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Erinnerungen ans Meer

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05.08.2014
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Erinnerungen ans Meer

So fest ich konnte, presste ich mein Ohr gegen die Tür und horchte. So sehr ich mich auch konzentrierte, da war nichts; nichts, was darauf schließen ließ, dass meine Eltern schon wach waren. Im Gegenteil... Ganz leise, aber durch seine Gleichmäßigkeit auffallend, hörte ich das Schnarchen meines Vaters und musste mir beide Hände vor den Mund drücken, um nicht laut loszulachen. Meine Mutter sagte immer, dass mein Vater nachts mehr Holz sägen würde, als der Mann vom Sägewerk, der während der kalten Jahreszeiten immer kam, und Holz für unseren Kamin brachte.
Ich rannte zurück in mein Zimmer und sprang wieder in mein noch warmes Bett. Ich schloss die Augen und versuchte, sie geschlossen zu halten. Vergeblich. Die rot leuchtenden Zahlen meines Weckers sagten mir, dass es 05:57 Uhr war. Zu früh für meine Eltern, um aufzustehen, und auch für mich, aber heute war es anders. Heute war mein Tag.


Ich starrte an die Decke. Schon seit Stunden. Ein schwacher Luftzug drängelte sich durch das halboffene Fenster und ließ den dort oben hängenden, kalten Rauch entspannt von einer Zimmerwand zur anderen schwappen. Es erinnerte mich ans Meer; an die Endlosschleife, in der das Wasser in einer Bucht auf einen Felsen trifft, sich zurückzieht, erneut Fahrt aufnimmt und wieder dagegen prallt.
Meine Augen brannten wie Feuer. Der Gedanke daran, sie zu schließen, wirkte jedoch absurd.
Draußen war es hell. Schon seit einer ganzen Weile. Um einzuschlafen, versuchte ich mich immer wieder auf die Geräusche der Straße zu konzentrieren; auf die Autos, auf die Stimmen der Fußgänger und auf das Klappern von Fahrrädern, die über das unebene Kopfsteinpflaster fuhren. Nach kurzer Zeit schon verschwammen die Geräusche jedoch; wurden zu akustischem Brei und heraus kamen immer neue Aneinanderreihungen von Tönen, die mich an elektronische Tanzmusik erinnerten und mir keine Ruhe gönnten.

„Oh Gott, wo sind wir?“ Mit geschlossenen Augen war Bella aufgeschreckt und packte meine Hand. Sie zitterte und ihre Finger waren schweißnass.
„Bei mir. Schon okay.“
„Ah. Gut.“ Sie seufzte, drehte sich um und schlief weiter.
Ich setzte mich auf die Bettkante und rieb mir die Augen. Auf dem Boden fand ich eine halbe Zigarette, unter ihr ein kleines Brandloch. Ich zündete sie an, stand auf und verließ den Raum; hinter mir murmelte Bella irgendwelche unverständlichen Worte.


Einige Minuten wälzte ich mich von einer Seite auf die andere. Nichts geschah. Ich konnte nicht mehr schlafen, fand keine Ruhe mehr. Ich stand auf, lief zum Fenster und kletterte aufs Fensterbrett. Durch die kleinen Schlitze im Rollladen sah ich die Sonne aufgehen. In gelb und orange schlängelten sich ihre ersten Strahlen durch den dichtbewachsenen Garten vor unserem Haus.
Ich streckte die Finger durch den Spalt des gekippten Fensters und spürte die Wärme einer der ersten Frühlingstage.
Mein großer Bruder, mit dem ich mir ein Zimmer teilte, verbrachte die Nacht bei den Nachbarn, weswegen ich der alleinige Herrscher über unseren kleinen Röhrenfernseher war. Ich drehte ihn so, dass ich den Bildschirm von meinem Bett aus sehen konnte, schaltete ihn ein und kroch zurück unter die Decke.
Mit dem einen Ohr hörte ich Gagamel und Azrael dabei zu, wie sie neue Schandtaten planten, mit dem anderen lauschte ich auf den Flur hinaus, um nicht zu verpassen, wenn meine Eltern aufstehen würden.


Bella betrat das Zimmer, während ich dabei war, jede einzelne Bierflasche gegen das Licht zu halten, um zu sehen, ob sich nicht in irgendeiner noch ein letzter Rest befand. Ich hatte Bella nicht bemerkt. Sie räusperte sich, ich erschrak.
Vollkommen nackt stand sie da. Ihre natürlich blasse Haut war noch blasser als sonst. Sie hob sich kaum von dem weißen Türrahmen ab, gegen den sie lehnte, und die Ringe unter ihren Augen wirkten noch tiefer als sonst und noch dunkler.
Sie versuchte sexy zu sein: Einen Arm hielt sie auf Kopfhöhe und lehnte sich mit dem Ellenbogen an; den anderen stemmte sie in die Hüfte und mit leicht zur Seite gesenktem Kopf zwinkerte sie mir zu.
Ihr Versuch scheiterte kläglich. Sie war kaum dazu in der Lage, gerade zu stehen, und ihre sonst so üppigen Brüste hingen schlaff vor ihrem gekrümmten Oberkörper. Ihr Teint ließ die zarten, orangenen Sommersprossen wie eine Hautkrankheit aussehen und ihre Beine waren mit blauen Flecken übersät. Ich hätte ihr gerne gesagt, wie hässlich sie war.
„Gut geschlafen?“, fragte ich und zündete mir eine Zigarette an.
Sie zuckte mit den Schultern.
„Ist noch was da?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Und davon?“ Sie starrte auf den kleinen Spiegel, der auf dem Tisch lag.
„Auch nicht.“ Ich legte den Kopf in den Nacken, zog an der Zigarette, den Rauch bis in die tiefsten Tiefen meiner Lunge und atmete aus.
„Wir brauchen wieder was“, sagte sie und nahm den Spiegel.
„Mhm. Daraus wird aber wohl nichts.“ Ich zeigte auf meinen Geldbeutel. Sein Inhalt war auf dem Boden verteilt.
Bella hielt den Spiegel mit beiden Händen fest und starrte ihn an; vielleicht starrte sie auch ihr Spiegelbild an. Nach einigen Sekunden legte sie ihren Zeigefinger auf den Spiegel und fuhr die gesamte Oberfläche mit ihm ab, bis in die letzten Ecken, dann rieb sie sich die Fingerspitze an ihr Zahnfleisch.
„Hast du Geld bekommen?“, fragte sie schmatzend.
„Gute Frage.“ Ich zuckte mit den Schultern und ging zur Wohnungstür. Dort fand ich tatsächlich einen einzelnen Brief, der den Weg durch den Türschlitz gefunden hatte. Er war von meiner Mutter. Ich öffnete ihn und klappte die Karte auf.
„Nichts“, sagte ich und warf den Umschlag samt Inhalt auf den Tisch.
„Von deiner Mam?“, fragte sie und sah auf den unbeschrifteten Umschlag.
„Ja.“
„Was schreibt sie?“
„Keine Ahnung.“
„Willst du’s nicht wissen?“
„Nein.“
Bella nahm die Karte. Mit ihrem Blick tastete sie sie ab und bewegte dabei den Mund, ohne ein Geräusch von sich zu geben.
„Sie wünscht dir alles Liebe und viel Glück für die nächsten 365 Tage und eine gute Gesundheit.“ Während sie den letzten Teil vorlas, lachte sie leise. Ich riss ihr die Karte aus der Hand. Es handelte sich um einen Vordruck; das einzig Handgeschriebene darauf waren die letzten Worte:
Liebe Grüße, Christiane.


Das Fernsehen langweilte mich. Ich wollte ja zuhören und mich darauf konzentrieren, aber die kleinen, blauen Gestalten schafften es nicht, meine Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Ich drehte den Fernseher leiser und verließ das Zimmer. Auf Zehenspitzen schlich ich den Gang entlang, ganz leise, um Beethoven nicht zu wecken, der sonst nur gefüttert werden wollte.
Ich stand vor der Wohnzimmertüre und mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich, etwas durch das Milchglas zu erkennen. Vergebens. Ich versuchte mir vorzustellen, wie mein Geburtstagstisch aussah, was für einen Kuchen meine Mutter gebacken hatte und welche Geschenke ich bekam. Von meinen Eltern wusste ich es bereits. Es war die Raumstation, die dort drin darauf wartete, ausgepackt zu werden. So lange ich mich erinnern konnte, hatten alle meine Geschenke etwas mit dem Weltraum oder Astronauten zu tun, denn genau das wollte ich immer werden. „Ich werde Astronaut, so wie Luke Skywalker!“ Davon war ich überzeugt.
Ich bat den lieben Gott darum, dass meine Eltern auch ein Geschenk für meinen Bruder hatten. Ich mochte es nicht, wenn er einfach nur daneben saß und mir dabei zuschaute, wie ich mich über meine Geschenke freute. Er musste auch etwas bekommen. Als Ausgleich. Etwas Schönes.


