnes, blasses Gesicht, in dessen Mitte eine unauffällige Nase saß. Kein Gesicht, das auffiel, kein Gesicht mit Charakter – ein Durchschnittsgesicht.
„Hier ist keine Reservierung für Ich. Wie heißen sie?“
„Slayer, Jim, Jim Slayer. Genau, ich habe für Jim Slayer reserviert.“ Jim knetete seinen Hut in den Händen.
„Slayer, wie. Na, ist nicht mein Problem. Sie haben Zimmer Neun. Ich krieg 50 im Voraus. Service gibt’s hier keinen. Was sie kaputt machen, bezahlen sie. Ach ja, kommen sie nicht auf die Idee, sich zu beschweren. Klar?“ Der fette Kerl kratzte sich am Gesäß, während er den Schlüssel von der Wand nahm, an der sonst noch alle Schlüssel hingen.
„Klar. Alles klar. Hier ist ihr Geld.“ Jim legte die Scheine, die sich abgezählt in sei-ner Tasche befanden auf die Theke und nahm den Schlüssel entgegen. „Vielen Dank, und gute Nacht.“
Der fette Kerl rülpste nur und ließ sich dann zurück in seinen Sessel fallen.
Jim schlich die Treppe hoch und schloß dann die Tür auf. „Sklave“, flüsterte er lei-se und betrat sein Nachtlager. Hinter sich schloß er wieder ab und ließ den Schlüssel stecken. Das Bett war akzeptabel und darauf kam es an. Er trat ans Fenster und prüfte, ob es verschlossen war. Dem Schimmel in der linken Zimmerecke, den Scha-ben im Bad und der toten Ratte neben dem Schrank schenkte er keine Beachtung. Jim streifte sich den nassen Mantel ab, hängte ihn sorgfältig über den Stuhl und fiel dann aufs Bett, wo er unverzüglich einschlief.
Es war lange nach Mittag, als ihn sein Handy weckte. Noch im Halbschlaf griff Jim in seine Tasche und zog es hervor.
„Ja? Was ist denn?“
„Stromberg, wenn sie ihren Auftrag noch erfüllen wollen, sollten sie sich in Rich-tung des Rathauses begeben und zwar innerhalb der nächsten halben Stunde.“ Dann wurde die Verbindung beendet.
Von einem Augenblick auf den nächsten war Stromberg wach. Er hatte verschla-fen. Alles hing von ihm ab und er verschlief. Er sprang vom Bett auf, griff seinen Mantel und eilte dann aus seinem Zimmer. Unten knallte er dem fetten Kerl ein Bün-del Scheine auf den Tisch und rief: „Stimmt so!“, während er zur Tür rausstürmte. Draußen schien die Sonne und nichts sah so aus wie in der letzten Nacht. Doch trotzdem gab es Schatten. Stromberg kannte diese Schatten. In jedem dieser Schat-ten konnten sie sich verbergen. Er blickte nochmals auf die Uhr und rannte dann in Richtung Hauptstraße. Zu Fuß konnte er es nicht schaffen. Im blieb keine Wahl. Auch wenn es ein Risiko war, er mußte ein Taxi nehmen. Er trat einen Schritt vor und winkte. Um diese Uhrzeit schob sich ein gelbes Auto nach dem anderen über die ü-berfüllte Straße und nur eine Minute später hielt schon eins. Er blickte sich nochmals um und stieg dann ein.
„Wo wollen hin?“, fragte der Inder, der bestimmt keine Green Card besaß.
Stromberg warf erst einen Blick auf den Ausweis des Mannes, der am Armaturen-brett hing, und verglich ihn mit dem Gesicht, das er im Spiegel sah. „Zum Rathaus bitte, in fünfzehn Minute, geht das?“
„Das aber länger dauern.“
Er hielt dem Fahrer einen Hunderter hin. „Wenn sie es in fünfzehn Minuten schaf-fen, leg ich noch einen drauf, ist das in Ordnung?“
„Sie halten fest, ich das schaffen.“ Dann gab er Gas.
