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Erfolg und das Warten danach

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12.03.2004
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Erfolg und das Warten danach

Mit einem Ruck lösten schummrige Lichtambitionen die Dunkelheit ab. Kreischend hatten die kleinen Eisenräder das etwas überdimensionierte Schienenfahrzeug, das offenbar noch aus den Pionierzeiten der Bahnkonstruktion stammte, zum Stehen gebracht.
Noch bevor das gequälte Zischen der sich öffnenden Türen verstummen konnte, betrat Casper das UBahnhofsgewölbe und fand sich in dem klassizistisch anmutenden Waschtempel eines durchschnittlich exzentrischen Milliardärs wieder:
Die Wände waren wie üblich verfliest und auf ihnen wanden sich Großstadtplanerhirnen entsprungene antike Gottheiten im ewigen Kampf umeinander. Das spärlich verteilte Licht der wenigen, noch intakten Lämpchen tat sein Übriges, so dass man ständig eine Fackelparade als Lichtquelle vermuten wollte.
Mit hastig-hallenden Schritten entfloh Casper der unterirdischen Grausamkeit in Richtung Rolltreppe. Außer ihm war so gut wie niemand in dem Bahnhof, und die verirrten Seelen der wenigen Anwesenden nahm er nicht wahr. Auf der Treppe angekommen blieb er stehen und liess sich von ihr ins Tageslicht fahren: wie von Götterhand in den Olymp tragen. Noch ein Schritt, um dem steten Kreislauf der Technik zu entrinnen, und Casper nahm seine Umgebung nun in aller Deutlichkeit wahr.
Das Bild, das sich ihm bot, überraschte ihn in keiner Weise; er hatte es im Gegenteil genau so erwartet.
Ein paar Schritte weiter rechts wartete schon die Frau mit dem Mikrophon in der Hand. Nach eben jenem zu urteilen kam sie entweder von einer lokalen Radiostation, oder vom Regionalfernsehen, denn gerade unterhalb des Schaumstoffschutzes befand sich eine kastenförmige Unnützlichkeit am Griff, auf der vier Buchstaben geschrieben standen. Die Buchstaben ergaben in der gebotenen Konstellation für Nichteingeweihte und Zugezogene keinen Sinn.
Casper strich sich die Falten aus dem geliehenen Anzug und steuerte auf die Frau zu, die ihm gelangweilt entgegen sah. Also verlangsamte er seinen Schritt ein wenig, um nicht zu übereifrig zu wirken, und erkannte so im Augenwinkel die grimmigen Strassenmusikanten zu seiner Linken. Nicht, dass er sie mit Namen hätte benennen können, aber in ihren hassverzerrten Allerweltsgesichtern fand er etwas Vertrautes.
„Könnte ich wohl ein Autogramm bekommen“, fragte die Frau und hielt ihm umständlich mit einer Hand Mikrophon und einen Zettel entgegen, während sie die andere in ihrer Tasche beliess. Ungeschickt fischte Casper den Kugelschreiber, den er einmal als Werbegeschenk erhalten hatte und vorsichtshalber immer bei sich trug, aus seiner Innentasche: „Natürlich.“
Er kritzelte seinen Namen auf das Stück Papier, wobei er eine Hand als Unterlage benutzen musste, was die Sache nicht unbedingt einfacher machte, und wollte es der Journalistin zurückgeben. Diese aber reagierte garnicht auf seine Geste, sondern sah ihn weiterhin erwartungsvoll an.
„Ach so, verstehe. Entschuldigen Sie bitte“, versuchte Casper sich an dem, was man bei einer Frau wohl ‚Knicks’ genannt hätte, „Erlauben Sie, dass ich mich zuerst vorstelle. Mein Name ist Casper, und ich habe mal mit dieser Band, Orange Something, ein Lied eingesungen. Keine grosse Sache zwar, aber eine ganz grosse Nummer. Seinerzeit.“
„Richtig, jetzt erinnere ich mich an Sie! Nur das Lied will mir einfach nicht einfallen“, seufzte die Reporterin. Eine Windboe zwängte sich durch die Häuserschlucht, zerrte an Haar und Mantel und zwang sie wohl, die Augen zusammenzukneifen. „Wenn sie es vielleicht noch einmal singen könnten? Da wäre mir sehr geholfen.“ Casper nickte grossmütig, um seine Unsicherheit zu verbergen, und sah sich nach den Strassenmusikanten um.
Die aber waren längst verschwunden.

