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Erkenntnis
Sie schrie vor Schmerzen. Doch nicht wegen ihrer eigenen Wunden. Jene spürte sie kaum. Shizuka riss die Arme nach oben. Die Klinge des Schwertes blitzte gefährlich auf. Ein Zischen war zu hören als sie durch ihren Bruder glitt. Der leblose Körper vor ihren Augen verschwamm zunehmend.
Endlich war der Krieg vorbei. So viel hatte er gefordert. Bevor das alles begann, war sie ein normales Mädchen mit einer liebenden Familie und nun war sie allein. Ihre Eltern getötet und der eigene Bruder einer der Feinde.
Kraftlos nahm sie ihre Arme runter. Ihre Tränen verschleierten den Blick. Die Bilder wollten nicht verschwinden. Immer wieder sah sie sein Gesicht. Das Gesicht, das sie mehr liebte als sich, als alles auf der Welt. Das Gesicht des Mannes, den sie mehr hasste als alles auf der Welt. Wie konnten zwei Gefühle nur so unterschiedlich sein und doch eins.
Weitere Tränen liefen ihre Wange runter. Weilten kurz an ihrem Kinn und tropften dann geräuschlos auf den Boden.
Nein sie konnte das alles nicht. Sie wollte nicht mehr kämpfen. Sie wollte kein Blut mehr sehen, keinen Leichnam. Und vor allem konnte sie nichts mehr fühlen.
Taumelnd stand sie auf. Das Schwert glitt aus ihrer Hand und viel lautstark zu Boden. Doch sie hörte nichts.
In Trance setzte sie einen Fuß vor den anderen.
Sie wusste nichts wieso, aber sie wusste, es war endgültig vorbei. Sie selbst hatte es beendet. Und sie hasste sich dafür. Nie mehr würde es sein wie vorher. Nie mehr würde er sie schon fast zärtlich ansehen. Nie mehr würde sie seine Lippen auf ihren spüren.
Shizuka kam nicht weit. Schwer atmend sank sie auf den Boden. Sie fühlte alles. Jedes Wort, jeden Blick, jeden Kuss. Alle Gefühle. Alle Ängste. Alle Träume. Ihr Körper wurde durch das heftige Zucken beim Weinen durchgeschüttelt.
Sie war nicht mehr in Trance. Sie lebte und fühlte.
Wieso lebte sie aber er nicht mehr? Wieso hatte er sie alleine gelassen? Wieso musste er sie retten und dabei selbst sterben?
Sie ertrug den Gedanken nicht, IHN nie mehr zu sehen. Wie von selbst nahm sie den rostigen Dolch der neben ihr lag.
Suchend sah sie sich um. Als sie schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte, sah sie ihn.
Seine leblose Gestalt mit dem hübschen Gesicht zur Erde. Langsam ging sie zu ihm.
„Verzeih mir! Du hast gesagt, ich sei stark, aber ich kann ohne dich nicht sein. Es tut mir so leid.
Ich liebe dich so sehr! Warum konnte ich es dir nicht sagen? Jetzt geht es doch auch so einfach wie von selbst.“
Neben ihn sank sie wieder auf die Knie. Mit ihren letzten Kräften drehte sie ihn auf den Rücken. Seine Augen waren geschlossen und er sah aus als wenn er nur schliefe.
Sanft berührte sie seine Wange und küsste ihn auf seine kalten Lippen. Wie anders es war wenn er den Kuss nicht erwiderte. Nun konnte sie sich nicht mehr beherrschen. Laut schluchzend legte sie sich auf seine Brust.
„Ich liebe Dich so sehr. Ohne dich kann und will ich nicht sein. Verzeih mir, Geliebter.“
Desperat sah sie die Klinge an und hob sie in die Höhe. Ihre zitternden Hände umfassten den Schaft noch energischer um nicht den Mut zu verlieren. Der Dolch sank hinab, auf den bebenden Körper.
Seine kräftige Hand umfasste die rostige Klinge.
Ein Wimpernschlag. Ihr Herz begann wie wild zu rasen, als er den Kopf hob und sie aus seinen kühlen Goldfarbenen Augen ansah. Er richtet sich auf und zog sie stumm in seine Arme, das Beben ihrer Schultern ignorierend.
Sanft küsste er sie auf das rote Haar.
4 Jahre später !
Zärtlich umfasste er ihre schmale Taille und zog sie zu sich. Einen endlosen Moment sahen sie sich in die Augen, bevor ihre Lippen sich trafen. Schwer atmend löste sie sich von ihm.
„Ich liebe Dich auch.“ Meinte sie lächelnd.
Bisher hatte er die Worte selbst noch niemals ausgesprochen, würde es wohl auch noch lange nicht tun. Dazu war er noch zu sehr in seiner schmerzlichen Vergangenheit gefangen. Stück für Stück öffnete er sich ihr jedoch weiter. Dankbar für diese Momente lächelte sie ihn an.
Sie wusste genau, der Schmerz über den Verlust der Familie, würde nie vergehen. Doch konnte sie sich nun eine eigene aufbauen. Mit ihm an ihrer Seite, konnte sie es schaffen, die Geister der Vergangenheit zu verscheuchen und in eine ruhigere Zukunft blicken.