An Strombergs Augen zog die Stadt vorbei. Ein Schmelztiegel der Perversion, Skla-verei und Korruption. Hier verschmolz all das zur absoluten Abartigkeit. Hier waren alle Menschen verkauft worden. Für Geld und Macht hatte man sie den Aggressoren ausgeliefert. Diese konnten widerstandslos alles annektieren und die menschliche Rasse versklaven. Er blickte auf die Massen, die sich durch die Straßen schoben und wußte, nur er würde dem ein Ende setzen können. Immer wieder entdeckte er sie zwischen den Menschen. Wie Schäferhunde, die auf die Schafe achteten. Dann bremste das Taxi plötzlich abrupt ab.
„Mr., ich wirklich leid, doch da sein Kontrolle von Polizei. Ich nichts können fahren so schnell.“
„Bringen sie mich bitte einfach dadurch. Wenn es geht, unauffällig.“ Stromberg begann zu schwitzen. Während sich das Taxi langsam den Streifenwagen näherte, achtetet er genau auf die Polizisten. Allem Anschein nach waren es keine von ihnen, doch niemand konnte sagen, wie tief das System schon unterwandert war. Sollten sie etwas von seinem Auftrag erfahren haben, dann war er tot.
„Dürfte ich bitte den Führerschein, die Fahrzeugpapiere und die Lizenz sehen.“ Der breitschulterige Polizist lächelte, während er die Hand neben das geöffnete Fenster hielt. „Danke. Sieht alles gut aus. Sie können ... .“ Sein Blick fiel auf Stromberg, der nervös auf dem Sitz umherrutschte. „Geht es ihnen gut?“
Er hatte ihn erkannt. Seine Mission war in Gefahr und das so knapp vor dem Ziel. Er mußte etwas unternehmen. Das Projektil traf den Polizisten in die Stirn. Wortlos fiel er nach hinten um, während der feine Nebel aus Blut sich auf das Gesicht des Inders legte, der hysterisch schreiend aus dem Wagen sprang. Noch bevor seine bei-den Kollegen reagieren konnten, war Stromberg aus dem Taxi gesprungen und durchlöcherte sie mit dem Inhalt des Magazins. Jede der elf Kugeln traf ihr Ziel. Zum ersten Mal in seinem Leben war er seinem Vater dankbar dafür, daß er ihn mit sechs auf die Militärakademie geschickt hatte. Während die Passanten wild schreiend aus-einander rannten, warf er die Pistole in den nächsten Gully und verschwand in der Menge. Die letzen tausend Meter mußte er zu Fuß nehmen. Während er durch Sei-tenstraßen und Gassen eilte, schickte er ein Stoßgebet nach dem anderen an Gott und bat ihn um die Stärke, die er brauchte, um das hier durchzustehen und zu been-den.
Einige Minuten später war er am Ziel. Am Ende der Gasse konnte er die Men-schenmenge sehen, die auf die Ansprache wartete. Mühselig schob er sich an ihnen vorbei. Immer leicht geduckt, um den Sicherheitskräften zu entgehen. Vor dem ver-einbarten Werbeplakat von Pepsi wartete er. Kurz darauf klingelte das Handy.
„Stromberg, mußte das mit den drei Polizisten sein?“
„Aber... .“
„Ruhig. Gehen sie ins City-Hotel neben ihnen. In Zimmer 299 finden sie, was sie brauchen.“
