Was ist neu

Erlösender Schmerz

Mitglied
Beitritt
09.08.2002
Beiträge
121

Erlösender Schmerz

Peitschender Regen, heilvolle Nacht. Die Gesichter meiner Erlöser kann ich nicht erkennen. Ihr erster Faustschlag trifft mich in die rechte Gesichtshälfte. Die Wucht des Schlages lässt mich taumeln. Der Schmerz setzt ein paar Sekunden später ein. Er pocht, hämmert, wandert durch meinen ganzen Körper. Er tut mir so gut. Sollte ich wohl doch am Leben sein?

Bekomme wieder drei schnelle Faustschläge hintereinander in die Magengegend. Falle auf die Knie, breche schließlich ganz zusammen. Meine Erlöser verschwinden. Zusammen gekrümmt liege ich in einer Pfütze. Zeit verrinnt im Regen.

Ich glaube, ich habe mir in die Hose gepinkelt, aber ich bin mir nicht ganz sicher, denn ich bin vollkommen durchnässt. Ich halte mir meinen Magen, obwohl der Schmerz längst vergangen ist. Der Schmerz ist weg. Warum kann er nicht für immer bleiben? Mit dem Schmerz verging auch dieses unerwartete kurze Gefühl lebendig zu sein. Vorbei! Eine Leere, die mich ängstigt, durchströmt meinen Körper. Ich möchte heulen! Aber das wäre zu albern. Ich möchte tot sein! Wenn ich es nicht schon längst wäre.

Der Regen hört nicht auf. Er ist jetzt heftiger. Die Tropfen durchbohren mein Gesicht. Man will mich bestrafen. Und das ist richtig so. Diese traurige Existenz der Alltäglichkeit, der Ignoranz verdient eine Bestrafung. Aber eine Bestrafung würde voraussetzen, dass man mich bemerkt. Das ist lächerlich. Meine Existenz ist lächerlich.

Hoffentlich blute ich wenigstens. Wenn ich schon hier liege, sollte ich wenigstens bluten, aus der Nase, aus dem Mund oder dergleichen.

Eine Kamera sollte irgendwo laufen, die mich aufnimmt, wie ich hier zusammen gekrümmt liege. Wenn ich schon mal dem Wesen des Lebens begegne, sollte es von jemanden festgehalten werden. Denn was ist, wenn das hier aus meiner Erinnerung verschwindet? Was habe ich dann noch?

Das Leben sollte ein Film sein. In 90 Minuten würde sich Abenteuer an Abenteuer reihen, ständig würde etwas passieren, eine Wanderung zwischen Schmerz und Glück. Ich wäre nicht mehr tot. So könnte ich das Leben ertragen.

Ich liege zusammen gekrümmt auf dem Boden, in einer Pfütze, und halte mir meinen Magen vor Schmerzen. Es regnet in Strömen. Ich wurde ausgeraubt und brutal zusammengeschlagen. Und ich glaube, ich blute auch. Cut.

 

Peter ich finde die Geschichte bis zum letzten Absatz recht ausrucksvoll, ehrlichweise will ich aber zugeben, dass du schon besseres geschrieben hast. Denke gerade an das Gespräch mit dem Vater, du weisst?

Erst hört sich alles so an, als ob überhaupt Zweifel am Leben hast. Dann wärst du auch letztendlich irgendwie verantwortlich, dass du im Dreck rumhängst.
voller Mitleide, des Lebens sowieso überdrüssig.

aber mit dem letzten abschnitt bekommt die story eine wende. Du bist für deine Situation nicht verantwortlich, es wird ein wenig unlogisch, jemand der ausgeraubt wird denkt, MEISTENS nicht so wie du, eben weil es Fremdeinwirkung ist.

Tja, ich weiss ja, dass du bessere schreibst.

liebe grüsse stefan

(ich lese es mir noch einmal durch, komm ich zu anderer meinung, korrigiere ich mich!)

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Peter Pan!

Ich habe diese Geschichte ein wenig anders verstanden als die beiden Leser vor mir .

Es gibt Menschen, die können Purzelbäume schlagen und trotzdem wird sie die Gesellschaft, ja vielleicht nicht mal die eigene Familie, je zur Kenntnis nehmen. Sie sind irgendwie zwar immer vorhanden, aber keiner weiß etwas von ihnen, keiner nimmt ihre Existenz tatsächlich war. Sie sind nur Rahmenfiguren. Es kam möglicherweise zu irgendwelchen traurigen oder auch schrecklichen Erfahrungen und nie teilten sie sich jemanden mit, keiner fragte nach.