Mit einer Flasche Whisky und einer Schachtel Zigaretten kehrte ich zurück in die Wohnung. Bella und ich hatten unser letztes Geld zusammengekratzt, um wenigstens noch ein bisschen Feierlaune abzustauben, bevor sich dieser Tag der Freude seinem Ende zuneigen würde. Ich zog mir die Kapuze vom Kopf; mein Pullover war vom Regen völlig durchnässt.
Als ich das Wohnzimmer betrat, saß Bella auf dem Sofa. Sie hatte sich mittlerweile angezogen und versuchte aus dem Resttabak einiger Kippenstummel eine Zigarette zu drehen. Ihre Hände zitterten und sie zerriss ein Blättchen nach dem anderen. Auf dem kleinen Spiegel lag ein zusammengerollter Fetzen der Karte, die ich von meiner Mutter bekommen hatte.
„Alles klar?“, fragte ich sie.
„Mhm“, antwortete sie und sah zu mir auf. Ihr Unterkiefer zitterte, ihre Zähne klapperten und ihre Pupillen waren tellergroß.
„Woher hast du… ?“
„Gefunden!“, rief sie und riss jubelnd beide Arme in die Luft. Der Tabak ihrer nicht fertigen Zigarette verteilte sich dabei auf und neben ihr, doch es schien sie nicht zu stören.
„Wo?“, fragte ich.
„Wer is Anne?“ Sie griff nach den Zigaretten, die ich auf den Tisch geworfen hatte.
„Wie, wer ist Anne?“
Sie zeigte auf ein Stück Papier, das auf dem Tisch lag. Darauf standen ein Name und eine Telefonnummer. Ich erkannte den Zettel. Gestern Nacht, in dem Club, in dem die Lichter wie Sterne gefunkelt hatten, wo kein Auge trocken blieb und das Chaos seiner Wege ging, hatte ihn mir eine nicht unangenehm anzuschauende, junge Frau zugesteckt. Sie musste höchstens achtzehn gewesen sein und tanzte die ganze Nacht, bis zum Morgenrauen. Von ihrer zierlichen Nasenspitze tropfte der Schweiß, die Haare klebten an ihrer Stirn und sie lächelte, als sie mich durch die Menge sah. Sie tanzte und tanzte, ohne den Blick von mir abzuwenden und kam dann irgendwann auf mich zu. Mit dem Mund ganz nah an meinem Ohr, flüsterte sie durch den Lärm:
„Ich kann gerade nicht viel reden, ich muss tanzen, aber hier…“ Sie hielt mir einen Zettel unter die Nase. Darauf standen ihr Name und ihre Telefonnummer. Sie faltete ihn zusammen, ich nahm ihn und steckte ihn in ein kleines Tütchen, wo ich ihn sicher nicht verlieren würde. In diesem kleinen Tütchen, das ich vollkommen vergessen hatte, waren außerdem noch…
„Woher hast du das?“, keifte ich Bella an.
„Hosentasche“, sagte sie und zeigte auf die zusammengeknüllten Jeans, die ich letzte Nacht getragen hatte.
Ich suchte den Tisch ab und fand das Tütchen. Es war leer.
„Was hast du in meinen Hosentaschen verloren?!“
Bella sagte nichts. Sie zuckte nur mit den Schultern und grinste mich an und ich tat nicht einmal so, als wollte ich ihr Grinsen erwidern.
„Was soll der Scheiß?!“
Sie sagte immer noch nichts und grinste weiter. Ihre dümmlichen, sonst so schönen, tief grünen Augen, waren leer. Die Lichter waren an, aber niemand zuhause; die Discokugeln drehten sich, doch es lief keine Musik.
Ich sprang auf, packte sie an der Kehle und drückte sie gegen die Sofalehne. Sie riss die Augen auf, starrte mich an und gab gurgelnde Laute von sich.
„Wieso fasst du meine Sachen an?!“
Sie gurgelte weiter und ruderte mit den Armen in der Luft.
„Das sind meine Sachen! Da hast du nichts zu suchen!“
Ich drückte fester zu. Ich drückte sie fester gegen die Sofalehne und meine Finger fester zusammen. Sie riss die Augen immer weiter auf; ihr Blick wurde flehender, je länger sie keine Luft bekam. Mit aller Kraft drückte ich ein letztes Mal zu und nahm die Hand von ihrer Kehle. Ich ließ mich zurück in den Sessel fallen und rieb mir mit beiden Handflächen die Augen.
Bella hustete und keuchte und fasste sich an den Hals. Sie riss den Deckel von der Flasche, nahm einen großen Schluck und starrte mich an. Sie ließ mich nicht aus den Augen und nahm noch einen Schluck, doch diesmal schluckte sie ihn nicht, sondern spuckte ihn mir ins Gesicht. Sie sprang auf, riss ihren Mantel vom Kleiderhaken und ich hörte, wie die Wohnungstür mit einem lauten Knall ins Schloss fiel.
Ich war erstaunt, wie voll sie ihren Mund kriegte – bei dem Gedanken musste ich lächeln – denn ich war komplett durchnässt, ob vom Regen, oder vom Whisky, wusste ich nicht. Die Zigarette, die ich im Mund hatte, war dahin und ich zündete mir eine neue an und mein ganzer Körper brannte innerlich, als ich mit einem Zug die halbe Flasche leerte. Happy Birthday!


Ich hatte es nicht übers Herz gebracht, die Türklinke nach unten zu drücken, um einen kurzen Blick ins Wohnzimmer zu werfen. Meine Hand hatte schon auf ihr gelegen und ich hätte lediglich meinen Arm bewegen müssen, aber ich traute mich nicht, und ich wollte es auch nicht. Es wäre nicht dasselbe gewesen, weder für mich, noch für meine Eltern, wenn sie in meinen Augen nicht die Freude und die Überraschung über den ersten Anblick meines Geburtstagstischs gesehen hätten. Also rannte ich zurück in mein Zimmer, legte mich wieder ins Bett und drehte den Fernseher lauter.

Nach ein paar Minuten dachte ich, meine Mutter laut gähnen gehört zu haben. Hastig griff ich nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ab. Ich drehte mich mit dem Gesicht zur Wand und schloss die Augen. Vor Aufregung konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen und ich hoffte, dass meine Mutter nicht merken würde, dass ich bereits wach war. Dann öffnete sich die Zimmertür.

Ich lief im Kreis und mir war, als würden die Wände näher kommen und wenn ich es gekonnt hätte, wäre ich auch sie hochgegangen. Bella ging mir nicht aus dem Kopf. Sie und ihr lächerliches Gewinsel, bevor sie aus meiner Wohnung stürmte. Ich wollte, dass sie zurückkommt.
Ich rauchte eine Zigarette nach der anderen, die Flasche stets in der Hand oder in greifbarer Nähe. Ich starrte immer wieder auf mein Handy, doch das Display schwieg mich an; dann ließ ich mich aufs Bett fallen und schloss die Augen.
In meinem Kopf lief ich nach wie vor im Kreis durch die Wohnung. Immer wieder. Wie ein Clown, den ich vor über zehn Jahren im Zirkus gesehen hatte. Palacio war sein Name. Glaubte ich jedenfalls. So oder so ähnlich. Ich wusste es nicht mehr genau. Egal. Palacio spielte Ukulele und seine Lieder waren schlecht, doch was mich damals fasziniert hatte war, dass er gleichzeitig auf dem kleinsten Fahrrad, das ich jemals gesehen hatte, fuhr und ihm seine Clownskollegen immer wieder brennende Fackeln in den Weg warfen, oder den einen oder anderen Salto, oder sonst einen Kunstsprung über ihn machten, um ihn abzulenken. Einmal ist sogar ein ganzer verdammter Tiger vor ihm rumgelaufen, aber Palacio ließ sich nicht ablenken, stürzte nicht und taumelte nicht einmal, sondern fuhr weiter im Kreis, bis ihm die Lieder ausgegangen waren und dann stieg er von seinem lächerlichen Fahrrad, verbeugte sich und die Show ging weiter mit irgendwelchen Hochseilakrobaten.
Mir waren für heute die Lieder ausgegangen. Ich raffte mich wieder auf und obwohl ich vollkommen übermüdet war, beschloss ich nach draußen zu gehen, um mich vom hereinbrechenden Abend durch die Stadt treiben zu lassen.
Ich hatte mir bereits meine Schuhe und meinen Jacke angezogen, als mein Handy klingelte. Auf dem Display erschien der Name meines Bruders, doch ich war mir sicher, dass er es nicht war, der mich anrief.
„Hey, na Große.“
„Hallo Onkel. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“
„Danke. Wie geht’s dir?“
„Gut. Mir geht es gut. Aber wie geht es dir? Feierst du schön?“
„Klar.“
"Mit wem?"
"Mit ein paar Freunden. Alles ganz gemütlich."
„Gut. Hast du schöne Geschenke bekommen?“
„Natürlich habe ich schöne Geschenke bekommen.“
„Was alles?“
„Ach dies und das, von allem ein bisschen.“
„Hast du dich gefreut?“
„Ja, hab‘ ich. Jeder freut sich doch über Geschenke, oder?“
„Ja. Stimmt. Aber an meinem letzten Geburtstag hat mir Tante Elli ein Puzzle geschenkt und das war für Babys. Das mochte ich nicht.“
„Naja, Tante Elli ist auch ein bisschen, du weißt schon…“
Sie kicherte, dann sagte kurze Zeit niemand etwas.
„Wie geht’s deinen Eltern?“, fragte ich.
„Gut. Ihnen geht es gut. Sie sind nicht da.“
„Wo sind sie denn?“
„Sie sind in … ich weiß es nicht.“
„Haben sie dich wohl ganz alleine gelassen?“
„Nein. Mozart ist doch da!“
Wir lachten.
„Natürlich. Mozart ist ein guter Aufpasser.“
„Ja.“
Wieder eine Pause.
„Onkel, weißt du was?“
„Was denn, Große?“
„Wir mussten am Montag mit Mozart zum Arzt, weil er in einen Dorn getreten ist und der war dann in seiner Pfote gesteckt.“
„Oh. Geht’s ihm wieder gut?“
„Ja. Er hat jetzt einen Verband… “, im Hintergrund meiner Nicht hörte ich ein leises Räuspern, „…und, aber jetzt geht es ihm wieder gut. Onkel, ich muss jetzt auflegen.“
„Okay. Mach’s gut Große und sag deinen Eltern, dass ich…“, doch die Leitung war bereits unterbrochen.
Ich starrte noch kurz auf mein Handy und wählte die Nummer meiner Mutter. Es klingelte einige Male. Sie hob nicht ab. Nur der Anrufbeantworter.
„Hallo Mama“, erzählte ich dem Tonband, „ich wollte nur eben sagen, dass ich deine Karte bekommen habe und mich dafür bedanken. Und, äh, ich hab jemanden kennengelernt. Sie heißt Bella und du wirst sie sicher mögen. Meld dich doch mal.“

Es hatte aufgehört zu regnen, aber es war kalt und ein unbarmherziger Wind wehte durch die Straßen. Um etwas Schutz zu finden, zog ich mir die Kapuze meiner Jacke bis weit ins Gesicht, doch dies erwies sich eher als Kampf gegen Windmühlen und eine Böe nach der anderen peitschte mir gegen die Wangen. Ich vergrub die Hände in den Hosentaschen und machte mich auf den Weg in die hereinbrechende Dunkelheit.