Stromberg steckte das Handy wieder ein und schob sich in Richtung des City-Hotels. Er schreckte kurz zurück, als er sah, daß vor dem Eingang zwei Polizisten standen. Doch dann ging er so ruhig wie möglich weiter. Er nickte ihnen freundlich zu und betrat das Hotel. Niemand schenkte ihm Beachtung, als er den Aufzug nahm, um in den zwölften Stock zu kommen. Mit einem metallischen Klingeln öffneten sich vor ihm die Türen. Sein Blick fiel den Gang hinunter, an dessen Ende das Zimmer lag. Mit schnellen Schritten eilte er zur Tür, an der ein „Bitte nicht stören“ Schild hing. Vorsichtig fasste er den Griff und öffnete die Tür. Nochmals blickte er hinter sich und betrat dann das Zimmer. Unsicher schaute er sich um, doch er fand keinen Schlüssel. Also mußte ein Stuhl unter der Klinke ausreichen. Eigentlich war es eine unnötige Maßnahme, denn sollte seine Mission scheitern, so war er auf jeden Fall tot, doch etwas in seinem Innersten trieb ihn zu dieser Maßnahme. Dann widmete er sich seinem Werkzeug. Es lag auf dem Bett bereit. Ein Scharfschützengewehr, mit dem er schon während seiner Zeit bei der Armee geschossen hatte. Überhaupt kein Problem, auf diese geringe Distanz. Stromberg nahm es vom Bett und trug es zum Fenster. Vorsichtig öffnete er dieses und verschaffte sich Überblick. Das Rednerpult stand direkt auf der anderen Straßenseite. Die Uhr zeigt eine Minute vor Zwei. Er hoffte nur, daß der extraterrestrische Despot pünktlich war. Er stellte die Stützen auf die Fensterbank und legte an. Schon im Vorfeld hatte er sich für einen Kopfschuß entschieden. Denn egal wie diese Kreaturen aufgebaut waren, ohne Kopf würden auch sie nicht leben können. Jetzt öffnete er die Klappe des Zielfernrohrs. Von rechts näherte sich bereits der Tyrann. Als er den Finger an den Abzug legte, lief sein gan-zes Leben, daß bis zu dem Augenblick, als sich ihm die Wahrheit offenbarte und er aus dem Traum erwachte, mehr als durchschnittlich war, vor seinen Augen ab. Dann nahm er sein Ziel ins Visier.
Zu diesen Zeitpunkt lies Agent Smith nochmals seinen Blick schweifen. Anschei-nend hatte der Zwischenfall bei der Polizeikontrolle nichts mit der Rede zu tun ge-habt. Er wollte gerade melden, daß alles klar sei, als er ein kurzes Blitzen sah. Es kam aus dem zwölften Stock des Hotels.
„Code Rot! Im zwölften Stock des City-Hotels! Sofort klären!“ befahl er, ohne seine Stimme zu heben und so irgendeinen Zivilisten in Panik zu versetzen.
Augenblicklich stürzten sich zwei Secret-Service Agenten auf den Präsidenten und rissen ihn zu Boden.
Noch bevor Stromberg wußte, was unter ihm geschah, hatte einer der Scharf-schützen auf der anderen Straßenseite die Situation bereits geklärt.

(Wahrheit. Realität.
Subjektive Ausdrücke, nicht mehr.
Möge der Herr uns
den Weg weisen.)

 

Dieser Erguss meiner Kreativtät stammt vom 23.07.1999. Vermutlich habe ich eine Vorliebe für Antihelden.

 

Dein Nickname, die Mäntel, die Schatten, die überall sein könnten, die Handies, Finalszene im Rathaus...ich hatte eine LEICHTE Vorahnung, was hätte am Ende passieren können. Aber natürlich, kein Arsch hat Bock eine perfekte Actionszene in Worten auszudrücken (er sprang hoch und killte 5 Wächter, die anderen Kugeln bohrten sich durch die Foyersäulen :-)
So ist es nun mal. Matrix kann in der literatur einfach nicht gutgehen. Wahrscheinlich muß ich all die 17 Male, die ich den Streifen gesehen habe, was falsch verstanden haben, aber handelte es sich bei den Feinden nicht um Maschinen? Komisch, komisch.
Was will ich sagen? Sprachlich sehr gut, aber bei der Geschichte hatte ich ein déjà-vue (oder wies geschrieben wird).

 

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