 

Bonsoir, Monsieur Eiffel,

und willkommen bei Kurzgeschichten.de.

Dein erster Beitrag hat ein interessantes Thema: Ich nenn diese Art Leute "B-Promis". Typen, die einer Lokalredakteurin interessant genug für ein Interview erscheinen, aber nicht so interessant, dass sie sich vor dem Interview etwas genauer informieren würde.

Ich nehm an, die Frau hat den Termin ein paar Tage zuvor mit ihm ausgemacht, hat sich den Namen notiert, aber dann vergessen, was oder wer er ist. Sie ist hingefahren, und nun ist sie in der peinlichen Lage, nicht zu wissen, wo sie ihn "hinstecken" soll.

Die ersten vier Absätze haben aber nichts mit dem Thema zu tun, oder erkenn ich das nur nicht? Ich find den Anfang noch dazu ziemlich nichtssagend, sorry. Okay, da ist Atmosphäre, und ich kann mir diesen Bahnhof gut vorstellen. Aber der Bahnhof hat doch gar nichts mit deinem Thema zu tun, oder?

Grüße,
Stefan

 

Hallo Stefan, vielen Dank fürs Willkommenheißen und die Kritik!

Mit deinen Annahmen liegst du natürlich richtig. Sogar mit den ersten vier Absätzen, im Grunde genommen. Hier findet ja noch keine Handlung statt. Ein gewisser Bezug zu der folgenden sollte allerdings schon bestehen.
So wollte ich eine bedrückende Atmosphäre schaffen, die man vielleicht analog zu Caspers Lebenslage sehen kann. Sein Erfolg liegt ja schon (weiter) zurück, er lebt von der Vergangenheit, gerät in Vergessenheit. Der Aufstieg aus dem UBahnhof heraus ist seine Chance, die zu nutzen ihm allerdings nicht gelingt. Die Reporterin erkennt ihn kaum, interessiert sich eigentlich garnicht für ihn.

Schönen Gruss, Bastian

 

Hallo nochmal,

du schreibst:

eine bedrückende Atmosphäre schaffen, die man vielleicht analog zu Caspers Lebenslage sehen kann.

Dass Casper seine Lebenslage bedrückt, hab ich nicht so empfunden. Er hat Angst, übereifrig zu wirken - wahrscheinlich, weil das Interview ihm wichtig ist. Er ist unsicher. Aber dass ihn seine Lage bedrückt, ist mir nicht klar geworden. Wenn dir das wichtig ist, solltest du es vielleicht deutlicher rausstellen?

Hier noch ein paar Fragen:
Inwiefern bedrückt ihn seine Lage? Ökonomisch? Oder weil er eitel ist? Weil er ohne das Bewusstsein, berühmt zu sein, nicht leben kann? Was heißt für ihn Erfolg?

Grüße,
Stefan

 

Hallo!

Dass Casper seine Lebenslage bedrückt - auch wenn man sich hier über das Wort und seine Reichweite streiten könnte -, habe ich wahrscheinlich als zu selbstverständlich vorausgesetzt. Ich denke, wenn er einmal den Erfolg schmecken durfte, möchte er unbedingt wieder dorthin zurück.

"Weil er ohne das Bewusstsein, berühmt zu sein, nicht leben kann?"
Nicht mehr leben kann, genau.

Aber dass die Parallele, die der UBahnhof darstellen soll, nicht deutlich wird, ärgert mich doch ein wenig. Vielleicht sollte ich Caspers Unzufriedenheit direkter ansprechen, und die Möglichkeit, die er im Kontrast dazu in dem Interview sieht, stärker betonen?
Ich denke drüber nach!

Vielen Dank nochmal,
Bastian

 

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