‚Diese Stadt ist ein verdammtes Kaff!‘, dachte ich, als ich Maya sah. Sie saß in der Ecke und ihr einziger Begleiter war ein halbleeres Glas. Sie grinste mich an, ich grinste zurück. Ich winkte Tom zu, der hinter der Bar die Schnaps- und Whiskyflaschen entstaubte, die so teuer waren, dass nie jemand davon bestellte.
„Wie immer?“, fragte er mich mit starkem britischen Akzent.
Ich nickte.
„Kann ich das morgen zahlen? Hab gerade keine Kohle dabei.“
„Du wolltest die letzten paar Male schon morgen zahlen.“
„Komm schon.“
Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, sagte:
„A’rite. Aber beim nächsten Mal gibt’s das nicht mehr." Dann stellte er ein Bier und einen Whisky vor mich auf die Bar.
Es war nicht viel los. Die meisten Gäste würden erst noch kommen, es roch nach Reinigungsmittel, und außer den Bediensteten, die Gläser polierten, Tische wischten und sämtliche Leuchtreklamen anschalteten, konnte man die restlichen Leute an einer Hand abzählen.

„Na du Stoffel.“
Ich drehte mich um und sah Maya neben mir stehen. Sie trug ein Lächeln auf dem Gesicht und ein Funkeln in ihren dunklen Augen.
„Hey. Alles klar?“, fragte ich und wir umarmten uns.
„Muss ja. Muss ja. Bei dir? Ganz alleine hier?“
„Läuft alles und nein; ich meine ja. Bin zu früh dran. Die anderen kommen noch.“
„Ah. Wie gut, dass ich jetzt hier bin und du Gesellschaft hast.“
Ich nahm den Whisky und hob ihn ihr entgegen, als würde ich mit ihr anstoßen.
„Warte noch!“
Ich setzte mein Glas wieder ab.
„Was er hat“, rief sie Tom zu. Er nickte.
„Und du?“, wir stießen an und tranken, „Wo ist der Rest der Gang?“
„Welche Gang?!“ Sie sah mich verwirrt an, ohne, dass ihr eingemeißeltes Grinsen verging.
„Naja, die Gang halt. Die coolen Kids von der Bushalte. Die Schulkloraucher. Die Cheerleader und Quarterbacks. Die…“
„Ist gut. Schon verstanden“, unterbrach sie mich, „Die arbeiten. Oder lernen. Oder irgendwas.“
„Wer hätte gedacht, dass einer von denen jemals arbeiten würde.“
„Ich gewiss nicht.“
Maya nippte an ihrem Bier und kurze Zeit sagte niemand etwas, doch ich bemerkte, wie sie mich von der Seite mit ihren großen Hundeaugen anstarrte. Sie wirkte nach wie vor wie das kleine, naive und viel zu lebhafte Mädchen, das nach Regentagen immer euphorisch von einer Pfütze in die nächste sprang und dann Hausarrest dafür kassierte, dass sie ständig mit nassen und schmutzigen Klamotten nachhause kam. Im Gegensatz zu meinen Eltern waren ihre unsagbar streng gewesen und obwohl sie gewusst hatte, was ihr blühen würde, wenn sie wieder pitschnass nachhause kam, ließ sie sich ihren Spaß nicht nehmen.
„Und du so?“, fragte sie mich. „Was treibt unser Überlebenskünstler, um sich sein Bier, das er morgen zahlt, leisten zu können.“
„Ach, mal dies mal das. Von allem etwas.“
„Hast dich immer noch nicht dem System gebeugt?“
„Niemals!“
Wir lachten und nach einer kurzen Pause sagte sie:
„Weißt du, ich fand das damals durchaus sexy an dir.“
„Was? Dass ich Batik-Shirts getragen und das schlechteste Abi aller Zeiten geschrieben habe?“
„Nein, du Idiot“, sie boxte mir gegen die Schulter, „Dass du dein gesellschaftsfeindliches Verhalten mit Leidenschaft an den Tag gelegt hast. Nicht wie die Assi-Punks, die so waren, weil’s cool war. Du hast es ernst gemeint und ich wusste, dass du niemals ein Leben wie ich und die Anderen führen wirst und ich wusste auch, dass du’s irgendwie schaffen wirst und voilà, jetzt stehst du hier und dir scheint’s gut zu gehen, obwohl du in der Zwischenzeit nie zum Anzug gegriffen hast.“
Stumm nickte ich, lächelte sie an und hob mein Glas.
„Darauf.“
„Darauf!“
Nachdem ich den letzten Schluck genommen hatte, nahm ich mein Handy aus der Tasche und sagte:
„Sorry, aber die Pflicht ruft.“
„Alles klar. Meine wohl auch bald. War schön, dich mal wieder gesehen zu haben.“
Ich stand auf und zog meine Jacke an und umarmte sie. Als ich schon beinahe draußen war hörte ich Maya hinter mir rufen:
„Hey. Sag mal, hast du nicht die Tage Geburtstag, oder so?“
„Die Tage. Ja.“
„Meld dich dann mal. Auf die alte Zeit.“ Sie hob ihr Glas.
„Auf die alte Zeit.“ Ich nickte ihr zu und stemmte mich gegen die Eingangstür, die der Wind von außen zudrückte.

Noch bevor ich den Schlüssel ins Schloss geschoben hatte, hörte ich laute Musik aus meiner Wohnung kommen.
„Hallo?“, rief ich und warf die Schlüssel in die Ecke. Keine Antwort. „Jemand hier?“
Ich konnte niemanden finden, doch das Chaos von letzter Nacht war gänzlich verschwunden. Keine leeren Flaschen, keine vollen Aschenbecher, kein dreckiger Boden und keine stickige, zum Schneiden dicke Luft mehr. Ich schloss die weit offenstehenden Fenster und als ich mich umdrehte, sah ich Bella auf mich zuspringen.
„Buh!“, schrie sie und ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, nachdem sie mich schwungvoll angesprungen hatte.
„Meine Güte! Willst du mich umbringen?!“
„Natürlich nicht, Baby.“
„Wobei die Daten dem Grabstein sicher gut stehen würden.“
„Stimmt. Das wäre eine VIP-Karte für die Insel, auf der Amy Winehouse und Kurt Cobain gerade in der Sonne liegen.“
„Recht hast du“, sagte ich und ließ sie wieder runter.
„Warst du das hier?“
„Ja!“ Stolz sah sie sich im Raum um.
„Wieso?“
„Als Entschuldigung. Für vorhin. Ich war ein ganz ungezogenes Mädchen, das ihr nimmersattes Näschen nicht unter Kontrolle hatte.“
Sie sah mich mit großen Augen an. Ich lächelte und küsste sie auf die Stirn.
„Ach ja“, sie drehte sich um und lief zum Wohnzimmertisch, „Vorhin war irgend ein Typ mit zottligen, grauen Haaren und einer albernen Brille hier und hat nach dir gefragt. Ich hab ihm gesagt, dass du nicht da bist, da hat er seine neue Adresse und seine neue Telefonnummer hier gelassen und ist wieder gegangen.“
„Schon wieder eine neue Adresse…“, murmelte ich.
„Wieso schon wieder? Wer war das?“
„Mein Dad… Egal… Danke.“

Bella setzte sich neben mich, als ich mir eine Zigarette anzündete, und drückte mir einen Aschenbecher in die Hand.
„Nicht wieder den Boden benutzen!“, sagte sie in gespielt ernstem Tonfall. „Das nächste Mal, wenn es hier so aussieht, als wäre ne Bombe eingeschlagen, habe ich vielleicht nichts gemacht, wofür ich mich entschuldigen muss.“
„Wie Sie wünschen, Mylady“, sagte ich in einem ebenso gespielten, unterwürfigen Ton.
Sie legte den Kopf auf meine Schulter und klammerte sich an meinen Arm und es fühlte sich gut an; es fühlte sich gut an, wie sich ihr Brustkorb langsam hob und wieder senkte, wie sie mit ihren Finger über meine strich und wie ihr Atem sanft meinen Hals streichelte. Ich wollte so sitzen bleiben, für immer und immer, und als ich beinahe eingeschlafen wäre, flüsterte sie:
„Ich hab übrigens noch was für dich." Ich hob den Kopf und sah sie an. Sie grinste. „Mit völlig leeren Händen hätte ich mich doch niemals hierher zurück getraut.“
Erwartungsvoll richtete ich mich auf. Sie nickte, griff unter den Tisch und zauberte den kleinen Spiegel hervor, den sie dort unten auf der Zeitungsablage verstaut hatte. Darauf erstreckten sich zwei feinsäuberliche Lines, die im gedimmten Licht der Stehlampe funkelten, als bestünden sie aus puren Diamanten.
„Woher hast du das?“
„Ein Gentleman fragt nicht, eine Lady verrät nicht.“
Ihre Augen glänzten, sie zog ihre Mundwinkel so hoch, dass sie beinahe einrissen, und drückte mir einen zusammengerollten Fünfziger in die Hand.
„Möchtest du mir dann wenigstens sagen, was das ist?“
„Baby, muss ich es denn noch mal sagen?! Ein Gentleman fragt nicht, eine Lady verrät nicht.“
Ich zuckte mit den Schultern, ‚nun gut‘, dachte ich, beugte mich nach vorne und zog.
Der Schmerz kam sofort; noch bevor ich wieder aufrecht gesessen war. Es fühlte sich an, als würden sich Abermillionen winzige Glasscherben durch meine Schleimhäute kratzen. Ich presste die Augen zusammen und hielt mir die Nase, um mich davon zu vergewissern, dass man sie mir nicht abgeschnitten hatte, denn genau so fühlte es sich an. Durch tränende Augen sah ich Bella an.
„Mein Gott, was ist das?!“
Sie lachte und sagte:
„Ist gleich vorbei.“ Und es war auch gleich vorbei und gerade als der Schmerz nachließ, wurde mir schwarz vor Augen. Ich merkte, wie ich meinen Kopf nicht mehr halten konnte, weil er eine Tonne zu wiegen schien, und ich merkte, wie ich das Gefühl in meinen Fingern verlor; ich konnte keine ihrer Bewegungen mehr kontrollieren und wie Würmer, die sich an meiner restlichen Hand festgesaugt hatten, wanden sie sich und ich erschrak, als ich feststellte, dass mir mein Körper nicht mehr gehorchte und ich in einer herrenlosen Hülle gefangen war. Ich versuchte etwas zu sagen, doch biss mir auf die Zunge. Eiserner Geschmack machte sich in meinem Mund breit und bevor ich das Bewusstsein verlor, hörte ich Bella etwas sagen; ihre Stimme klang schrill und als säßen wir in einem riesigen, leeren Raum:
„Ach Baby! War’s das schon?! Na gut, bleibt mehr für mich.“
‚Ja, Baby, das war’s schon‘, dachte ich, ‚Ich bin raus. Rien ne va plus.‘


Ich spürte die warme Hand meiner Mutter, wie sie sanft meine Wange streichelte.
„Wach auf, Großer“, sagte sie ruhig, „Heute ist dein Tag!“

 

Hallo zash,

hat mir gefallen.