Solche Menschen wissen sich zwar am Leben, aber innerlich fühlen sie sich längst tot. Und so einer kriegt jetzt Schläge ab, körperliche, spürbare. Und darin empfindet er endlich wieder seine Körperlichkeit, sein irdisches Vorhandensein das solange keiner wahrgenommen hat.

Und jetzt ! in dieser Situation möchte er der Welt gezeigt werden - und sei es nur im Getreten werden - hinsehen sollen sie auf ihn. Und spüren will er sich.

Und wenn die Geschichte so gemeint war, dann finde ich sie gut geschrieben und absolut nachvollziehbar. Ich finde sie ist keine Ausnahmegeschichte aus dem Bedürfnis etwas zu schreiben das nicht so gängig ist - sondern das ist für eine ganze Menge Menschen Alltagsrealität.

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

Hallo Gérard,

dass du meine Geschichte nicht gut findest, ist dein gutes Recht. Kritik ist immer willkommen. Ich finde es aber schade, dass du meine Geschichte benutzt um deinen Frust über den allgemeinen Literaturbetrieb auszuladen. Ich denke, es ist nicht die richtige Stelle hier.

Dass du mir unterstellst, ich will berechnend irgendeine Sensationslust befriedigen,ist schlicht Quatsch. Erstens habe ich auch schon einige "einfache Geschichten" erzählt und bin selbst ein Anhänger davon. Und zweitens habe ich diese Geschichte schon vor einiger Zeit geschrieben. Sie war in mir drin und wollte raus. So pathetisch das auch klingt. Ich versuche so unterschiedlich und unberechenbar wie möglich zu schreiben.

Hi Arche,

danke, dass du dich mal wieder einer Geschichte von mir gewidmet hast und die Hoffnung mit mir nicht aufgibst.
Ich bin ein wenig überrascht, dass du mich als Autor mit dem Erzähler der Geschichte, dem Protagonisten gleich setzt. Dabei solltest du doch wissen, dass ein Literaturkritiker und der Leser dies niemals tun sollte. Das ist auch ein wenig einfach und engstirnig gedacht, mein Lieber.

Das Ausgeraubt und Geschlagen werden ist hier nicht entscheidend, der Schmerz ist es. Wenn du also als Leser Mitleid empfinden willst, dann solltest du es nur haben, weil er seinem Verlangen und Bedürfnis nach Leben, was sich für ihn in großem Schmerz und Glück zeigt, nicht befriedigen kann.

Hallo schnee.eule,

danke auch an dich, dass du dich mit meiner kleinen Geschichte auseinandergesetzt hast. Sie ist mit Absicht ein wenig vage gehalten für unterschiedliche Interpretaionen.

Meiner Intention nach ist der Protagonist selbstverantwortlich für sein Leid. Andere Menschen spielen keine Rolle. Das Traurige ist, dass er große Ansprüche an das Leben stellt, im Sinne von großen Emotionen, wildem Geschehen, Schmerz, Glück, sich selbst fühlen, lebendig fühlen.

Der Gleichklang des Lebens, alles Normale, Alltägliche, die Routine macht in kaputt.
Das Funktionieren wie eine Maschine ohne Fühlen ist sein Ende.
Der Schmerz im Regen lässt ihn nocheinmal an das Leben glauben. Er will sich spüren!! Das sehe ich so wie du. Das Problem ist, dass das Leben was er will möglich ist, doch er ist zu ignorant. Irgendwie ist er gefangen, sich selbst im Weg

Liebe Grüße an dich Eva

Jan

 

Lieber Jan !

Bin überrascht und hoffe zu verstehen. Denn wenn er selbst es ist der sich blockiert, selbst Schuld trägt an dem Leid - das sichtlich aus seiner Sicht der Dinge heraus entsteht, dann hat es doch mit anderen Menschen zu tun. Und zwar insofern, dass er zumindest eine Aktion von außen braucht, und sei es nur Typen die ihn zusammenschlagen, um dadurch letztlich selbst in Aktion treten zu können, und sei es durch Opfersein.

Er will sich spüren indem ununterbrochene Ereignisse seinen Leben vorwärtswerfen. Selbst kann er sie aber scheinbar nicht iniziieren, ist also auf die Menschen außerhalb angewiesen und die liefern nicht ständig nach seinem Bedarf?

Schönen Abend für dich - Eva

 
Zuletzt bearbeitet:

Hei Peter, ich denke immer wenn jemand in der "Ich-form" schreibt, dann meint er sich. Hab mich nicht drum gekümmert, ob das erlaubt ist, ob man das machen sollte! Wie ich nun mal so bin!

