Er
Squeeeeek
Ein markerschütterndes Geräusch riss ihn aus seinem Schlaf. Die Erinnerungen an den vergangenen Tag waren nur noch unvollständig vorhanden. Wo war er und wie war er hier hergekommen?
Sein Rücken schmerzte, waren das Steine und Metallstreben auf denen er hier lag? Was war nur passiert? Er fühlte sich noch nicht in der Lage die Augen zu öffnen und suchte in seinen Erinnerungen nach der Antwort auf diese Fragen. Er war gestern auf eine Feier eingeladen gewesen, so weit wusste er noch Bescheid. Verdammt, die Kopfschmerzen machten ihn fertig, er schien es übertrieben zu haben. Was hat er auf dieser Feier nur getan? Er erinnerte sich daran, dass er mit zwei Freunden dort war. Er, der vor Kurzem eine schmerzhafte Trennung hinter sich gebracht hatte und jetzt wieder auf der Suche nach Leben war, war das erste Mal seitdem feiern.
Einzelne Ausschnitte der Feier kehrten zurück, da war diese süße Blonde, die ihm gleich ins Auge gefallen war. Er erinnerte sich daran, dass er sie ansprach, dass sie sich dazu entschlossen haben gemeinsam etwas zu trinken, dass sie sich auf Anhieb bestens verstanden. Sie war so anders als die Vergangene. Humorvoll, offen, ja, er erinnerte sich daran, dass er sie gerne für sich gewonnen hätte. Doch bemerkte er keine Person neben sich, er schien allein zu sein, wo auch immer er war.
Sie tranken große Mengen an Alkohol und entschlossen sich, die Feier zu verlassen und den Abend zu zweit zu verbringen. Die Erinnerungen daran, wohin sie gegangen waren, waren unscharf, er erinnerte sich nur daran, dass sie zu Fuß unterwegs waren. Endlich konnte er sich dazu durchringen seine Augen zu öffnen. Er lag unter freiem Himmel, die Sonne schien ihm ins Gesicht, blendete ihn. Er schloss die Augen wieder.
Es kehrten mehr verwischte Erinnerungen wieder. Er machte ihr Komplimente, sie erwiderte diese, sie lachten, hatten eine gute Zeit. Sie liefen irgendwo entlang, er konnte wirklich nicht wissen wo, und schauten gemeinsam den Sternenhimmel an. Er wusste nicht viel über den Nachthimmel, doch reichte sein Wissen über zwei, drei Sterne aus, um zumindest irgendwas zu diesem Gespräch beizutragen. Doch sie begann sich seltsam zu verhalten, irgendwie war sie schlagartig verschlossen und beantwortete die Frage danach, was mit ihr los sei nur mit: „Ach, gar nichts.“ Doch es war etwas mit ihr los, er wollte zwar herausfinden was, andererseits wollte er sie aber rumkriegen, da waren tiefgründige Gespräche nicht der richtige Weg. Außerdem war er zu betrunken um etwas sinnvolles zu sagen. Da war wieder eine komplette Lücke in seinen Erinnerungen.
Der Boden auf dem er lag vibrierte seltsam, nicht gerade hilfreich um sich zu konzentrieren. Die Erinnerung setzte erst deutlich später wieder ein. Sie waren wirklich irgendwo im Nichts gelandet, keine Zivilisation weit und breit, nur Wald und Wiesen. Sie hatte sich wieder beruhigt, so viel wusste er noch. Er wiederum hatte Zweifel entwickelt. Er war sturzbetrunken, kam gerade aus einer Beziehung, die ihn wohl noch für einige Zeit verfolgen würde. War das wirklich das, was er wollte? Nun war sie es, die ihn fragte, was mit ihm los war. Doch auch er antwortete nur „Ach, gar nichts.“ Doch sie ließ nicht locker, wollte aus ihm herausbekommen, was mit ihm los war. Da begann er ihr zu erzählen, aus welcher Situation er gerade kam, dass er alles, was ihm irgendwas bedeutet hatte verloren hatte und er neu in dieser Stadt war, er hier neu anfangen wollte und, dass er an diesem Abend das erste Mal nach dem Neubeginn unterwegs war. Auch erzählte er ihr, dass er sie ehrlich gesagt nur zur Ablenkung angesprochen hatte und ihn das jetzt gerade einholen würde. Sie nickte, erzählte ihm, dass sie in einer ganz ähnlichen Situation war und vorhin nur nicht die Kraft hatte ihm das zu erzählen. Sie sagte, dass es wohl besser sei, wenn sie jetzt getrennte Wege gingen, drehte sich um und ließ ihn zurück. Das war zu viel für ihn, er entschloss sich, den Heimweg nicht mehr anzutreten, war es doch viel zu spät, er wusste nicht wo er war und war viel zu betrunken. Er legte sich einfach nur hin. Er legte sich auf diese Metallstreben die jetzt so bedrohlich vibrierten.
Adrenalin schoss plötzlich durch seinen Körper, er riss die Augen auf und schaute sich um. Einige Dutzend Meter entfernt sah er einen Zug, der mit hohem Tempo in seine Richtung fuhr. Doch nach dem Chaos der letzten Wochen fehlte ihm die Kraft um aufzuspringen. Er entschloss sich, einfach liegen zu bleiben und schloss die Augen wieder.