Allerdings würde ich nach dem Absatz, wo er Bella würgt, rausgehen. Der Rest, warum steht der da? Der bringt nichts mehr. Dieses Telefonat mit seiner Nichte, das wirkt abgehackt, weil es vorher keine Andeutung gab, dass er noch Kontakt zur Familie hat. Und er würde dann auch nicht bei seiner Mutter anrufen, denn sie sucht ja Kontakt zu ihm. Sonst würde sie keine Karte schreiben. Wenn sie eine Karte schreibt, dann hebt sie auch ab. Oder? Also bis zu diesem Absatz finde ich den Text sehr stark. Das hat ein wenig Hubert Selby feeling, und das ist ja nie verkehrt. Danach wird es mir wieder zu sehr Bukowski, mit der Bar und Maya und dem Deckel, den er nie bezahlt ... das hätte es nicht mehr gebraucht, finde ich. Die Begegnung mit dem Vater, die hätte ich anders gelöst, vielleicht sogar ganz an den Anfang, dass sie es einfach verpennen, und er draußen klingelt, und er sieht ihn nur noch weggehen. (Ist deine Geschichte, so nehme ich es halt nur wahr). Bis dahin funktioniert auch der Wechsel zwischen den Zeiten gut.

„Und davon?“ Sie starrte auf den kleinen Spiegel, der auf dem Tisch lag.
Das ist super. Ein Satz, der exemplarisch steht, da ist alles drin, es muss nicht Pulver oder Koks oder Stoff gesagt werden, das ist alles ganz klar zu sehen. Davon würde ich mir noch mehr wünschen. Du hängst immer noch so eine kleine Erklärung mit dran, wo sie versucht, sexy zu sein, zum Beispiel, da erklärst du haargenau, wie und warum sie es eben nicht ist, aber ich würde hier den Leser sehen lassen, der denkt das mit. Wenn du hier noch deine Sprache etwas verknappst, etwas reduzierst, dann ist das bombig.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Zash,

mir habe Deinen Text sehr gern gelesen, vor allem auch sprachlich gefällt er mir sehr gut. Sind ein paar schöne Bilder drin...

Ihre dümmlichen, sonst so schönen, tief grünen Augen, waren leer. Die Lichter waren an, aber niemand zuhause; die Discokugeln drehten sich, doch es lief keine Musik.

Aber...;)
Das mit der parallelen Geburtstagsgeschichte fand ich gut gemacht, ich habe jedoch die ganze Zeit gewartet, dass in der Vergangenheit irgend etwas passiert, was seine jetzige Situation erklärt.

Er hatte doch anscheinend eine normale Kindheit, war ein "guter" Junge, der sich sogar ein Geschenk für seinen Bruder wünscht.
Aus der Szene mit dem Vater schließe ich, dass die Eltern getrennt sind? Ist deshalb die Familie auseinandergebrochen? Und jetzt wollen weder der Bruder, noch die Mutter Kontakt mit ihm.

Ansonsten hast Du die traurige Situation, in der der Prot mit seiner Bella steckt, wirklich sehr anschaulich und krass beschrieben, man kann sich das ganze Elend lebhaft vorstellen.

Ja, ich hätte mir irgendeine Erklärung für seinen Absturz gewünscht, das frustriert mich, mir fehlt da was.

Viele Grüße,
Kerkyra

P.S. Den Titel hab ich auch nicht so ganz verstanden...oder habe ich etwas überlesen?

 

Hallo Zash,
auch ich habe deine Geschichte gerne gelesen. Zwei Geburtstage, der Junge, der sich unbändig auf seinen Tag freut und der Mann, dessen Leben schon durch die Drogen zerstört ist.
Eine Erklärung fehlt mir hier nicht, vielleicht ist er einfach an die falschen Leute geraten, so ein neugieriger Junge will ja vieles ausprobieren.
Aber was das alles aus den Beziehungen zu den Menschen um ihn herum gemacht hat, das kommt gut rüber.
Seine Familie denkt an ihn, aber irgendwie scheinen sich alle auch vor einem Kontakt mit ihm schützen zu wollen. Man ahnt wie viele Enttäuschungen und Verletzungen dem voraus gegangen sind.

Das Telefonat mit seiner Nichte hat mir gefallen, es wurde auch so deutlich, wie der Bruder das heile (?) Leben mit den Hunden, die nach Komponisten benannt werden weiter führt. Das Telefonat mit dem Anrufbeantworter der Mutter fand ich auch eher überflüssig für die Geschichte, über die Beziehung war durch die Karte schon alles gesagt.

Ganz leise, aber durch seine Gleichmäßigkeit auffallend, hörte ich das Schnarchen meines Vaters und musste mir beide Hände vor den Mund drücken, um nicht laut loszulachen.

Das ist so rührend naiv und so ein brutaler Kontrast zu der Erlebniswelt des Mannes. Toll!

Dadurch, dass es nicht um Ursachen sondern um die Auswirkungen einer Drogensucht geht, wäre das die perfekte Anti-Drogen-Geschichte zum Abschrecken für gefährdete Jugendliche. (Klingt sehr pädagogisch, aber ich musste das noch loswerden ;))

LG Chutney

 

Hi,

ich fands nicht schlecht, aber in der Mitte ist mir der rote Faden ein bisschen abhanden gekommen, ähnlich wie es Jimmy empfunden hat. Dieser Schwenker zur Familie, mit dem Telefonat mit der Nichte, und die Szene in der Bar, die würde ich raushauen. Davor fand ich das gut, da hat mich die Beziehung zwischen dem Prot und seiner Freundin interessiert - darauf würde ich mich ein bisschen mehr fokussieren an deiner Stelle, auf diesen Wutausbruch an seinem Geburtstag, wo er die Kontrolle verliert und seine Freundin würgt, die dann abhaut und er dreht danach durch, das war so das, was mich zum Weiterlesen gebracht hat, was mich wirklich interessiert hat als Leser, der Schwenker in die Bar und die Nichte und so, mhm, wieso wird das erzählt? Führt irgendwie nicht so weit, finde ich.

Sprachlich finde ich das gut, allerdings, wenn du da noch bisschen Gas geben willst, könntest du z.B. auf Wortwiederholungen achten, das ist mir ab und an schon aufgefallen, z.B. hier:

„Auch nicht.“ Ich legte den Kopf in den Nacken, zog an der Zigarette, den Rauch bis in die tiefsten Tiefen meiner Lunge und atmete aus.
Sie war vollkommen nackt. Ihre natürlich blasse Haut war noch blasser als sonst.
vielleicht starrte sie auch ihr Spiegelbild an. Nach einigen Sekunden legte sie ihren Zeigefinger auf den Spiegel und fuhr die gesamte Oberfläche mit ihm ab


In meinem Kopf lief ich nach wie vor im Kreis durch die Wohnung.
das ist ein cooler Satz!

Sie trug ein Lächeln auf dem Gesicht und ein funkeln in ihren dunklen Augen.
Funkeln

Also, die Dialoge zwischen dem Prot und seiner Freundin fand ich gut, da war viel Konflikt drin, das war originell, würde mich auf die Beziehung der beiden und das Würgen und das Scheißefühlen danach fokussieren, dann fände ich das richtig gut. Die Barszene war mir auch bisschen zu bukowskimäßig, Leute, die auf Chemie sind, sind eigentlich nie in Bars und trinken Whiskey, die kaufen sich vielleicht nen Sixer und hängen vor der Playstation ab oder sowas, also meiner Erfahrung nach halt.
Noch eben zu der Kinderebene: Da könntest du auch noch einen kleinen Konflikt reinbringen, irgendeine kleine Handlung, das hat mir da bisschen gefehlt. Aber ansonsten: Ich fands nicht schlecht, bleib dran!

Grüß dich,
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey jimmy

denn sie sucht ja Kontakt zu ihm. Sonst würde sie keine Karte schreiben. Wenn sie eine Karte schreibt, dann hebt sie auch ab. Oder?

Alibimäßig sucht sie Kontakt zu ihm, ja. Ich hatte versucht das zu verdeutlichen indem die Geburtstagskarte lediglich ein 08/15 Vordruck war und sie sich nur die Mühe gemacht hat, sie zu unterschreiben und dadurch, dass der Umschlag unbeschriftet war. Sie war also vor der Haustür des Protas gestanden, aber hat lediglich die Karte eingeschmissen, ohne sich die Mühe zu machen, hallo zu sagen.

Danach wird es mir wieder zu sehr Bukowski, mit der Bar und Maya und dem Deckel, den er nie bezahlt ... das hätte es nicht mehr gebraucht, finde ich.

Recht hast du. War evtl zu abgedroschen die Stelle. Da wäre mehr gegangen.

Die Begegnung mit dem Vater, die hätte ich anders gelöst, vielleicht sogar ganz an den Anfang, dass sie es einfach verpennen, und er draußen klingelt, und er sieht ihn nur noch weggehen.

Da muss ich mal sehen. Die Stelle habe ich auch erst zum Schluss dazugepackt. Dass die Mutter den Kontakt nicht mehr pflegt wollte ich von Anfang an. Auch das mit dem Bruder. Aber dann dachte ich, dass es zu klischeehaft werden würde, dass ihn jetzt auf einmal ALLE hassen und der arme Kerl ja niemanden mehr hat in der Familie etc. Da wollte ich wenigstens den Vater noch etwas "netter" haben. Ich werde mal sehen, ob mir die Stelle am Anfang besser passen würde.
Bis dahin funktioniert auch der Wechsel zwischen den Zeiten gut.
Das freut mich. Hatte Angst, dass da nicht so recht durchgestiegen wird, was das überhaupt sein soll.

