Erfolg und das Warten danach
Mit einem Ruck lösten schummrige Lichtambitionen die Dunkelheit ab. Kreischend hatten die kleinen Eisenräder das etwas überdimensionierte Schienenfahrzeug, das offenbar noch aus den Pionierzeiten der Bahnkonstruktion stammte, zum Stehen gebracht.
Noch bevor das gequälte Zischen der sich öffnenden Türen verstummen konnte, betrat Casper das UBahnhofsgewölbe und fand sich in dem klassizistisch anmutenden Waschtempel eines durchschnittlich exzentrischen Milliardärs wieder:
Die Wände waren wie üblich verfliest und auf ihnen wanden sich Großstadtplanerhirnen entsprungene antike Gottheiten im ewigen Kampf umeinander. Das spärlich verteilte Licht der wenigen, noch intakten Lämpchen tat sein Übriges, so dass man ständig eine Fackelparade als Lichtquelle vermuten wollte.
Mit hastig-hallenden Schritten entfloh Casper der unterirdischen Grausamkeit in Richtung Rolltreppe. Außer ihm war so gut wie niemand in dem Bahnhof, und die verirrten Seelen der wenigen Anwesenden nahm er nicht wahr. Auf der Treppe angekommen blieb er stehen und liess sich von ihr ins Tageslicht fahren: wie von Götterhand in den Olymp tragen. Noch ein Schritt, um dem steten Kreislauf der Technik zu entrinnen, und Casper nahm seine Umgebung nun in aller Deutlichkeit wahr.
Das Bild, das sich ihm bot, überraschte ihn in keiner Weise; er hatte es im Gegenteil genau so erwartet.
Ein paar Schritte weiter rechts wartete schon die Frau mit dem Mikrophon in der Hand. Nach eben jenem zu urteilen kam sie entweder von einer lokalen Radiostation, oder vom Regionalfernsehen, denn gerade unterhalb des Schaumstoffschutzes befand sich eine kastenförmige Unnützlichkeit am Griff, auf der vier Buchstaben geschrieben standen. Die Buchstaben ergaben in der gebotenen Konstellation für Nichteingeweihte und Zugezogene keinen Sinn.
Casper strich sich die Falten aus dem geliehenen Anzug und steuerte auf die Frau zu, die ihm gelangweilt entgegen sah. Also verlangsamte er seinen Schritt ein wenig, um nicht zu übereifrig zu wirken, und erkannte so im Augenwinkel die grimmigen Strassenmusikanten zu seiner Linken. Nicht, dass er sie mit Namen hätte benennen können, aber in ihren hassverzerrten Allerweltsgesichtern fand er etwas Vertrautes.
„Könnte ich wohl ein Autogramm bekommen“, fragte die Frau und hielt ihm umständlich mit einer Hand Mikrophon und einen Zettel entgegen, während sie die andere in ihrer Tasche beliess. Ungeschickt fischte Casper den Kugelschreiber, den er einmal als Werbegeschenk erhalten hatte und vorsichtshalber immer bei sich trug, aus seiner Innentasche: „Natürlich.“
Er kritzelte seinen Namen auf das Stück Papier, wobei er eine Hand als Unterlage benutzen musste, was die Sache nicht unbedingt einfacher machte, und wollte es der Journalistin zurückgeben. Diese aber reagierte garnicht auf seine Geste, sondern sah ihn weiterhin erwartungsvoll an.
„Ach so, verstehe. Entschuldigen Sie bitte“, versuchte Casper sich an dem, was man bei einer Frau wohl ‚Knicks’ genannt hätte, „Erlauben Sie, dass ich mich zuerst vorstelle. Mein Name ist Casper, und ich habe mal mit dieser Band, Orange Something, ein Lied eingesungen. Keine grosse Sache zwar, aber eine ganz grosse Nummer. Seinerzeit.“
„Richtig, jetzt erinnere ich mich an Sie! Nur das Lied will mir einfach nicht einfallen“, seufzte die Reporterin. Eine Windboe zwängte sich durch die Häuserschlucht, zerrte an Haar und Mantel und zwang sie wohl, die Augen zusammenzukneifen. „Wenn sie es vielleicht noch einmal singen könnten? Da wäre mir sehr geholfen.“ Casper nickte grossmütig, um seine Unsicherheit zu verbergen, und sah sich nach den Strassenmusikanten um.
Die aber waren längst verschwunden.