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07.02.2017
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Die Geschichte, die ich euch erzählen möchte, begann an einem warmen und sonnigen Spätsommerabend. Der Wind spielte mit den ersten herabgefallenen Blättern und die Sonne hatte schon etwas von ihrer sommerlichen Stärke eingebüsst, die frühen Vorboten des Herbstes machten sich bemerkbar. Nach einem langen Arbeitstag, der viel zu früh begonnen hatte, beschloss ich, wieder einmal eine kopfbefreiende Joggingrunde zu unternehmen. Was sich zunächst jeweils wie ein weiterführen der alltäglichen Tretmühle anfühlt, entpuppt sich meistens als gutes Unterfangen. Dann nämlich, wenn ich nach beendeter Tour vom Alltag entlastet zu Hause ankomme, dusche, esse und die Alltagssorgen hinter mir lasse.

Als ich meine allzu auffälligen, im Sonderverkauf erworbenen Laufschuhe schnürte, ahnte ich noch nichts vom kommenden Ereignis. Es sollte eine der ungewöhnlichsten Joggingrunden werden, die ich je erlebt habe.
Nach einem ungefähr zehnminütigen Anstieg, hatte ich mein erstes Erholungsziel erreicht. Von da an konnte ich mit Sicherheit sagen, dass ich die hektische Stadt hinter mir gelassen hatte. Eine vom Spätsommer verzauberte Allee empfing mich. Ich lauschte dem rhythmischen Knacken der Nüsse und Blätter, die ich zertrat. Nach einer Weile hörte ich dieselben Geräusche noch einmal hinter mir, wohl von einem Mitjogger verursacht, der mir offensichtlich dicht auf den Fersen lag. Ich zügelte mein Tempo, in der Hoffnung mein Verfolger würde mich dann überholen. Doch er oder sie blieb mir hartnäckig im Nacken. Nach einer Weile setzte die Person doch zum Überholmanöver an, blieb jedoch zu meinem Entsetzen neben mir. Ich fühlte mich bedroht und zwar nicht auf physische Weise, nein, die Person raubte mir meinen Raum. Ich kam schliesslich nicht hierher, um mich mit Leuten zu treffen, was ohnehin nicht zu meinen Stärken gehört. Ich bin eine Einzelgängerin und Träumerin. Zu viele Menschen um mich herum rauben mir meine wertvolle Energie.
Ich fühlte den Blick der Person neben mir auf meinem Gesicht brennen. Hier konnte ich mich nicht entziehen. So zu tun als wäre nichts, machte die Situation nicht weniger peinlich. Dennoch unternahm ich nichts und versuchte die Welt um mich herum auszublenden.

Plötzlich sagte mein Nebenbuhler: «Hallo»! Die Frauenstimme traf mich wie ein Blitzschlag. Ich konnte meine Anonymität nun nicht länger bewahren. Eine Reaktion war gefordert. Weiteres Ignorieren hätte mir nur noch mehr Bauchschmerzen bereitet. Die Flucht in die andere Richtung schwebte mir zwar kurz vor. Doch das schien mir dann zu überstürzt und wäre mir unendlich peinlich gewesen. Also antwortete ich mit gespielter Fröhlichkeit: «Oh, Hallo!», als hätte ich die Person neben mir erst jetzt bemerkt. Ich warf meiner Verfolgerin nun zum ersten Mal einen Blick zu und erschrak heftig. Denn wer da neben mir herlief, das war ich selbst. Mein eigener Anblick raubte mir derart den Atem, dass mir schwindelig wurde. Ein pfeifendes Geräusch machte sich im inneren meines Kopfes bemerkbar. Ich musste daraufhin mein Tempo drosseln und begann zu spazieren. Meine Begleiterin passte ihr Tempo an.

Ich wusste sogleich, dass mein zweites Ich über alles Bescheid wusste. Sie war sich im Klaren darüber, wie ich mich fühlte, was mich ausmachte, ja sie kannte jede Faser meines Daseins und meine intimsten Geheimnisse. Überhaupt war mir klar, dass sie allwissend war und das betraf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie wusste weshalb sie hier war und mich aufsuchte, für sie war es keine Überraschung. Ich fühlte mich exponiert, verletzlich, angegriffen, mit dem Unausweichlichen konfrontiert. Ich konnte mich hinter keiner Fassade verstecken, wie ich es sonst zu tun pflegte. Es gab kein Entrinnen, ich musste mich der Situation stellen. Ich konnte nicht anders und fragte sie beinahe verzweifelt: «Was willst du von mir?». Auf dem Gesicht meiner Begleiterin zeichnete sich ein warmes, herzliches Lachen ab.

Ich versuche euch nun zu beschreiben, was mit mir von diesem Moment an geschah. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich, als wäre ich angekommen. Innert kürzester Zeit änderte sich mein Gefühlszustand. Ich musste vor nichts und niemandem mehr davonlaufen. Anscheinend auch nicht von mir selbst. Ich konnte zum ersten Mal seit ganz langer Zeit loslassen. Das war für mich so überwältigend, dass ich den Drang verspürte, mich auf den von der Sonne gewärmten Boden zu setzen. Mein zweites Ich sass sich mir gegenüber hin. Endlich konnte ich durchatmen und innehalten, ohne ein Gefühl des Gehetzt seins und der Rastlosigkeit spüren zu müssen, was sonst mein ständiger Begleiter ist. Ich wusste, endlich habe ich den Zeitpunkt erreicht, den ich schon ein Leben lang verfolgte. Die Ruhe und Zufriedenheit, die mich nun erfüllte, machte mich sprachlos. Ich war froh, dass mein Gegenüber kein Wort sprach und mich zu nichts aufforderte. Sie lächelte mich lediglich an und nahm meine Hände.

Für einen kurzen Moment wurde mir schwarz vor Augen, alles schien sich zu drehen. Als ich wieder klare Sicht hatte, war mein Gegenüber verschwunden. Ich fühlte aber noch immer den sanften Druck ihrer Hände in meinen. Mein Körper und mein Geist fühlten sich an wie neu geboren. Aber ihre Abwesenheit versetzte mich kurz in eine tiefe Traurigkeit. Doch ich wusste, dass sie mich jederzeit fände und mich niemals mehr im Stich liesse.

 

Hey Leandra Z,
Für mich war deine Geschichte ein Wechselbad der Gefühle.
Erst war ich nicht so angetan.

Die Geschichte, die ich euch erzählen möchte, begann an einem warmen und sonnigen Spätsommerabend.
In meinen Augen ist das kein interessanter Anfang. Ich habe nach diesem Satz nicht wirklich das Bedürfnis zu erfahren, was an diesem Abend geschehen ist.
Auch hört er sich so an, als würde ein Geschichtenerzähler einem Haufen Kinder deine Geschichte erzählen.

Als sich die Joggerin als die gleiche Person herausstellte, war ich plötzlich interessiert an dem Verlauf Deines Textes. Das kam überraschend und plötzlich.
Jedoch muss ich meiner Vorrednerin Recht geben. Wirklich auf etwas hinauslaufen tut diese Geschichte am Ende doch nicht.
Klar, wahrscheinlich wolltest du eine mythische Geschichte mit Interpretationen erzählen, aber so lässt du zumindest mich mit einem faden Beigeschmack zurück. Gerne hätte ich mehr über diesen seltsamen Vorfall erfahren. Jetzt wirkt es aber eher wie das erste Kapitel einer größeren Geschichte, die nie erzählt wird.

Also:
Interessante Idee, aber kein spannender, bzw. fehlleitender Einstieg und unbefriedigendes Ende. Vielleicht kannst du in deiner möglichen Überarbeitung den ein oder anderen Mythos doch offen legen.

LG Sim123

 

Liebe Leandra Z,

Deine Geschichte hat mich irgendwie nicht ganz befriedigt zurückgelassen.

Der Beginn ist aus meiner Sicht nicht schlecht und schafft eine ganz leicht wehmütige Stimmung. Man hat die Szene bildlich vor Augen. Dann allerdings verzettelst Du Dich ein bisschen, indem Du recht detailliert darauf eingehst, warum Du die Joggingrunde unternimmst.

Was sich zunächst jeweils wie ein weiterführen der alltäglichen Tretmühle anfühlt, entpuppt sich meistens als gutes Unterfangen. Dann nämlich, wenn ich nach beendeter Tour vom Alltag entlastet zu Hause ankomme, dusche, esse und die Alltagssorgen hinter mir lasse.

Auch der Hinweis auf die allzu auffälligen Laufschuhe ist für mich leicht irreführend. Wenn ich das lese, habe ich die Erwartung, dass mit diesem Schuhen noch irgendwas passiert, dass sie eine tragende Rolle in der Geschichte übernehmen – sie werden aber nicht mehr erwähnt.

Du baust – meines Erachtens recht gelungen – Spannung auf, indem Du nicht sofort offenlegst, wer Dich verfolgt. Es folgt der unerwartete Knall: Du selbst bist es. Dann nimmst Du aber diesen Spannungsmoment heraus und versetzt Dich selbst in die Rolle des allwissenden Erzählers:

Ich wusste sogleich, dass mein zweites Ich über alles Bescheid wusste. Sie war sich im Klaren darüber, wie ich mich fühlte, was mich ausmachte, ja sie kannte jede Faser meines Daseins und meine intimsten Geheimnisse. Überhaupt war mir klar, dass sie allwissend war und das betraf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Woher? Es kann durchaus in der Handlung gelegen sein, dass Dir mit einem Schlag bewusst wird, wer die Person neben Dir ist und was sie von Dir weiß – aber dann solltest Du auch darauf eingehen (hast Du sie früher schon einmal gesehen?).