„Und davon?“ Sie starrte auf den kleinen Spiegel, der auf dem Tisch lag.
Das ist super. Ein Satz, der exemplarisch steht, da ist alles drin,

Werde mir Mühe geben, an so was zu arbeiten.

Danke für's Lesen, jimmy und deinen Kommentar.

Hallo Kerkyra

mir habe Deinen Text sehr gern gelesen, vor allem auch sprachlich gefällt er mir sehr gut.

Das hört man gerne.

Ihre dümmlichen, sonst so schönen, tief grünen Augen, waren leer. Die Lichter waren an, aber niemand zuhause; die Discokugeln drehten sich, doch es lief keine Musik.

Dass dir diese Stelle gefallen hat, freut mich besonders. Da habe ich lange drüber n achgedacht. Erstens über die Bilder und zweitens, obs nicht irgendwie zu lächerlich klingt. Ich finde die Stelle selbst großartig - ist wohl einer meiner Lieblingssätze hier - aber ich wusste nicht, ob da "zu viel Autor" drin steckt und wollte sie beinahe löschen.

Ja, ich hätte mir irgendeine Erklärung für seinen Absturz gewünscht, das frustriert mich, mir fehlt da was.

Ich wollte keine Erklärung dafür bringen. Es war auch gar nicht sonderlich als Absturz gedacht, sondern eher als Entfremdung von der Familie. Gut, der Junge nimmt gerne mal Drogen, aber das macht ihn noch lange nicht zu nem Junkie - jedenfalls hatte ich mir das während dem Schreiben so gedacht. Er ist halt abgedriftet, in eine Richtung, die von der Familie und alten Freunden nicht gerne gesehen wird. Ich wollte keinen Zusammenhang zur Kindheit basteln, sondern einfach den Kontrast aufzeigen.

Den Titel hab ich auch nicht so ganz verstanden...oder habe ich etwas überlesen?

Ja... äh. Ich muss zugeben, dass mir kein Titel für die Geschichte eingefallen ist. Überhaupt nicht (Schande über mein Haupt). Ist irgendwie etwas peinlich. Ich habe den Text das erste Mal abgespeichert, nachdem ich diesen Satz geschrieben hatte:
Es erinnerte mich ans Meer; an die Endlosschleife, in der das Wasser in einer Bucht auf einen Felsen trifft, sich zurückzieht, erneut Fahrt aufnimmt und wieder dagegen prallt.
Und dann habe ich die Datei unter "Erinnerungen ans Meer" gespeichert und dann einfach dabei belassen. Er hat nicht viel mit dem Text zu tun, aber ich fand ihn ganz nett.
Sorry für die Nachlässigkeit :lol:.

Auch dir danke ich für's Lesen.


wird weitergeführt...

lg, zash

 
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Hallo Chutney

Eine Erklärung fehlt mir hier nicht, vielleicht ist er einfach an die falschen Leute geraten, so ein neugieriger Junge will ja vieles ausprobieren.

So habe ich mir das beim Schreiben auch gedacht. Freut mich, dass du das so aufgenommen hast. Hier in die Tiefe zu gehen würde für mich den Rahmen sprängen und/oder wie eine zusammengeschusterte Nebengeschichte wirken. Es ist eben, wie's ist. Der Kontrast steht für mich im Vordergrund, nicht der Hergang.

[...] es wurde auch so deutlich, wie der Bruder das heile (?) Leben mit den Hunden, die nach Komponisten benannt werden weiter führt.

Danke hierfür :). Irgendwie dachte ich nicht, dass das jemandem auffällt und es ist großartig, dass du das genau so gesehen hast.

Das Telefonat mit dem Anrufbeantworter der Mutter fand ich auch eher überflüssig für die Geschichte, über die Beziehung war durch die Karte schon alles gesagt.

Mal sehen, ob ich daraus noch was mache.

Dadurch, dass es nicht um Ursachen sondern um die Auswirkungen einer Drogensucht geht, wäre das die perfekte Anti-Drogen-Geschichte zum Abschrecken für gefährdete Jugendliche.

Oha... Hm. Das mit Ursache-Wirkung unterschreibe ich, und ich nehme den Rest jetzt mal als Kompliment auf, bin mir aber irgendwie nicht so ganz sicher, ob ich das gut, oder schlecht finde, weil es nicht mal ansatzweise mein Plan hier irgendetwas pädagogisch wertvolles zu schreiben, oder so was :lol:.

Danke für's Lesen und Kommentieren, Chutney.


Hallo zigga

Dieser Schwenker zur Familie, mit dem Telefonat mit der Nichte, und die Szene in der Bar, die würde ich raushauen. Davor fand ich das gut, da hat mich die Beziehung zwischen dem Prot und seiner Freundin interessiert - darauf würde ich mich ein bisschen mehr fokussieren an deiner Stelle, auf diesen Wutausbruch an seinem Geburtstag, wo er die Kontrolle verliert und seine Freundin würgt, die dann abhaut und er dreht danach durch, das war so das, was mich zum Weiterlesen gebracht hat, was mich wirklich interessiert hat als Leser, der Schwenker in die Bar und die Nichte und so, mhm, wieso wird das erzählt? Führt irgendwie nicht so weit, finde ich.

Ab der Stelle, wo er das Haus verlassen wollte, hatte ich ursprünglich anders weiter geschrieben. Das Problem war, dass mir dann die Ideen ausgegangen sind und es langweilig wurde. Ich wusste nicht, was ich den Protagonisten weiter machen lassen sollte. Seine Freundin war weg und sie sofort wieder kommen zu lassen, hätte ich unglaubwürdig gefunden. Und was macht der Protagonist alleine in seiner Wohnung, an seinem Geburtstag, ohne Geld, Alkohol oder Drogen? Da kam ich nicht weiter...

Bei den Wortwiederholungen muss ich mal schauen. Ich mag Wortwiederholungen manchmal ganz gerne. Das mit dem blasse Haut + noch blasser hat gefällt mir eigentlich ganz gut, aber ich werde mal sehen, ob ich was daran mache.

vielleicht starrte sie auch ihr Spiegelbild an. Nach einigen Sekunden legte sie ihren Zeigefinger auf den Spiegel und fuhr die gesamte Oberfläche mit ihm ab
Diesen Satz hat mich selbst beinahe wütend gemacht :D. Da habe ich lange dran rumgewerkelt und nichts "besseres" hinbekommen. Ich hatte da Spiegel, Spiegelbild und Oberfläche des Spiegels in einem Satz und kam nicht ansatzweise auf irgend eine Art Umschreibung.
Für andere Ideen bin ich mehr als offen...

Also, die Dialoge zwischen dem Prot und seiner Freundin fand ich gut,

Dankeschön.

Leute, die auf Chemie sind, sind eigentlich nie in Bars und trinken Whiskey, die kaufen sich vielleicht nen Sixer und hängen vor der Playstation ab oder sowas.

Damit hast du teilweise Recht. Bei Chrystal oder Speed geht man wirklich in keine Bars, aber es gibt ja noch andere Chemie. Ich hatte bei diesem Text größtenteils an mdma gedacht und nun ja... wenn man das Szenario mal kurz durchspinnt: Die Nacht zuvor klatscht er sich damit voll, dann wird wenig geschlafen (oder gar nicht), dann ist er - ohne mehr mdma - am nächsten Abend eigentlich schon wieder ziemlich zurechnungsfähig. Mein Problem ist bei Geschichten (jimmy hatte in seinem Kommentar Koks geschrieben) ist, dass ich irgendwie albern finde, spezifisch auf Drogen einzugehen. Das klingt für mich zu gewollt-abgefuckt, deswegen deute ich gerne an, dass etwas gezogen wird, aber da es so viele verschiedene Dinge gibt, die man ziehen kann, stütze ich mich da meistens auf die kleinsten gemeinsamen Nenner: Sie pushen auf und sie machen (das eine mehr, das andere weniger) abhängig. Es gibt sicher bessere Lösungen dafür...

Noch eben zu der Kinderebene: Da könntest du auch noch einen kleinen Konflikt reinbringen, irgendeine kleine Handlung, das hat mir da bisschen gefehlt.

Das wollte ich irgendwie nicht. Ich hatte überlegt, ob ich zwei richtige Stories aus damals und heute mache, habe mich dann aber für die Version entschieden, die sich eher aufs heute konzentriert. Ich denk mal drüber nach.

Ich fands nicht schlecht, bleib dran!

Danke dir! Werde ich machen.

Danke für's Lesen und Kommentieren.

lg, zash.

 
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Hallo zash,

erstmal: ich habe den Kommentar vor deiner Antwort auf die anderen Kritiker geschrieben, falls ich da was wiederhole, was du schon erklärt hast - ich lasse es jetzt einfach so stehen.

Die zwei Geschichtsstränge haben mir - auch jeweils von der erzählten Handlung her, gut gefallen.

Einzelne Details würde ich noch gerne ansprechen, die mir unrund vorkamen.
Um noch mal inhaltlich in die Kerbe zu hauen: Ich fand ich das Telefonat mit der Nichte wie meine Vorkritiker aufgesetzt und unnötig, genauso wie der Anruf bei der Mutter.

Die Teile, die den Kleinen beschreiben, finde ich in sich schon gelungener als den erwachsenen Protagonisten.
A propos erwachsen: Ich sehe, dass du die Story in Jugend :confused: gepostet hast - also für mich waren Bella und er mindestens so um die 30 rum. Du schränkst das Lesepublikum unnötig mit diesem Stichwort ein, glaub' mir.

Jimmy hat mir übrigens aus der Seele gesprochen, als er schrieb:

Du hängst immer noch so eine kleine Erklärung mit dran,

und zigga mit:

sprachlich finde ich das gut, allerdings, wenn du da noch bisschen Gas geben willst, könntest du z.B. auf Wortwiederholungen achten,

ich such dir da noch ein paar Stellen raus, weil man ja oft betriebsblind wird.

Mal zum Text:


So fest ich konnte KOMMA presste ich mein Ohr gegen die Tür und horchte.

Ich hörte nichts. So sehr ich mich auch konzentrierte, da war nichts; nichts, was darauf schließen ließ, dass meine Eltern schon wach waren. Im Gegenteil... Ganz leise, aber durch seine Gleichmäßigkeit auffallend, hörte ich das Schnarchen meines Vaters und musste mir beide Hände vor den Mund drücken, um nicht laut loszulachen.
Fetten Satz würde ich streichen. Denn natürlich hörte er den Vater schnarchen, von daher eine falsche Behauptung, zudem wiederholst du dich den Satz darauf mit gleicher Aussage.


Ich schloss die Augen KOMMA und versuchte sie geschlossen zu halten.
WW
. Die rot leuchtenden Zahlen meines Weckers teilten mir mit, dass es 05:57 Uhr war.
hört sich hoprig an

Zu früh für meine Eltern, um
aufzustehen
und auch zu früh für mich, um
aufzustehen
, aber heute war es
WW


Ich starrte an die Decke. Schon seit Stunden. Ein schwacher Luftzug drängelte sich durch das halboffene Fenster und ließ den dort oben hängenden, kalten Rauch entspannt von einer Zimmerwand zur anderen schwappen. Es erinnerte mich ans Meer; an die Endlosschleife, in der das Wasser in einer Bucht auf einen Felsen trifft, sich zurückzieht, erneut Fahrt aufnimmt und wieder dagegen prallt.

Hier ist der Aufhänger für dein Titel. Das Bild finde ich nicht so tragend, dass ich daraus den Titel gezogen hätte. Mit dem Absatz habe ich mehrere Schwierigkeiten.

1. Rauch wabert
2. gibt es auch einen angespannten Rauch?
3. kalter Rauch hängt in einem Zimmer und dann nimmt man es eher als Gestank war; der Rauch ist dann aber allerhöchstens als Nebel zu erkennen, garantiert jedoch nicht als Wolke, die das Auge als Bewegung wahrnimmt.
4. Wenn von einer Seite der Luftzug kommt, kann der Rauch gar nicht hin- und herwabern, denn es gibt ja nur den Zug in eine Richtung.
5. Könnte ich dieses (verbesserte) Bild noch eher verstehen, wenn er gerade am Rauchen ist, aber scheinbar hat er ja die letzte Zigarette im Delirium fallengelassen (glücklicherweise gehen die jetzt ja von selbst aus ;) ), also muss das viele Stunden her sein, weil er ja so lange schon wach an die Decke starrt.

Also du siehst, dieser Absatz ist bildlich und auch von der Logik her verquert. Mich kann so was wuschig machen, weil ich versuche, aus deiner Geschichte einen Film vor meinen Augen laufenzulassen - und dann sind da Dinge, die nicht passen können.


Meine Augen brannten wie Feuer. Der Gedanke daran, sie zu schließen, wirkte jedoch absurd.
Sorry, zweiter Satz erschließt sich mir überhaupt nicht.


Um einzuschlafen KOMMA versuchte ich mich immer wieder auf die Geräusche der Straße zu konzentrieren; auf die Autos, auf die Stimmen der Fußgänger und auf das Klappern von Fahrrädern, die über das unebene Kopfsteinpflaster fuhren.


Nach kurzer Zeit schon verschwammen die Geräusche jedoch; wurden zu akustischem Brei und heraus kamen immer neue Aneinanderreihungen von Tönen, die mich an elektronische Tanzmusik erinnerten und mir keine Ruhe gönnten.

Schöner fände ich, wenn das mit der Tanzmusik aktiver wäre, also etwa so:

... wurden zu akustischem Brei und heraus kamen immer neue Aneinanderreihungen von Tönen, die sich in meinen Ohren zu elektronischer Tanzmusik formierte und mich innerlich aufstachelte.

Mit geschlossenen Augen und ohne ein Zeichen der Zurechnungsfähigkeit von sich zu geben, war Bella aufgeschreckt und packte meine Hand.
Fettes streichen


Auf dem Boden fand ich eine halbe Zigarette, unter ihr ein kleines Brandloch, das sie dort hinterlassen hatte.
Fettes ist so ein erklärender Halbsatz, der nicht nötig ist.


Ich zündete sie an, stand auf und verließ den Raum; hinter mir murmelte Bella weiter irgendwelche unverständlichen Worte.

wieso weiter? Wann hat sie denn schon unverständliche Worte gesprochen?

Ich konnte nicht mehr schlafen, fand keine Ruhe mehr.
Inhaltliche Wiederholung.

Mein großer Bruder, mit dem ich mir ein Zimmer teilte, verbrachte die Nacht bei den Nachbarn, weswegen ich der alleinige Herrscher über unseren kleinen Röhrenfernseher war. Ich drehte ihn so, dass ich den Bildschirm von meinem Bett aus sehen konnte, schaltete ihn ein und kroch zurück unter die Decke.

Bin ich schon eine Generation zu weit, weil ich mich wundere, dass zwei kleine Knirpse ein TV im Zimmer haben? Nach meinem Gefühl ist der Protagonist vielleicht 6-8 Jahre alt.


Bella betrat das Zimmer, während ich dabei war, jede einzelne Bierflasche gegen das Licht zu halten, um zu sehen, ob sich nicht in irgendeiner noch ein letzter Rest befand. Ich bemerkte sie nicht.
Der Bezug Bella/Bierflasche zum bemerken ist falsch.

Sie räusperte sich, ich erschrak.
Sie war vollkommen nackt.
WW


Ihre natürlich blasse Haut war noch blasser als sonst.
WW


Sie hob sich kaum von dem weißen Türrahmen ab, gegen den sie lehnte, und die Ringe unter ihren Augen wirkten noch tiefer als sonst und noch dunkler.
WW

Wegen ihres Teints sahen ihre zarten, orangenen Sommersprossen aus, wie eine Hautkrankheit und ihre Beine waren mit blauen Flecken übersät.
Vielleicht: Ihr Teint ließ die zarten, orangenen Sommersprossen wie eine Hautkrankheit aussehen und ...


„Wir brauchen mehr“, sagte sie und nahm den Spiegel.

Mehr oder wieder etwas?

Ich zeigte auf meinem Geldbeutel, dessen Inhalt auf dem Boden verteilt war.
diese dessen-Konstruktion wirkt starr

Bella hielt den Spiegel mit beiden Händen fest und starrte ihn an; vielleicht starrte sie auch ihr Spiegelbild an. Nach einigen Sekunden legte sie ihren Zeigefinger auf den Spiegel und fuhr die gesamte Oberfläche mit ihm ab,
WW

„Von deiner Mam?“, fragte sie und sah auf den unbeschrifteten Umschlag.
Also hat die den Brief sogar selbst eingeschmissen - dann hätte sie ja gleich rein können ;)
Du meinst wohl ohne Absender?

Ich riss ihr die Karte aus der Hand. Das einzig Handgeschriebene darauf waren die letzten Worte:
Liebe Grüße, Christiane.
Das verstehe ich nicht. Also was überhaupt auf der Karte stand - ob die mit Maschine gedruckt geschrieben wurde und der Rest dann von Hand ergänzt. Oder stand da nur: Liebe Grüße, Christiane?
Ich finde das unglücklich formuliert, wenn es denn so sein sollte, dass der Text:

Sie wünscht dir alles Liebe und viel Glück für die nächsten 365 Tage und eine gute Gesundheit.“
vorgedruckt war.

[

Ich bat den lieben Gott darum, dass meine Eltern auch ein Geschenk für meinen Bruder hatten.
Das ist das erste Kind auf Erden, von dem ich weiß, dass es sich solche Gedanken macht.

Mit einer Flasche Whisky und einer Schachtel Zigaretten kehrte ich zurück in meine Wohnung.
in die Wohnung. Wieso meine? Ist doch klar.


Als ich das Wohnzimmer betrat KOMMA saß Bella auf dem Sofa.

Sie hatte sich mittlerweile angezogen und versuchte sich aus dem Resttabak einiger Kippenstummel eine Zigarette zu drehen.


Sie zeigte auf einen Zettel, der auf dem Tisch lag. Auf ihm standen ein Name und eine Telefonnummer. Ich erkannte den Zettel.
WW


Von
zierlichen Nasenspitze tropfte der Schweiß, ihre Haare klebten an ihrer Stirn und sie lächelte, als sie mich durch die Menge sah.
Wenn du von einer Person schreibst, ist oft bei den Beschreibungen ein bestimmter Artikel eleganter, besonders, wenn das öfters in einem Satz vorkommt. Also anstatt ihre Haare nur die Haare

Sie tanzte und tanzte, ohne den Blick von mir abzuwenden und kam dann irgendwann auf mich zu, und mit dem Mund ganz nah an meinem Ohr, flüsterte sie durch den Lärm:
Mach da mal zwei Sätze draus.

Ich drückte fester zu. Ich drückte sie fester gegen die Sofalehne und meine Finger fester zusammen. Sie riss die Augen immer weiter auf; ihr Blick wurde flehender, je länger sie keine Luft bekam.
WW

Ich hatte es nicht übers Herz gebracht, die Türklinke nach unten zu drücken, um einen kurzen Blick ins Wohnzimmer zu werfen. Ich hatte meine Hand schon auf ihr liegen und ich hätte lediglich meinen Arm bewegen müssen, aber ich traute mich nicht, und ich wollte es auch nicht.
WW


Also rannte ich zurück in mein Zimmer, legte mich wieder ins Bett und drehte den Fernseher lauter.
....
Nach ein paar Minuten dachte ich, meine Mutter laut gähnen gehört zu haben.
Also nein, dass ist ja ein Witz, oder? Trotz lautem Fernseher hört man jemanden durch die Türe gähnen?


Ich drehte mich um, mit dem Gesicht zur Wand und schloss die Augen.
Die Satzstellung ist nicht schön.

Vor Aufregung konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen und ich hoffte, dass meine Mutter nicht merken würde, dass ich bereits wach war und dann öffnete sich die Zimmertür.
Zwei Sätze wären schöner (nach war ein Punkt und das und weg)


Ich rauchte eine Zigarette nach der anderen, die Flasche stets in der Hand, KOMMA WEG oder in greifbarer Nähe.

Palacio war sein Name. Glaubte ich jedenfalls. So oder so ähnlich. Ich wusste es nicht mehr genau. Egal. Palacio spielte Ukulele und seine Lieder waren schlecht, doch was mich damals fasziniert hatte war, dass er gleichzeitig auf dem kleinsten Fahrrad, das ich jemals gesehen hatte, fuhr und ihm seine Clownskollegen immer wieder brennende Fackeln in den Weg warfen, oder den einen oder anderen Salto, oder sonst einen Kunstsprung über ihn machten, um ihn abzulenken. Einmal ist sogar ein ganzer verdammter Tiger vor ihm rumgelaufen, aber Palacio ließ sich nicht ablenken, stürzte nicht und taumelte nicht einmal, sondern fuhr weiter im Kreis, bis ihm die Lieder ausgegangen waren und dann stieg er von seinem lächerlichen Fahrrad, verbeugte sich und die Show ging weiter mit irgendwelchen Hochseilakrobaten.

Das würde ich streichen.


An der Stelle würde ich aufhören:

Nach ein paar Minuten dachte ich, meine Mutter laut gähnen gehört zu haben. Hastig griff ich nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ab. Ich drehte mich um, mit dem Gesicht zur Wand und schloss die Augen. Vor Aufregung konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen und ich hoffte, dass meine Mutter nicht merken würde, dass ich bereits wach war und dann öffnete sich die Zimmertür.
und nur noch das dahintersetzen.


Ich spürte die warme Hand meiner Mutter, wie sie sanft meine Wange streichelte.
„Wach auf, Großer“, sagte sie ruhig, „Heute ist dein Tag!“

Huch, das ist jetzt mehr an Bemerkungen geworden, wie ich erst vorhatte. Auch wenn es so aussieht, als würde ich an jedem zweiten Satz rummäkeln, ist es nicht so, dass ich sie schlecht finde. Ich denke nur, du musst jetzt den Sprung schaffen, differenzierter mit deinen Worten und Sätzen umzugehen, dann wird das mal richtig was mit dir :).

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo bernadette

Allerbesten Dank für den ausführlichen Kommentar und die Mühe, die du dir gemacht hast.
Habe die meisten Vorschläge schon eingearbeitet, auf anderes würde ich gerne eingehen.

A propos erwachsen: Ich sehe, dass du die Story in Jugend gepostet hast - also für mich waren Bella und er mindestens so um die 30 rum. Du schränkst das Lesepublikum unnötig mit diesem Stichwort ein, glaub' mir.

Vielleicht liege ich damit falsch. Ich finde irgendwie, dass die ganzen Drogen-Saufen-Frauen-Geschichten schon am ehesten Jugendliche ansprechen. Deswegen das Genre. Ziemlich zum Schluss gibt es einen Hinweis darauf, dass der Protagonist 27 geworden ist, also liegst du schon recht richtig mit deiner Annahme...

Hier ist der Aufhänger für dein Titel. Das Bild finde ich nicht so tragend, dass ich daraus den Titel gezogen hätte. Mit dem Absatz habe ich mehrere Schwierigkeiten [...]

Hier hast du in allen Punkten recht. Der gute Mann ist nur noch nicht so ganz von seinen Drogen unten und deswegen fand ich es irgendwie passend, dass er Dinge etwas anders sieht und wahrnimmt.
(
(glücklicherweise gehen die jetzt ja von selbst aus ;))
ich bin mir nicht sicher, ob das Ironie ist, aber ich sags trotzdem: Ja tun sie. Selbstgedrehte jedenfalls.)

Kurze Info: Für die Kinderteile habe ich mir als Setting die Wohnung genommen, in der ich damals zusammen mit meinem Bruder und meiner Mutter gewohnt habe.

Bin ich schon eine Generation zu weit, weil ich mich wundere, dass zwei kleine Knirpse ein TV im Zimmer haben? Nach meinem Gefühl ist der Protagonist vielleicht 6-8 Jahre alt.

Ich habe mir den Protagonisten auch um die 8 Jahre alt vorgestellt und mein Bruder (damals 12) und ich (damals 7) hatten einen kleinen, schwarz-weiß Fernseher mit 3 Sendern in unserem Zimmer stehen. Der Fernseher war damals schon um mehrere Jahrzehnte veraltet, aber hey... es gibt sicher en paar Kinder, die so was schon in Farbe hatten/haben :D.

Also hat die den Brief sogar selbst eingeschmissen - dann hätte sie ja gleich rein können
Du meinst wohl ohne Absender?

Nein, ich meinte unbeschriftet. Die Mutter kam zur Wohnung und hat sich nicht die Mühe gemacht, rein zu gehen.

Das ist das erste Kind auf Erden, von dem ich weiß, dass es sich solche Gedanken macht.

Ich zitiere kurz den gesamten Wunschzettel, den mein Bruder schrieb, als er in der ersten Klasse war: Ich wünsche mir ein Spielzeugauto und ein Playmobilmännchen für meinen Bruder.
Bei uns war das damals Gang und Gäbe. Wusste nicht, dass das so außergewöhnlich ist :D.


Also rannte ich zurück in mein Zimmer, legte mich wieder ins Bett und drehte den Fernseher lauter.
....
Nach ein paar Minuten dachte ich, meine Mutter laut gähnen gehört zu haben.
Also nein, dass ist ja ein Witz, oder? Trotz lautem Fernseher hört man jemanden durch die Türe gähnen?

Das geht schon. Schmaler Gang, Türen, Betten und Fernseher (der nicht sooo laut ist) an günstigen Positionen, eine Tür offen...

An der Stelle würde ich aufhören:

Meinst du, komplett mit der Geschichte aufhören? Also dass ich mehrere Sachen da stehen habe, die raus können verstehe ich nur all zu gut, aber gleich so viel? Das würde mir ja beinahe wehtun. Aber seis drum... Ich lass den Teil hier mal noch stehen und lösche das in einer separaten Datei und lese in 1 - 2 Tagen drüber, um zu sehen, wie sich diese schlankere Fassung anhören würde.

Ich denke nur, du musst jetzt den Sprung schaffen, differenzierter mit deinen Worten und Sätzen umzugehen

Könntest du mir genauer erklären, was du mit "differenzierter" meinst? Ich hätte nämlich kein Problem damit, dass mal richtig was mit mir werden würde :thumbsup:.

Freut mich, dass es dir einigermaßen gefallen hat und vielen Dank noch mal für den ausführlichen Kommentar.

lg, zash

 

Hallo Zash,

Nichts geht mehr. Krass.

Ich habe deine Geschichte mit Interesse gelesen. Ich wohne in einer Kleinstadt, aber da sind Drogen längst alltäglich geworden. Und man beginnt, wegzuschauen, vor allem an Schulen, weil man es nicht in den Griff kriegt, die Kids vor den Dealern zu schützen. Es ist eine traurige Welt. Deshalb finde ich es toll, dass du dich diesem Thema gewidmet hast.
Habe ich dich richtig verstanden, dass die Reflexionen auf wahrscheinlich seinen letzten Kindergeburtstag das letzte sind, die er noch in diesem Leben wahrnehmen kann? Sozusagen, was er mit seinen Händen nicht gemacht hat, hat sie dann mit, ja mit was auch immer, gemacht. Da kenne ich mich aber nun zu wenig aus, was so eine Wirkung haben könnte, wenn es geschnupft wird.

Ich finde die Geschichte lebhaft geschrieben, mir sind aber paar Kleinigkeiten aufgefallen.

Ich zeigte auf meinem Geldbeutel.

auf meinen

Dann öffnete sich die Zimmertür.

Die Tür öffnete sich ja nicht von selbst. Wäre es nicht besser zu schreiben: Dann wurde die Zimmertür geöffnet?

Wie einen Clown, den ich vor über zehn Jahren im Zirkus gesehen hatte.

Wie ein Clown

Sie kicherte, dann sagte kurze Zeit niemand etwas.

Da sie nur zu zweit sind, würde ich schreiben, dass keiner etwas sagte. Das kommt weiter hinten noch mal vor.

„Haben sie dich wohl ganz alleine gelassen?“

Entweder: Haben dich wohl ganz alleine gelassen?
Oder: Haben sie dich ganz allein gelassen?

„Wir mussten am Montag mit Mozart zum Arzt, weil er in einen Dorn getreten ist und der war dann in seiner Pfote gesteckt.“

Ich weiß, dass in einigen Gegenden in Deutschland so geredet wird. Ich würde hier lieber schreiben, dass der Dorn in seiner Pfote gesteckt hat.

Im Gegensatz zu meinen Eltern waren ihre unsagbar streng gewesen und obwohl sie gewusst hatte, was ihr blühen würde, wenn sie wieder pitschnass nachhause kam, ließ sie sich ihren Spaß nicht nehmen.

Ich glaube, es muss hier heißen: ... obwohl sie gewusst hatte, was ihr blühte, wenn sie ... (Aber genau weiß ich es nicht :shy:)

Viele Grüße
khnebel

 

tagchen khnebel

Ich habe deine Geschichte mit Interesse gelesen.

Das hört man gerne. Danke.

Habe ich dich richtig verstanden, dass die Reflexionen auf wahrscheinlich seinen letzten Kindergeburtstag das letzte sind, die er noch in diesem Leben wahrnehmen kann?

Also ich hatte es so geplant, dass die Kindergeburtstagszenen einfach nur ein bisschen erzählen sollen, wie es früher war. Zwei separate Teile/Geschichten und keine wirklichen Reflexionen, aber hey... wenn dir es als Reflexionen besser gefällt, dann darfst du da für dich gerne Reflexionen draus machen ;).

Sozusagen, was er mit seinen Händen nicht gemacht hat, hat sie dann mit, ja mit was auch immer, gemacht. Da kenne ich mich aber nun zu wenig aus, was so eine Wirkung haben könnte, wenn es geschnupft wird.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was genau du damit meinst. Sorry...

[...]mir sind aber paar Kleinigkeiten aufgefallen.

