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Erkenntnis
Sollte sie es tun? Sie wollte es nicht tun. Sie tat es. Ein flüchtiger Blick rechts, links, keine Menschenseele zu erkennen. Der Mond schien schwach, ergänzte die weißen Straßenlampen um eine milde Nuance. Ein nebelig-nasser Filter legte sich über ihren Blick, weshalb sie ihre Schlüssel nicht fand. Sie kramte. Er sieht, lauert, zögert. Kleines Lamm. Der Knüppel traf sie schwer und als sie zu Boden sank, konnte er es nicht mehr rückgängig machen. Kopfüber schleifte er ihre hohen Absätze über das Schwarz des Asphalts.
So kann sie nicht mehr lügen. Ich werde nicht mehr zuhören. Niemals mehr kann sie lügen.
Die Scheinwerfer des Vans stanzen gelbe Ovale in das Mitternachtsdunkel. Die Scheibenwischer flehen um Gnade - vergebens. Hat er an alles gedacht? Taschenlampe, Spaten, das Kleid, das Kleid, das Kleid, mehr ist nicht notwenig. Blütenweiß, wie unpassend. Ich liebe sie. Ich hasse sie. Wäre sie nur eine Hure, ich würde sie mit Stacheldraht nackt an mein Bett fesseln, einen in Benzin getränkten Socken zwischen die Zähne drücken und der Verwesung freien Lauf lassen. Ich würde ruhig neben ihr schlafen. Sie zuckt. Wo bin ich? Ich blute. Ist er es? Er ist es. Ihr Zappeln amüsiert mich. Ich muss es nicht einmal sehen, es amüsiert mich trotzdem. Es unterhält mich grandios. „Tanz für mich, kleine Hure. Tanz für mich.“
Sie versteht nicht, hält inne und plappert in den Teppich, den ich ihr zum Geschenk machte. Hoffentlich schmeckt er ihr. Ich höre nicht zu. So mag ich es. Dieses Mal bin ich der Inquisitor, der Herr, der an dir seine donnernde Rache vollführen kann. Wie gerne würde ich dich jetzt schon mit glühenden Eisen strafen!
Er summt eine fremdartige Melodie, seine Fingerspitzen harmonieren mit ihr, wehen wie vom Wind getragen. Das Helle in ihren Augen weicht dem Drang des Unaufhaltbaren.
Der Untergrund, sie kann es spüren, wechselt und unterbricht sein leidenschaftliches Spiel.
Abrupt hatte der Wagen gehalten und sie gegen ein schillerndes Metallrohr gewuchtet, was ihr Schmerz bereitete, den sie nicht unterdrücken konnte. Es war Absicht.
Er öffnete den Kofferraum und mit einem Lappen drückte er ihr die Bewusstlosigkeit in den Leib. Ihr Wehr, ihr Wall war bereits getrümmert, als er weiterpresste, und presste, presste und plötzlich erschrak. Hat er begriffen, was er tat? Die Klinge in seiner Rechten trennt das Garn.
Er zog sie unbeholfenen Griffes langsam aus, Stück für Stück. Die nassen, dreckigen Lumpen warf er beiseite. Die Taschenlampe schenkte ihm ein helfendes Licht, als er dem Kleid half, sich an ihren Körper zu schmiegen. Sie ist wunderschön, ein Engel der Heuchelei. Dann begann er, zu graben. Immer tiefer wurde ihr Verhängnis. Er musste es genießen und als er, wie in die Seite gestochen, anfing zu bluten, war es vollbracht. Er machte sich nicht die Mühe, den Schweiß abzustreifen, auch die Pranken blieben wund. Viel Zeit für die Zeremonie blieb nicht mehr, erste gleißend-gelbe Schweife schmückten den herrlichen Horizont. Er warf das gottverdorbene Werkzeug auf den Haufen und näherte sich behutsam der Braut. Er weckte sie sanft, strich über ihr gerötetes Haar und schmeckte die Süße ihres Weins. Sie ist wie Salzsäule. Ihr Kopf schmerzt, Lügen weichen Schwindel. Er hebt sie, trägt sie bis zur Schwelle und setzt sie ab.
„Und, willst du diese hier bei Gottes Glanz zu deiner Frau nehmen? Ja, ich will.
Und, willst du, Frau, mich zu deinem Mann nehmen und mir einen letzten Wusch erfüllen?“
Er packt sie am Schopf und drückt sie vor und zurück, wodurch sie den Teppich verliert.
„So ist es denn nun vollbracht, oh Herr. Nimm diese Frau als Zeichen meiner Liebe zu dir, auf dass sie ewig brennen möge!“ Er stößt sie in den Schlamm. Dreckig-modrige, faule Erde fließt in ihren Mund. Er wirft die Lampe hinterher und greift das Verdorbene.
Sie weint Tränen der Angst und packt die Lampe. Auf das Monster richtet sie den letzten Hoffnungsschimmer: „Bitte tu das nicht, bitte nicht.“
Wortlos hielt er inne. So weit war es gekommen? Er legt das Metall zur Seite, kniet nieder und sieht sie verzweifelt an. Erleuchtende Sonnenstrahlen blenden ihn. Dieses eine Mal hören sie zu.
„Bitte, bitte verzeih mir.“
War es Rührung, die er empfand? Er wusste es nicht. War es Glück, oder Pech, dass sie halbtot gefunden wurde? Er wusste es nicht. War es Genugtuung, die er empfand, als er ihr Schweigegelübde annahm? Er wusste es, aber als die Polizei dreimal klopfte, war er sich nicht mehr sicher.