Ein Mensch, der einen Faustschlag ins Gesicht bekommt, findet es in der Regel nicht gut.

Beispiel: Ein Mann will sich umbringen, geht zu einem Hochhaus, 15. Stock, will ab nach unten.

Wenn er im 14. Stock angekommen ist, Feuer bricht aus, es bedroht ihn, dann wird er Angst haben, und versuchen sein Leben zu retten!

Du schreibst, der Prot.hat sich in die in die Hose gemacht, dass geschieht nur aus Angst. Da harkt es!

Natürlich weiss ich was du meinst, also ich hoffe es.
Der Schmerz als Auslöser für Empfinden überhaupt.

Beim 2. Lesen wirkt es allerdings ganz anders, besser, frag mich nicht warum, aber ich nehme dem Protagonisten nicht ab, dass er sich für kurze Zeit über den Schmerz freut!

Nehm ich ihm nicht ab, soa:)

Liebe grüsse Stefan

 

Hallo PeterPan,

die Geschichte ist stilistisch gesehen wirklich einwandfrei. Und auch die Handlung an sich finde ich nicht schlecht. Was nun doch etwas unlogisch ist, ist die Sache, daß sich Dein Protagonist selbst quält nachdem er zusammengeschlagen wurde. Ich denke, in so einer Situation hofft man bestimmt nicht, daß der Schmerz nicht nachläßt... Es sei denn, Dein Protagonist ist ein bißchen so veranlagt, sich für alles selbst die Schuld zu geben - auch für einen Raubüberfall, für den er absolut nichts kann, bei dem er sogar selbst Opfer ist... Falls das der Fall ist, hättest Du diesen Punkt meiner Meinung nach ansprechen und ein bißchen ausbauen müssen - dann wäre auch die Story glaubwürdiger rübergekommen.

Gruß!
stephy

 

Guten Morgen am Sonntag!

Ein düsteres Bild, dass du da zeichnest. Ich lese daraus, dass es noch besser ist Schmerz zu empfinden und geprügelt zu werden, als gar nichts zu fühlen, scheintod zu sein und überhaupt nicht beachtet zu werden. Dieser Gedanke schockiert mich, geht mir nahe.
Ich würde die Person am liebsten schütteln und sie anbrüllen, dass es auch angenehme Wege gibt, wie sie aus ihrem "Null-Sein" herausfindet.
klara

 

Hallo liebe Liebenden,

Eva, die anderen sind aber keine notwendige Bedingung, um sich zu spüren, den großen Schmerz oder unendliche Freude zu fühlen. In dem Moment waren es diese Schläger die ihm "Gutes" getan haben. Es war Zufall. Vielleicht ist es das nächste Mal ein grauer Regentag in den Highlands von Schottland, der ein großes Gefühl in ihm auslöst, in dem er sich selber spürt.

Hi Stefan, ich hoffe deinen Einwand kontern zu können.
Manchmal fürchten wir uns für einen Augenblick, finden es dann aber doch gut. Denke z.B. an Leute, die einen Horrorfilm gucken und solche Filme lieben. An manchen Stellen schreien sie vor Angst, aber trotzdem tun sie sich es immer wieder an.
Hast du den Film "Fight Club" gesehen? Ein Film mit einer nachdenklichen Message. Die Leute schlagen sich, um Schmerzen zu haben, um sich zu spüren, weil der Alltagstrott sie zu blutsarmen Zombies gemacht hat.

Hallo stephy,

danke, dass du dich mit meiner Geschichte auseinandergesetzt hast. Deinen Einwand habe ich schon versucht bei Stefan zu kontern. Der Raubüberfall ist in dieser Geschichte unwichtig. Es ist nur ein blöder Zufall, der "Glück" für den Protagonisten bedeutet.

Denk' an einen grauen Geschäftsmann, in dessen Leben nichts passiert. Er hat nur seine Arbeit. Er empfindet sich selbst nicht mehr. Er hat kein Leben mehr in sich. Arbeit-Fernsehen-Schlafen...
Der Schmerz (physisch oder psychisch)ist etwas großes, das ihm wieder Leben einhaucht.

Hallo Klara,

danke für deine Antwort, die mich sehr gefreut hat. Dass du so reagiert hast, habe ich gehofft. Du hast sie anscheinend genauso verstanden wie ich sie gemeint habe, obgleich mehrere Interpretationen möglich sind.

Liebe Grüße aus dem Westen Deutschl.

Jan

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom