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Erinnerungen an meine Kindheit

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07.03.2004
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Erinnerungen an meine Kindheit

Damals vor 43 Jahren wäre Hermann 14 Jahre alt geworden, er war mein bester Freund.
Vergangenen Sommer, im Kinderfreibad, am Fußballplatz, auf der Pfarrwiese, am Flußufer, wo wir mit der Hand noch die Fische ..............!
Hermann, der furchtbar Lustige und zugleich furchtbar Traurige, der wie so oft wegen jeder Kleinigkeit mit mir zu raufen begann, seine Schultasche nach mir warf, aber mich stets anderen gegenüber uneigennützig verteidigte, auf ihn konnte ich mich verlassen.
Und wenn wir uns am Schulweg nicht gleich trafen, mußten ja täglich 20 Kilometer hin, und wieder 20 Kilometer mit dem Zug zurück fahren, so wartete immer einer auf dem anderen.
Und wenn er mich sah, riß er immer die Hand in die Höhe, schwenkte sie grüßend und stieß einen hellen Begrüßungsjuchzer aus.
Unsere gemeinsame Schulzeit war von einer unbekümmerten Lebensfreude geprägt.
Damals war vieles ja nur Spaß gewesen, jetzt war es schon eine ganz andere, ernsthafte Geschichte. Erstmal lernte ich, daß es auch Schattenseiten des Leben gab.
Hermann wurde ins Krankenhaus gebracht, seine Eltern erklärten mir, man hätte bei einer Untersuchung einen Tumor in seinem Kopf festgestellt.
Ratlosigkeit stellte sich bei mir ein, konnte nicht begreifen, welche Konsequenz und Gefahren es für Hermann bedeuten konnte, so direkt wurde ich noch nie in meinem kurzen Leben mit der brutalen Wirklichkeit konfrontiert.
Die Frage um die Zukunft von Hermann beunruhigte mich ganz außerordentlich, ich tat mir schwer bei dem Gedanken, diesen Sommer keine Raufereien, keine Indianerspiele, kein Fußballspielen mit zerschossenen Fensterscheiben, kein Fischen an unseren geliebten Bach mit Hermann erleben zu können.
Für ein paar Tage kam Hermann nach Hause, seine Eltern waren zu traurig und wollten niemand an ihm heran lassen, aber ich durfte Hermann kurz besuchen, bevor er seine Reise nach Wien in eine Spezialklinik zur notwendig gewordenen Operation antrat.
Hermann lag ruhig in seinem Bett, den Mund ein wenig offen, den Blick der hellen Augen ins Leere gerichtet, wie geistesabwesend saß ich bei ihm und grübelte und sann über das Schicksal, welches doch so geheimnisvoll war.
Einmal blickte mir Hermann ins Gesicht und ein Lächeln huschte über sein blasses, bereits mit altklugen Zug versehenem Knabengesicht.
Eine Sehnsucht nach etwas unaussprechlich Schönem schien sein Blick zu sagen.
Kein Ton kam uns von unseren Lippen, beide schauten wir uns nur an, genauso, als bräuchten wir gar nichts sagen, wir verstanden uns auch so.
Hermann war schon ein wunderbarer Junge, in manchen Dingen konnte ich mich nicht im entferntesten mit ihm messen. Obwohl wir beide gleich alt waren, hatte ich das Gefühl, er wäre schon uralt, seine Kindheit längst abgelegt, schon eine Vorahnung?
Seine Eltern baten mich nach einer doch längeren Zeitspanne zu gehen, ich wußte, Hermann würde es weh tun, er fürchtete genauso den Abschied, Verzweiflung stand jeden ins Gesicht geschrieben.
Die Eltern selbst verzweifelten, oft beteten sie zum lieben Gott um Hilfe, und dabei mußte ich denken: Wenn Gott doch nur den Hermann wieder gesund werden ließe, es war doch so unbegreiflich, daß der Allmächtige da nicht helfen wolle.
War es das letzte geschenkte Lächeln von Hermann – ich wagte es kaum zu denken – war es bereits ein Abschied für immer?
So ging ich, wanderte stundenlang träumend auf Wald- und Wiesenwegen dahin, heimgehen wollte ich nicht, zu viele Rätsel plagten mich, die ich nicht lösen konnte, die Frage nach dem WARUM stand wie eine hohe Mauer vor mir, die ich nicht zu erklimmen vermochte, erhoben vor meinem Geist und verschossen vor der Welt.
Tränen tropften auf meine Wange, ich wischte sie eilig fort, so ein großer Junge und noch weinen – aber dann ließ ich doch den Tränen ihren freien Lauf.
Heute nach 43 Jahren machte ich wieder einen Spaziergang durch unser Dorf, diesmal aber nicht alleine, ich hatte meine zwei Enkelkinder, Zwillingsschwestern Anna und Kathi an meiner Seite.
Es schneite zum erstenmal in diesem Jahr, große, weiche Flocken sanken ganz ruhig in gleichförmigem Fluge auf die Erde nieder, hingen als weiße Federblüten in den hohen, dürren Herbstgräsern und hefteten sich an die Baumstämme, wo man die seinen Formen ihrer Krystallsterne auf dem grünen Rindenmoos flimmern sah.
Dann kam eine Hast in das Schweben, eine Unruhe, als würden die Flocken heftig aus dem grauen Wolkenbett verjagt; immer eiliger flatterten und taumelten sie durcheinander, bis sie in tollem Wirbel alle Gegenstände einhüllten.
Entzückt blickte ich meine Enkelkinder an. Wie ihre Augen und ihre kleinen, runden Bäckchen
leuchteten unter dem weißen Flaum, der ihre Samtkäppchen, ihre Schultern und ihren Muff bedeckte! Welch’ ein reizender Schmuck das war!
Sie standen wie kleine Winterköniginen unter den beschneiten Tannen. Konnte man sich etwas Hübscheres vorstellen? Und der Wald, der kahl, grau und langweilig öde dalag, hatte binnen einer Stunde ein völlig anderes, geheimnisvoll prächtiges und doch trauliches Ansehen bekommen durch das schimmernde Weiß, das einen so kräftigen Gegensatz zu dem Grün der Fichten und dem dunklen Baumgeäst bildete. Ich schwelgte in dem Vergnügen an dieser jähen Verwandlung der Dinge ringsumher, welche Schönheit es doch in unserem Leben gibt.
Ohne mir darüber klar zu sein, wußte ich plötzlich – es war einmal alles anders gewesen.
Ich empfand wieder den Schmerz und litt wieder unter den Gefühlen, damals als wir schieden und Hermann sich nicht mehr mitteilen konnte. Albern und verrückt nach so vielen Jahren, fand ich, aber dann war ich doch heimlich stolz auf mich und meine wunderlichen Träume.
Ich träumte, daß Hermann in den grauen Wolken lag und mit seinen Händen die Schneeflocken herabwarf – immer mehr – immer mehr, um ihm die häßliche Erde zu verhüllen. Und endlich löste sie sich in seinen Empfindungen ganz zu Schneeflocken auf und schwebte lustig und feierlich im Reigentanz durch die Luft zu ihm nieder.
,,Opa, starre nicht so in die Gegend,” hörte ich Anna und Kathi sagen, „uns wird schon ganz fad, wenn wir nur so herum stehen!“
Meine Stimmung schlug dann doch plötzlich um, ich griff eine Hand nach der anderen voll Schnee, ballte sie und warf sie meinen Enkelkindern in den Nacken. Dann balgten wir uns gehörig, lachten und kreischten.
Und doch kam die Traurigkeit wieder zurück, ich blickte meine Enkelkinder schweigend an und mein Blick kehrte zurück, sah wieder Hermann, in seinem noch so kindlichen Gesicht lagen Furcht und Erstaunen vor dem großen Geheimnis, das langsam und leise durch das Haus schlich – leise und langsam einen aus unserer Mitte hinweg nahm.
WOHIN?
Und so auf und nieder mit meinem Schmerzenston, auf und nieder mit einer Eintönigkeit, die ermüdete und aufregte, die fast zur Verzweiflung führte, daß man hätte fliehen mögen bis ans Ende der Welt – nur um nichts mehr zu hören.
Irgendwie bekamen meine Enkelkinder die Stimmung mit und wir rückten nun eng aneinander, und endlich kam ein Augenblick, in dem der Schmerzenston verstummte und alles plötzlich in eine große, feierliche Stille versank.
Die Kinder klammerten sich atemlos aneinander und ich lauschte weiter . . . Die Stille war nicht erlösend – sie war fürchterlicher und schreckenerregender als alles Frühere.
,,Er ist wohl friedlich eingeschlafen,” dachte ich, aber niemand konnte mir antworten.
Ich werde niemals in meinem Leben vergessen, was Todesstille bedeutet, die Bilder der Beerdigung von Hermann kamen wieder in den Sinn, Hermanns Vater, er war still und ernst, etwas steif und förmlich, wie Männer werden, wenn sie einen großen Schmerz beherrschen wollen.
Ich stand irgendwo zerstreut und meine Augen blickten geistesabwesend ins Leere, viele aus dem Freundeskreis von Hermann äußerten sich mit Tränen. Gedanken und Gefühle, die uns quälten, rangen nach Form und Ausdruck.
Auf dem Kirchhof, an Hermanns offenem Grabe, während der langen Rede des Predigers, die in einförmigem Tonfall ungehört an mein Ohr schlug – da kam es plötzlich – da wurde es mit einemmal lebendig in meinem Kopf: Worte, Gedanken, Bilder, Reimklänge tauchten in mir auf und fügten sich leicht und harmonisch ineinander, daß ich selber fast davor erschrak – vor dieser neuen Fähigkeit, die ich noch nicht in mir kannte.
Ich stahl mich davon, als die Leidtragenden auseinandergingen, und kritzelte in meinen Schülernotizblock nieder, was in meinem Kopfe entstand.
Ich wußte, daß ich Hermann niemals vergessen konnte.
Aus dem Tode des armen Jungen war in mir die lebendige Kraft entsprungen, die ich sorgsam und heimlich hütete als eine schicksalsmächtige Gabe, welche mir den Weg in die Zukunft wies.

 

Hallo Willy,

eine wirkllich sehr gefühlvoll geschriebene Geschichte, die mich sehr gerührt hat. Dein Schreibstil läßt den Leser die Situation gut mitfühlen. Nur eine winzig kleine Kritik: das Wörtchen "man" sollte in einer Geschichte anders umschrieben werden.

Gruß Chrisstories

 

Hallo Chrisstories,
schönen Dank für Deine Worte, tja, liebe Malerei, Fotografieren, Klassik, jetzt im Älterwerden scheint mich die Literatur gepackt zu haben.
Vage Anfangsversuche, "deutsche Sprache" immer so ein komisch spanisches Dorf, seit meiner Schulzeit schon, aber das Bedürfnis sich doch mitzuteilen, ist einfach stärker.
Ich bin am Lernen *gg* LG Willy

 

hi willy,

leider bin ich von deiner geschichte nicht im entferntesten so angetan wie chris. eine zeitlose gefühlsduselei, die mit viel zu vielen worten viel zu wenig erzählt. da ist hermann, der wird mal ein wenig umschrieben, dann stirbt er und der erzähler nimmt dieses ereignis sein ganzes leben mit. dieser letzte satz ist quasi eine inhaltsangabe zu deinem text. mehr ist da nicht. es ist keine herausforderung, traurige gefühle in texte zu verwandeln. aber zu einer geschichte, besonders zu einer mit dieser länge, gehört etwas mehr. irgendwie musst du deinen leser doch motivieren, dass er bis zum ende durchhält. womit soll dir das geglück sein? der erzählstil ist humorlos, träge und sehr langsam. nun könntest du natürlich argumentieren, dass humorlos, träge und langsam zum thema passt. aber das würde ich nicht unbedingt so sehen. du kannst einer traurige geschichte schon einen gewissen schwung geben. selbst humor wäre nicht fehl am platz. aber du verzichtest ganz auf motivierende schreibstile und setzt alles auf die melancholie. die kam aber bei mir zumindest nicht an. herrmann ist mir zu fremd, als dass ich, leser, über seinen tod traurig sein könnte, und die innere zerissenheit des erzählers ist dermassen überlagert, dass das gefühl der langeweile stärker ist als alles andere. gut, so jetzt kritisch herumschwafeln ist natürlich einfach ... was würde ich ändern?

herrmann muss dem leser nähergebracht werden. lass sie spielen, lass sie kleine abenteuer erleben, lass sie zusammenwachsen, lasse sie nicht fenster einschiessen, das ist zu klischeebelastet, lass sie rivalen sein. herrmann MUSS persönlicher werden. erst wenn der leser begriffen hat, wie stark dieses band zwischen herrmann und dem namenlosen ist, erst dann schockiere den leser mit herrmanns tod. dann bitte aber nicht, indem du fast schon beiläufig den tumor erwähnst. wie kannst du dieses spannungselement nur so achtlos vergeuden?? herrmann fühlt sich von mal zu mal schlechter. es dauert eine weile bis sein freund besorgt wird. der freund steht am anfang aber erst uninformiert und rätselnd aussen vor. irgendwann erzählt die mutter von herrmann unter unterdrückung der tränen von seinem tumor. dann aber kommt erst mal eine hoffnungsphase. deine hoffnungsphase ist eine wiener spezialklinik. verdammt kurz, oder? da muss ein längeres aufflimmern von hoffnung sein. lasse herrmann wieder gesund sein. alle welt denkt, er hat es geschafft. dann kommt der rückfall - zack! wieder ein spannungselement.
wenn herrmann tot ist, dann beschreibe des erzählers werdegang. der leser erfährt nur, dass er opa geworden ist. später erfährt er noch, dass herrmanns ableben ihn begleitet hätte, aber wie tief und wobei das bleibt uns verschlossen. bei der biographie darf herrmann gerne im schatten stehen.
die rückreise in das dorf besonders in die gegend, in der herrman gelebt hatte, muss ebenfalls ein höhepunkt werden. lasse den erzähler sich überwinden müssen. diese überwindung darf jahrzehnte gedauert haben. wenn er zurück ist, dann muss berücksichtigt werden, dass sich die gegend mit der zeit mächtig verändert hat. lasse den mann davon berichten und bezüge zur vergangenheit dabei setzen. und lass doch diese schneewehen dabei weg. wenn du unbedingt willst, dass herrmann von oben für wirbel sorgt, dann reduzieren diesen überlangen teil auf ein minimum, sonst zieht sich das wie kaugummi.
das gerüst der geschichte würde jetzt stehen, du kannst die zwischenräume mit etwas wehmut füllen - das aber dann auch nur in maßen!!
übrigens: schreibe zahlen besser aus und verhindere wortdoppelungen. hierfür die textbezüge:

Damals vor 43 Jahren wäre Hermann 14 Jahre alt geworden, er war mein bester Freund.

schreibe zahlen weitmöglichst aus

Und wenn wir uns am Schulweg nicht gleich trafen, mußten ja täglich 20 Kilometer hin, und wieder 20 Kilometer mit dem Zug zurück fahren, so wartete immer einer auf dem anderen.
Und wenn er mich sah, riß er immer die Hand in die Höhe, schwenkte sie grüßend und stieß einen hellen Begrüßungsjuchzer aus.

"immer" ist doppelt. "stets" oder "jedes Mal" sind ersatzwörter

Eine Sehnsucht nach etwas unaussprechlich Schönem schien sein Blick zu sagen.
Kein Ton kam uns von unseren Lippen, beide schauten wir uns nur an, genauso, als bräuchten wir gar nichts sagen, wir verstanden uns auch so.

"sagen" doppelt sich. "zu sagen" >> "auszudrücken" ?
das sind meine gedanken zu deiner geschichte.

ich weiss nicht, ob du mit diesen überlegungen etwas anfangen kannst, aber du schreibst, dass dich die literatur gepackt hat, dann darfst du gerne mal einen einblick darin bekommen *smile*!

bis dann

barde

 

Danke Barde, jede Hilfe willkommen, üben, üben muss ich wohl, aber mit eurer Hilfe lerne ich doch, worauf es beim "Schreiben" ankommt.
Meine ersten Gehversuche können ja nur bescheiden ausfallen, aber ich muss feststellen, dieses Forum ist schon was besonderes, Kompliment an alle Beteiligten.
Fühle mich sauwohl hier *gg* LG Willy

 

fehlerliste nachgeschoben

so wartete immer einer auf dem anderen.

"dem" >> "den"

Verzweiflung stand jeden ins Gesicht geschrieben.

"jeden" >> "jedem"

Sie standen wie kleine Winterköniginen

"Winterköniginen" >> "Winterköniginnen"

 

hallo, Willi, mir gefällt diese Geschichte sehr gut. Ich kann verstehen, daß Dir die Erinnerungen so am Herzen liegen, daß sie aufgeschrieben werden müssen. Mir geht es genau so. Ob die Geschichten gefallen, ist auch eine Generationenfrage. Die jüngeren Schreiber -und Leser(innen) lieben ganz andere Themen.Mach weiter so. Karina

 

Danke Karina,
verfeinern muss ich noch meinen Schreibstil, irgendwie wird schon mal klappen. LG Willy

 

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