Im letzten Teil gehst Du dazu über, im Stil einer Inhaltsangabe zu schildern, wie Du Dich fühlst und was die Begegnung mit Dir selbst auf emotionaler Ebene mit Dir angestellt hat (was eigentlich der Knackpunkt der Geschichte ist). Man erwartet aufgrund der Schilderung, dass es noch weitergeht (was machst Du aus der Begegnung?Gibt es noch eine Begebenheit, auf die sich die Begegnung auswirkt?) und ist verblüfft, als die Geschichte dann ein wenig abrupt endet.

Mein Fazit: Gute und interessante Idee, aber vor allem im Schlussteil noch Möglichkeit zur Entwicklung.

Keep on keeping on und liebe Grüße,

sbgerhi

 
Zuletzt bearbeitet:

Vielen Dank für die ausführlichen und hilfreichen Feedbacks! Ich bin wirklich noch eine Anfängerin, was das Geschichtenschreiben betrifft. Das Beste ist wohl üben, üben, üben und keine Angst vor Kritik haben.

 

Hallo Leandra Z,

also ich konnte mit dieser Geschichte nicht wirklich warm werden. Dafür hinterlässt sie zu viele offene Fragen.

die ich euch erzählen möchte ... versuche euch nun zu beschreiben

passt eher in ein persönliches Gespräch, wenn man in der Geschichte zu jemandem spricht.

wusste sogleich, das mein zweites ich über alles Bescheid wusste

Woher?

Mir fehlt einfach eine schlüssige Auflösung für die Geschichte. Jemand trifft sich selbst und sein Gefühlszustand verändert sich. Das ist einfach so in den Raum gestellt, es gibt keine Hintergründe.

Auch wirkt der Text für mich immer wieder ein wenig zu intensiv für die Situation.

mit dem Unausweichlichen konfrontiert ... es gab kein Entrinnen

Das setzt mE einen stärkeren Konflikt voraus, als nur jemandem gegenüber zu stehen, der nicht bedrohlich ist.

Noch viel Erfolg bei deinen nächsten Texten.

LG

Rainer Hohn

 

Hallo Leandra Z,

leider konnte auch ich mit Deiner Geschichte nicht viel anfangen, und zwar aus ähnlichen Gründen wie die, die die anderen Kommentatoren schon dargelegt haben.

Ich möchte Dich aber auf einen anderen Punkt hinweisen, der mich gestört hat. Du wiederholst fast jede Beschreibung, jede der wenigen Handlungen mehrfach. Hier einige Beispiele:

Die Geschichte, die ich euch erzählen möchte, begann an einem warmen und sonnigen Spätsommerabend. Der Wind spielte mit den ersten herabgefallenen Blättern und die Sonne hatte schon etwas von ihrer sommerlichen Stärke eingebüsst, die frühen Vorboten des Herbstes machten sich bemerkbar.

Ich zähle allein vier Hinweise darauf, dass es Spätsommer ist. Das ist wirklich zu viel des Guten.

Nach einem langen Arbeitstag, der viel zu früh begonnen hatte,

Dass ein langer Arbeitstag früh begonnen haben muss, ist eigentlich logisch, oder?

Ich wusste sogleich, dass mein zweites Ich über alles Bescheid wusste. Sie war sich im Klaren darüber, wie ich mich fühlte, was mich ausmachte, ja sie kannte jede Faser meines Daseins und meine intimsten Geheimnisse. Überhaupt war mir klar, dass sie allwissend war und das betraf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie wusste weshalb sie hier war und mich aufsuchte, für sie war es keine Überraschung. Ich fühlte mich exponiert, verletzlich, angegriffen, mit dem Unausweichlichen konfrontiert. Ich konnte mich hinter keiner Fassade verstecken, wie ich es sonst zu tun pflegte.

Es ist doch klar, dass ich selbst alles über mich weiß. Das muss man nicht vier oder fünf Mal in anderen Worten wiederholen.

Es gibt noch viel mehr solche Stellen. Sie machen den Text langatmig und wirken unentschlossen, so als ob Du Dich nicht für eine Formulierung hättest entscheiden können und deshalb einfach alles aufgeschrieben hättest, was dir eingefallen ist.

Ach ja, ein "Nebenbuhler" ist ein Konkurrent um die Liebe und Zuneigung einer dritten Person und nicht etwa jemand, der bloß neben einem steht oder läuft. Solche Fehler reißen einen Leser leicht aus der Geschichte heraus.

Gruß
Notker

 

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