Erde, Wasser, Licht
Gewandert war sie, unsäglich weit, durch Europa, Asien, Afrika, Australien, Amerika. Sogar die Polkappen hatte sie besucht.
Gesehen hatte sie alles, die schönsten Wasserfälle der Welt, reiche Villen und Schlösser, den klaren Sternenhimmel in der Wüste, die großartigsten Kunstwerke aller Zeiten, nachts, die nackten kargen beunruhigenden Felsen in den Gebirgen, den Unfalltod ihrer Eltern, das satteste Grün der dichtesten Wälder, die Sandwüsten, ausgehungerte Kinder.
Sie hatte sich langsam entfaltet, die zarte Blume war gewachsen, hatte ihr Wasser bekommen.
Jedes Gefühl schon verspürt, jedes gekannt, das Gefühl der absoluten Ohnmacht, fast am Ende, diese Hilflosigkeit, zum Beispiel in der Kälte der Eiswüste, oder auch wenn du Jemandem eine alles verändernde Nachricht überbringen musst, das Gefühl winzig klein und allein zu sein, in den Weiten der Sahara, oder auch in einer Großstadt allein in der Wohnung, die Einsamkeit. Das Gefühl der Größe und der Freude, als sie den Berg bestiegen hatte, als Jemand zu ihr sagte dass sie ein wunderbares einzigartiges Wesen sei, was sie nie wirklich geglaubt hatte.
Sie blühte auf, neben dem Wasser hatte sie das Licht gestärkt.
Sie war überall gewesen, hatte so vieles gehabt, war weggelaufen seit dem Tod ihrer Eltern, vielleicht begann es auch schon früher, sie wusste es nicht mehr.
Sie wollte nicht enden wie ihre Eltern, nie gesehen was sie sehen wollten, nie gemacht was sie machen wollten, so sah sie fast alles, Grauen gleichermaßen wie Glück, so war sie weggelaufen, hinausgelaufen in die Welt, hatte sich verlaufen und sich selbst dabei nie gefunden, wusste nicht warum, war fortan im Kreis gelaufen, bis sie es dabei beließ.
Sie lief nicht mehr weg, sie erkannte.
Sie konnte nur finden was sie suchte indem sie nicht weiter fort lief.
Sie fand es schließlich, und sie fand auch den Grund weshalb sie weggelaufen war.
Sie vollendete die Blütenpracht, die vorher keinen Wert hatte. Da gab es mehr als Licht und Wasser, und mehr als die Erde in die sie gepflanzt wurde.
Dann suchte sie nichts mehr, und sie verlor ihre Blätter bis sie dann gänzlich verwelkte.