Danke für die Hinweise und danke fürs Lesen und Kommentieren.

lg, zash

 
Zuletzt bearbeitet:

Alles schon gesagt,

lieber zash,
aber müsstihr jungen Leute immer so viel Rauchen? Meine Bude ist schon ganz verqualmt! Aber im Ernst: es ist die bisher beste Geschichte, die ich von Dir gelesen hab. Da braucht’s dann auch weiter keiner Nacherzählung das tun schondie, deren Schulzeit nicht schon eine kleine Ewigkeit zurückliegt). Aber der Schnitzer sind noch einige …(!) Vielleicht ist es aber auch nur Flüchtigkeit, denn manchmal klappt’s und dann hab ich wieder das Gefühl, der verpasst entweder den Anfang oder das Ende von Nebensätzen.

Ich schloss die Augen und versuchte[,] sie geschlossen zu halten.
(Infinitvgruppe ist von Substantiv abhängig, selbst wenn sich stellvertretend das Pronomen dazwischendrängt)
Zu früh für meine Eltern, um aufzustehen[,] und auch für mich, aber…
Sie war kaum dazu in der Lage, gerade zu stehen[,] und …
… merkte, wie ich meinen Kopf nicht mehr halten konnte, weil er eine Tonne zu wiegen schien[,] und ich merkte, wie …
Um etwas Schutz zu finden[,] zog ich mir die Kapuze meiner Jacke bis weit ins Gesicht, …

Fast ausschließlich Infinitivsätze, bis auf zwo, drei Ausnahmen
… sie zog ihre Mundwinkel so hoch, dass sie beinahe einrissen[,] und drückte mir einen zusammengerollten Fünfziger in die Hand.
„Hey. Sag mal[,] hast du nicht die Tage Geburtstag, oder so?“
Jetzt zuletzt
Bella setzte sich neben mich, als ich mir eine Zigarette anzündete[,] und drückte mir einen Aschenbecher in die Hand.

Auslassungspunkte zeigen i. d. R. an, dass wenigstens ein Buchstabe oder auch ein Wort ausgelassen wurde. Die Form, wie hier dargestellt
Im Gegenteil...
verwendestu üblicherweise. Sie behauptet, am vorhergehenden Wort fehle mindestens ein Buchstabe.
Besser also Leertaste zwischen vorhergehendem Wort und erstem Auslassungspunkt (da musstu noch mal selbst schauen)

Hier neigstu zu übertreiben

… und ihre Finger waren schweißgebadet.
Ein Handbad, sozusagen. Aber die Finger waren bestenfalls schweißnass.

Gelegentlich und sparsam verwendestu den Konjunktiv, wie hier

… hätte ich mich doch niemals hier her zurück getraut.“
(aber: hierher)

Hier könnte er aber durchaus auch verwendet werden

Ich versuchte mir vorzustellen, wie mein Geburtstagstisch aussah, was für einen Kuchen meine Mutter gebacken hatte und welche Geschenke ich bekam
Der Indikativ behauptet doch, dass es tatsächlich so sei, wie der Erähler es sich vorstellt.

Hier schnappt m. E. die Fälle-Falle zu

… und spürte die Wärme einer der ersten Frühlingstage.
Der Satz steht – bis auf eine winzige Ausnahme – im Genitiv
… und spürte die Wärme … der ersten …tage
Warum nicht auch der „eine“ Tag? Besser
… und spürte die Wärme eine der ersten Frühlingstage.
(wenn ich es richtig in Erinnerung hab, hätte der Grammatikduden inzwischen nix gegen die Dativkostruktion "von einem der ersten ..."

Das mag einem in wörtlicher Rede so rausrutschen, in Schriftform wirkt es ungelenk*

Ihren einen Arm hielt sie auf Kopfhöhe und lehnte sich mit dem Ellenbogen an; …
Besser
[Einen] Arm hielt sie …
(Wessen Arm könnte sie sonst noch eben so halten?

Hier müsstestu das Attribut ein wenig umändern

…, die im dimmen Licht der Stehlampe funkelten, …
to dim, dimmen ist Verb. Setz das Partizip „gedimmt“ ein, und schon hat es die Wirkung eines Adjektivs

Flüchtigkeit, mal ist ein und zu viel

… wie eine Hautkrankheit aussehen und und ihre Beine waren mit blauen Flecken übersät.
dafür fehlt hier was, vorzugsweise das passende Pronomen
… dann ließ mich aufs Bett fallen und schloss die Augen.

Hier wäre der Konjunktiv ein letztes Mal angesagt, selbst wenn das Gefühl zum Indikativ neigt
…, um mich davon zu vergewissern, dass man sie mir nicht abgeschnitten hatte, denn genau so fühlte es sich an.
Der Kopf ist doch noch dran, gelt? Unterstell ich mal.

So viel oder wenig für heute!

Gern gelesen vom

Friedel,
der noch über den Titel nachdenken wird ...

 

Hallo Zash,

da hab ich mich bisschen ungenau ausgedrückt.

Ich meinte: Er hatte sie gewürgt, es hätte ja auch schief gehen können und sie war verständlicherweise stinksauer auf ihn. Ich hätte, ehrlich gesagt, nicht damit gerechnet, dass sie zurück kommt. Ja und dann diese Szene, wo er keine Macht mehr über seinen Körper hat. Ich habe das so verstanden, dass sie ihn ins Jenseits befördert.

khnebel

 

Mein Güte. Deine Grammatik/Zeichensetzungsfähigkeiten möchte ich haben, und damit hallo Friedrichard.

aber müsstihr jungen Leute immer so viel Rauchen?

Ja. müssen wir. Sorry :thumbsup:.

ber im Ernst: es ist die bisher beste Geschichte, die ich von Dir gelesen hab.

Danke dir und auch danke für den ausführlichen Kommentar, die Mühe, die du dir gemacht hast und die Verbesserungen. Werde mich darum kümmern, wenn ich Zeit habe.

Hallo khnebel noch mal

Also so habe ich das ursprünglich nicht geplant. Beziehungen in denen Drogen konsumiert werden sind komisch. Das sind meistens in erster Linie Zweckbeziehungen und da ist ein bisschen würgen eigentlich keine sooo schlimme Sache. Vielleicht hat sie ihn ins Jenseits befördert, vielleicht nicht. Eventuell stirbt er daran. Das kannst du dir aussuchen. Für mich hat er das Zeug einfach nicht sonderlich gut vertragen. Aber wie gesagt, wenn du ihn lieber tot haben willst, hast du meine Erlaubnis, ihn in deinen Gedanken zu töten :D.

lg, zash

 

„Wer auf dem Meer des Lebens nicht die Stürme der
Begierden bemeistern kann, ist ewiger Wellen Ball.“
Goethe​

Ich starrte an die Decke. Schon seit Stunden. Ein schwacher Luftzug drängelte sich durch das halboffene Fenster und ließ den dort oben hängenden, kalten Rauch entspannt von einer Zimmerwand zur anderen schwappen. Es erinnerte mich ans Meer; an die Endlosschleife, in der das Wasser in einer Bucht auf einen Felsen trifft, sich zurückzieht, erneut Fahrt aufnimmt und wieder dagegen prallt.
Meine Augen brannten wie Feuer. … die Geräusche der Straße zu konzentrieren; auf die Autos, auf die Stimmen der Fußgänger und auf das Klappern von Fahrrädern, die über das unebene Kopfsteinpflaster fuhren. Nach kurzer Zeit schon verschwammen die Geräusche jedoch; wurden zu akustischem Brei und heraus kamen immer neue Aneinanderreihungen von Tönen, die mich an elektronische Tanzmusik erinnerten und mir keine Ruhe gönnten.
Nun der schon wieder!,
magstu denken,

lieber zash,
manchmal weiß man gar nicht, warum ein Titel gewählt wird. Bei Dir ist's die auslösende Kette Meer – rauschen – Rau(s)ch – Geräusch – und in der zitierten Passage ist schon alles drin, was die Geschichte auch weiterhin begleitet. Da ist zunächst das Meer, das schon den Weltenstrom umgibt und den festen Boden (den Dein Erzähler sicherlich nicht immer unter den Füßen spürt), die Erde umspült, sich gar daran abarbeitet. Da ist die Weite des Meeres eine Wasserwüste, wie die Wüste ein Meer aus Sand und die arme Erde erscheint überlastet mit einer verbrecherischen Zahl an Menschen wie Sand am Meer. Da rauschen Wind und Wasser, aber auch die Masse Mensch und Maschine erzeugt Geräusche als Getöse, Lärm und Schall, bilden aber einen strengen Gegensatz zu Klang und Ton (aber um wie viel mehr gilt heute Wilhelm Buschs „Musik wird oft nicht schön empfunden/weil sie stets mit Geräusch verbunden“), umso mehr die elektrisch verstärkte. Letztlich aber hört der Arzt im Stethoskop das Geräusch der Blutgefäße, was selbst der Taube noch an seinem Tinitus erkennen mag.
Das Geräusch hat sich am weitesten von seinem mütterlichen Verb rauschen entfernt, kommt aber seiner Substantivierung Rausch in ungestümer Bewegung, in Angriff und Sturm wieder sehr nahe. Im übertragenen Sinn findet er sich im Kopf des Zechers, aber auch im Taumel und der seelischen Trunkenheit vor Glück und Entzücken (Bella?, die Schöne …)
Kennstu die Drogenprotokolle Walter Benjamins?
Gelegentlich schreibt er dort auch vom Meer. Dabei entwickelte er das Gefühl, auf dem Meer zu sein. Im Rausch fährt er nicht zur See, vielmehr denkt er an eine „Meerfahrt“, als lebte er in einer Kabine.
Das ist nahe bei Reikis blauem Zimmer, wo die Icherzählerin in einer Einzelzelle (wie jeder ordentliche Straftäter) lebt und so die Leibniz’sche Monade verwirklicht. Die Reise B.s endet übrigens damit, die Welt durch Glas zu sehen - wobei er sicherlich weder den durchsichtigen Inhalt des Augapfels noch seine Brille meinte – und in dem sichtbaren Raum entwickelte sich ein Gespinst „mit schwarzem Hintergrund wie auf schlechten Stichen“, gewebt durch die Droge –
bei ihm (1927) war’s Hasch.

Gruß

Friedel,
der durch seine närrischen Weiber schon rittitti wird …

 

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